OGH 2Ob37/18g

OGH2Ob37/18g29.1.2019

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach H* K*, verstorben am * 2017, zuletzt wohnhaft in *, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Erbansprecherin E* M*, vertreten durch Dr. Robert Krasa, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben als Rekursgericht vom 15. Jänner 2018, GZ 2 R 3/18t‑29, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Schladming vom 12. Oktober 2017, GZ 1 A 141/17t‑18, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E124285

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden ersatzlos behoben.

 

Begründung:

Am 14. Juni 1998 verfasste der Erblasser handschriftlich ein Testament, das auszugsweise lautet:

„[…] Ich setze hiermit das E* D* [...] zu meinen Alleinerben ein. Das 'Haus [...]' solle dabei einer selben [...] Verwendung zugeführt werden, wie es das Hotel […] erfährt. […]

Meine Schwester […], und ihre Familienmitglieder, ist und sind von meinem Erbe auszuschließen; die und sie dürfen nichts erhalten.

Bei s.g. Herrn Prof. […] liegen hohe Geldbeträge […]. In der Abrechnung […] wird ein sehr sehr hoher Betrag errechnet werden und wolle man darüber wie folgt verfügen:

Ein Drittel der Summe gehöre der Republik Österreich zur Minderung ihrer Staatsschuld.

Ein Drittel der Summe gehöre in einen Fond, der hierfür gegründet werde und gegen den Hunger in der Welt wirken möge.

Für das dritte Drittel errichte man einen Fond, der für in existenzielle Notlage geratene Verkehrsunfallopfer Hilfe bringen soll […].“

Am 1. Juni 2009 verfasste der Erblasser eine „Aenderung meines Testaments“, die auszugsweise lautet (Hervorhebungen im Original):

„Ich, […] berichtige hiermit […] meinen letzten Willen wie folgt:

Ich habe am 14. Juni 1998 eine letztwillige Verfügung verfaßt. Darin wird das E* D* […] als Erbe meines Hauses und also auch der beiden angrenzenden Grundstücke genannt.

Mit dieser heutigen letztwilligen Verfügung vom 1. Juni 2009 erkläre ich diese meine damalige Absicht für NICHTIG.

So soll auch dieser Vermögenswert (das Haus [...] mit den beiden angrenzenden Grundstücken) zum Kapitalvermögen hinzukommen. Und in eine zu errichtende Stiftung (anstelle von Fonds) einfließen. Der Name der Stiftung: H* und M* [...].“

Bei M* K* handelte es sich um die Ehefrau des Erblassers, die ihrerseits 2015 verstorben ist. Der Erblasser selbst starb am * 2017.

Am 31. August 2017 gab die Schwester des Erblassers unter Berufung auf das Gesetz eine bedingte Erbantrittserklärung zum gesamten Nachlass ab. Mit dem späteren Testament habe ihr Bruder nicht nur die Erbeinsetzung des D*s, sondern auch die Anordnung widerrufen, dass sie und ihre Familienmitglieder vom Erbe ausgeschlossen seien. Eine Erbunwürdigkeit ihrerseits liege nicht vor. Die Erbeinsetzung der Privatstiftung sei wirkungslos, weil das Formerfordernis eines Notariatsakts (§ 39 PSG) nicht eingehalten worden sei und auch die Angabe des Stiftungszwecks und die Bezeichnung des Begünstigten (§ 9 Abs 1 PSG) fehlten. Daher trete die gesetzliche Erbfolge ein.

Das Erstgericht wies diese Erbantrittserklärung zurück. Zwar sei die Erbeinsetzung der noch zu gründenden Stiftung tatsächlich wirkungslos, doch habe der Erblasser seinen letzten Willen bloß „berichtigt“, und zwar nur insoweit, als er die im früheren Testament genannten Liegenschaften nicht der D*, sondern der Stiftung vermachen habe wollen. Es gebe keinen Hinweis, dass er auch die frühere Anordnung, seine Schwester und ihre Familienmitglieder sollten nichts erben, widerrufen habe. Vielmehr bleibe entweder die Einsetzung der D* als Alleinerbin aufrecht und sie erhalte nur jene Vermögenswerte nicht, die der Stiftung zukommen sollten, oder die Erbeinsetzung der D* sei widerrufen worden; dann falle der Nachlass mangels Erben an den Bund. Zwar sei die Zurückweisung einer Erbantrittserklärung grundsätzlich nicht vorgesehen, doch gelte dies nicht, wenn feststehe, dass der Erbrechtstitel, auf den sich die Erklärung berufe, niemals zu einer Einantwortung führen könne; dies sei hier der Fall, weil der Erblasser das gesetzliche Erbrecht seiner Schwester und ihrer Familienmitglieder wirksam ausgeschlossen habe.

Das Rekursgerichtbestätigte diese Entscheidung. Der Erblasser habe im neuen Testament klar zum Ausdruck gebracht, dass er das alte nur in bestimmten Punkten berichtigen und nicht zur Gänze aufheben habe wollen. Die durch die vorgelegten Postkarten aus 2016 dokumentierte Annäherung der Geschwister habe keine Bedeutung.

Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Schwester des Erblassers, die die Fortsetzung des Verlassenschaftsverfahrens unter Berücksichtigung ihrer Erbantrittserklärung beantragt.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekursist zulässig , weil das Rekursgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen ist; er ist auch berechtigt .

Die Rechtsmittelwerberin macht geltend, dass ihre Erbantrittserklärung zu Unrecht zurückgewiesen worden sei.

Hiezu wurde erwogen:

1. Im Gegensatz zu § 122 AußStrG 1854 sieht das AußStrG 2005 die Annahme der (nunmehr) Erbantrittserklärung zu Gericht nicht mehr vor. Nach der Rechtsprechung zur früheren Rechtslage war in bestimmten Ausnahmefällen die Zurückweisung einer Erbserklärung zulässig (RIS‑Justiz RS0007993, RS0007938).

2. Ob diese Judikatur weiter anwendbar ist, wurde in der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt (2 Ob 71/17f):

2.1. Die zum AußStrG 1854 entwickelte Rechtsprechung wurde in einigen Entscheidungen auch für die neue Rechtslage aufrechterhalten (vgl etwa 6 Ob 3/09y; 3 Ob 141/12z; 4 Ob 110/14a; idS auch SpruzinainKletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 805 Rz 10 und KnechtelinKletečka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 601 Rz 5 [beschränkt auf offenkundig formungültige letztwillige Verfügungen]).

2.2. Hingegen scheinen sich andere Entscheidungen ganz grundsätzlich gegen die Möglichkeit einer Zurückweisung zu wenden (vgl 1 Ob 117/07y, 5 Ob 186/09b und 6 Ob 81/13z vgl auch RIS‑Justiz RS0122476). Auch in den Gesetzesmaterialien zu § 161 AußStrG 2005, ErläutRV 224 BlgNR 22. GP  105, wird darauf verwiesen, dass für eine Zurückweisung von Erbantrittserklärungen kein besonderes Bedürfnis bleibe (idS etwa auch Höllwerth, Der Gerichtskommissär im Verfahren über das Erbrecht, NZ 2014, 73 [73]; dersinGitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 161 Rz 4; FerrariinFerrari/Likar-Peer, Erbrecht [2007] 463; Sailer in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 159 Rz 6; ders in KBB5 § 800 Rz 9 [„außer in absurden Fällen“]).

2.3. Die gegen die Fortschreibung der früheren Rechtsprechung sprechenden Argumente fasst Höllwerth (Die Rechtsprechung zum Verlassenschaftsverfahren im Überblick, EF‑Z 2015, 5 [8]) dahin zusammen, dass eine gesetzliche Grundlage fehle und weder die Reichweite der Vorprüfungsmöglichkeit noch die Wirkungen eines Zurückweisungsbeschlusses in einem späteren Verfahren über die Feststellung des Erbrechts ausreichend geklärt seien.

Für die Möglichkeit einer Zurückweisung zumindest in den von Sailer (in KBB5 § 800 Rz 9) angesprochenen „absurden Fällen“ könnte hingegen sprechen, dass dadurch das aufwändige Verfahren nach den §§ 160 ff AußStrG vermieden werden kann.

3. Im vorliegenden Fall kann jedoch eine abschließende Beurteilung der erörterten Rechtsfrage unterbleiben. Denn selbst wenn man weiterhin in Ausnahmefällen von der Zulässigkeit der Zurückweisung einer Erbantrittserklärung ausginge, lägen die Voraussetzungen dafür nicht vor:

3.1. Auch nach jenen Entscheidungen, die sich zur früheren Rechtslage für die Möglichkeit einer Zurückweisung aussprachen, war diese nämlich nur dann zulässig, wenn feststand, dass der Erbrechtstitel, auf den die Erbantrittserklärung gegründet wird, „nie“ zu einer Einantwortung des Nachlasses an den Erbantrittserklärten führen kann (RIS‑Justiz RS0007938), weil zB der behauptete Erbrechtstitel fehlt (vgl RIS‑Justiz RS0008012, RS0007993), bereits der äußeren Form nach kein gültiges Testament vorliegt (RIS‑Justiz RS0007987, RS0007942, RS0105494), das Vorliegen einer Erbeinsetzung mit Bestimmtheit ausgeschlossen werden kann (RIS‑Justiz RS0007986, RS0007676) oder der Erklärende aus anderen Gründen nach der Sach- und Rechtslage mit Sicherheit nicht als Erbe in Betracht kommt (4 Ob 58/99d mwN).

3.2. Eine Zurückweisung kam aber auch nach dieser Judikatur nicht in Frage, wenn der Titel zumindest abstrakt geeignet war, zu einer Einantwortung zu führen, wobei eine materielle Prüfung nicht stattzufinden hatte (vgl 6 Ob 195/03z; 6 Ob 247/06a). Die Grenze einer solchen Beurteilung lag und liegt daher jedenfalls dort, wo es erst der Klärung strittiger Tatumstände oder der Auslegung des Willens des Erblassers bedarf (vgl 1 Ob 510/94; 10 Ob 534/94; RIS‑Justiz RS0007676 [T4], RS0007938 [T16]).

4. Letzteres ist hier der Fall:

Die Frage, ob die gesetzliche Erbfolge, auf die sich die Schwester des Erblassers beruft, eintritt, hängt von der materiellen Prüfung der beiden letztwilligen Verfügungen und der Auslegung des Willens des Erblassers ab, insbesondere davon, in welchem Verhältnis die letztwilligen Verfügungen zueinander stehen und ob sie Erbeinsetzungen enthalten. Die Schwester des Erblassers verneint dies unter Hinweis auf die Wirkungslosigkeit der Stiftungserklärung nach dem Privatstiftungsgesetz (vgl 6 Ob 45/04t), ohne auch auf die Möglichkeit einer Stiftung von Todes wegen nach dem Bundes‑Stiftungs‑ und Fondsgesetz bzw dem Steiermärkischen Stiftungs‑ und Fondsgesetz einzugehen (vgl dazu auch 6 Ob 174/05i; ferner 1 Ob 2138/96k [Kärntner Stifungs‑ und Fondsgesetz]; Apathy/Neumayr in KBB5 § 646 [aufgehoben] Rz 2 f).

5. Da somit eine materielle, inhaltliche Prüfung notwendig ist, erweist sich die Zurückweisung der Erbantrittserklärung jedenfalls als unzulässig. Die diesbezüglichen Beschlüsse der Vorinstanzen sind daher ersatzlos zu beheben.

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