OGH 7Ob122/19w

OGH7Ob122/19w28.8.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth, Dr. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** R*****, vertreten durch Mag. Bernhard Heim, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei U***** AG, *****, vertreten durch Univ.‑Prof. Dr. Friedrich Harrer, Dr. Iris Harrer‑Hörzinger, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen 7.844,36 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 25. April 2019, GZ 53 R 302/18w‑16, womit das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 19. November 2018, GZ 31 C 830/18a‑11, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0070OB00122.19W.0828.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 833,88 EUR (darin enthalten 138,98 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts hängt die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO ab. Die Zurückweisung der Revision darf sich auf die Anführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

1. Nach § 61 VersVG ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeiführt. Es handelt sich dabei um einen Risikoausschluss (RS0080128).

2. Grobe Fahrlässigkeit setzt ein Verhalten voraus, von dem der Versicherungsnehmer wusste oder wissen musste, dass es geeignet ist, die Gefahr des Eintritts eines Versicherungsfalls herbeizuführen oder zu vergrößern (RS0030324). Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn sich das Verhalten des Schädigers aus der Menge der auch für den Sorgsamsten nie ganz vermeidbaren Fahrlässigkeitshandlungen des täglichen Lebens als eine auffallende Sorglosigkeit heraushebt (RS0031127; RS0030303 [T4]).

3. Ob eine Fehlhandlung wegen ihres besonderen Gewichts oder einzelne für sich genommen nicht grob fahrlässige Handlungen in ihrer Gesamtheit und Häufung die Annahme grober Fahrlässigkeit rechtfertigen, bildet bei Vertretbarkeit der immer von den Umständen des Einzelfalls abhängigen Beurteilung grundsätzlich keine Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO (7 Ob 37/01v mwN). Die Revision wäre daher nur zulässig, wenn der Sachverhalt auch bei weitester Auslegung den von der Judikatur für die Annahme grober Fahrlässigkeit aufgestellten Kriterien nicht entspräche (7 Ob 76/05k mwN), also nur dann, wenn dem Berufungsgericht eine grobe Fehlbeurteilung unterlaufen wäre, die im Interesse der Rechtssicherheit korrigiert werden müsste (RS0026555 [T5], RS0087606 [T8]).

4. Hier hat der Kläger die entwendeten Fahrzeugschlüssel, mit denen die zum Totalschaden des Fahrzeugs des Klägers führende Fahrt unternommen wurde, in seinem Abendlokal hinter der Theke in einer unversperrten Lade aufbewahrt, die häufig geöffnet wurde, und von den entlang des Tresens sitzenden oder an der Bar stehenden Gästen, wie dem späteren Täter, der auch ein Bekannter des Klägers war, eingesehen werden konnte. Auch wenn der Zutritt zum Bereich hinter der Theke den Gästen durch ein entsprechendes Hinweisschild untersagt und die Bar grundsätzlich mit einem Mitarbeiter besetzt war, konnte sie nach den Feststellungen doch kurzfristig unbeaufsichtigt sein, wenn beide Mitarbeiter anderweitig beschäftigt bzw abgelenkt waren. Einem aufmerksamen Beobachter war der unversperrte Aufbewahrungsort der Fahrzeugschlüssel bekannt.

Wenn daher das Berufungsgericht im vorliegenden Einzellfall grobe Fahrlässigkeit angenommen hat, hält sich diese Beurteilung im Rahmen der Judikatur, auch wenn hier – im Gegensatz zur Entscheidung 7 Ob 39/06w – kein Lokal im Rotlichtmilieu vorlag und der Bereich hinter der Theke nicht jederzeit leicht zugänglich war. Der Täter musste bloß einen geeigneten Augenblick abwarten, um die Schlüssel ohne Überwinden weiterer Hindernisse an sich zu bringen.

Ob es sich beim entwendeten Fahrzeug – einem BMW Cabrio – um ein solches der Luxusklasse handelte oder nicht, ist angesichts der bereits unbedenklich bejahten groben Fahrlässigkeit in Bezug auf den Aufbewahrungsort der Fahrzeugschlüssel nicht mehr entscheidungswesentlich. Ebenso wenig kommt es auf den konkreten Abstellort des Fahrzeugs vor dem Lokal an.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO. Da die Beklagte in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen hat, diente ihr Schriftsatz zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung.

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