OGH 8ObA62/18b

OGH8ObA62/18b29.8.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Korn als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Johanna Biereder und Werner Krachler in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei M***** B*****, vertreten durch Dr. Thomas Majoros, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei C***** GmbH, *****, vertreten durch MMag. Maria Leinschitz, Rechtsanwältin in Wien, wegen 29.472,27 EUR brutto (Revisionsinteresse: 1.929,38 EUR brutto) sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. August 2018, GZ 10 Ra 26/81v (10 Ra 50/18y)‑37, mit dem das Endurteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 31. Jänner 2018, GZ 35 Cga 72/17i‑31, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:008OBA00062.18B.0829.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung insgesamt zu lauten hat:

„1. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen 12.734,81 EUR brutto samt jeweils 9,08 % Zinsen aus 272,10 EUR brutto seit 1. 9. 2014, aus 348,60 EUR brutto seit 1. 10. 2014, aus 153,97 EUR brutto seit 1. 11. 2014, aus 2.238,42 EUR brutto seit 1. 12. 2014, aus 73,01 EUR brutto seit 1. 2. 2015, aus 467,03 EUR brutto seit 1. 5. 2015, aus 202,52 EUR brutto seit 1. 6. 2015, aus 815,99 EUR brutto seit 1. 7. 2015, aus 5,03 EUR brutto seit 1. 11. 2015, aus 85,18 EUR brutto seit 1. 12. 2015, aus 31,36 EUR brutto seit 1. 2. 2016, aus 70,13 EUR brutto seit 1. 3. 2016, aus 328,63 EUR brutto seit 1. 4. 2016, aus 108,63 EUR brutto seit 1. 5. 2016, aus 1.321,39 EUR brutto seit 1. 7. 2016, aus 345,13 EUR brutto seit 1. 11. 2016, aus 323,15 EUR brutto seit 1. 12. 2016, aus 620,13 EUR brutto seit 1. 1. 2017, aus 305,78 EUR brutto seit 1. 2. 2017, aus 4.618,33 EUR brutto seit 1. 4. 2017 zu bezahlen.

2. Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei weiters schuldig, der klagenden Partei 16.737,46 EUR brutto samt Zinsen zu bezahlen, wird abgewiesen.

3. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 65,20 EUR bestimmten Barauslagen zu ersetzen.“

Die beklagte Partei hat der klagenden Partei binnen 14 Tagen 83,76 EUR (darin 13,96 EUR USt) an Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war bei der Beklagten vom 14. 1. 2014 bis 31. 3. 2017 als Call-Center-Mitarbeiter beschäftigt. Nach der Bezeichnung des zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Vertrags und der Anmeldung zur Sozialversicherung sollte er freier Dienstnehmer sein. Seine Entlohnung belief sich zuletzt auf 11 EUR brutto pro Stunde. Dem Kläger wurden nur die tatsächlichen Arbeitszeiten bezahlt. Das Vertragsverhältnis wurde einvernehmlich aufgelöst.

Der Kläger brachte vor, er sei kein freier Dienstnehmer gewesen, sondern seine Beschäftigung habe die wesentlichen Merkmale eines echten Arbeitsverhältnisses aufgewiesen. Das Klagebegehren ist auf Nachzahlung von Differenzen zum kollektivvertraglichen Mindestentgelt gerichtet, weiters auf Urlaubsersatzleistung für den Zeitraum vom 14. 1. 2014 bis 31. 3. 2017 im Ausmaß von 64 Arbeitstagen. Zur Berechnung dieses Anspruchs brachte der Kläger vor, er habe im Jahr 2015 drei Wochen „Gebührenurlaub“ konsumiert, die er von seinem gesamten Urlaubsanspruch abgezogen habe.

Im Revisionsverfahren ist nicht mehr strittig, dass das Vertragsverhältnis nicht als freier Dienstvertrag, sondern als echter Arbeitsvertrag zu qualifizieren war.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren auf dieser rechtlichen Grundlage teilweise statt und sprach auch die geltend gemachte Urlaubsersatzleistung zur Gänze zu.

Das Berufungsgericht änderte die Entscheidung des Erstgerichts über Berufung der Beklagten dahin teilweise ab, dass es auch den Anspruch auf Urlaubsersatzleistung für das Urlaubsjahr vom 14. 1. 2014 bis 13. 1. 2015 im Ausmaß von 25 Arbeitstagen (1.929,38 EUR brutto) abwies. Für diesen Zeitraum sei der Urlaubsanspruch bereits vor Beendigung des Dienstverhältnisses und vor der im Juli 2017 eingebrachten Klage verjährt gewesen.

In seiner gemäß § 508 Abs 2 ZPO zugelassenen Revision führt der Kläger aus, die Beurteilung der Verjährungsfrage durch das Berufungsgericht entspreche zwar der ständigen Judikatur des Obersten Gerichtshofs, diese sei jedoch im Lichte der jüngsten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum unionsrechtlichen Anspruch auf jährlichen Mindesturlaub nicht mehr aufrecht zu erhalten. Dem Kläger sei überhaupt keine Möglichkeit zu einem Urlaubskonsum eingeräumt worden, weshalb keine Verjährung eintreten habe können.

Die Beklagte hat von der ihr freigestellten Möglichkeit einer Revisionsbeantwortung keinen Gebrauch gemacht.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist zulässig, weil die maßgeblichen Rechtsfragen im Sinne der Ausführungen des Klägers aufgrund der Entwicklung des Unionsrechts einer neuerlichen näheren Befassung bedürfen.

Die Revision ist teilweise berechtigt.

1. Auf freie Dienstverträge (zur hier nicht mehr strittigen Definition und Abgrenzung vgl ua RIS‑Justiz RS0021740; RS0021743; Rebhahn in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 1151 ABGB Rz 127 ff) sind arbeitsrechtliche Bestimmungen nur insoweit anzuwenden, als sie nicht vom persönlichen Abhängigkeitsverhältnis des Arbeitnehmers ausgehen und den sozial Schwächeren schützen sollen (RS0118265 = 8 ObA 45/03f; RS0021758). In diesem Sinn ist im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses unter anderem das Fehlen eines Anspruchs auf bezahlten Urlaub nicht unzulässig (RS0111628; RS0021758 [T9, T12, T19]).

Als echtem Arbeitnehmer stand dem Kläger hingegen ein nach § 2 iVm § 12 UrlG unabdingbarer Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub im Ausmaß von jährlich 30 Werktagen zu.

Die Bezahlung von Urlaubsentgelt nach dem Ausfallsprinzip (RS0129704) ist ein untrennbares Wesenselement des Urlaubsanspruchs. Die Möglichkeit, arbeitsfreie Tage nach eigenem Wunsch, aber ohne Weiterzahlung des Entgelts in Anspruch zu nehmen, wie sie auch freien Dienstnehmern typischerweise offensteht, erfüllt den gesetzlichen Urlaubsanspruch nicht (vgl 8 ObS 2/18d; Reissner in ZellKomm³ § 10 UrlG Rz 1).

Kommt es vor Verbrauch des Urlaubs zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses, so ist der offen gebliebene Anspruch in Geld abzufinden. Der Anspruch auf Urlaubsersatzleistung ist ein vermögensrechtlicher Anspruch auf Erfüllung des in der Vergangenheit liegenden, noch offenen, bisher nicht erfüllten Urlaubsanspruchs (RS0028685; Reissner aaO § 10 UrlG Rz 4 mwN). Für einen nicht verbrauchten Urlaub aus vorangegangenen Urlaubsjahren gebührt die Ersatzleistung in vollem Ausmaß des noch ausständigen Urlaubsentgelts, soweit der Urlaubsanspruch noch nicht verjährt ist.

2. Der Urlaubsanspruch verjährt gemäß § 4 UrlG erst nach Ablauf von zwei Jahren ab dem Ende des Urlaubsjahres, in dem er entstanden ist. Für den tatsächlichen Verbrauch des Naturalurlaubs eines Jahres stehen damit insgesamt drei Jahre zur Verfügung. Die Übertragung von nicht konsumierten Urlaubsansprüchen auf die folgenden Urlaubsjahre ist so lange möglich, als sie nicht verjährt sind. Auf die Gründe für das längere Stehenlassen des Urlaubs kommt es dabei nicht an (RS0077520 [T2] ua).

3. Die dargestellte Rechtslage entspricht dem gemeinschaftsrechtlichen Verständnis des Urlaubs nach der Richtlinie 2003/88/EG vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (in der Folge: ArbeitszeitRL). Danach sind der Anspruch auf Jahresurlaub und jener auf Zahlung des Urlaubsentgelts als zwei Aspekte eines einzigen Anspruchs zu behandeln (vgl EuGH Rs C‑350/06 und C‑520/06, Schultz‑Hoff ua, Rn 60; C‑155/10 Williams, Rn 26; C‑385/17, Hein, Rn 24; C‑539/12, Lock, Rn 17 mwN; C‑214/16, King, Rn 35; 8 ObS 2/18d). Der Urlaubsanspruch wird nicht erfüllt, wenn der Arbeitgeber zwar den Konsum von Freizeit ermöglicht, für diese Zeit aber nichts bezahlt.

In der Rechtsprechung des EuGH wurde wiederholt betont, dass der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub aufgrund der ArbeitszeitRL als ein besonders bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechts der Union anzusehen ist, dessen Umsetzung durch die nationalen Stellen nur in den Grenzen erfolgen kann, die in der Richtlinie selbst ausdrücklich vorgesehen sind (Rs C‑214/16, King, Rn 32; C‑178/15, Sobczyszyn,Rn 19; C‑277/08, Vicente Pereda, Rn 18; C‑131/04 und C‑257/04, Robinson-Steele u.a., Rn 48 ua).

Aber sogar eine nationale Regelung, die für die Ausübung des mit dieser Richtlinie verliehenen Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub Modalitäten vorsieht, die den Verlust dieses Anspruchs am Ende eines Bezugszeitraums oder eines Übertragungszeitraums beinhalten, ist nicht ausgeschlossen. Sie wird unter der Voraussetzung für zulässig erachtet, dass der Arbeitnehmer bis dahin tatsächlich die Möglichkeit hatte, seinen Anspruch auszuüben (EuGH Rs C‑619/16, Kreuziger, Rn 41, 42; C‑684/16, Max-Planck-Gesellschaft, Rn 35; C‑350/06 und C‑520/06, Schultz‑Hoff ua, Rn 43).

Falls eine nationale Regelung nicht im Einklang mit Art 7 der ArbeitszeitRL und Art 31 Abs 2 der Charta ausgelegt werden kann, hat das mit einem Rechtsstreitbefasste nationale Gericht die nationale Regelung unangewendet zu lassenund dafür Sorge zu tragen, dass der Arbeitnehmer für den nicht genommenen Jahresurlaub eine finanzielle Vergütung erhält(EuGH C‑569/16 und C‑570/16 Stadt Wuppertal/Bauer, Willmeroth/Broßonn).

4. In der Rechtssache C‑214/16, King hat der EuGH festgehalten, dass Art 7 der Richtlinie 2003/88 und das in Art 47 der Charta verankerte Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf dahin auszulegen sind, dass sie es im Fall einer Streitigkeit zwischen einem Arbeitnehmer und seinem Arbeitgeber über die Frage, ob der Arbeitnehmer Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub gemäß der erstgenannten Vorschrift hat, verbieten, dass der Arbeitnehmer seinen Urlaub zunächst nehmen muss, ehe er feststellen kann, ob er für diesen Urlaub Anspruch auf Bezahlung hat. Der Arbeitgeber, der einen Arbeitnehmer nicht in die Lage versetzt, seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub auszuüben, hat danach die sich hieraus ergebenden Folgen zu tragen (Rn 63). Ließe man unter diesen Umständen ein Erlöschen der vom Arbeitnehmer erworbenen Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub zu, würde man damit nämlich im Ergebnis ein Verhalten bestätigen, das zu einer unrechtmäßigen Bereicherung des Arbeitgebers führt und dem eigentlichen Zweck der Richtlinie, die Gesundheit des Arbeitnehmers zu schützen, zuwiderläuft (Rn 64). Art 7 der Richtlinie 2003/88 ist nach dieser Entscheidungsbegründung dahin auszulegen, dass er einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten entgegensteht, nach denen es einem Arbeitnehmer verwehrt ist, Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub, die in mehreren aufeinanderfolgenden Bezugszeiträumen wegen der Weigerung des Arbeitgebers, diese Urlaubszeiten zu vergüten, nicht ausgeübt worden sind, bis zum Zeitpunkt der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses zu übertragen und gegebenenfalls anzusammeln.

Dieser Entscheidung lag zugrunde, dass nach dem anzuwendenden Recht

‑ jener Urlaub, auf den ein Arbeitnehmer Anspruch hat, nur in dem Bezugszeitraum genommen werden konnte, in dem er zu gewähren war (C‑214/16, Rn 11), ferner dass

‑ wenn dem Arbeitnehmer die Inanspruchnahme des Jahresurlaubs verwehrt wurde, dies vom Arbeitsgericht nur innerhalb eines Zeitraums von drei Monaten ab (spätestens) dem beantragten Urlaubsantritt überprüft werden konnte,

‑ wobei diese Frist lediglich im Fall der praktischen Unmöglichkeit ihrer Einhaltung vom Gericht angemessen verlängert werden konnte (C‑214/16, Rn 13),

‑ keine Übertragung von Jahresurlaub über den Bezugszeitraum, für den der Urlaub gebührt, zulässig war.

Ein Arbeitnehmer konnte danach einen Verstoß gegen seinen Anspruch auf Jahresurlaub nur geltend machen, wenn sein Arbeitgeber ihn überhaupt keinen Urlaub – bezahlt oder unbezahlt – nehmen ließ. Er hätte sich nicht vor Gericht auf seinen Anspruch auf bezahlten Urlaub als solchen berufen können, sondern wäre zunächst gezwungen gewesen, unbezahlten Urlaub zu nehmen, um dann dessen Bezahlung einklagen zu können. Die Geltendmachung einer Vergütung für nicht genommenen Jahresurlaub war nicht vorgesehen.

Auf dieser Grundlage gelangte der EuGH zu dem Ergebnis, dass wenn es einem Arbeitnehmer verwehrt ist, Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub, die in mehreren aufeinanderfolgenden Bezugszeiträumen wegen der Weigerung des Arbeitgebers, diese Urlaubszeiten zu vergüten, nicht ausgeübt worden sind, bis zum Zeitpunkt der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses zu übertragen und gegebenenfalls anzusammeln, sich der Arbeitgeber, der die rechtzeitige Urlaubskonsumation durch sein Verhalten verhindert hat, nicht auf Verjährungsbestimmungen berufen kann. Es müsse nämlich ein wirksamer staatlicher Rechtsbehelf für die Durchsetzung des Mindesturlaubsanspruchs gewährleistet werden (C‑214/16, King, Rn 41; vgl auchC‑439/14 und C‑488/14, Star Storage ua,Rn 46). Der Anspruch auf Ersatzleistung für bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht konsumierten Urlaub darf nicht davon abhängen, ob der Arbeitnehmer im Vorfeld einen vergeblichen Urlaubsantrag gestellt hatte (EuGH C‑214/16, King,Rn 62; C‑118/13, Bollacke,Rn 27–28 ua).

5. Angewandt auf den hier zu entscheidenden Fall ergibt sich Folgendes:

Der Kläger hat vorgebracht, einen dreiwöchigen „Gebührenurlaub“ konsumiert und diesen vom gesamten Urlaubsanspruch, für den er Ersatzleistung begehrt, abgezogen zu haben. Dieses Vorbringen steht zu der Klagsbehauptung, die Beklagte habe dem Kläger aufgrund ihres Rechtsstandpunkts überhaupt kein Urlaubsentgelt gezahlt, in Widerspruch, ohne dass dies vor den Tatsacheninstanzen erörtert wurde. Ob der Abzug des „Gebührenurlaubs“ irrtümlich erfolgte oder damit doch ein Urlaub im Sinne des § 2 UrlG gemeint war, kann aber für das Ergebnis dahingestellt bleiben. Es kommt darauf an, ob dem Kläger ein effektiver Rechtsbehelf zur Durchsetzung des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub innerhalb einer angemessenen Frist zur Verfügung gestanden hätte.

Im Unterschied zu der dargestellten besonderen Rechtslage, auf deren Grundlage die Entscheidung C‑214/16, King ergangen ist, kann der Jahresurlaub nach § 4 Abs 5 UrlG auf zwei Folgejahre vorgetragen werden. Insgesamt stehen damit drei Jahre zum Verbrauch eines jeden Jahresurlaubs zur Verfügung.

In drei Jahren verjähren gemäß § 1486 Z 5 ABGB auch alle Forderungen der Arbeitnehmer auf Entgelt und Auslagenersatz, sowie nach § 1486 Z 1 ABGB für die Ausführung von Arbeiten oder sonstige Leistungen in einem gewerblichen, kaufmännischen oder sonstigen geschäftlichen Betrieb.

Bei Beendigung des Dienstverhältnisses ist nicht verbrauchter Urlaub nach § 10 Abs 1 UrlG durch eine Ersatzleistung für den der Dauer der Dienstzeit in diesem Urlaubsjahr im Verhältnis zum gesamten Urlaubsjahr entsprechenden Urlaub abzugelten. Für nicht verbrauchten Urlaub aus vorangegangenen Urlaubsjahren gebührt anstelle des noch ausständigen Urlaubsentgelts eine Ersatzleistung in vollem Ausmaß des noch ausständigen Urlaubsentgelts, soweit der Urlaubsanspruch noch nicht verjährt ist (§ 10 Abs 3 UrlG). Die Abgeltung hängt nicht davon ab, dass der Arbeitnehmer während des Dienstverhältnisses vergeblich einen Naturalurlaub beantragt hat. Es besteht grundsätzlich keine Obliegenheit des Arbeitnehmers, den Urlaub zu verbrauchen, und zwar auch nicht in einer längeren Kündigungsfrist (RS0120368).

Nach § 228 ZPO kann auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder Rechtes Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder Recht durch eine gerichtliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

Einem Dienstnehmer, der als Scheinselbstständiger oder in einem als solches bezeichneten freien Dienstverhältnis beschäftigt wird, obwohl die wesentlichen Merkmale seiner Beschäftigung einem Arbeitsverhältnis entsprechen, steht mit der Feststellungsklage ein effizienter Rechtsbehelf zur Verfügung, der ihm die gerichtliche Klärung ermöglicht, ob sein Vertragsverhältnis den arbeitsrechtlichen Bestimmungen, insbesondere dem UrlG, unterliegt. Durch Geltendmachung des Anspruchs innerhalb des Zeitraums des § 4 Abs 5 UrlG wird nach § 1497 ABGB auch die Verjährung unterbrochen (RS0118906).

6. Wenn der Arbeitgeber jedoch die gerichtliche Geltendmachung des Urlaubsanspruchs innerhalb der dreijährigen Frist durch Handeln wider Treu und Glauben verhindert hat, kann der Arbeitnehmer einem Verjährungseinwand die Replik der Arglist entgegensetzen (RS0077943; RS0014838; RS0034537 [T1, T4]). Von Arglist ist allgemein auszugehen, wenn es der Arbeitgeber geradezu darauf anlegt, die Anspruchsdurchsetzung durch den Arbeitnehmer zu verhindern (RS0014838 [T9]). Einen solchen Einwand hat der Kläger hier nicht erhoben. Die unterschiedliche Auffassung über die rechtliche Qualifikation eines Beschäftigungsverhältnisses, die von einer Gesamtbetrachtung der für und gegen das Arbeitsverhältnis sprechenden Merkmale im Einzelfall abhängt (RS0021284) begründet den Vorwurf der Arglist im Regelfall nicht, sofern die abweichende Rechtsansicht nicht von vornherein unhaltbar erscheint.

Das Berufungsgericht hat in seiner Entscheidung daher zutreffend § 4 Abs 5 UrlG auf den Anspruch des Klägers angewandt.

7. Aus Anlass der zulässigen Revision war die angefochtene Entscheidung allerdings in jeder rechtlichen Hinsicht zu überprüfen.

Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass der Urlaubsanspruch des Klägers für das Jahr 2014 im vollen Umfang von 25 Arbeitstagen mit Ablauf des zweitfolgenden Arbeitsjahres am 13. 1. 2017 bereits verjährt war. Bei dieser Berechnung ist die Feststellung, dass der Kläger im Jahr 2015 einen dreiwöchigen (15 Arbeitstage) Gebührenurlaub verbraucht hat, unberücksichtigt geblieben.

Die Übertragung eines nicht verbrauchten Urlaubskontingents auf das Folgejahr erfolgt grundsätzlich ohne weiteres Zutun, es wird daher automatisch immer zunächst der „alte“ Urlaub vor dem „neuen“ verbraucht (RS0077513; RS0077453 [T1]). Bei der Berechnung des verjährten Urlaubsteils des Klägers ist darum der 2015 konsumierte Urlaub nicht vom Jahresurlaubskontingent des laufenden Jahres 2015, sondern vom ältesten beim Urlaubsantritt noch unverjährt offenen Urlaubsanspruch abzuziehen. Aus dem ersten Beschäftigungsjahr 2014 sind daher nicht 25 Arbeitstage Urlaub offen geblieben, die bei Beendigung des Dienstverhältnisses im März 2017 bereits verjährt waren (RS0077943), sondern nur zehn Tage.

Der Revision war daher durch Zuspruch der Urlaubsersatzleistung für weitere 15 Arbeitstage (1.157,61 EUR brutto) teilweise Folge zu geben.

8. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf § 2 ASGG, §§ 43 und 50 ZPO. Einer Änderung der Kostenentscheidung des Berufungsgerichts ist ungeachtet des teilweisen Erfolgs der Revision nicht erforderlich, weil die Differenz der Obsiegensquoten vernachlässigbar gering ist.

Im Revisionsverfahren ist der Kläger mit etwa 60 % des Interesses durchgedrungen, die beklagte Partei hat ihm daher 20 % der Revisionskosten zu ersetzen. Barauslagen waren im Revisionsverfahren nicht zu entrichten (TP 3 GGG Z 5).

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