European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0050OB00194.18T.0425.000
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.804,50 EUR (darin enthalten 300,75 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der Antrag der beklagten Partei auf Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens gemäß Art 267 AEUV vor dem Gerichtshof der Europäischen Union wird zurückgewiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Kläger nahm im Frühjahr 2015 an einer von der beklagten Partei veranstalteten Expedition zur Besteigung des Mount Everest teil, die vom 7. 4. 2015 bis 2. 6. 2015 dauern sollte. Er beabsichtigte die Besteigung ohne Sauerstoff, weswegen ihm nach Absprache mit der beklagten Partei ab dem Gipfelsturm, das heißt ab dem ABC-Lager (vorgeschobenes Basislager) ein zusätzlicher Sherpa (nicht exklusiv) zur Verfügung stehen und für den Notfall Sauerstoffflaschen mit sich führen sollte.
Im Vorfeld der Vertragsunterfertigung am 8. 11. 2014 erhielt er von der beklagten Partei neben anderen Unterlagen ein Handbuch mit Stand 3. 11. 2014, in dem sich unter anderem folgende Hinweise fanden:
„Eine Expedition ist eine Schicksalsgemeinschaft und der Bergführer organisiert unter Einbezug aller Teilnehmenden eine erfolgreiche Expedition. Expeditionen unterscheiden sich in wesentlichen Punkten von anderen Berg- und natürlich Pauschalreisen. Expeditionen sind definitionsgemäß Reisen in entlegene und schwer zugängliche Gebiete mit kaum vorhandener Infrastruktur und großen Unwägbarkeiten. Ihr Gelingen ist abhängig von den vor Ort angetroffenen Situationen, regionalen politischen Verhältnissen, von Straßenzustand, Witterung, Schnee- und Lawinensituation, der aktuellen lokalen Versorgungslage, vom Zusammenwirken der Teilnehmenden unter sich, der Verfügbarkeit lokaler Unterstützungskräfte, dem Auftreten von Erkrankungen, etc. Entsprechend ist das Gelingen solcher Unternehmen stets und naturgemäß ungewiss […]. Jeder Teilnehmende sollte sich zudem vorgängig mit einem Nichterreichen des Gipfels auseinandersetzen. Denn eine «Gipfelgarantie» gibt es für keinen Berg; die im Programm angegebenen Eckpunkte sind keine Zusicherungen, sondern Ziele, die angestrebt werden, infolge der konkreten Verhältnisse aber unter Umständen nicht erreicht werden können oder laufend angepasst werden müssen. Dazu möchten wir darauf hinweisen, dass alle unsere Unternehmungen mit objektiven alpinen Gefahren (z.B. Wetter, Stein-/Eis-/Blitzschlag, Lawinen, Sonne/Hitze, Kälte, Gletscherspalten, Wechten, Glätte) verbunden sind. Mit dem (auch plötzlichen) Eintreten dieser Gefahren muss im Hochgebirge leider stets und zu jeder Jahres- und Tageszeit gerechnet werden. Bitte bedenken Sie auch, dass bei ungünstiger Gefahrensituation der Gipfel nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen erreicht werden kann. […].“
Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der beklagten Partei lauten auszugsweise:
„Versicherungen
Eine Annullationskosten- und Reiseversicherung ist für jeden Teilnehmer obligatorisch (siehe Anmeldetalon). Um Doppelversicherungen zu vermeiden, ist sie im Pauschalpreis nicht inbegriffen.
Mit der Anmeldung erklärt der Teilnehmer, gegen alle mit der Expedition, Reise oder Tour verbundenen Risiken und Gefahren, wie Krankheit, Unfall, Bergung, Rückführung, Diebstahl und Annullationskosten ausreichend versichert zu sein.
Anmeldung und Zahlung
Die Anmeldung für Expeditionen, Reisen und Touren erfolgt gemäß der Regelung in den nachfolgenden Besonderen Bedingungen. Mit der Anmeldung erklärt der Teilnehmer, die Teilnahmevoraussetzungen zu erfüllen und die Allgemeinen Geschäftsbedingungen anzuerkennen. Der Veranstalter behält sich im Übrigen das Recht vor, Interessenten, welche die Teilnahmevoraussetzungen nicht erfüllen, zurückzuweisen.
Haftung
Der Teilnehmer nimmt auf eigene Gefahr und eigenes Risiko an der Expedition, Reise oder Tour teil. Die Haftung des Veranstalters ist auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt. [...]
Gericht
Ausschließlicher Gerichtsstand ist Bern. Anwendbar ist das Schweizer Recht.“
Der Kläger bezahlte für die Teilnahme an der Expedition 39.840 EUR und für einen Zusatzsherpa 11.000 USD. Er kam am 8. 4. 2015 in Kathmandu an; den Flug dorthin organisierte er selbst. Am 10. 4. 2015 startete die von der beklagten Partei organisierte Anreise zum Basislager. Zunächst flog er von Kathmandu nach Lhasa, wo er zwei Nächte verbrachte. Am 12. 4. 2015 ging die Fahrt nach Gyangze, wo er einmal nächtigte. Danach ging die Fahrt in Tagesetappen über Xigaze und New Tingri; am 15. 4. 2015 erreichte er das Basislager beim Rongpu-Kloster, wo er sich bis 23. 4. 2015 aufhielt. Ab 24. 4. 2015 war der Kläger im ABC-Lager (dem vorgeschobenen Basislager) auf 6.400 m.
Am 25. 4. 2015 um 11:56 Uhr erschütterte ein Erdbeben mit dem Epizentrum rund 80 km nordwestlich von Kathmandu auch das Everest-Gebiet, worauf der Geschäftsführer der beklagten Partei die Expedition am 28. 4. 2015 für abgebrochen erklärte.
Den Zusatzsherpa hatte der Kläger erstmals am Nachmittag des Erdbebens bei einem etwa einminütigen Vorstellungsgespräch kennen gelernt.
Die chinesischen Behörden verfügten am 29. 4. 2015 wegen der Gefahr von Nachbeben ein Verbot der Besteigung des Mount Everest, dessen Dauer man nicht mit Sicherheit einschätzen konnte.
Eine Reiseabbruchversicherung für Fälle höherer Gewalt hatte der Kläger nicht abgeschlossen. Die beklagte Partei refundierte ihm am 5. 12. 2016 2.360 USD. Von seiner Zahlung für den Zusatzsherpa wurde ihm nichts zurückerstattet. Die beklagte Partei hatte durch den Abbruch der Expedition keine über den unter anderem dem Kläger refundierten Betrag von 2.360 USD hinausgehende Ersparnis.
Der Kläger begehrte von der beklagten Partei 17.712,33 EUR sowie 11.000 USD sA unter Einräumung einer teilweise Lösungsbefugnis durch Zahlung je eines Fünftels der zuerkannten Kapitalbeträge samt der darauf anteilig entfallenden Zinsen an einen näher bezeichneten Verein. Es liege ein Pauschalreiseveranstaltungsvertrag vor, der Elemente des Werkvertrags enthalte, sodass die beklagte Partei die zugesagten Leistungen als Erfolge und nicht bloß Bemühungen geschuldet habe. Die Preisgefahr bei höherer Gewalt trage der Pauschalreiseveranstalter als Erfolgsschuldner. Das Erdbeben sei der neutralen Sphäre zuzurechnen und nicht Ausfluss einer typischen Gefahr des Bergsteigens. Es sei daher die beiderseitige Geschäftsgrundlage des Vertrags weggefallen und Teilunmöglichkeit der weiteren Leistungen eingetreten, wofür die beklagte Partei einzustehen habe. Sie habe daher das von ihm zur Gänze bezahlte Entgelt anteilig zu refundieren. Ihm gebühre so viel Rückersatz, dass ein Preis verbleibe, der der tatsächlich durchgeführten Reise entspreche.
Die beklagte Partei bestritt das Vorliegen einer Pauschalreise. Jedem Teilnehmer sei bewusst, dass eine solche Expedition mit zahlreichen Risiken verbunden sei und jederzeit wegen Naturgefahren abgebrochen werden könne. Die Konsequenzen eines Expeditionsabbruchs seien von den Teilnehmern von vornherein akzeptiert worden. Das aufgetretene Erdbeben sei ein unvorhergesehenes und unvorhersehbares Ereignis gewesen, das die Weiterführung der Expedition unmöglich gemacht habe. Nach den vereinbarten AGB blieben bei unvorhergesehenen Ereignissen Programmänderungen ausdrücklich vorbehalten. Der Kläger habe ungeachtet mehrfacher Hinweise keine Reiseversicherung abgeschlossen, was er sich gemäß § 1304 ABGB zurechnen lassen müsse. Der Großteil der von ihr getätigten Aufwendungen sei bereits vor dem Erdbeben angefallen; ein Guthaben von 2.360 EUR für nicht angefallene Unterbringung, Gebühren, teilweise nicht konsumierter Verpflegung und wegen einer mit den (allgemeinen) Sherpas ausgehandelten Reduktion sei dem Kläger refundiert worden.
Nach den vereinbarten Bedingungen komme Schweizer Recht zur Anwendung.
Das Erstgericht wies das Zahlungsbegehren ab und die (teilweise) Lösungsbefugnis zurück. Die internationale Zuständigkeit des für den Kläger als Verbraucher örtlich zuständigen Wohnsitzgerichts sei schon durch die rügelose Streiteinlassung der beklagten Partei begründet. Auch wenn in den AGB eine Rechtswahl für materielles Schweizer Recht getroffen worden sei, sei nach Art 6 Abs 1 lit b und Abs 2 Rom I-VO materielles österreichisches Recht anzuwenden.
Vertragsgegenstand sei die Gesamtheit der Reiseleistungen gegen einheitliches Entgelt, wobei der „Gipfelsieg“ nicht als Erfolg zu erbringen gewesen sei. Die beklagte Partei habe lediglich das Bemühen geschuldet, die Voraussetzungen für die Besteigung (Betreuung, Verpflegung, Unterkunft, Materialbereitstellung, etc) ordnungsgemäß zu organisieren. Mangels mangelhafter Leistung bestünden keine Gewährleistungsansprüche des Klägers. Wegen des Erdbebens und des behördlichen Bergbesteigungsverbots sei die Unmöglichkeit der (weiteren) Leistungserbringung eingetreten. Nach § 1447 ABGB hebe die zufällige Unmöglichkeit der Erfüllung die Verbindlichkeit auf. Der Kläger habe mit dem Abschluss des „Expeditionsreisevertrages“ ein Risiko wie das Erdbeben bewusst in Kauf genommen, weshalb er aus dem Abbruch der Expedition keine Ansprüche ableiten könne. Ein Fall des Wegfalls der Geschäftsgrundlage liege nicht vor. Da sich die beklagte Partei über den dem Kläger refundierten Betrag hinaus nichts erspart habe, bestünden auch keine bereicherungsrechtlichen Ansprüche.
Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil ab und gab dem Klagebegehren zur Gänze statt. Es bestätigte mit ausführlicher Begründung die vom Erstgericht angenommene Anwendbarkeit materiellen österreichischen Rechts. Ausgehend davon gelangte es zum Ergebnis, dass die Parteien einen Reiseveranstaltungsvertrag gemäß § 31b KSchG abgeschlossen hätten, weil die Verbindung von mindestens zwei der in dieser Bestimmung genannten Dienstleistungen (Beförderung, Unterbringung, andere touristische Dienstleistungen) im Voraus festgelegt worden sei. Das Erdbeben habe eine Unmöglichkeit der (weiteren) Leistung im Sinn des § 31e Abs 1 KSchG bewirkt und daher auch eine Verbesserung unmöglich gemacht. Da die für die beklagte Partei unmöglich gewordene Leistungserbringung mit einer Gegenleistung verknüpft gewesen sei, habe der Kläger als Vorleistender einen Rückforderungsanspruch. Zwar sei § 1447 ABGB nach der Rechtsprechung grundsätzlich dispositiv, doch gelte dies nicht für Verbraucherverträge. Wollte man das Handbuch der beklagten Partei als „einschränkende Leistungsbeschreibung“ sehen, so wäre für sie nichts gewonnen, weil darin von einem Erdbeben nicht die Rede sei. Auch sei ein Erdbeben keine spezifische alpine Gefahr. Mangels Offenlegung einer konkreten diesbezüglichen Leistungseinschränkung verstieße eine (analoge) Erweiterung einschränkender Leistungsmerkmale gegen § 9 KSchG. Für die Bemessung des Rückforderungsanspruchs des Klägers sei nicht wesentlich, was sich die beklagte Partei erspart habe, sondern welche der vereinbarten Leistungen von der beklagten Partei für den Kläger wegen Teilunmöglichkeit nicht erbracht worden seien, also um wie viel der Kläger mehr geleistet habe als diesen entsprächen. Unter diesem Gesichtspunkt seien die vom Kläger geltend gemachten Rückforderungsansprüche der Höhe nach nicht zu beanstanden.
Die bloße Möglichkeit, dass die beklagte Partei einen Teil der Klageforderung nicht an den Kläger, sondern an einen Verein zu leisten habe, bilde kein Klagebegehren im eigentlichen Sinn. Gegen eine Beurkundung einer privatrechtlich erheblichen Erklärung des Klägers im Urteil in analoger Anwendung des § 410 ZPO bestünden keine Bedenken.
Die ordentliche Revision erklärte das Berufungsgericht für zulässig, weil seine Entscheidung insbesondere als Abgehen von der Judikatur anzusehen sei, wonach § 1447 ABGB (allgemein und daher auch für Konsumenten) dispositiv ist.
Rechtliche Beurteilung
Die vom Kläger beantwortete Revision der beklagten Partei ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.
1. Zum anwendbaren Recht:
1.1 Die beklagte Partei stellt zu Recht nicht in Frage, dass die Verordnung (EG) Nr 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. 6. 2008 (idF: Rom I-VO) auf das Schuldverhältnis zwischen ihr und dem Kläger anzuwenden ist (vgl dazu auch Musger in KBB5 Art 1 Rom I-VO Rz 4), und bestreitet nicht, dass sie zumindest ihre gewerbliche Tätigkeit (auch) auf Österreich ausgerichtet hat. Grundsätzlich unterliegt der Vertrag zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher in einem solchen Fall dem Recht, in dem Letzterer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Art 6 Abs 1 Rom I-VO).
1.2 Nach Art 6 Abs 2 Rom I-VO können die Parteien auch bei Verbraucherverträgen wirksam eine Rechtswahl treffen, sofern dem Verbraucher der Schutz, den zwingende Bestimmungen des Rechts des Verbraucherstaats gewährleisten, nicht entzogen wird. Zwar erklärt Art 10 Abs 1 Rom I-VO das gewählte Recht als für die Beurteilung der Wirksamkeit der Rechtswahlklausel maßgeblich. Jedoch räumt Art 23 Rom I-VO nationalen Kollisionsnormen, die in Umsetzung von Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts erlassen wurden, Vorrang gegenüber den Vorschriften der Rom I-VO ein (dazu Neumayr in Keiler/Klauser, Verbraucherrecht, 2. Lfg, § 13a KschG Rz 46; Musger aaO Art 6 Rom I-VO Rz 1).
1.3 Die Kollisionsnorm des § 13a KSchG ergänzt Art 6 Rom I-VO und beschränkt bei Verträgen mit Auslandsbezug die Rechtswahlfreiheit der Parteien, wenn das Recht eines Nicht-EWR-Staats zur Anwendung gelangen soll (Kathrein/Schoditsch in KBB5 § 13a KSchG Rz 1). Die Rechtswahl ist danach unter anderem für die Beurteilung der Gültigkeit und der Folgen der Ungültigkeit einer Vertragsbestimmung, die nicht eine der beiderseitigen Hauptleistungspflichten festlegt, und der Folgen einer unklar und unverständlich abgefassten Vertragsbestimmung insoweit unbeachtlich, als das gewählte Recht für den Verbraucher nachteiliger ist als das Recht, das ohne die Rechtswahl maßgebend wäre (§ 13a Abs 1 Z 1 und 2 KSchG).
1.4 Ungeachtet dieser Grundsätze beruft sich die beklagte Partei auch noch in ihrer Revision auf die Wirksamkeit der Rechtswahlklausel, macht dazu aber lediglich geltend, dass ihre Haftung nach den einschlägigen Bestimmungen des Schweizer Zivilrechts entfiele. Damit kann sie die Gültigkeit der Rechtswahlklausel nicht tauglich aufzeigen, sodass die Zugrundelegung österreichischen Rechts nicht zu beanstanden ist, ohne dass noch erörtert werden müsste, ob die in den AGB der beklagten Partei enthaltene Rechtswahlklausel nicht schon wegen Intransparenz missbräuchlich und daher nicht anzuwenden wäre, weil der Verbraucher nicht darauf hingewiesen wurde, dass er sich nach Art 6 Abs 2 Rom I-VO auf den Schutz der zwingenden Bestimmungen des im Staat seines gewöhnlichen Aufenthalts geltenden Rechts berufen kann (vgl RIS‑Justiz RS0131887 = 2 Ob 155/16g).
2. Reiseveranstaltungsvertrag:
2.1 Das mit 1. 7. 2018 in Kraft getretene Pauschalreisegesetz (PRG – BGBl I 2017/50), das die §§ 31b–31f KSchG abgelöst hat, ist nach seinem § 20 auf Pauschalreisen und verbundene Reiseleistungen anzuwenden, die mit seinem Inkrafttreten abgeschlossen werden. Auf den am 8. 11. 2014 abgeschlossenen Vertrag sind daher noch die Bestimmungen des KSchG anzuwenden. Mit ihnen wurde die Richtlinie des Rates vom 13. 6. 1990 über Pauschalreisen (90/314/EWG ) umgesetzt.
2.2 Nach § 31b Abs 2 Z 1 KSchG (aF) lag eine Reiseveranstaltung bei einer im Voraus festgelegten Verbindung von mindestens zwei von mehreren genannten Dienstleistungen vor, nämlich Beförderung, Unterbringung und/oder andere touristische Dienstleistungen, die nicht bloß Nebenleistungen der Beförderung sind und die einen beträchtlichen Teil der Gesamtleistung ausmachen, wenn sie zu einem Gesamtentgelt angeboten oder vereinbart wurden. Unbeachtlich blieb, ob einzelne Leistungen, die im Rahmen derselben Reiseveranstaltung erbracht werden, getrennt berechnet wurden.
2.3 Die beklagte Partei bestreitet das Vorliegen einer Pauschalreise und damit die Anwendbarkeit der §§ 31b ff aF auf das Vertragsverhältnis. Diese Bestimmungen zielten auf übliche Pauschlreisen, also Strand- oder Städtereisen ab, nicht aber auf Verträge über extreme Expeditionsreisen, wie die Besteigung des Mount Everest, bei der sich die Teilnehmer „nicht nur entsprechenden Entbehrungen, sondern ganz bewusst einer Lebensgefahr unterwerfen“. Als Vertrag sui generis unterliege die Vereinbarung nicht den einschlägigen Bestimmungen des KSchG.
2.4 Voraussetzung für das Vorliegen einer Reiseveranstaltung war nach § 31b KSchG die Kombination von zumindest zwei Dienstleistungen zu einem Gesamtpreis (Mayrhofer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB³ § 31b KSchG Rz 2). Ob die Kombination der Leistungen aus dem im Gesetz genannten Katalog allenfalls erst auf Wunsch des Reisenden nach seinen speziellen Interessen zusammengestellt wurde, war für die Anwendbarkeit der §§ 31b ff KSchG unerheblich (Apathy in Schwimann/Kodek, ABGB § 31b KSchG Rz 3 mwN). Der Zweck der Reise ist daher für die Qualifikation einer Veranstaltung als Reisevertrag nach dieser Bestimmung kein relevantes Tatbestandsmerkmal. Expeditionsreisen waren aus dem sachlichen Anwendungsbereich der §§ 31b ff KSchG nicht ausgenommen. Auch die potenzielle Gefährlichkeit einer Unternehmung stand der Anwendung der §§ 31b ff KSchG nicht entgegen. So wurde etwa in der Entscheidung zu 1 Ob 80/11p die Organisation einer Tigerhaisafari als Reiseveranstaltung im Sinn des § 31b Abs 1 Z 1 KSchG beurteilt. Auch nach der Rechtsprechung des EuGH genügte für die Qualifizierung einer Leistung als Pauschalreise im Sinn von Art 2 Nr 1 der Richtlinie 90/314 die Verbindung von zwei der drei genannten Dienstleistungen, wie sie für das österreichische Recht in § 31b Abs 1 Z 1 KSchG genannt waren, zu einem Gesamtpreis (EuGH C‑585/08: Unterbringung auf einem Frachtschiff). Dass Reisen auf Wunsch eines Verbrauchers oder einer beschränkten Verbrauchergruppe organisiert werden, stand der Annahme einer Pauschalreise im Sinn der Richtlinie 90/314 nicht entgegen (EuGH C-400/00 ).
2.5 Die beklagte Partei hat jedenfalls die Unterbringung und Beförderung (ab Kathmandu) zum Zweck der Besteigung des Mount Everest organisiert und damit eine Kombination von Dienstleistungen zu einem Gesamtpreis angeboten. Am Vorliegen einer Pauschalreise und damit der Anwendbarkeit der §§ 31b ff aF KSchG besteht daher kein Zweifel. Das von der beklagten Partei angestrebte Vorabentscheidungsersuchen gemäß Art 267 AEUV zur Frage der Auslegung von Art 2 Nr 1 der Richtlinie 90/314 ist in Anbetracht der vorliegenden Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union entbehrlich (vgl RS0082949). Ihr darauf gerichteter Antrag ist mangels Antragsbefugnis zurückzuweisen (RS0058452).
3.1 Leistungsstörungen nach der Abreise regelte der hier noch anwendbare § 31e Abs 1 KSchG: Ergibt sich nach der Abreise, dass ein erheblicher Teil der vertraglich vereinbarten Leistungen nicht erbracht wird oder nicht erbracht werden kann, so hat der Veranstalter ohne zusätzliches Entgelt angemessene Vorkehrungen zu treffen, damit die Reiseveranstaltung weiter durchgeführt werden kann. Können solche Vorkehrungen nicht getroffen werden oder werden sie vom Reisenden aus triftigen Gründen nicht akzeptiert, so hat der Veranstalter ohne zusätzliches Entgelt gegebenenfalls für eine gleichwertige Möglichkeit zu sorgen, mit der der Reisende zum Ort der Abreise oder an einen anderen mit ihm vereinbarten Ort befördert wird. Im Übrigen ist der Veranstalter verpflichtet, bei Nichterfüllung oder mangelhafter Erfüllung des Vertrags dem Reisenden zur Überwindung von Schwierigkeiten nach Kräften Hilfe zu leisten.
3.2 In der Entscheidung zu 10 Ob 2/07b hat der Oberste Gerichtshof klargestellt, dass die Bestimmung des § 31e KSchG generell das Auftreten von Leistungsstörungen nach der Abreise, insbesondere auch die nicht zu vertretende Unmöglichkeit der Leistung regelte (dazu auch Mayrhofer aaO § 31e KSchG Rz 2; Michitsch, Die Rechtsfolgen der Tsunami-Katastrophe für den Reisenden, ZVR 2005/7-8, 222 ff), und den Tatbestand der nachträglichen (Teil-)Unmöglichkeit der Leistung aufgrund höherer Gewalt (Naturkastastrophe) dieser Bestimmung unterstellt. Ist die Durchführung der gebuchten Reise und somit auch eine Verbesserung der Reiseleistung unmöglich, ergibt sich aus § 31e Abs 1 zweiter Satz KSchG die Verpflichtung des Veranstalters zur Rückbeförderung des Reisenden zum Ort der Abreise oder an einen anderen mit ihm vereinbarten Ort. Damit ist konsequenterweise auch der Abbruch der Reise und die damit verbundene Vertragsauflösung verbunden. Der Anspruch des Reisenden auf Rückzahlung des geleisteten Entgelts ergibt sich dann aus allgemeinen Regeln (§ 1435 ABGB), wobei bereits vor dem Abbruch der Reise konsumierte Leistungen entsprechend anzurechnen sind, weil diese in natura nicht mehr zurückgestellt werden können.
3.3 Diese Grundsätze sind auch auf den vorliegenden Fall anzuwenden. Die durch das Erdbeben hervorgerufene Unmöglichkeit, den Mount Everest zu besteigen, und der damit verbundene Abbruch der Expedition bewirkten bereits nach § 31e KSchG die Vertragsauflösung und befreiten damit die beklagte Partei – abgesehen von der Rückbeförderung nach Kathmandu – von der Verpflichtung zur weiteren Leistungserbringung. Der Anspruch des Klägers auf (teilweise) Rückzahlung des geleisteten Entgelts folgt schon aus der allgemeinen Regel des § 1435 ABGB (vgl dazu auch Schoditsch, Der Einfluss der Terrorgerfahr auf das Reiserecht, ZVR 2016/12a, 536 [540]). Erörterungen zu § 1447 ABGB und damit der vom Berufungsgericht unter Bezugnahme auf § 9 KSchG aufgeworfenen Frage, ob diese Bestimmung für Verbraucher zwingend sei, erübrigen sich daher.
Eine von der gesetzlichen Gefahrtragungsregelung abweichende Vereinbarung, die alle Fälle höherer Gewalt und somit auch die Unmöglichkeit der Leistungserbringung wegen eines Erdbebens erfasst hätte, kann den Vertragsgrundlagen nicht entnommen werden:
Die AGB der beklagten Partei enthalten lediglich eine Haftungsbegrenzung des Veranstalters auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. Das dem Kläger ausgefolgte Handbuch weist nur allgemein darauf hin, dass das Gelingen der Expedition von der vor Ort angetroffenen Situation (insbesondere den alpinen Gefahren) abhängig sei und es keine „Gipfelgarantie“ gebe. Welche Folgen ein Expeditionsabbruch wegen Verwirklichung einer derartigen alpinen Gefahr auf etwaige Rückersatzansprüche haben soll, ist auch dem Handbuch nicht zu entnehmen. Dass der Kläger bereit gewesen wäre, bei Scheitern der Expedition wegen bestimmter typischer Gefahren des Bergsteigens das Kostenrisiko zu tragen, und die Parteien insoweit eine Außerstreitstellung trafen, begründet keine vom Gesetz abweichende Vereinbarung über die Gefahrtragung für alle Fälle der (unverschuldeten) Unmöglichkeit. Allenfalls in diese Richtung zu verstehende Ausführungen des Erstgerichts in seiner rechtlichen Beurteilung hat das Berufungsgericht als (dislozierte) Feststellungen ausdrücklich nicht übernommen.
4. Bei der Rückabwicklung des Rechtsgeschäfts nach Vertragsauflösung muss sich der Reisende bestimmte Vorteile nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen anrechnen lassen, weil eine Rückstellung bereits konsumierter Reiseleistungen in natura nicht möglich ist (5 Ob 242/04f; 10 Ob 2/07b; Apathy aaO § 31e KSchG Rz 13). Er hat für die verbrauchten Reiseleistungen ein dem erhaltenen Nutzen angemessenes Entgelt zu zahlen. Die Bewertung des Nutzens, den der Kläger durch die Konsumation von Leistungsteilen gezogen hat, ist nach § 273 Abs 1 ZPO vorzunehmen und dem Gesamtpreis gegenüberzustellen. Die vom Berufungsgericht nach diesen Grundsätzen ausgemittelte Höhe des dem Kläger zustehenden Rückersatzes stellt die beklagte Partei in ihrer Revision nicht tauglich in Frage. Soweit sie auf ihre Ersparnis verweist, übersieht sie, dass es auf den Nutzen ankommt, den der Kläger aus der teilweisen Leistungserbringung gezogen und abzugelten hat. Schadensersatzansprüche des Klägers sind nicht zu beurteilen, sodass die Behauptung der beklagten Partei, er habe gegen seine Schadensminderungspflicht gemäß § 1304 ABGB verstoßen, weil er keine Stornoversicherung abgeschlossen habe, verfehlt ist. Eine auf das Schadenersatzrecht gestützte Gegenforderung hat die beklagte Partei nicht erhoben.
5. Der Revision ist damit ein Erfolg zu versagen.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.
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