European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E119159
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die Erstantragsgegnerin ist schuldig, den Erst‑ bis Viertantragstellern binnen 14 Tagen die mit 502,03 EUR (darin enthalten 83,67 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung zu ersetzen.
Begründung:
1. Die Vorinstanzen hoben den Beschluss der Eigentümergemeinschaft über die Bestellung einer Gebäudeverwaltung GmbH zum Verwalter als unwirksam auf. Das Rekursgericht ließ den Revisionsrekurs zur Klärung der Fragen zu, ob durch die Beauftragung mit der Verwaltung eigener Objekte (der Erstantragsgegnerin) ein wirtschaftliches Naheverhältnis zu diesem Verwalter begründet werde, das einen mit Stimmrechtsausschluss einhergehenden Interessenkonflikt bei Beschlussfassung über die Bestellung dieses Verwalters bewirkt, und wer für das Bestehen oder das Fehlen eines Gefahrenpotentials behauptungs‑ und beweispflichtig ist.
Rechtliche Beurteilung
2. Der Revisionsrekurs der Erstantragsgegnerin ist entgegen diesem nach § 71 Abs 1 AußStrG iVm § 52 WEG nicht bindenden Ausspruch nicht zulässig.
3. Der Begriff des familiären oder wirtschaftlichen Naheverhältnisses in § 24 Abs 3 WEG 2002 wurde bewusst § 6 Abs 4 MaklerG entnommen, sodass auf das dort entwickelte Gesetzesverständnis zurückgegriffen werden kann. Zweck der Regelung ist da wie dort die Vermeidung von Interessenkollisionen. Der Geschäftsabschluss bzw das Stimmverhalten soll von den Interessen des Geschäftspartners des Dritten und nicht von den Interessen des Maklers bzw Stimmführers gesteuert sein. Ob ein Interessenkonflikt droht, hängt einerseits von der Intensität der Beziehung zwischen den in Rede stehenden Personen, andererseits vom Zweck des Geschäfts ab. Es kommt dabei auf die Umstände des Einzelfalls an, die nach wirtschaftlich sinnvoll und praktikablen Gesichtspunkten zu beurteilen sind (5 Ob 246/03t = RIS‑Justiz RS0118452). Selbst Abhängigkeiten, die sich aus einem Dienstvertrag oder der ständigen Zusammenarbeit in einem Auftrags‑ oder Werkvertragsverhältnis ergeben, können ein wirtschaftliches Naheverhältnis im Sinn des § 24 Abs 3 WEG indizieren (5 Ob 246/03t; RIS‑Justiz RS0118453).
4. Die Enthebung und Bestellung des Verwalters gehört zu jenen Rechtsgeschäften, die gemäß § 24 Abs 3 WEG einen Stimmrechtsausschluss gebieten, wenn durch das familiäre oder wirtschaftliche Naheverhältnis eines Wohnungseigentümers zum Verwalter Gemeinschafts-interessen auf dem Spiel stehen. Bei einem Naheverhältnis eines Wohnungseigentümers zu der als Verwalter ausersehenen natürlichen oder juristischen Person ist stets zu hinterfragen, ob im konkreten Fall eine den Gemeinschaftsinteressen abträgliche Verwaltung etwa durch einen Strohmann dieses Wohnungseigentümers droht. Bestehen dafür plausible Anhaltspunkte, relativieren sie die Intensität des für den Stimmrechtsausschluss erforderlichen Tatbestandsmerkmals des wirtschaftlichen Naheverhältnisses (5 Ob 246/03t = wobl 2004/76, 307 [zust Call] = immolex 2005/21 [zust Vonkilch]; RIS‑Justiz RS0118455).
5. Die Erstantragsgegnerin und Mehrheitseigentümerin (rund 87 %) ist Vermieterin von neun Wohnungseigentumsobjekten, mit deren Verwaltung sie jene Gebäudeverwaltung GmbH betraute, die in der Folge per Umlaufbeschluss ausschließlich mit der Stimme der Mehrheitseigentümerin zur neuen Verwalterin des Hauses bestellt wurde. Dieses System der Identität zwischen Hausverwalterin und Verwalterin der Mehrheitseigentümerin hatte – bis zur Beendigung der jeweiligen Verwaltertätigkeit – auch zuvor bestanden, wobei es zu Missständen gekommen war. Die damalige Hausverwalterin hatte der Erstantragsgegnerin 2011 und 2012 keine Beiträge zur Reparaturrücklage vorgeschrieben und in die Abrechnungen für diese Perioden auch Reparatur‑ und Instandsetzungsmaßnahmen aufgenommen, die lediglich die Wohnungseigentumsobjekte der Erstantragsgegnerin betroffen hatten. Beides war der Erstantragsgegnerin bekannt. Sie hatte die von der Erstantragsgegnerin zu leistenden Beiträge nur schleppend überwiesen, weshalb es immer wieder zu Rückständen gegenüber der Eigentümergemeinschaft gekommen war. Schon bei Abschluss des Vertrags über die Verwaltung der vermieteten Wohnungseigentumsobjekte mit der (nunmehrigen) Gebäudeverwaltung GmbH beabsichtigte die Erstantragsgegnerin, ihre Verwalterin auch zur Hausverwalterin zu bestellen, was sie ca eineinhalb Monate danach mit dem nunmehr angefochtenen Umlaufbeschluss auch erreichte. Ab Beginn ihrer Verwaltungstätigkeit betreffend die Wohnungseigentumsobjekte der Antragsgegnerin leistete die Gebäudeverwaltung GmbH keine Zahlungen an die Gemeinschaft (ausgenommen eine Einmalzahlung von 500 EUR). Der Rückstand wurde einschließlich des Wohnbeitrags für Dezember 2015 erst am 9. 12. 2015 bezahlt. Die Wohnbeiträge für Jänner 2016 wurden erst am 25. 1. 2016 endgültig dem Konto der Eigentümergemeinschaft gutgeschrieben.
6. Das von der Mehrheitseigentümerin eingeführte und auch fortgesetzte System der gleichzeitigen Verwaltungstätigkeit für die Eigentümergemeinschaft einerseits und die Mehrheitseigentümerin andererseits, das in der Vergangenheit zu Missständen geführt hatte, indiziert eine Gefährdung der Interessen der übrigen Gemeinschaft, weil es auch unter dem Regime der neuen Verwalterin zu Beitragsrückständen der Erstantragsgegnerin gekommen war. Ein wirtschaftliches Naheverhältnis zwischen der Mehrheitseigentümerin und der ihre Wohnungseigentumsobjekte verwaltenden GmbH ist im Sinn der zu 5 Ob 246/03t ausführlich dargelegten Kriterien zu bejahen. Das vom Rekursgericht erzielte Ergebnis, dass in dieser Konstellation ein Stimmrechtsausschluss nach § 24 Abs 3 WEG gerechtfertigt ist, hält sich im Rahmen der höchstgerichtlichen Rechtsprechung. Damit erübrigt sich eine Antwort auf die Frage des Rekursgerichts nach der Beweislast. Wenn die Feststellungen – wie hier – eine ausreichende Grundlage für die Annahme eines Gefährdungspotentials bieten, hat jener Wohnungseigentümer, der einen Beschluss als Folge eines Stimmrechtsausschlusses bekämpft, seine ihn im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren treffende, qualifizierte Behauptungspflicht (RIS‑Justiz RS0070480; RS0124141 [T2]; RS0070415) erfüllt.
7. Der Revisionsrekurs der Erstantragsgegnerin zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf und ist deshalb zurückzuweisen.
8. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs 2 WEG iVm § 37 Abs 3 Z 17 MRG. Die Antragsteller haben in der Revisionsrekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen, weshalb ein Kostenzuspruch der Billigkeit entspricht. Der Streitgenossenzuschlag beträgt allerdings nur 20 %, weil den vier Antragstellern im Revisionsrekursverfahren nur mehr die Erstantragsgegnerin gegenübersteht.
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