European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E126680
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Ob eine Prozessführung im Interesse des Pflegebefohlenen liegt, ist eine Ermessensentscheidung des Pflegschaftsgerichts (RS0048207), die sich am konkreten Einzelfall zu orientieren hat (RS0048142).
2.1. Entgegen der im Revisionsrekurs vertretenen Auffassung entfaltet der Beschluss über die Bewilligung der Verfahrenshilfe keine Bindungswirkung für das Verfahren zur pflegschaftsbehördlichen Genehmigung der Klagsführung. Die Kriterien für die Bewilligung der Verfahrenshilfe dienen vor allem der Wahrung fiskalischer Interessen. Demgegenüber dient die pflegschaftsbehördliche Genehmigung der Wahrung der Interessen des Pflegebefohlenen. Dies rechtfertigt die Anlegung eines tendenziell strengeren Maßstabs an die Prüfung der Erfolgsaussichten.
2.2. Nach ständiger Rechtsprechung ist bei Prüfung der Genehmigungsfähigkeit einer Klage nicht unter Vorwegnahme des Zivilprozesses zu untersuchen, ob der Anspruch besteht, sondern vielmehr unter Einbeziehung aller Eventualitäten (lediglich) das Prozessrisiko abzuwägen (RS0108029). Im Vordergrund steht die Feststellung der Erfolgsaussichten, also des Risikos des angestrebten Prozesses und vor allem die Wahrscheinlichkeit eines drohenden Vermögensnachteils (RS0048156, RS0108029 [T3, T9]).
2.3. Die Bewilligung der Verfahrenshilfe bedeutet nicht, dass der Betroffenen kein Vermögensnachteil droht, ist doch mit der Bewilligung der Verfahrenshilfe lediglich eine Befreiung von eigenen Gerichts‑ und Sachverständigenkosten sowie die Beigabe eines Rechtsanwalts verbunden. Das Risiko, bei Unterliegen im Prozess gegenüber der beklagten Partei kostenersatzpflichtig zu werden, wird durch die Verfahrenshilfe jedoch nicht beseitigt.
3. Zutreffend verweisen die Vorinstanzen auf den Umstand, dass der behauptete Behandlungsfehler im Zeitraum 1. Jänner 2001 bis 31. Dezember 2008 stattgefunden hat, sodass die dreijährige Verjährungsfrist des § 1489 ABGB längst abgelaufen ist. Die 30‑jährige Verjährungsfrist nach dieser Gesetzesstelle würde eine Schadensentstehung aus einer gerichtlich strafbaren Handlung voraussetzen, die nur vorsätzlich begangen werden kann und mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist. Damit müsste die Betroffene den Nachweis der Erfüllung des Tatbestands des § 84 StGB erbringen; der behandelnde Arzt müsste daher damals den Vorsatz gehabt haben, durch die von ihm angeordnete Medikation die Betroffene am Körper schwer zu verletzen. Die Auffassung der Vorinstanzen, ein solches Verhalten widerspräche jeglicher Lebenserfahrung, zumal nach den aktenkundigen Gutachten die Behandlung lege artis erfolgt ist, bedarf keiner Korrektur.
4. Zusammenfassend bringt der Revisionsrekurs daher keine Rechtsfrage der von § 62 Abs 1 AußStrG geforderten Qualität zur Darstellung, sodass er spruchgemäß zurückzuweisen war.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)