OGH 5Ob40/18w

OGH5Ob40/18w6.11.2018

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitssache der Antragsteller 1. Mag. C* G*, vertreten durch die Scheer Rechtsanwalt GmbH in Wien, 2. Dr. N* G*, vertreten durch die Höhne, In der Maur & Partner Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Wien, gegen die Antragsgegner 1. R* K*, 2. D* R*, 3. W* GmbH, *, alle vertreten durch Dr. Manfred Müllauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 52 Abs 1 Z 3 WEG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Erstantragstellers gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 15. November 2017, GZ 39 R 232/17g‑26, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Donaustadt vom 15. Mai 2017, GZ 8 MSch 26/16p‑20, über Rekurs der Antragsgegner abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E123451

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

Die Parteien sind die Mit- und Wohnungseigentümer einer Liegenschaft in Wien. Mit den Anteilen des Erstantragstellers ist Wohnungseigentum an einer Wohnung und an zwei Kfz-Abstellplätzen verbunden. Er hat diese Wohnungseigentumsobjekte mit Kaufvertrag direkt von der Bauträgerin erworben. Die Drittantragsgegnerin, ebenfalls Mit- und Wohnungseigentümerin der Liegenschaft, ist die Alleingesellschafterin dieser Bauträgerin.

Gegenstand dieses Verfahrens ist das auf § 52 Abs 1 Z 3 WEG iVm § 30 WEG gestützte Begehren auf eine Entscheidung des Außerstreitrichters, die den von der Rechtsprechung für die Sachlegitimation des einzelnen Wohnungseigentümers zur Geltendmachung von Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüchen geforderten Mehrheitsbeschluss substituiert.

Der Erstantragsteller begehrt die Erlassung eines Beschlusses, wonach „die Eigentümergemeinschaft jedem einzelnen Wohnungseigentümer die Zustimmung zur allfälligen individuellen Geltendmachung der ihnen jeweils zustehenden Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche für die von ihnen ausschließlich zur Verfügung stehenden Flächen zur Gänze und für die allgemeinen Teile des Hauses im auf ihren Anteil entfallenden Ausmaß, insbesondere durch Geltendmachung einer Preisminderung und Einforderung des auf ihren jeweiligen Anteil entfallenden Teils des eingesetzten oder zu bevorschussenden Deckungskapitals für eine Mängelbeseitigung/Verbesserung oder von Schadenersatz wegen Nichterfüllung aufgrund allfälliger vorhandener Baumängel im Zusammenhang mit der Errichtung der Wohnhausanlage […] durch die Bauträgerin […]“ erteilt. Die allgemeinen Teile der Liegenschaft wiesen zahlreiche Mängel auf. Nachdem die Hausverwaltung und die übrigen Wohnungseigentümer keine Maßnahmen zur Beseitigung dieser Mängel ergriffen hätten, habe der Erstantragsteller in der Eigentümerversammlung am 22. 4. 2016 einen Beschluss zur Abstimmung gebracht, der (im Sinn des nunmehrigen Antragsbegehrens) die Zustimmung zur individuellen Geltendmachung der den einzelnen Wohnungseigentümern gegenüber der Bauträgerin zustehenden Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche vorgesehen habe. Die Mehrheit der Eigentümer habe diesen Beschluss jedoch abgelehnt. Der Erstantragssteller habe mit der Einbringung dieses Antrags sogleich eine Klage gegen den Bauträger eingebracht. Nachdem dessen Eventualbegehren eine Preisminderung bzw eine Forderung auf Zahlung des Deckungskapitals vorsehe, sei ein Interessenkonflikt mit den übrigen Wohnungseigentümern nicht auszuschließen und der beantragte Außerstreitbeschluss erforderlich.

Der Zweitantragsteller trat diesem Antrag bei.

Die Antragsgegner wandten ein, die Antragsteller seien für die sie selbst betreffenden Ansprüche ohnedies aktivlegitimiert. Von einer Untätigkeit der Mehrheit könne nicht ausgegangen werden, zumal diese ein dem begehrten Sachbeschluss entsprechendes Begehren im Rahmen einer Hausversammlung abgelehnt habe. Ein von der Mehrheit abgelehnter Beschluss könne nicht vom Gericht wiederhergestellt werden. Die vom Erstantragsteller in dem gegen den Bauträger angestrengten Gerichtsverfahren behaupteten Mängel lägen nicht (mehr) vor bzw seien sie dem Bauträger nicht zuzurechnen. Gewährleistungsansprüche betreffend allgemeine Teile des Hauses seien überdies schon verjährt. Die Antragsgegner hätten sich außerdem (aus näher dargestellten Gründen) für allfällige Mängelbehebungen in natura entschieden.

Das Erstgericht gab dem Antrag statt. Der Antragsteller sei zur Geltendmachung von Schadenersatz- und Gewährleistungsansprüchen aktiv legitimiert, selbst wenn die Mängel allgemeine Teile des Hauses beträfen. Die Ablehnung des Antrags des Erstantragstellers auf Zustimmung zur individuellen Geltendmachung der Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche in der Eigentümerversammlung vom 22. 4. 2016 sei kein Hindernis, weil darin kein Beschluss der Wohnungseigentümer dahin zu sehen sei, dass nur die Eigentümergemeinschaft entsprechende Ansprüche geltend machen könne. Überdies liege kein Interessenkonflikt in der individuellen Geltendmachung von Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüchen durch den Erstantragsteller vor, weil die Drittantragsgegnerin davon ausgehe, dass die Wohnhausanlage mängelfrei sei. Damit sei denknotwendigerweise verbunden, dass sie keinerlei Ansprüche gegen den Bauträger erheben würde. Ein allfälliger Interessenkonflikt der Erst- und Zweitantragsgegner habe sich nicht ergeben.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsgegner Folge und wies den Antrag ab. Eine Zustimmung der Eigentümergemeinschaft zur Geltendmachung von Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüchen hinsichtlich der einzelnen Wohnungseigentumsobjekte, sei, soweit allgemeine Teile der Liegenschaft hievon nicht betroffen seien, nicht erforderlich. Der Antrag auf Ersetzung der Zustimmung hiezu sei daher schon aus diesem Grund abzuweisen. Was die Geltendmachung „von Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüchen wegen Nichterfüllung“ anbelange, habe die Mehrheit der Wohnungseigentümer dadurch, dass sie gegen den zur Abstimmung gebrachten Vorschlag des Erstantragstellers, wonach Gewährleistungsansprüche durch Forderung einer Preisminderung und Schadenersatzansprüche wegen Nichterfüllung geltend gemacht werden sollen, gestimmt habe, erkennbar die Wahl im Sinne eines Verbesserungsanspruchs getroffen. Dies werde auch durch den im Verfahren eingenommenen Standpunkt der Antragsgegner bekräftigt, sie seien gegen die Geltendmachung von Preisminderungsansprüchen, aber für die Geltendmachung von Verbesserungsansprüchen, sollten Mängel vorliegen. Es könne daher nicht von einer Untätigkeit der Mehrheit die Rede sein, die das Erwirken eines Beschlusses des Außerstreitrichters gemäß § 30 Abs 1 Z 1 WEG rechtfertige, sondern die Mehrheit habe sich durch Ablehnung jenes Beschlusses, den der Erstantragsteller nunmehr substituiert haben möchte, gegen die vom Erstantragsteller angestrebte Vorgangsweise entschieden. Damit bleibe kein Raum für eine einen Mehrheitsbeschluss ersetzende Entscheidung des Außerstreitrichters, liefe doch die begehrte Entscheidung darauf hinaus, die von der Mehrheit bereits getroffene Entscheidung zu ignorieren.

Gegen diese Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Erstantragstellers aus dem Revisionsrekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Er beantragt, die angefochtene Entscheidung abzuändern und seinem Antrag stattzugeben. Hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.

Die Antragsgegner beantragen in der ihnen freigestellten Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig; er ist im Sinn des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt.

1.1. Dem Erwerber eines Wohnungseigentumsobjekts steht die Sachlegitimation zur Geltendmachung der Rechte aus seinem individuellen Vertrag mit dem Bauträger auch dann (allein) zu, wenn die Mängel nicht (nur) sein eigenes Wohnungseigentumsobjekt, sondern auch allgemeine Teile des Hauses betreffen. Nach der ständigen Rechtsprechung können einzelne Wohnungseigentümer solche Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche geltend machen, ohne dass diesbezüglich die übrigen Wohnungseigentümer ihre Zustimmung erteilen oder selbst als Kläger auftreten müssen (RIS-Justiz RS0108157; RS0082907; RS0119208; vgl auch RS0108158). Wenn und soweit das Vorgehen des einzelnen Eigentümers Gemeinschaftsinteressen beeinträchtigen könnte, ist allerdings ein Beschluss der Mehrheit der Gemeinschaftsmitglieder oder eine diesen Mehrheitsbeschluss substituierende Entscheidung des Außerstreitrichters erforderlich (RIS-Justiz RS0108158; RS0108157 [T3, T6, T7, T10, T14, T16]; RS0082907 [T7, T8, T13, T20]).

1.2. Bei der Geltendmachung von Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüchen kann eine unterschiedliche Interessenlage etwa bei der in manchen Konstellationen trotz des in § 932 Abs 2 ABGB angeordneten Primats der Verbesserung notwendigen Wahl des Gewährleistungsbehelfs oder bei der Wahl zwischen Schadenersatz durch Naturalrestitution oder Geldersatz gegeben sein. In diesen Fällen sind die Wohnungseigentümer gehalten, ihre Individualrechte durch einen Mehrheitsbeschluss aufeinander abzustimmen und ihr Vorgehen durch einen Beschluss der Mehrheit der Wohnungseigentümer genehmigen zu lassen. Ein Interessenkonflikt kann also insbesondere in der möglichen Wahl zwischen Verbesserungs- und Preisminderungsbegehren liegen (4 Ob 10/16y mwN).

1.3. Entbehrlich ist ein Mehrheitsbeschluss der Eigentümergemeinschaft oder die Entscheidung des Außerstreitrichters allerdings dann, wenn bei der Geltendmachung von Gewährleistungs- und/oder Schadenersatzansprüchen betreffend allgemeine Teile durch einen einzelnen Mit- und Wohnungseigentümer Gemeinschaftsinteressen nicht beeinträchtigt werden können, also kein Interessenkonflikt möglich ist (5 Ob 126/12h; RIS‑Justiz RS0108157; RS0108158). In diesem Fall kann der Wohnungseigentümer seine Ansprüche ohne Abstimmung mit der Eigentümergemeinschaft geltend machen. Das ist nach der Rechtsprechung insbesondere dann der Fall, wenn die Forderungsberechtigten ihre Wahl bereits (faktisch) getroffen und die Sanierung bereits veranlasst haben (RIS-Justiz RS0108157 [T11], RS0108158 [T13]) oder die Wohnungseigentümer – etwa im Wohnungseigentumsvertrag – bereits einvernehmlich eine Regelung über die selbständige (gerichtliche) Geltendmachung durch die einzelnen Eigentümer getroffen haben (4 Ob 10/16y mwN).

1.4. Bei Geldforderungen, wie einem ganz allgemein auf Geld gerichteten Schadenersatzanspruch, einem Begehren auf Ersatz der Verbesserungskosten oder des Sanierungsaufwands oder einem Preisminderungsbegehren, steht dem einzelnen Wohnungseigentümer nur ein aliquoter, seinem Miteigentumsanteil entsprechender Anspruch zu (5 Ob 296/00s, 5 Ob 21/09p).

1.5. Die dreijährige Verjährungsfrist für das Recht auf Gewährleistung beginnt nicht mit der bücherlichen Begründung des Wohnungseigentums, sondern mit der körperlichen Übergabe des jeweiligen Wohnungseigentumsobjekts zu laufen (§ 933 ABGB). Das gilt auch für (schon ursprünglich vorhandene) Mängel an allgemeinen Teilen einer Wohnungseigentumsliegenschaft, selbst wenn einzelne Wohnungseigentumsobjekte erst später veräußert werden (5 Ob 69/10y). Die Gewährleistungsfrist „für“ allgemeine Teile der Liegenschaft ist daher für jeden Erwerber gesondert zu beurteilen.

2.1. Wenn der für die Sachlegitimation des einzelnen Wohnungseigentümers erforderliche Mehrheitsbeschluss nicht zustande kommt, bejaht die Rechtsprechung die Möglichkeit, einen diesen substituierenden Beschluss des Außerstreitgerichts zu erwirken; dies, auch wenn sich die einschlägigen Entscheidungen mit der Frage der Rechtsgrundlage meist nicht explizit auseinandergesetzt haben, in zumindest analoger Anwendung des § 30 Abs 1 Z 1 WEG (vgl Löcker in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht, WEG4 § 18 WEG Rz 105 mwN). Damit steht es dem einzelnen Wohnungseigentümer offen, in einem Verfahren nach § 52 Abs 1 Z 3 WEG sein Vorgehen zur Durchsetzung von Individualrechten im Sinn der dargestellten Rechtsprechung genehmigen (und die geforderte Abstimmung mit den damit allenfalls kollidierenden Gemeinschaftsinteressen ersetzen) zu lassen, wenn kein entsprechender Mehrheitsbeschluss zustande kommt.

2.3. Voraussetzung für eine derartige Substitution ist, dass die Mehrheit der Wohnungseigentümer untätig geblieben ist. Für die „Untätigkeit der Mehrheit“ genügt bereits, dass die Gemeinschaft auf Mängelrügen eines Wohnungseigentümers nicht reagiert und eine (positive) Beschlussfassung unterlässt. Eine ordnungsgemäße (negative) Beschlussfassung ist also nicht Voraussetzung einer Anrufung des Außerstreitrichters (5 Ob 200/04d; 5 Ob 253/00t; vgl auch RIS-Justiz RS0116139).

2.4. Das Rekursgericht folgerte, dass die Mehrheit der Wohnungseigentümer, in dem sie gegen den zur Abstimmung gebrachten Vorschlag des Erstantragstellers gestimmt habe, nicht untätig geblieben sei, sondern erkennbar die Wahl im Sinn eines Verbesserungsanspruchs getroffen habe. Die Rechtsprechung, die einen Beschluss der Mehrheit der Gemeinschaftsmitglieder (oder eine diesen Mehrheitsbeschluss substituierende Entscheidung des Außerstreitrichters) fordert, impliziert, dass dieser Beschluss alle anspruchsberechtigten Wohnungseigentümer derart bindet, dass sie ihren Anspruch – soweit noch notwendig – nur (mehr) nach seiner Maßgabe durchsetzen können und sich darauf auch der Schuldner berufen kann (Löcker aaO § 18 WEG Rz 103). Ein nach den Regeln der Willensbildung bindender Beschluss setzt allerdings voraus, dass sich die Mehrheit der Wohnungseigentümer für die zum Gegenstand einer Beschlussfassung gemachte Maßnahme ausspricht; nur dann kommt ein Beschluss zustande. Spricht sich nicht die Mehrheit der Wohnungseigentümer für die zum Gegenstand einer Beschlussfassung gemachte Maßnahme aus, kommt kein Beschluss zustande. Nach den Feststellungen „erhielt“ der Beschlussantrag des Erstantragstellers „nicht die erforderliche Mehrheit und das Ansuchen wurde somit abgelehnt“. Es liegt daher kein eigentlicher Mehrheitsbeschluss vor, entgegen der Auffassung der Antragsgegner insbesondere kein die vom Erstantragsteller beabsichtigte Art der Anspruchsverfolgung ausdrücklich ablehnender Mehrheitsbeschluss. Die Frage, ob ein solcher negativer Beschluss nicht ohnedies bloß als Untätigkeit der Mehrheit zu qualifizieren wäre (vgl 5 Ob 200/04d; Löcker aaO § 18 WEG Rz 105) oder eine Entscheidung des Außerstreitrichters von vornherein ausschließen würde, stellt sich nicht.

2.5. Der vom Rekursgericht herangezogene Grund trägt die Abweisung dieses Antrags daher nicht.

3.1. Mit den weiteren Voraussetzungen, unter denen die Substitution zulässig ist, und den Kriterien, nach welchen die Sachentscheidung zu treffen ist, hat sich das Rekursgericht in konsequenter Verfolgung seiner – vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten – Rechtsansicht nicht weiter auseinandergesetzt. Eine dieser Voraussetzungen ist die ausreichende Bestimmtheit des Antragsbegehrens.

3.2. Nach § 9 Abs 1 AußStrG muss der Antrag an sich kein bestimmtes Begehren enthalten, jedoch hinreichend erkennen lassen, welche Entscheidung oder sonstige gerichtliche Tätigkeit er anstrebt und aus welchem Sachverhalt er dies ableitet. Damit ist im Verfahren außer Streitsachen das Bestimmtheitsgebot gegenüber dem Zivilprozess zwar gelockert. Wo sich aber schon aus der Art des Verfahrens ein besonderes Bestimmtheitserfordernis aus dem materiellen Recht ergibt, muss auch der Antrag im Außerstreitverfahren ein bestimmtes Begehren enthalten (Deixler-Hübner in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 36 Rz 18 f). Der in diesem Verfahren nach § 52 Abs 1 Z 3 WEG angestrebte Beschluss des Außerstreitrichters soll einen nach materiellem Recht erforderlichen Mehrheitsbeschluss substituieren und die Durchsetzung von Individualrechten für alle Wohnungseigentümer bindend nach den Vorstellungen des Antragstellers regeln. Gegenstand und Zweck dieses Verfahrens bedingen daher ein ausreichend bestimmtes Begehren.

3.3. An die Bestimmtheit dieses Begehrens sind, wie im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren sonst auch (RIS-Justiz RS0070562 [T8]), keine allzu strengen Anforderungen zu stellen. Es genügt, wenn das Begehren deutlich erkennbar ist, das heißt, das Verfahrensziel durch das eigentliche Begehren und den dazu vorgebrachten anspruchsbegründenden Sachverhalt klar umschrieben ist (vgl RIS-Justiz RS0070562 [T1, T5, T31]). In diesem Sinn ist etwa die die Gemeinschaftsinteressen allein beeinflussende Wahl zwischen Verbesserung/Naturalrestitution einerseits oder Preisminderung/Geldersatz andererseits erforderlich, aber auch hinreichend. Auf welche Weise und mit welchen Begehrenswortlaut jeweils eine der gewählten Alternativen durchzusetzen ist, bedarf keiner Festlegung (5 Ob 126/12h).

3.4. (Auch) Der hier zu beurteilende und zu klärende Interessenkonflikt liegt in der Wahl des Gewährleistungsbehelfs (Verbesserung oder Preisminderung) und in der Wahl der Art des Schadenersatzes (Naturalrestitution oder Geldersatz). Gerade diese Wahl haben die Antragsteller in ihrem Antragsbegehren dem Wortlaut nach aber nicht getroffen. Die Formulierung „Geltendmachung der den Wohnungseigentümern zustehenden Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche, insbesondere durch Geltendmachung einer Preisminderung und Einforderung des auf ihren jeweiligen Anteil entfallenden Teils des eingesetzten oder zu bevorschussenden Deckungskapitals“ beinhaltet nämlich keine Entscheidung für einen bestimmten Gewährleistungsbehelf oder eine bestimmte Schadensbehebungsart und auch keine entsprechende Reihung. Eine solche Wahl und Reihung der („insbesondere“) geltend zu machenden Individualrechte ergibt sich lediglich aus der parallel eingebrachten Klage des Erstantragstellers (konkret aus dem Umstand, dass dieser als Eventualbegehren zu seinem auf Wandlung gerichteten Hauptbegehren ein Geldleistungsbegehren erhebt und dies primär auf Preisminderung und hilfsweise auf Deckungskapital stützt). Der Erstantragssteller nimmt in seinem Vorbringen aber ausdrücklich auf dieses Eventualbegehren Bezug. Eine entsprechende Anpassung des Spruchs an diesen sachlichen Inhalt des Begehrens abweichend von dessen Wortlaut (vgl RIS-Justiz RS0041254; RS0039357; vgl auch RS0041192) wäre daher wohl zulässig und würde den Verfahrensgegenstand nicht iSd § 36 Abs 4 AußStrG überschreiten.

3.5. Gegenstand einer bloßen (und daher zulässigen) Verdeutlichung des Spruchs wäre auch die im Verfahren wiederholt vorgebrachte Klarstellung der Antragsteller, dass der Rechtsschutzantrag ungeachtet dessen, das das Antragsbegehren auch auf die den Wohnungseigentümern „für die von ihnen ausschließlich zur Verfügung stehenden Flächen zur Gänze“ zukommenden Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche Bezug nimmt, nur auf die Geltendmachung der auf die allgemeinen Teile bezogenen, bloß aliquoten Ansprüche gerichtet sein soll.

4.1. Die (nach dem Begehren der Antragsteller zu substituierende) Wahl des Gewährleistungsbehelfs der Preisminderung und hilfsweise des Geldersatzes in Höhe des Deckungskapitals für die Sanierung steht in einem Spannungsverhältnis zu den Bestimmungen der §§ 932 Abs 2, 933a Abs 2 ABGB, die grundsätzlich den Vorrang der Verbesserung und Naturalrestitution anordnen. Ein unmittelbar auf Verbesserung oder Naturalrestitution gerichtetes Begehren liegt auch im Interesse grundsätzlich aller Mit- und Wohnungseigentümer, weil die Mängelbehebung mit einer qualitativen Verbesserung der Wohnungseigentumsanlage verbunden ist (vgl 5 Ob 126/12h; 5 Ob 253/00t [jeweils aus dem Blickwinkel der Sachlegitimation]). Für das auf einen aliquoten Teil des Deckungskapitals gerichtete Begehren gilt das nur eingeschränkt, weil dieses zunächst nur der Finanzierung der Beteiligung des einzelnen Wohnungseigentümers an den Kosten der Sanierung dient. Dies ist bei der Entscheidungsfindung inhaltlich ebenso zu berücksichtigen, wie der Umstand, dass die die Mehrheit repräsentierenden Antragsgegner im Verfahren ausdrücklich den Standpunkt eingenommen haben, sie seien, sollten Mängel vorliegen, für die Geltendmachung von Verbesserungsansprüchen (vgl zur Berücksichtigung des Mehrheitswillens vgl Löcker aaO § 18 WEG Rz 105). Gemäß den Eigentumsverhältnissen repräsentieren die (verbleibenden) Antragsgegner auch dann die Mehrheit, wenn man die Drittantragsgegnerin als Alleingesellschafterin der Bauträgerin ausklammert (vgl § 24 Abs 3 WEG) und deren Interessen, die aus dieser Eigenschaft herrühren, nicht berücksichtigt.

4.2. Die von den Antragstellern (offenbar) angestrebte primäre Geltendmachung eines Preisminderungsanspruchs braucht daher einen besonderen Grund, der freilich mit den materiell-rechtlichen Voraussetzungen für dessen Geltendmachung korrelieren wird. In diesem Außerstreitverfahren hat freilich nur eine grobe Prüfung der Aussichten einer erfolgreichen Durchsetzung der behaupteten Ansprüche vor dem Hintergrund allfälliger gegenläufiger Interessen der anderen Wohnungseigentümer zu erfolgen. Die im streitigen Verfahren durchzuführende Klärung auf der Tatsachenebene strittiger Fragen ist nicht vorwegzunehmen (vgl 5 Ob 253/00t).

4.3. Ein eigentliches Vorbringen zur Begründung des Vorrangs des Preisminderungsbegehrens haben die Antragsteller nicht erstattet. Allerdings hielten sie den das Gegenteil begründenden Ausführungen der Antragsgegner entgegen, dass deren Behauptung, sie hätten sich nunmehr für allfällige Mängelbehebungen in natura entschieden, im Widerspruch zu ihrem bisherigen Vorbringen stünde. Die Antragsgegner hätten zunächst behauptet, dass die Mängel nicht vorlägen oder dem Bauträger nicht zuzurechnen seien und Rechtsansprüche auf Sanierung allgemeiner Teile im Rahmen der Gewährleistung verjährt seien. Da die Antragsgegner demgemäß keine weiteren Schritte gegenüber dem Bauträger unternehmen wollten, ergebe sich aus dem begehrten Beschluss keine Beeinträchtigung von Gemeinschaftsinteressen. Das Erstgericht schloss sich dieser Argumentation an; es verneinte deshalb einen „Interessenkonflikt“ und leitete daraus die Berechtigung des Antragsbegehrens ab.

4.4. Der Oberste Gerichtshof hat zu vergleichbaren Konstellationen in Gewährleistungs- und Schadenersatzprozessen aus dem Blickwinkel der Sachlegitimation Stellung genommen. In 5 Ob 126/12h hat er einen Interessenkonflikt (ua) deshalb verneint, weil allenfalls denkbare selbstständige Ansprüche anderer Mit- und Wohnungseigentümer von diesen im Hinblick auf die abgegebenen Abtretungserklärungen offenbar selbst nicht verfolgt würden und diese auch bereits verjährt wären. Unter diesen Umständen sind den Gemeinschaftsinteressen nachteilige Auswirkungen im Fall der Stattgebung des auf das Deckungskapital gerichteten Klagebegehrens nicht zu erkennen. In dem der Entscheidung 5 Ob 253/00t zugrunde liegenden Fall lehnten die Antragsgegner die Geltendmachung der Verbesserungsansprüche des Antragstellers nur deshalb ab, weil die von ihm behaupteten Mängel unerheblich seien. Dieser Einwand ist unbeachtlich, weil den Antragsgegnern demnach aus der vom Kläger auf eigenes Kostenrisiko geforderten Mängelbehebung kein erkennbarer Nachteil droht.

4.5. Umstände, die mit jenen, die es in den genannten Vorentscheidungen als gerechtfertigt erscheinen ließen, einen möglichen Interessenkonflikt überhaupt zu verneinen, vergleichbar sind, könnten auch ein für die Antragsteller positives Ergebnis der in diesem Außerstreitverfahren vorzunehmenden Interessensabwägung begründen und die primäre Geltendmachung des sekundären Gewährleistungsbehelfs Preisminderung rechtfertigen. Die bisherigen Verfahrensergebnisse erlauben aber keine abschließende Beurteilung dieser Frage. Das Vorbringen der Antragsgegner hiezu ist nicht ausreichend klar und die einzige vom Erstgericht in diesem Zusammenhang getroffene Feststellung, dass „jedenfalls die Drittantragsgegnerin“ der Ansicht sei, dass sämtliche allfällige Mängel behoben seien oder überhaupt nicht vorlägen, sodass die Wohnungseigentumsanlage derzeit mangelfrei sei, ist wenig aussagekräftig und unzureichend. Das Verfahren ist insofern ergänzungsbedürftig.

5.1. Diese Erwägungen führen zur Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen und Zurückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung. Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht die aufgezeigten Rechtsfragen mit den Parteien zu erörtern und ihnen Gelegenheit zu geben haben, ihnen erheblich erscheinendes Vorbringen zu erstatten und entsprechende Beweisanbote zu machen. Nach allfälliger Ergänzung des Beweisverfahrens wird es die fehlenden Feststellungen nachzuholen haben.

5.2. Wäre aufgrund der Ergebnisse des fortgesetzten Verfahrens tatsächlich überhaupt jeglicher Interessenkonflikt zu verneinen und daher die Sachlegitimation des Erstantragstellers auch ohne einen dessen Klageführung deckenden Mehrheitsbeschlusses zu bejahen, bedürfte es im Grunde genommen auch keines diesen substituierenden Sachbeschlusses. Im Hinblick auf den Gegenstand und Zweck dieses Verfahrens und dessen Bedeutung für die Geltendmachung von Individualansprüchen in einem Gewährleistungs- und Schadenersatzprozess wird der Antrag aber nicht allein mangels eines rechtlichen Interesses abzuweisen sein. Vielmehr ist im Falle des Vorliegens der sonstigen Voraussetzungen zur Klarstellung ein positiver Sachbeschluss geboten.

5.3. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG (iVm § 52 Abs 2 WEG). Die danach gebotenen Billigkeitserwägungen können erst in dem die Sache erledigenden Sachbeschluss angestellt werden (RIS-Justiz RS0123011 [T1]).

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