OGH 2Ob27/19p

OGH2Ob27/19p22.10.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden und den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé, sowie die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei U***** Versicherungen AG, *****, vertreten durch Ing. Mag. Klaus Helm, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei A***** AG, *****, vertreten durch Dr. Raimund Danner, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 17.566,31 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 14. November 2018, GZ 2 R 146/18f‑26, womit infolge der Berufungen beider Parteien das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 18. Juli 2018, GZ 5 Cg 117/17b‑20, teils abgeändert, teils bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0020OB00027.19P.1022.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.253,88 EUR (darin 208,98 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Am 10. 7. 2007 durchbrach ein bei der klagenden Partei haftpflichtversicherter Lkw auf einer von der beklagten Partei betriebenen Autobahn die zur Trennung der Richtungsfahrbahnen errichtete Betonleitwand und kollidierte mit einem entgegenkommenden Pkw, dessen Lenker dadurch getötet wurde. Die klagende Partei leistete dem Unfallgegner und dessen Hinterbliebenen Ersatz. In einem zwischen den Streitteilen geführten Vorprozess wurde dem Regressbegehren der klagenden Partei in Höhe von 25 % der bis zum 11. 10. 2013 zur Regulierung der Unfallschäden aufgewendeten Zahlungen hinsichtlich des begehrten Teilbetrags stattgegeben, weil die vorschriftswidrige Verwendung einer Betonleitwand mit zu geringem „Aufhaltevermögen“ durch die beklagte Partei mitkausal für den Unfall war und die beklagte Partei den Hinterbliebenen des Pkw-Lenkers wegen der Mautpflicht (Vignettenmaut) vertraglich haftet (vgl 2 Ob 61/17k [Zurückweisung der außerordentlichen Revision der beklagten Partei]).

Mit ihrer am 6. 10. 2017 eingebrachten Klage begehrt die klagende Partei von der beklagten Partei neuerlich Regress im Ausmaß eines im Vorprozess noch nicht eingeklagten restlichen Teilbetrags von 8.009,69 EUR. Zusätzlich begehrt sie die Zahlung von 9.556,62 EUR, das seien 25 % der am 29. 3. 2016 und 14. 11. 2016 an den Sozialversicherungsträger refundierten Hinterbliebenen-pensionen der Jahre 2015 und 2016.

Mit Schriftsatz vom 30. 3. 2018 („Klageerweiterung“) behauptete die klagende Partei weitere Ersatzleistungen an den Unfallversicherungsträger von 18.861,07 EUR am 13. 10. 2014 und von 19.351,17 EUR am 20. 2. 2018. Sie mache 25 % dieser Zahlungen (zusammen 9.553,05 EUR) als nachrangige „alternative Anspruchsgrundlage“ geltend. Für den Fall, dass die Begründung der Klagsforderung durch verschiedene Anspruchsgrundlagen als unzulässig erachtet werde, stelle sie in diesem Umfang ein Eventualbegehren.

Die beklagte Partei wendete – soweit im Revisionsverfahren noch von Bedeutung – die Verjährung der geltend gemachten Regressforderungen ein.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren unter Abweisung eines Zinsenmehrbegehrens statt. Aufgrund der durch die Mautpflicht begründeten Vertragshaftung der beklagten Partei gegenüber dem geschädigten Unfallgegner sei für die Regressforderung der klagenden Partei von einer dreijährigen Verjährungsfrist auszugehen, deren Lauf mit Erbringung der jeweiligen Ersatzleistung beginne. Der aus dem Vorprozess verbliebene Teilbetrag von 8.009,69 EUR sei daher zwar verjährt. Die übrigen Regressforderungen, einschließlich der mit Schriftsatz vom 30. 3. 2018 zusätzlich geltend gemachten, seien jedoch nicht verjährt, weshalb dem Klagebegehren zur Gänze stattzugeben sei.

Das von beiden Parteien angerufene Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Jener der klagenden Partei gab es teilweise Folge und änderte das erstinstanzliche Urteil in seinem Zinsenzuspruch ab. Es sprach zunächst aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Das Berufungsgericht führte aus, Rückgriffsansprüche im Sinne der §§ 896, 1302 ABGB unterlägen grundsätzlich der dreißigjährigen Verjährungsfrist der §§ 1478 f ABGB. Eine dreijährige Verjährungsfrist gelte nur dann, wenn aufgrund des besonderen Innenverhältnisses der Mitschuldner der Rückersatzanspruch (auch) als Schadenersatzanspruch zu beurteilen sei, weil die Schädigung des Dritten gleichzeitig eine Vertragsverletzung gegenüber dem zahlenden Mitschuldner darstelle. Eine solche Sonderkonstellation sei im vorliegenden Fall nicht ausreichend ersichtlich und von der beklagten Partei auch nicht ausreichend behauptet worden. Es sei daher dem „Hauptklagebegehren“ zur Gänze stattzugeben.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision nachträglich mit der Begründung zu, es sei nicht auszuschließen, dass es bei seiner Differenzierung zwischen der vertraglichen Haftung der beklagten Partei einerseits gegenüber den Hinterbliebenen des getöteten Pkw-Lenkers und andererseits gegenüber dem Lkw-Lenker in Bezug auf die Zuordnung der Ergebnisse der Vorprozesse und des Parteienvorbringens im gegenständlichen Prozess allenfalls einer unzutreffenden Sichtweise unterlegen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Partei ist – entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruch des Berufungsgerichts – nicht zulässig. Weder in der Zulassungsbegründung des Berufungsgerichts noch in der Revision werden erhebliche Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt:

1. Ein dem Berufungsgericht unterlaufener Verfahrensverstoß bildet nur dann den Revisionsgrund des § 503 Z 2 ZPO, wenn er abstrakt geeignet war, eine unrichtige Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz herbeizuführen. Der Rechtsmittelwerber hat daher in einer Verfahrensrüge wegen Verletzung der Pflichten des § 182a ZPO darzulegen, welches zusätzliche oder andere Vorbringen er aufgrund der von ihm nicht beachteten neuen Rechtsansicht erstattet hätte (2 Ob 221/17i; 5 Ob 125/15s; RS0037300 [T48]). Diese Darlegung bleibt die Revisionswerberin jedoch schuldig. Sie steht vielmehr auf dem Standpunkt, ihr erstinstanzliches Vorbringen sei ohnehin ausreichend gewesen.

2. Ein Schädiger, der dem Geschädigten den gesamten Schaden ersetzt hat, hat gegen die übrigen solidarisch haftenden Schädiger einen Regressanspruch nach § 896 ABGB (10 Ob 68/17y; 2 Ob 191/12w; RS0017514). Diese Bestimmung erfasst auch das Zusammentreffen von vertraglicher und deliktischer Haftung (2 Ob 61/17k). Der Regressanspruch ist ein selbständiger Anspruch (10 Ob 68/17y mwN; 2 Ob 191/12w; 1 Ob 31/08b; RS0122266). Daraus leitet die Rechtsprechung eine dreißigjährige Verjährungsfrist ab (RS0017572). Eine kürzere Verjährungsfrist wird nur dann angenommen, wenn aufgrund des besonderen Verhältnisses der Mitschuldner ein Rückersatzanspruch auch als Schadenersatzanspruch zu beurteilen ist, weil die Schädigung des Dritten gleichzeitig eine Vertragsverletzung gegenüber dem zahlenden Mitschuldner ist (10 Ob 68/17y mwN). Dies wird in ständiger Rechtsprechung etwa bejaht, wenn schuldhaft Pflichten aus einem Arbeitsverhältnis oder Werkvertrag verletzt wurden (1 Ob 31/08b; 6 Ob 34/03y; vgl RS0017479).

3. Die die Einrede der Verjährung begründenden Tatsachen hat die beklagte Partei zu behaupten und zu beweisen (RS0034198 [T1, T2, T4]). Ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, ist eine Frage des Einzelfalls, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung keine erhebliche Bedeutung zukommt (RS0042828 [T1]). Auch die Frage, wie ein Vorbringen einer Partei zu beurteilen ist und auf welchen Titel ein Anspruch gestützt wird, stellt für sich keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung dar (RS0042828 [T24]), sofern das Berufungsgericht zu einem vertretbaren Auslegungsergebnis gelangt ist (RS0042828 [T27]).

Die beklagte Partei hat zur Begründung der von ihr geltend gemachten dreijährigen Verjährungsfrist bloß auf eine „wegen Vignettenpflicht begründete Vertragshaftung“ verwiesen, die aber nur gegenüber den Geschädigten besteht. Die Ansicht des Berufungsgerichts, die beklagte Partei habe damit kein ausreichendes Sachvorbringen zu einem „besonderen Verhältnis zwischen den Solidarschuldnern im Sinne der oben dargelegten Rechtsprechung (Punkt 2.) erstattet, hält sich im Beurteilungsspielraum des Berufungsgerichts. Das gilt ebenso für dessen Ansicht, dieses Vorbringen lasse nicht erkennen, dass und inwiefern die beklagte Partei eine ihr gegenüber dem Lenker oder Halter des Lkw oder der Klägerin unterlaufene Vertragsverletzung zugestehen habe wollen. Auch in ihrer Revision geht die beklagte Partei auf eine solche Vertragsverletzung nicht ein, sondern beruft sich erneut lediglich auf ihre unstrittige vertragliche Haftung gegenüber den Geschädigten wegen der auf der Autobahn bestehenden Mautpflicht.

4. Ausgehend von dem nicht korrekturbedürftigen Auslegungsergebnis des Berufungsgerichts kommt es angesichts der hier relevanten Zeiträume auf den Beginn der dreißigjährigen Verjährungsfrist (Punkt 2.) nicht an (vgl zuletzt 10 Ob 68/17y).

5. Das Berufungsgericht hat der klagenden Partei ohnehin das „Hauptbegehren“ zugesprochen, sodass auch eine Erörterung, ob das Vorbringen der klagenden Partei ein zulässiges Eventualbegehren darstellt, unterbleiben kann.

6. Die Revision ist daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50, 41 ZPO. Die klagende Partei hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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