OGH 5Ob40/19x

OGH5Ob40/19x18.12.2019

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin T* GmbH, *, vertreten durch Mag. Claudia Vitek, Rechtsanwältin in Wien, gegen sämtliche Mit- und Wohnungseigentümer und Fruchtgenussberechtigte der Liegenschaft EZ * KG *, darunter die Antragsgegner 1. L*, 2. J*, 7. * S* GmbH, *, und 37. A*, 1., 2. und 37. Antragsgegner vertreten durch Mag. Martin Trapichler, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 52 Abs 1 Z 4 und 5 WEG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der 1., 2. und 37. Antragsgegner gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 28. November 2018, GZ 39 R 232/18h‑17, mit dem über Rekurs der Antragstellerin der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 6. August 2018, GZ 48 Msch 31/17t‑13, abgeändert wurde, den

Sachbeschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E127401

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Sachbeschluss wird dahin abgeändert, dass der erstinstanzliche Sachbeschluss einschließlich seiner Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.

Die Antragstellerin ist schuldig, den Antragsgegnern die mit 401,50 EUR (darin 66,92 EUR USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens und die mit 697,30 EUR (darin 75,22 EUR USt und 246 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Die Antragstellerin und die Antragsgegner sind Mit- undWohnungseigentümer bzw Fruchtgenussberechtigte einer Liegenschaft.

Gegenstand des Verfahrens ist die Anfechtung folgender Beschlüsse der Eigentümergemeinschaft (Beilage ./B):

BESCHLUSS

der Eigentümergemeinschaft [...]

über die klageweise Geltendmachung von Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüchen der Mit- und Wohnungseigentümer A*, L* und J* [Anmerkung: Antragsgegner] gegen T* GmbH [Anmerkung: Antragstellerin].

Beschluss gefasst wird darüber, dass die erwähnten Eigentümer, welche die Wohnungen […] sowie KFZ Abstellplätze von T* GmbH gekauft haben, sowie weitere mögliche Mit- und Wohnungseigentümer, welche sich einer Klage anschließen,

a.) Mängel an allgemeinen Teilen

im Klagewege auf Kosten, Rechnung und Risiko der Wohnungseigentümergemeinschaft die Behebung von Mängeln an allgemeinen Teilen der Liegenschaft, welche sich in Bereichen des Kellers, des Erdgeschoßes und der Obergeschoße durch Mauerwerksdurchfeuchtung, mangelhafte bzw. fehlende Lüftungsanlagen, Stromausfälle, Wasserein- und -austritte aus Bodenfugen, undichte oder fehlende Abdichtungen, Schimmel und Verputzabplatzungen zeigen, sowie die Fertigstellung von noch nicht fertig gestellten allgemeinen Teilen im Bereich des Erdgeschoßes und der Kellergeschoße geltend machen;

b) Preisminderung für nicht gebautes Fitnessstudio/Spa

im Klagewege auf eigene Kosten, eigene Rechnung und eigenes Risiko gewährleistungsrechtliche oder schadenersatzrechtliche Preisminderung bzw. Schadenersatz für das nicht errichtete Fitnessstudio und/oder (Medical-)Spa geltend machen.“

 

Das Erstgericht wies den Antrag, die Rechtsunwirksamkeit dieser Beschlüsse festzustellen oder diese aufzuheben, ab. Der Beschlussgegenstand sei ausreichend bestimmt. Es sei ausreichend erkennbar gewesen, um welche Schäden es konkret gehe. Den Miteigentümern wäre es möglich gewesen, bei Unklarheiten nähere Informationen einzuholen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerin Folge und stellte fest, dass die Beschlüsse rechtsunwirksam seien.

Entgegen der Auffassung des Erstgerichts sei nur der schriftlich zur Kenntnis gebrachte Text des Beschlusses für die Beurteilung maßgeblich, was Gegenstand des Beschlusses sowie der Anfechtung sei. Aus dem Beschlusstext ergebe sich hier zwar klar, dass die Ansprüche gegen die Antragstellerin gerichtet werden sollten. Dem Beschlusstext sei jedoch die zur Beantwortung der Frage, welche Ansprüche gegen die Antragstellerin gerichtet werden sollten, erforderliche konkrete Beschreibung der Mängel (Situierung und Ausmaß) nicht zu entnehmen. Auch welche Sanierungsarbeiten erfolgen sollten, spreche der Beschluss nicht an. Der Beschluss diene der Genehmigung der Klageführung der einzelnen Wohnungseigentümer. Zu den Bestimmtheitserfordernissen eines Klagebegehrens bei der Durchsetzung von Mängelbehebungsansprüchen werde zwar judiziert, dass keine allzu strengen Anforderungen zu stellen seien. Es müsste aber unter Berücksichtigung des Sprach- und Ortsgebrauchs und nach den Regeln des Verkehrs klar sein, was begehrt werde. Die Beschlussfassung über die beabsichtigte Mängelbehebung sei aber so unbestimmt, dass nicht einmal klar sei, welche Mängel überhaupt vorliegen.

Der Beschlusspunkt a) enthalte zudem die „Fertigstellung von noch nicht fertig gestellten allgemeinen Teilen im Bereich des Erdgeschoßes und der Kellergeschoße“. Aus dieser Formulierung sei weder ersichtlich, welche allgemeinen Teile angesprochen seien, noch welche Mängel diese aufweisen sollen. Damit lasse sich nicht beurteilen, ob und wenn ja, welche Gemeinschaftsinteressen betroffen sein könnten. Das sei aber im Hinblick auf die Judikatur zur Sachlegitimation zur Geltendmachung der Rechte aus einem Bauträgervertrag wesentlich. Aus dem Beschlusstext lasse sich auch nicht beurteilen, inwieweit die Geltendmachung der Fertigstellung von nicht näher bezeichneten allgemeinen Teilen die Interessen der Eigentümergemeinschaft berühre und damit eine Verwaltungsangelegenheit bilde. Die Rechtsfähigkeit der Eigentümergemeinschaft sei aber auf Angelegenheiten der Verwaltung beschränkt. Mehrheitsbeschlüsse könnten und dürften nur Maßnahmen der Verwaltung zum Gegenstand haben.

Damit sei der Beschlusspunkt a) zur Gänze als zu unbestimmt anzusehen, weshalb dessen Rechtsunwirksamkeit festzustellen gewesen sei. Ob ein untrennbarer Zusammenhang zwischen den einzelnen Beschlussteilen bestehe, müsse daher ebenso wenig beantwortet werden wie die im Rekurs weiter angesprochenen Fragen nach der Zulässigkeit des Stimmrechtsausschlusses, der ausreichenden Gewährung des Äußerungsrechts und der Zuordnung der Maßnahmen der Mängelbehebung zur ordentlichen oder zur außerordentlichen Verwaltung.

Der Beschlusspunkt b) habe keine Verwaltungsangelegenheit im Sinn der Rechtsprechung zum Gegenstand, die Inhalt einer Beschlussfassung der Eigentümergemeinschaft sein könnte. Inwieweit hier gemeinschaftliche Pflichten oder gemeinschaftliche Interessen betroffen sein sollen, sei nicht ersichtlich. Damit beabsichtigten die einzelnen Wohnungseigentümer aus ihren individuellen Verträgen mit dem Errichter der Baulichkeit ihnen zustehende Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche auf ordnungsgemäße Herstellung von zugesagten Räumlichkeiten (Fitnessstudio und Medical Spa) auf eigene Rechnung geltend zu machen. Ein derartiger Beschluss überschreite die Kompetenz der Gemeinschaft.

Gegen diese Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der 1., 2. und 37. Antragsgegner wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den Sachbeschluss des Erstgerichts wiederherzustellen. Hilfsweise stellen sie einen Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag.

Die Antragstellerin beantragte in der ihr vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen, in eventu diesem nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil dem Rekursgericht bei der Beurteilung der Voraussetzungen einer Beschlussfassung zur Abstimmung der Individualrechte der Wohnungseigentümer bei der Geltendmachung von Gewährleistungs- und/oder Schadenersatzansprüchen eine aufzugreifende Fehlbeurteilung unterlaufen ist. Der Revisionsrekurs ist aus diesem Grund auch berechtigt.

1.1. Dem Erwerber eines Wohnungseigentumsobjekts steht die Sachlegitimation zur Geltendmachung der Rechte aus seinem individuellen Vertrag mit dem Bauträger auch dann (allein) zu, wenn die Mängel nicht (nur) sein eigenes Wohnungseigentumsobjekt, sondern auch allgemeine Teile des Hauses betreffen. Nach der ständigen Rechtsprechung können einzelne Wohnungseigentümer solche Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche geltend machen, ohne dass die übrigen Wohnungseigentümer ihre Zustimmung erteilen oder selbst als Kläger auftreten müssen (RIS‑Justiz RS0108157; RS0082907; RS0119208; vgl auch RS0108158). Wenn und soweit das Vorgehen des einzelnen Eigentümers Gemeinschaftsinteressen beeinträchtigen könnte, ist allerdings ein Beschluss der Mehrheit der Gemeinschaftsmitglieder oder eine diesen Mehrheitsbeschluss substituierende Entscheidung des Außerstreitrichters erforderlich (RS0108158; RS0108157 [T3, T6, T7, T10, T14, T16]; RS0082907 [T7, T8, T13, T20]).

1.2. Bei der Geltendmachung von Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüchen können unterschiedliche Interessen etwa bei der in manchen Konstellationen trotz des in § 932 Abs 2 ABGB angeordneten Primats der Verbesserung notwendigen Wahl des Gewährleistungsbehelfs oder bei der Wahl zwischen Schadenersatz durch Naturalrestitution oder Geldersatz vorliegen. In diesen Fällen sind die Wohnungseigentümer gehalten, ihre Individualrechte durch einen Mehrheitsbeschluss aufeinander abzustimmen und ihr Vorgehen durch einen Beschluss der Mehrheit der Wohnungseigentümer genehmigen zu lassen. Ein Interessenkonflikt kann insbesondere in der möglichen Wahl zwischen Verbesserungs- und Preisminderungsbegehren liegen (5 Ob 40/18w mwN).

1.3. Entbehrlich ist ein Mehrheitsbeschluss der Eigentümergemeinschaft oder die Entscheidung des Außerstreitrichters allerdings dann, wenn bei der Geltendmachung von Gewährleistungs- und/oder Schadenersatzansprüchen betreffend allgemeine Teile durch einen einzelnen Mit- und Wohnungseigentümer Gemeinschaftsinteressen nicht beeinträchtigt werden können, also kein Interessenkonflikt möglich ist (5 Ob 40/18w; RS0108157; RS0108158). In diesem Fall kann der Wohnungseigentümer seine Ansprüche ohne Abstimmung mit der Eigentümergemeinschaft geltend machen. Das ist nach der Rechtsprechung insbesondere dann der Fall, wenn die Forderungsberechtigten ihre Wahl bereits (faktisch) getroffen und die Sanierung bereits veranlasst haben (RS0108157 [T11], RS0108158 [T13]) oder die Wohnungseigentümer – etwa im Wohnungseigentumsvertrag – bereits einvernehmlich eine Regelung über die selbständige (gerichtliche) Geltendmachung durch die einzelnen Eigentümer getroffen haben (5 Ob 40/18w).

2.1. Für die Beurteilung, was konkret Gegenstand des Beschlusses der Eigentümergemeinschaft ist, ist nur der schriftlich zur Kenntnis gebrachte Text des Beschlusses maßgeblich, ein vom Wortlaut nicht gedeckter oder davon abweichender subjektiver Parteiwille der an der Beschlussfassung beteiligten Wohnungseigentümer ist irrelevant (RS0130029). Auch wenn daher in diesem Sinn eine objektive Sichtweise entscheidend ist, ist der Beschluss dennoch der Auslegung zugänglich, sodass auch der aus dem Wortlaut selbst ersichtliche Zweck der Beschlussfassung miteinzubeziehen ist.

2.2. Der – aus dem Beschlusstext ersichtliche – Zweck der Beschlussfassung ist die von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs geforderte Abstimmung der gerichtlichen Durchsetzung der vertraglichen Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche der einzelnen Mit- und Wohnungseigentümer gegenüber der Antragstellerin.

2.3. Die Frage der für einen solchen Beschluss erforderlichen Bestimmtheit ist im Einklang mit 5 Ob 40/18w zu beantworten. Diese Entscheidung beurteilte einen Antrag auf Substitution eines solchen Mehrheitsbeschlusses durch das Außerstreitgericht. Der 5. Senat sprach aus, dass eine der Voraussetzungen, unter denen die Substitution zulässig ist, die ausreichende Bestimmtheit des Antragsbegehrens ist. Der im Verfahren nach § 52 Abs 1 Z 3 WEG angestrebte Beschluss des Außerstreitrichters solle einen nach materiellem Recht erforderlichen Mehrheitsbeschluss substituieren und die Durchsetzung von Individualrechten für alle Wohnungseigentümer bindend nach den Vorstellungen des Antragstellers regeln. Gegenstand und Zweck dieses Verfahrens bedingen daher ein ausreichend bestimmtes Begehren. An die Bestimmtheit dieses Begehrens sind aber keine allzu strengen Anforderungen zu stellen. Es genügt, wenn das Begehren deutlich erkennbar ist, das Verfahrensziel also durch das eigentliche Begehren und den dazu vorgebrachten anspruchsbegründenden Sachverhalt klar umschrieben ist. In diesem Sinn ist etwa die die Gemeinschaftsinteressen allein beeinflussende Wahl zwischen Verbesserung bzw Naturalrestitution einerseits oder Preisminderung bzw Geldersatz andererseits erforderlich, aber auch hinreichend. Auf welche Weise und mit welchem Begehrenswortlaut jeweils eine der gewählten Alternativen durchzusetzen ist, bedarf keiner Festlegung (5 Ob 40/18w).

2.4. Für den Mehrheitsbeschluss der Eigentümergemeinschaft muss im Wesentlichen Gleiches gelten. (Auch) Dieser soll die Durchsetzung von Individualrechten für alle Wohnungseigentümer bindend regeln. Gegenstand und Zweck dieser Beschlussfassung bedingen daher einen ausreichend bestimmten Beschlussgegenstand. An diese Bestimmtheit sind aber keine allzu strengen Anforderungen zu stellen. Es genügt, wenn daraus das Vorgehen des einzelnen Eigentümers durch die Beschreibung des Begehrens und des anspruchsbegründenden Sachverhalts so deutlich hervorgeht, dass damit der mit der Beschlussfassung verfolgte Zweck, den möglichen Interessenkonflikt zu lösen, erreicht ist. In diesem Sinn ist etwa auch in diesem Zusammenhang die die Gemeinschaftsinteressen allein beeinflussende Wahl zwischen Verbesserung bzw Naturalrestitution einerseits oder Preisminderung bzw Geldersatz andererseits erforderlich, aber auch hinreichend.

2.5. Die hier zu beurteilenden Beschlüsse lassen deutlich erkennen, welche Mängel Gegenstand der geltend gemachten Ansprüche sein werden und dass zum einen die Mängelbehebung und die Fertigstellung auf Kosten und Gefahr der Gemeinschaft [Beschluss a)] und zum anderen Preisminderung auf Kosten und Gefahr der klagenden Mit- und Wohnungseigentümer [Beschluss b)] begehrt wird. Der vom Rekursgericht für die beabsichtigte Mängelbehebung geforderten konkreten Beschreibung der Mängel, auch ihrer Situierung und ihres Ausmaßes und der Beschreibung der gewünschten Sanierungsarbeiten bedarf es nicht. Gleiches gilt für die vom Rekursgericht vermisste Konkretisierung der fertigzustellenden allgemeinen Teile im Bereich des Erdgeschoßes und der Kellergeschoße [Beschluss a)].

3.1. Entgegen der Auffassung des Rekursgerichts führt hier daher Unbestimmtheit – losgelöst von der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine solche zur Anfechtung berechtigt – nicht zur Rechtsunwirksamkeit der Beschlüsse.

3.2. Die von ihm konstatierte Unbestimmtheit des Anspruchs auf Fertigstellung allgemeiner Teile im Beschluss a) verknüpft das Rekursgericht allerdings mit einer insofern zumindest möglichen Kompetenzüberschreitung. Mangels Bestimmtheit dieses Beschlussgegenstands lasse sich nämlich nicht beurteilen, ob und welche Gemeinschaftsinteressen dadurch betroffen sein könnten. Ähnliches gelte für den Beschluss b) über die fehlenden, aber zugesagten Räume (Fitnessstudio/Medical Spa). Die Wohnungseigentümer beabsichtigten aus ihren individuellen Verträgen ihnen zustehende Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche auf eigene Rechnung geltend zu machen. Inwieweit hier gemeinschaftliche Pflichten oder gemeinschaftliche Interessen betroffen sein sollen, sei nicht ersichtlich. Der Beschluss b) habe daher keine Verwaltungsangelegenheit zum Gegenstand.

3.3. Die Rechtsprechung trägt dem einzelnen Mit- und Wohnungseigentümer vor Erhebung einer Individualklage die Einholung eines Mehrheitsbeschlusses auf, sofern sein Vorgehen die Interessen der Gemeinschaft beeinträchtigen könnte. Die hier zu beurteilenden Beschlüsse behandeln eine solche Prozessführung im Zusammenhang mit baulichen Mängeln an allgemeinen Teilen, die Fertigstellung von allgemeinen Teilen und – mit der Schaffung von Räumlichkeiten – Arbeiten, die allgemeine Teile zumindest in Anspruch nehmen. Dass dabei Gemeinschaftsinteressen zumindest potentiell beeinträchtigt werden könnten, ist daher evident.

3.4. Außerdem wäre in dem Fall, dass aufgrund der konkreten Umstände von vornherein jeglicher Interessenkonflikt zu verneinen wäre, zwar im Grunde genommen kein die Geltendmachung der Individualrechte des einzelnen Wohnungseigentümers deckender Mehrheitsbeschluss notwendig. Im Hinblick auf den Gegenstand und Zweck dieser Beschlussfassung und dessen Bedeutung für die Geltendmachung von Individualansprüchen in einem Gewährleistungs- und Schadenersatzprozess ist aber ein Beschluss, der dies klarstellt, nicht allein mangels rechtlichen Interesses und/oder Kompetenzüberschreitung für rechtsunwirksam zu erklären (vgl 5 Ob 40/18w [Beschluss des Außerstreitgerichts]). Der Gegenstand des Beschlusses ist auch in diesem Fall die von der Rechtsprechung zur Sicherung der Verwaltungsinteressen der Eigentümergemeinschaft geforderte Abstimmung im Innenverhältnis und damit als Verwaltungsangelegenheit zu qualifizieren. Die Eigentümergemeinschaft maßt sich mit dieser für den Gewährleistungs- und/oder Schadenersatzprozess allenfalls überflüssigen Beschlussfassung keine Kompetenz an, die über ihre Rechtsfähigkeit hinausgeht.

3.5. Der Beschluss a) enthält nicht nur eine Wahl des Gewährleistungsbehelfs bzw der Form des Schadenersatzes („Behebung“), sondern auch eine Kostentragungsregel zulasten der Eigentümergemeinschaft. Ein solcher Beschluss auf gerichtliche Geltendmachung von Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüchen auf Kosten, Rechnung und Risiko der Eigentümergemeinschaft begründet keine Gesetzwidrigkeit, wenn es dabei – wie hier – um die Beseitigung von Mängeln und Schäden an allgemeinen Teilen der Liegenschaft und damit um gemeinschaftliche Interessen geht (5 Ob 281/07w; 5 Ob 304/04y).

4.1. AlsZwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass die Begründung des Rekursgerichts die Feststellung der Rechtsunwirksamkeit der Beschlüsse nicht trägt.

4.2. Das Rekursgericht ließ die im Rekurs der Antragstellerin aufgeworfenen Fragen zu den anderen von der Antragstellerin geltend gemachten Anfechtungsgründen bewusst unbeantwortet. Es sind dies reine Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Zulässigkeit des Stimmrechtsausschlusses, der Gewährung des Äußerungsrechts und der Zuordnung der Maßnahmen der Mängelbehebung zur ordentlichen oder außerordentlichen Verwaltung. Eine Beweis- oder Mängelrüge enthielt der Rekurs der Antragstellerin nicht.

5.1. Das Erstgericht verneinte ein Stimmrecht sowohl der vom Beschlussgegenstand unmittelbar betroffenen Antragstellerin als auch der 7. Antragsgegnerin. Der Ausschluss erstrecke sich auch auf die 7. Antragsgegnerin, weil ein zum Stimmrechtsausschluss führendes wirtschaftliches Naheverhältnis zum Geschäftspartner einer Eigentümergemeinschaft auch bei konzernmäßigen Verflechtungen und wirtschaftlichen Beteiligungen gegeben sein könne. Nach den Feststellungen hätten die Antragstellerin und die 7. Antragsgegnerin, mit unterschiedlichen gesellschaftsrechtlichen Konstellationen im Hintergrund, im Wesentlichen die selben wirtschaftlichen Eigentümer und sie würden durch die selben zwei Personen als Geschäftsführer vertreten.

5.2.  Wenn der Gegenstand der beabsichtigten Beschlussfassung ein Rechtsgeschäft, Rechtsverhältnis oder Rechtsstreit mit einem Wohnungseigentümer oder mit einer Person ist, mit der dieser durch ein familiäres oder wirtschaftliches Naheverhältnis verbunden ist, ist dieser Wohnungseigentümer gemäß § 24 Abs 3 WEG von Gesetzes wegen vom Stimmrecht ausgeschlossen. Der naheliegende Zweck des Stimmrechtsausschlusses ist die Vermeidung von Interessenkonflikten. Ob ein solcher Interessenkonflikt droht, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (5 Ob 106/17z). Die Intensität des Naheverhältnisses und das mit dem Beschlussgegenstand verbundene Gefahrenpotential sind dabei in einem beweglichen System konditional miteinander verknüpft. Je größer die mit der zu beschließenden Maßnahme verbundene Gefahr für die Eigentümergemeinschaft ist, umso weniger Intensität muss das familiäre oder wirtschaftliche Naheverhältnis aufweisen, um den Stimmrechtsauschluss eines Wohnungseigentümers zu rechtfertigen. In typisierten Fällen einer formellen Interessenkollision ist der Stimmrechtsausschluss ohne zusätzliches Gefährdungspotential verwirklicht. Betrifft der Beschlussgegenstand etwa den Wohnungseigentümer selbst, bewirkt die Teilnahme an der Abstimmung für den Betroffenen typischerweise einen Interessenkonflikt, der von vornherein abstrakt als schwerwiegend zu beurteilen ist (5 Ob 249/12x). Ein zum Ausschluss vom Stimmrecht führendes zu enges wirtschaftliches Naheverhältnis zum Geschäftspartner einer Eigentümergemeinschaft kann sich aus der Eigenschaft als Gesellschafter (mit erheblichen Anteilen) und/oder Geschäftsführer des Geschäftspartners, konzernmäßigen Verflechtungen und Beteiligungen, oder wirtschaftliche Abhängigkeiten aus einem Dienst-, Werkvertrags- oder Auftragsverhältnis ergeben (RS0118453). Typischerweise gefahrengeneigt ist beispielsweise die Beschlussfassung über die Erhebung von Ansprüchen gegenüber dem Wohnungseigentümer oder einer Person, mit der der Wohnungseigentümer wirtschaftlich oder familiär verbunden ist (vgl 5 Ob 230/99f).

5.3. Nach den Feststellungen hat die Antragstellerin zwei Gesellschafterinnen mit jeweils 50 % Anteil, nämlich die S* Privatstiftung und die * B* GmbH & Co KG. Die 7. Antragsgegnerin hat zwei Gesellschafterinnen mit jeweils 50 % Anteil, nämlich die * I* GmbH und die * W* GmbH. Einzige Komplementärin der * B* GmbH & Co KG ist die * P* GmbH, deren einzige Gesellschafterin wiederum die * I* AG ist. Die S* Privatstiftung ist einzige Gesellschafterin der * W* GmbH. Die * I* GmbH wurde mit Verschmelzungsvertrag vom 15. 5. 2014 mit der * I* AG als übernehmender Gesellschaft verschmolzen. Die Antragstellerin und die 7. Antragsgegnerin werden durch die selben Geschäftsführer vertreten. Dem Erstgericht ist darin zuzustimmen, dass diese konzernmäßigen Verflechtungen und wirtschaftlichen Beteiligungen ein wirtschaftliches Naheverhältnis zwischen Antragstellerin und 7. Antragsgegnerin bedingen, das im Hinblick auf das doch erhebliche „Gefährdungspotential“ des Beschlussgegenstands zum Stimmrechtsausschluss beider führt.

6.1. Die Antragstellerin machte in ihrem Rekurs geltend, das Erstgericht sei begründungslos vom Vorliegen einer Maßnahme der ordentlichen Verwaltung ausgegangen und habe es (daher) verabsäumt, sich mit der geltend gemachten Anfechtung gemäß § 29 WEG auseinanderzusetzen. Die Behebung von (aufsteigender und auf die Nachbarliegenschaft zurückzuführender) Feuchtigkeit sei jedoch mit Kosten im sechsstelligen Bereich verbunden, sodass auch diese Maßnahme und der hierauf abzielende Beschluss dem Bereich der außerordentlichen Verwaltung zuzuordnen sei. Der Beschluss b) handle von gewährleistungsrechtlichen oder schadenersatzrechtlichen Ansprüchen auf Preisminderung bzw Schadenersatz für das nicht errichtete Fitnessstudio und/oder Spa. Die Errichtung eines Fitnessstudios oder eines Spa zähle aber nicht zu Angelegenheiten der ordentlichen Verwaltung der Liegenschaft, sodass auch die bezughabenden Ansprüche nicht unter Maßnahmen der ordentlichen Verwaltung der Liegenschaft fielen.

6.2. Die Frage, ob die Beschlussfassung über die gerichtliche Geltendmachung der Ansprüche (nur diese ist Gegenstand der Beschlussfassung) hier als ordentliche oder außerordentliche Verwaltungsangelegenheit zu qualifizieren ist, bedarf keiner Klärung. Die Bedeutung der Unterscheidung wäre im hier gegebenen Zusammenhang nur darin gelegen, dass eine außerordentliche Verwaltungsmaßnahme nach § 29 WEG auch inhaltlich anfechtbar und zu prüfen wäre. Die Antragstellerin hat zu den möglichen inhaltlichen Anfechtungsgründen aber weder innerhalb der Anfechtungsfrist, noch danach Substantielles vorgebracht.

7.1. Die Antragstellerin hielt im Rekurs ihren Standpunkt aufrecht, dass die den Beschluss initiierenden Mit- und Wohnungseigentümer in Kenntnis gewesen seien, dass die Antragstellerin anwaltlich vertreten sei. Dennoch sei ihr Rechtsanwalt weder verständigt noch ihm Unterlagen zugesandt worden. Sie habe zu Recht davon ausgehen können, dass der anwaltliche Vertreter der Antragsgegner diese Korrespondenz zumindest zeitgleich auch an ihren bevollmächtigten Rechtsanwalt übermittelt habe. Aus diesem Grund habe die Antragstellerin dem ihr persönlich zugestellten Schreiben auch keine gesonderte Bedeutung beigemessen.

7.2. Schon das Erstgericht vertrat die zutreffende Auffassung, dass die unstrittige Übermittlung der Beschlussunterlagen an die Antragstellerin selbst zur Wahrung ihres Anhörungsrechts ausreicht. Damit wurde ihr ausreichend Gelegenheit zur Äußerung gegeben (§ 24 Abs 1 Satz 2 WEG).

8.1. Dem Revisionsrekurs ist somit Folge zu geben und der Sachbeschluss des Erstgerichts zur Gänze wiederherzustellen.

8.2. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG iVm § 52 Abs 2 WEG. Es entspricht der Billigkeit, den auch in den Rechtsmittelverfahren obsiegenden Antragsgegnern Kostenersatz zuzuerkennen. Die Bemessungsgrundlage dafür beträgt gemäß § 10 Z 3 lit b) sublit bb) RATG (nur) 2.500 EUR.

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