OGH 1Ob209/19w

OGH1Ob209/19w16.12.2019

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Wurzer als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer, Dr. Parzmayr und Dr. Faber als weitere Richter in der Ablehnungssache der Antragstellerin M*****, vertreten durch Dr. Heinrich Fassl, Rechtsanwalt in Wien, über ihren Rekurs gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz vom 25. September 2019, GZ 5 Nc 2/19m‑7, mit dem der Ablehnungsantrag gegen die Mitglieder des Ablehnungssenats dieses Gerichts zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0010OB00209.19W.1216.000

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Rekurswerberin hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

 

Begründung:

Die Antragstellerin hat in einem Amtshaftungsverfahren die Mitglieder des Berufungssenats eines Oberlandesgerichts als befangen abgelehnt. Dieser Ablehnungsantrag wurde vom Ablehnungssenat dieses Gerichts zurückgewiesen. In ihrem dagegen erhobenen Rekurs (über den aufgrund einer Unterbrechung des Rekursverfahrens noch nicht entschieden wurde) lehnte die Antragstellerin auch die Mitglieder dieses Ablehnungssenats als befangen ab. Auch dieser (zweite) Ablehnungsantrag wurde vom (mit anderen Senatsmitgliedern besetzten) Ablehnungssenat des betroffenen (Oberlandes‑)Gerichts zurückgewiesen.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich der Rekurs der Antragstellerin, dem jedoch keine Berechtigung zukommt.

1. Die Rekurswerberin lehnte zuletzt (gleichzeitig mit der Einbringung des vorliegenden Rekurses) auch die Mitglieder desjenigen Ablehnungssenats, die den hier bekämpften Beschluss gefasst hatten, als befangen ab. Sie argumentiert in ihrem gegen diesen Beschluss gerichteten (hier zu beurteilenden) Rekurs, dass dieser aufgrund der Teilnahme der (ihrer Ansicht nach ebenfalls) befangenen Senatsmitglieder nichtig sei. Die zur „Behandlung“ dieses (dritten) „Ablehnungsantrags“ berufenen Mitglieder des (wiederum neu zusammengesetzten) Ablehnungssenats hielten in einem Aktenvermerk vom 25. 10. 2019 fest, dass eine (beschlussmäßige) Entscheidung über die neuerliche Ablehnung, die offensichtlich rechtsmissbräuchlich erfolgt sei, unterbleibe. Aufgrund eines Fristsetzungsantrags der Antragstellerin, mit dem sie eine Entscheidung über ihren zuletzt eingebrachten Ablehnungsantrag (dessen beschlussmäßige Behandlung abgelehnt wurde) anstrebte, sprach der erkennende Senat des Obersten Gerichtshofs (zu 1 Fsc 3/19k) unter anderem Folgendes aus:

„Die Antragstellerin lehnt nach nahezu jeder Entscheidung, die nicht in ihrem Sinn oder ihrem Rechtsstandpunkt entsprechend ergeht, sämtliche Mitglieder des jeweils erkennenden Senats des Oberlandesgerichts Linz ab; nun jene eines bestimmten Senats dieses Gerichts. Der für die Behandlung dieser Ablehnung zuständige Senat des Oberlandesgerichts Linz hielt im Aktenvermerk vom 25. 10. 2019 in Übereinstimmung mit der höchstgerichtlichen Judikatur zu rechtsmissbräuchlichen Ablehnungen fest, dass aus näher dargelegten Überlegungen über die neuerliche Ablehnung nicht entschieden werde. Werden – wie hier – in einer Ablehnungserklärung keine konkreten, also gegen die Person der abgelehnten Richter gerichteten substantiierten und detaillierten Befangenheitsgründe ins Treffen geführt, besteht kein Anlass, vor der Entscheidung darüber Äußerungen (§ 22 Abs 2 JN) der als befangen abgelehnten Richter einzuholen (RS0045983 [T14]). Die diesbezüglich behauptete Säumnis der Übersendung ihrer Ablehnung an die abgelehnten Richter zur Stellungnahme liegt daher auch nicht vor.“

In Übereinstimmung mit dieser Entscheidung ist der Antragstellerin, die nahezu reflexhaft („kaskadenartig“) bei jeder nicht in ihrem Sinn ergangenen Entscheidung sämtliche Mitglieder des jeweils erkennenden Senats ablehnt, auch im vorliegenden Rekursverfahren entgegenzuhalten, dass die auf keine substantiierten Befangenheitsgründe gestützte Ablehnung der Mitglieder desjenigen Ablehnungssenats, die den hier bekämpften Beschluss fassten, rechtsmissbräuchlich ist. Daraus folgt, dass wie der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach klargestellt hat (vgl jüngst 5 Ob 124/19z) eine sofortige Entscheidung über das Rechtsmittel (also den hier zu behandelnden Rekurs) zulässig ist und die behauptete Nichtigkeit auch ohne Entscheidung über den (jüngsten) Ablehnungsantrag (betreffend die an der hier angefochtenen Entscheidung mitwirkenden Richter) nicht vorliegt.

2. Soweit die Rekurswerberin auch darin eine Nichtigkeit des angefochtenen Beschlusses bzw des der Beschlussfassung vorangegangenen Verfahrens erblickt, dass es unterlassen worden sei, den (Ablehnungs‑)Schriftsatz entsprechend der Bestimmung des § 183 Abs 3 Geo den abgelehnten Richtern zur Äußerung binnen einer bestimmten Frist zu übersenden, übersieht sie einerseits, dass die abgelehnten Richter (Mitglieder des [ersten] Ablehnungssenats) zum Ablehnungsantrag ohnehin Stellung nahmen. Andererseits ist nicht nachvollziehbar, warum der Einhaltung der genannten Bestimmung eine Auswirkung auf den „Anfallszeitpunkt (des Ablehnungsantrags) beim zuständigen Ablehnungssenat“ zukommen sollte, und daraus eine Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter (Art 83 Abs 2 B‑VG) resultieren soll.

3.1. Die Rekurswerberin erachtet den angefochtenen Beschluss auch deshalb als nichtig, weil dessen Urschrift vom Senatsvorsitzenden sowie vom Berichterstatter bloß paraphiert (und nicht mit vollem Namen unterschrieben) wurde und eine Unterschrift oder Paraphe des dritten Senatsmitglieds gänzlich fehlt.

3.2. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (vgl 5 Ob 124/19z mit Hinweis auf 8 Ob 99/16s) ist die auf der Urschrift anzubringende

Unterschrift zwar notwendiger Bestandteil einer Entscheidung. Selbst das völlige Fehlen der

Unterschrift des zuständigen Organs lässt für sich allein aber nicht in jedem Fall eine abschließende Beurteilung darüber zu, ob eine diesem zurechenbare Entscheidung oder eine keine Rechtswirkung entfaltende Nichtentscheidung vorliegt. Maßgeblich ist die eindeutige Dokumentation des Entscheidungswillens des Richters. Lässt sich dieser Entscheidungswille unmissverständlich aus dem Akt erschließen, bildet die

Unterschrift auf der Urschrift einen bloßen im Weg der Verbesserung nachtragbaren Formalakt, der keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der Entscheidung hat.

3.3. Hier besteht kein Zweifel am Entscheidungswillen der an der Beschlussfassung beteiligten Senatsmitglieder, weist die Urschrift doch (zumindest) eine Paraphe des Vorsitzenden sowie des Berichterstatters auf. Außerdem wurde der Urschrift ein vom Vorsitzenden unterschriebener (zumindest) paraphierter Abstimmungsvermerk angeschlossen, aus dem sich die einstimmige Beschlussfassung durch die (dort ebenso wie im Kopf der angefochtenen Entscheidung namentlich genannten) Senatsmitglieder ergibt. Ob es sich bei den „handschriftlichen Beurkundungen“ auf der Urschrift des angefochtenen Beschlusses um bloße Paraphen oder um (schlecht lesbare) Unterschriften handelt, kann daher dahingestellt bleiben. Dass die fehlende Paraphierung bzw Unterzeichnung der Urschrift durch das weitere (dritte) Senatsmitglied keine Nichtigkeit des angefochtenen Beschlusses zu begründen vermag, ergibt sich bereits aus § 429 Abs 1 ZPO, wonach die Urschrift des Beschlusses, wenn dieser wie hier von einem Senat gefasst wurde, nur vom Vorsitzenden zu unterschreiben ist (vgl M. Bydlinski in Fasching / Konecny ³ § 429 ZPO Rz 1; Brenn in Höllwerth / Ziehensack , ZPO Taschenkommentar § 429 ZPO Rz 2).

4. Der Rechtsrüge ist entgegenzuhalten, dass die Rekurswerberin ihren Ablehnungsantrag auf behauptete Unrichtigkeiten des vom abgelehnten (Ablehnungs‑)Senat gefassten Beschlusses stützte. Auch in ihrer Rechtsrüge beschränkt sie sich im Wesentlichen auf die Behauptung, die vom abgelehnten Senat getroffene Entscheidung sei rechtlich unrichtig. Weder die Unrichtigkeit einer Gerichtsentscheidung noch die Vertretung einer bestimmten

Rechtsmeinung durch den Richter bilden jedoch einen

Ablehnungsgrund, selbst wenn die Rechtsansicht von der herrschenden Rechtsprechung abgelehnt wird. Meinungsverschiedenheiten in Rechtsfragen sind nicht im Ablehnungsverfahren auszutragen, das den Parteien nicht die Möglichkeit bieten soll, sich eines nicht genehmen Richters zu entledigen (vgl RIS‑Justiz RS0111290). Vermeintliche Entscheidungsfehler (auch Verfahrensmängel; vgl RS0046090) sind daher in der Regel kein

Ablehnungsgrund. Es ist auch nicht Aufgabe des zur Beurteilung eines aus der Entscheidung eines Richters abgeleiteten

Ablehnungsantrags berufenen gerichtlichen Organs, die Entscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen (RS0046047). Der Ablehnungsantrag der Antragstellerin wurde daher (als Teil ihrer „Ablehnungskaskade“) zu Recht zurückgewiesen.

5. Gemäß §§ 40, 50 ZPO hat die Rekurswerberin die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

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