OGH 6Ob661/84

OGH6Ob661/8411.10.1984

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Resch, Dr. Schobel, Dr. Riedler und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I*****, vertreten durch Dr. Gerhard Sarlay, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei R*****, vertreten durch Dr. Gert Kastner und Dr. Hermann Tscharre, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Herausgabe einer Liegenschaft (Streitwert 5 Mio S), in eventu Zahlung eines Betrags von 2.500.000 S sA, infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 4. Juni 1984, GZ 6 R 151/84‑5, womit der Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 17. Mai 1984, GZ 11 Cg 204/84‑2, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0060OB00661.840.1011.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird. Die Anordnung der Löschung der Anmerkung im Grundbuch wird dem Erstgericht überlassen.

Begründung

Die Klägerin begehrte, den Beklagten schuldig zu erkennen, der Klägerin die Liegenschaft GB *****, EZ *****, herauszugeben und in die Einverleibung des Eigentumsrechts für die Klägerin einzuwilligen, in eventu der Klägerin 2.500.000 S sA zu bezahlen. Überdies beantragte sie, diese Klage im Grundbuch anzumerken. Sie brachte dazu vor:

Sie sei die einzige Tochter und einzige gesetzliche Erbin nach dem am 10. 2. 1984 verstorbenen O*****. Dieser habe am 13. 1. 1984 dem Beklagten mit Schenkungsvertrag seinen gesamten Besitz, bestehend aus der Liegenschaft EZ ***** GB ***** samt darauf errichteten Betrieb im Mindestwert von 5 Mio S übereignet. Der Erblasser sei zum Zeitpunkt der Vertragsunterfertigung geistig nicht mehr in der Lage gewesen, den Vertragsinhalt zu erfassen, weshalb der Schenkungsvertrag nichtig sei. Die Klägerin habe daher einen Anspruch auf Feststellung der Nichtigkeit des Vertrags und auf Herausgabe der Liegenschaft. Als erbberechtigte Tochter habe sie einen Pflichtteilsanspruch gegen den Beklagten auf Zahlung von 2.500.000 S.

Das Erstgericht wies den Antrag auf Anmerkung der Klage mit der Begründung ab, die Klägerin mache lediglich einen obligatorischen Anspruch geltend und strebe aufgrund dieses Anspruchs den Erwerb eines bücherlichen Rechts an. Dies rechtfertige nicht eine Streitanmerkung im Sinne des § 61 GBG.

Das Rekursgericht ordnete in Stattgebung des Rekurses der Klägerin die Anmerkung des Rechtsstreits im Grundbuch an und sprach aus, der Wert des Gegenstands, über den das Rekursgericht entschieden habe, übersteige 300.000 S. Es führte in rechtlicher Hinsicht im Wesentlichen aus:

Die Streitanmerkung gemäß § 61 Abs 1 GBG setze zum einen voraus, dass der Kläger ein dingliches, zumindest aber ein Recht an einer verbücherten Liegenschaft geltend mache, das zufolge besonderer gesetzlicher Bestimmungen dinglichen Rechten gleichzuhalten sei, und zum anderen, dass er in seinem bücherlichen Recht verletzt zu sein scheine. Eine Streitanmerkung nach der zitierten Gesetzesstelle könne, abgesehen vom Fall der Ersitzung, nur derjenige begehren, der im Grundbuch bereits eingetragen gewesen sei, nicht aber derjenige, der mit der Klage lediglich die Anmerkung eines bisher nicht eingetragenen Rechts begehre. Im vorliegenden Fall sei aber zu berücksichtigen, dass die Klägerin nach ihrem Vorbringen in der Klage – ob die Streitanmerkung zu bewilligen sei, könne nur aufgrund des Vorbringens in der Klage und des Urteilsantrags entschieden werden – Ansprüche als gesetzliche Erbin des früheren Eigentümers der erwähnten Liegenschaft geltend mache. Das Erbrecht, also das ausschließliche Recht, die ganze Verlassenschaft oder einen in Beziehung auf das Ganze bestimmten Teil derselben in Besitz zu nehmen, sei nach der ausdrücklichen Bestimmung des § 532 ABGB ein solches dingliches Recht, das gegen jeden, der sich ein Recht an der Verlassenschaft anmaßen wolle, wirksam sei. Ein solches Recht könne auch noch nach erfolgter Einantwortung der Verlassenschaft an den falschen Erben mittels sogenannter Erbschaftsklage nach § 823 ABGB oder aber, wenn es sich um ein einzelnes Erbschaftsstück handle, mit der dort ebenfalls erwähnten Eigentumsklage geltend gemacht werden. Die Klägerin mache also ein dingliches Recht geltend. Zuzugeben sei, dass die Klägerin selbst in ihren bücherlichen Rechten nicht unmittelbar verletzt worden sei. Bei Richtigkeit der Klagsbehauptungen wäre vielmehr der Erblasser in seinen dinglichen Rechten verletzt worden. Dass eine von diesem erhobene Klage auf Nichtigkeit des der Eintragung des Eigentums des Beklagten zugrundeliegenden Rechtsgeschäfts anzumerken gewesen wäre, sei nicht zu bezweifeln. Nun stelle aber nach § 547 ABGB der Erbe, sobald er die Erbschaft angenommen habe, in Rücksicht auf sie den Erblasser dar. Lehre und Rechtsprechung verstünden hiebei unter der Annahme der Erbschaft nicht nur die formelle Erbserklärung, sondern auch bereits die Inanspruchnahme der Erbschaft oder eines Teils derselben mittels Klage (vgl SZ 23/353; SZ 26/135; RZ 1966, S 124, 125; SZ 44/38). Die Klägerin repräsentiere daher zumindest nach den Klagsbehauptungen den Erblasser und sei berechtigt, alle Rechte, die diesem zugestanden seien, geltend zu machen. Die Klägerin mache daher nicht nur obligatorische, sondern dingliche Rechte geltend und behaupte als Erbin und damit Repräsentantin des Erblassers, in ihren bücherlichen Rechten verletzt worden zu sein. Es seien daher die Voraussetzungen für die Anmerkung der Klage im Sinne des § 61 GBG gegeben.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluss erhobene Revisionsrekurs des Beklagten ist berechtigt.

Das Rekursgericht hat zutreffend ausgeführt, dass die Frage, ob die Streitanmerkung einer Klage zu bewilligen sei, nur aufgrund des Vorbringens in der Klage und des Urteilsantrags zu entscheiden ist (EvBl 1963/3, S 14; NZ 1983, 172; 6 Ob 609/83).

Zunächst ist festzuhalten, dass das oben dargestellte Vorbringen und Begehren der Klägerin schon deshalb nicht als Erbschaftsklage qualifiziert werden kann, weil dem Beklagten keine Erbeneigenschaft zugeschrieben wird (vgl Welser in Rummel , ABGB, Rdz 10 zu §§ 823, 824). Die begehrte Anmerkung kann also nicht damit begründet werden, dass Erbschaftsklagen angemerkt werden könnten.

Es kann aber auch der vom Rekursgericht zur Begründung der Bejahung der Anmerkungsmöglichkeit vertretenen Auffassung, die Klägerin repräsentiere nach den Klagsbehauptungen den Erblasser, weil unter Annahme der Erbschaft nicht nur die formelle Erbserklärung, sondern auch bereits die Inanspruchnahme der Erbschaft oder eines Teils derselben mittels Klage zu verstehen sei, nicht zugestimmt werden. Das Rekursgericht beruft sich dabei zu Unrecht auf die Entscheidungen SZ 23/353, SZ 26/135, RZ 1966, 124 und SZ 44/38. In den Entscheidungen SZ 23/353 und RZ 1966, S 124 wurde unter Berufung auf die Lehre als Annahme der Erbschaft auch die Anbringung der Ebschaftsklage angesehen. In der Entscheidung SZ 44/38 wurde – wie sich aus ihrer Berufung auf die Entscheidung SZ 23/353 und die dort zitierte Literatur ergibt – nichts anderes ausgesprochen, wenn in ihr als Annahme der Erbschaft auch die Inanspruchnahme der Erbschaft oder eines Teils derselben mittels Klage nach § 823 ABGB bezeichnet wurde. In der Entscheidung SZ 26/135 schließlich wurde die Geltendmachung von Rechten durch einen Erben, dem bereits eingeantwortet worden war, behandelt. Das Rekursgericht verkennt offenbar, dass mit den in diesen Entscheidungen genannten Klagen, die als Annahme der Erbschaft angesehen wurden, immer Erbschaftsklagen im Sinne des § 823 ABGB gemeint waren. Eine solche Klage liegt aber – wie schon oben ausgeführt – hier nicht vor. Im vorliegenden Fall führte die Klägerin zur Begründung für die dem materiellen Recht zugehörige Frage der Legitimation nur aus, dass sie erbberechtigt und pflichtteilsberechtigt sei. Diese Umstände allein schaffen aber weder eine Repräsentation des Erblassers durch die Klägerin, noch eine Rechtsnachfolge der Klägerin nach dem Erblasser und daher auch keine Legitimation zur klageweisen Geltendmachung der dem Erblasser allenfalls zugestandenen Rechte. Dass diese sachliche Voraussetzung für die Klage nicht durch die Einbringung einer Klage der vorliegenden Art ersetzt werden kann, bedarf keiner weiteren Erörterung.

Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die Klägerin nach der Klagserzählung nicht zur Geltendmachung des Hauptbegehrens legitimiert ist. Es kann daher insoweit auch keine Anmerkung des Rechtsstreits gemäß § 61 GBG bewilligt werden.

Bezüglich des Eventualbegehrens auf Zahlung eines Betrags von 2.500.000 S aus dem Titel des Pflichtteilsanspruchs scheidet aber eine Anmerkung des Rechtsstreits schon deshalb aus, weil es sich um einen obligatorischen Anspruch handelt ( Ehrenzweig‑Kralik , Erbrecht 3 , 307; EvBl 1971/43, S 75).

Es war daher in Stattgebung des Rekurses der Beschluss des Erstgerichts wiederherzustellen.

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