European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E125161
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Begründung:
Mit Urteil des serbischen Grundgerichts Pozarevac vom 4. 3. 2014 (nach den Angaben des Vaters am selben Tag rechtskräftig) wurde die Ehe zwischen den Eltern der beiden antragstellenden Kinder geschieden (Punkt 1 des Spruchs), die Kinder „zur selbständigen Ausübung des Elternrechts an die Mutter vertraut“ (Punkt 2 des Spruchs), der Vater zu einer monatlichen Unterhaltsleitung von umgerechnet 123,98 EUR je Kind ab 4. 3. 2014 verpflichtet (Punkt 3 des Spruchs) und ein Kontaktrecht (Punkt 4 des Spruchs) festgelegt.
Mit rechtskräftigem Beschluss vom 10. 3. 2017 (GZ 4 Fam 24/16g-23 [hier: ON 56] des BG Innere Stadt Wien) wurde dieses Urteil unter Anwendung des für die Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien aufrechterhaltenen Abkommens vom 10. 10. 1961 zwischen der Republik Österreich und der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltstiteln, BGBl 1962/310, ua in seinem Punkt 3 betreffend den Kindesunterhalt für den österreichischen Rechtsbereich als wirksam anerkannt (siehe Ad 3 des Beschlusses).
Am 12. 5. 2017 (ON 55) beantragten die in Österreich wohnhaften Kinder die Erhöhung des im Urteil des serbischen Grundgerichts Pozarevac vom 4. 3. 2014 festgelegten Unterhalts auf 230 EUR je Kind ab 1. 12. 2017, weil der bisherige Unterhaltsbetrag nicht mehr ausreiche, ihre seit der letzten Unterhaltsbemessung gestiegenen Bedürfnisse zu decken.
Der Vater sprach sich im Wesentlichen deshalb gegen die beantragte Unterhaltserhöhung aus, weil seit der bindenden „Unterhaltsentscheidung“ des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 10. 3. 2017 keine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen eingetreten sei.
Das Erstgericht stellte (unbekämpft) fest, dass österreichisches Recht anwendbar sei und gab dem Erhöhungsantrag der Kinder teilweise, nämlich bis zur Höhe von 180 EUR je Kind statt und wies das Mehrbegehren ab. Es ging davon aus, dass das serbische Urteil in Rechtskraft erwachsen und daher – weil gegenüber diesem eine Umstandsänderung eingetreten sei – eine Neubemessung zulässig sei. Die Verhältnisse hätten sich insofern geändert, als der Vater nun ein wesentlich höheres Einkommen erziele und die Bedürfnisse der Kinder gestiegen seien.
Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung hinsichtlich der Unterhaltserhöhung von 1. 12. 2016 bis 30. 9. 2017 auf 180 EUR und ab 1. 10. 2017 auf 140 EUR je Kind. Hinsichtlich des Zuspruchs von 40 EUR je Kind ab 1. 10. 2017 hob es die erstgerichtliche Entscheidung auf und trug dem Erstgericht insofern die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Soweit für die Revisionsrekursentscheidung relevant, vertrat das Rekursgericht die Rechtsauffassung, dass die Entscheidung des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 10. 3. 2017 keine Unterhaltsbemessung, sondern eine Entscheidung über die Wirksamkeit einer ausländischen Unterhaltsentscheidung gewesen sei. „Stichtag“ für eine mögliche Unterhaltsänderung sei daher der Zeitpunkt der rechtskräftigen ausländischen Unterhaltsentscheidung, hier also der 4. 3. 2014.
Gegen den Beschluss des Rekursgerichts richtet sich das als „außerordentlicher Revisionsrekurs“ bezeichnete Rechtsmittel des Vaters. Soweit sich dieses gegen den aufhebenden Teil der Entscheidung richtete, wurde dieses Rechtsmittel mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 28. 11. 2018 (9 Ob 80/18g) bereits zurückgewiesen. Im Übrigen, also hinsichtlich des bestätigenden Teils der Entscheidung, wurde der Akt dem Erstgericht unter Hinweis insbesondere auf § 63 AußStrG zurückgestellt.
Der ordentliche Revisionsrekurs wurde nun vom Rekursgericht nachträglich zugelassen, um im Hinblick auf die umfangreiche Rechtsmittelargumentation „im Interesse der Rechtssicherheit eine allfällige Korrektur der bekämpften Entscheidung zu ermöglichen“.
Die Kinder beantragen in ihrer Revisionsrekursbeantwortung die Zurück- bzw Abweisung des Revisionsrekurses des Vaters.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) – Ausspruch des Rekursgerichts ist der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig. Die Zurückweisung des ordentlichen Revisionsrekurses kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 71 Abs 3 Satz 4 AußStrG).
1. Zentrales Thema des Revisionsrekurses ist die Rechtsansicht des Vaters, die Anerkennung einer ausländischen Unterhaltsentscheidung sei auch eine Unterhaltsbemessung. Der Revisionsrekurs behauptet, die Vorinstanzen hätten mit ihrer gegenteiligen Rechtsauffassung gegen die ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs verstoßen, benennt aber keine für seinen Rechtsstandpunkt sprechende Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs. Es gelingt ihm daher nicht, eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG aufzuzeigen (1 Ob 93/15f mwN; RS0043654) bzw einen Nichtigkeitsgrund darzulegen.
2. Ein Verstoß gegen die Bindungswirkung einer Vorentscheidung kann ebenfalls nicht erkannt werden. Richtig ist zwar, dass im außerstreitigen Verfahren ergangene Entscheidungen nur bei einer Änderung der Verhältnisse abgeändert werden können (RS0007148), sodass auch eine Neufestsetzung des Unterhalts grundsätzlich nur bei geänderter Sachlage erfolgen kann (RS0047398 [T1]; vgl RS0047202). Dies ist aber hier der Fall. Die Auffassung der Vorinstanzen, eine für die Unterhaltsneubemessung erforderliche Umstandsänderung liege schon in den vermehrten Bedürfnissen der Kinder seit der seinerzeitigen Unterhaltsfestsetzung am 4. 3. 2014, ist nicht zu beanstanden. Diese Sachverhaltsänderung und das nunmehr höhere Einkommen des Vaters haben die Kinder auch schon im erstinstanzlichen Verfahren behauptet. Aus der Entscheidung 8 Ob 68/17h ist für den Standpunkt des Revisionsrekurswerbers nichts zu gewinnen.
3. Auf die im Revisionsrekurs angestellten Überlegungen zu den unterschiedlichen Wirkungen einer Inzidentanerkennung gemäß § 97 Abs 1 Satz 2 AußStrG und den Wirkungen eines Anerkennungsbeschlusses nach § 97 Abs 1 Satz 1 AußStrG iVm § 98 Abs 1 AußStrG muss nicht eingegangen werden, weil Gegenstand der Anerkennung nach den §§ 97 bis 100 AußStrG die Änderung des Personenstands selbst oder die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens der Ehe bzw der eingetragenen Partnerschaft ist. Auch damit in engem Konnex stehende Regelungen des Unterhalts sind vom sachlichen Anwendungsbereich der §§ 97 bis 100 AußStrG nämlich nicht umfasst (Fuchs in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 100 Rz 10). Darauf hat das Bezirksgericht Innere Stadt Wien die Anerkennungsentscheidung über den Kindesunterhalt (Punkt 3) auch gar nicht gestützt. Im Übrigen hat der Oberste Gerichtshof erst jüngst (1 Ob 97/18y vom 26. 9. 2018) ua unter Hinweis auf die – im Revisionsrekurs als unrichtig bezeichnete – Ansicht in der Lehre (Fuchs in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 100 Rz 13) ausgesprochen, dass die (prozessualen) Wirkungen der Anerkennung einer ausländischen Entscheidung iSd § 97 AußStrG nicht erst mit Rechtskraft einer inländischen Entscheidung auf Anerkennung, sondern bereits mit der Rechtskraft der anzuerkennenden Entscheidung selbst eintreten, sofern die Voraussetzungen für die Anerkennung bereits zu diesem Zeitpunkt vorliegen, also keine Versagungsgründe gegeben sind (Punkt 5 der Entscheidung).
4. Auch die vom Revisionsrekurswerber behaupteten Verfahrensmängel liegen nicht vor. Das Rekursgericht hat (jedenfalls inhaltlich) die im Rekurs geltend gemachte Nichtigkeit gemäß § 56 Abs 1 AußStrG wegen des behaupteten Eingriffs des erstgerichtlichen Beschlusses in die Rechtskraft des Anerkennungsbeschlusses, womit über den Kindesunterhalt für die Zeit vom 4. 3. 2014 bis 10. 3. 2017 abgesprochen worden wäre, verneint. Ein Verstoß gegen § 52 Abs 2 AußStrG ist nicht erkennbar. Diese Beurteilung bedarf keiner weiteren Begründung (§ 71 Abs 3 Satz 3 AußStrG).
Mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG ist der Revisionsrekurs des Vaters daher zurückzuweisen.
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