Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts, dessen Punkte 1 und 3 als unangefochten unberührt bleiben, in seinem Punkt 2 dahin abgeändert wird, dass die vom erblasserischen Sohn Markus W***** aufgrund des Testaments vom 3. 3. 1986 bedingt abgegebene Erbserklärung zu Gericht angenommen wird.
Text
Begründung
Der Erblasser - Eigentümer eines geschlossenen Hofes in Tirol - hinterlässt eine Ehefrau und sieben erwachsene Kinder. Er verstarb am 3. 8. 2001 unter Hinterlassung einer letztwilligen Verfügung vom 24. 7. 2001. Darin hatte er seinen Sohn Josef W*****, geboren 1962, zum Erben eingesetzt. Seine Ehefrau und die weiteren ehelichen Nachkommen, darunter auch der Revisionsrekurswerber Markus W*****, sollten verschiedene, zum geschlossenen Hof des Erblassers gehörende Liegenschaftsparzellen erhalten. Unter Berufung auf dieses Testament gab Josef W***** die bedingte Erbserklärung zum gesamten Nachlass ab. Sie wurde mit Beschluss des Abhandlungsgerichts vom 22. 10. 2001 zu Gericht angenommen. Die erblasserische Witwe und vier der insgesamt sieben Kinder des Erblassers bestreiten die Wirksamkeit des Testaments vom 24. 7. 2001. Der Revisionsrekurswerber gab die bedingte Erbserklärung aufgrund eines Testaments vom 3. 3. 1986 zum gesamten Nachlass ab. Der Erblasser habe ihm dieses Testament im Frühjahr 1986 gezeigt. Er habe ihn darin zum Alleinerben eingesetzt und der erblasserischen Witwe ein Wohnrecht nach ihrer Wahl entweder in den Räumen wie bisher, in der Wohnung im zweiten Stock oder in einer ca 70 m² großen Wohnung in der Stadt, jeweils auf Kosten des Erben eingeräumt. Dieses Testament sei zwar bisher nicht aufgefunden worden, müsste aber in den Unterlagen des Verstorbenen noch vorhanden sein. Sollte das Testament nicht mehr wirksam sein, gebe er die bedingte Erbserklärung aufgrund des Gesetzes zum gesamten Nachlass ab. Nach Aufforderung des Erstgerichts, die Errichtung und den Inhalt des Testaments vom 3. 3. 1986 sowie die Gründe glaubhaft zu machen, aufgrund welcher das Testament nicht vorgelegt werden könne, legte der Revisionsrekurswerber eine eidesstättige Erklärung des Inhalts vor, sein Vater habe ihm im Frühjahr 1986 ein seiner Geldtasche entnommenes zusammengefaltetes Blatt gezeigt, wobei es sich um Briefpapier des Notars gehandelt habe und worin er als Alleinerbe des Hofes bestimmt worden sei. Seine Geschwister, ausgenommen Josef, sollten den Pflichtteil erhalten, der Bruder Josef den doppelten Betrag, die Mutter ein Wohnrecht. Nach dem Tod des Vaters sei dieses Testament nicht aufgefunden worden. Er beantrage, den Notar um die Übermittlung der Kopien von Unterlagen seines Handakts zu ersuchen, weil sich dort eine Durchschrift des vom Erblasser unterschriebenen Testamentsentwurfes befinden müsse. In einem dem Gericht zugleich vorgelegten Schreiben an den Rechtsvertreter des Revisionsrekurswerbers teilte der örtliche Notar mit, der Erblasser habe das seinerzeit in seiner Kanzlei errichtete Testament vom 3. 3. 1986 am 17. 8. 1989 und ein am 17. 8. 1989 errichtetes (weiteres) Testament am 5. 3. 1990 behoben.
Das Erstgericht nahm die vom erbl Sohn Markus W***** aufgrund des Gesetzes abgegebene bedingte Erbserklärung an (Punkt 1), wies seine aufgrund des Testaments vom 3. 3. 1986 abgegebene Erbserklärung zurück (Punkt 2) und stellte es den erbserklärten Erben frei, vor Zuteilung der Klägerrollen eine Äußerung zu den widersprechenden Erbserklärungen abzugeben (Punkt 3). Die auf ein nicht vorgelegtes und nicht kundgemachtes Testament gestützte Erbserklärung könne nicht zu Gericht angenommen werden, weil nicht bescheinigt worden sei, dass das Testament verloren gegangen sei. Aufgrund der Mitteilung des Notars stehe nur fest, dass der Erblasser das Testament vom 3. 3. 1986 am 17. 8. 1989, dem Tag der Errichtung eines weiteren Testaments, behoben habe. Es sei daher davon auszugehen, dass das spätere Testament dasjenige vom 3. 3. 1986 ersetzt habe und dieses daher nicht verloren gegangen sei.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Es stehe fest, dass der Erblasser insgesamt drei Testamente errichtet habe: das am 17. 8. 1989 in der Kanzlei des Notars behobene Testament vom 3. 3. 1986, das am 5. 3. 1990 dort behobene Testament vom 17. 8. 1989 und das Testament vom 24. 7. 2001. Nach § 713 ABGB werde ein früheres Testament durch ein späteres gültiges aufgehoben, sofern der Erblasser nicht deutlich zu erkennen gebe, dass das frühere Testament ganz oder zum Teil bestehen solle. Eine frühere schriftliche Anordnung trete dann wieder in Kraft, wenn der Erblasser eine spätere Anordnung vernichte, die frühere jedoch unversehrt gelassen habe. In Anbetracht der Errichtung eines zweiten Testaments mit unbekanntem Inhalt könnte das Testament vom 3. 3. 1986 zu irgendeinem nach dem 5. 3. 1990 liegenden Zeitpunkt nur dann wieder aufgelebt sein, wenn der Erblasser das zweite Testament vernichtet, das erste aber unversehrt gelassen hätte. Derartiges habe der Rekurswerber nicht behauptet, geschweige denn glaubhaft gemacht. Er habe auch den Verlust des Testaments vom 3. 3. 1986 nicht schlüssig behauptet. In Anbetracht der Behebung des Testaments beim Notar im Zusammenhang mit der Neuerrichtung eines weiteren Testaments reiche sein Vorbringen, das Testament sei bisher nicht aufgetaucht und sollte bei den Unterlagen des Verstorbenen noch vorhanden sein, für die Behauptung eines Verlusts im Sinne eines unbeabsichtigten Abhandenkommens nicht aus. Das Erstgericht habe daher die auf das zeitlich früheste Testament gestützte Erbserklärung zu Recht zurückgewiesen.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, weil seine Entscheidung mit höchstgerichtlicher Rechtsprechung in Einklang stehe.
Rechtliche Beurteilung
Der außerordentliche Revisionsrekurs des erblasserischen Sohnes Markus W***** ist zulässig, weil das Rekursgericht von den für die Annahme von Erbserklärungen entwickelten Grundsätzen der Rechtsprechung abgewichen ist. Er ist auch berechtigt:
Gemäß § 122 AußStrG ist grundsätzlich jede in der vorgeschriebenen Form abgegebene Erbserklärung vom Gericht anzunehmen. Nach ständiger Rechtsprechung darf das Gericht die Annahme einer Erbserklärung nur dann verweigern, wenn der in Anspruch genommene Erbrechtstitel keinesfalls zu einer Einantwortung des Nachlasses an den Erbserklärten führen kann (SZ 69/161; NZ 1995, 278; EvBl 1999/160; 4 Ob 33/02k; Welser in Rummel ABGB³ §§ 799 und 800 Rz 16 mwN). Solange daher nicht unzweifelhaft feststeht, dass ein gültiger, zur Herbeiführung der Einantwortung geeigneter Erbrechtstitel fehlt (und der Erbansprecher daher nicht Erbe sein kann), muss das Gericht die Erbserklärung annehmen.
Ob die Erbeneigenschaft des Erbansprechers völlig ausgeschlossen ist, ist nach der Aktenlage zu beurteilen, wobei eine Prüfung der materiellen Berechtigung grundsätzlich nicht stattfindet (Welser aaO §§ 799, 800 Rz 14 mwN). Solange der behauptete Titel überhaupt geeignet ist, zu einer Einantwortung zu führen, muss die Erbserklärung angenommen werden (Welser aaO Rz 16 mwN; 4 Ob 33/02k).
Im hier zu beurteilenden Fall steht keineswegs unzweifelhaft fest, dass die Einantwortung des Rechtsmittelwerbers aufgrund des Testaments vom 3. 3. 1986 von vornherein nicht in Frage käme. Die Errichtung eines Testaments mit diesem Datum zugunsten des Rechtsmittelwerbers ist nach der Aktenlage bescheinigt. Dass der Erblasser dieses Testament anlässlich einer weiteren letztwilligen Verfügung am 17. 8. 1989 beim Notar behoben hat, bedeutet nicht zwingend, dass das erste Testament durch Widerruf jedenfalls ungültig wurde, ist doch über den Inhalt des zweiten Testaments bisher nichts bekannt. Im Übrigen hat der Erblasser auch das zweite Testament vom 17. 8. 1989 zurückerhalten, sodass - ohne entsprechendes Beweisverfahren im Erbrechtsstreit - nicht geklärt werden kann, ob und gegebenenfalls welches dieser Testamente widerrufen wurde oder ob das erste allenfalls unversehrt gelassene schriftliche Testament durch Vernichtung der späteren Anordnung wieder wirksam wurde (§ 723 ABGB).
Auch das wenige Tage vor dem Ableben des Erblassers errichtete dritte Testament schließt eine Einantwortung aufgrund der Anordnung vom 3. 3. 1986 nicht von vornherein aus, sondern führt zur Verteilung der Klägerrolle nach § 125 AußStrG. Sollte das Testament vom 24. 7. 2001 (wie von der Witwe und vier weiteren Noterben behauptet) mangels Testierfähigkeit des Erblassers unwirksam sein, käme eine Einantwortung aufgrund des früheren Testaments sehr wohl in Frage. Die Erbeneigenschaft des Revisionsrekurswerbers kann daher nach der Aktenlage nicht von vornherein ausgeschlossen werden.
Der Grundsatz, wonach derjenige, der sich auf ein in Verlust geratenes Testament beruft, nicht nur dessen Inhalt nachweisen muss, sondern auch den Umstand, dass der Verlust oder die Vernichtung des Testaments auf einem Zufall beruht und nicht auf den Willen des Erblasers zurückzuführen ist (RIS-Justiz RS0012797), wurde in streitigen Verfahren über Erbrechtsklagen (2 Ob 290/97d) bzw Erbschaftsstreitigkeiten (EvBl 1983/62; 5 Ob 545/86) entwickelt und auch bei der Verteilung der Klägerrolle nach § 125 AußStrG für die Beurteilung des schwächeren Erbrechtstitels herangezogen (SZ 72/87). Eines derartigen Nachweises bedarf es als Voraussetzung für die Annahme einer Erbserklärung nicht. Für die Annahme der Erbserklärung aufgrund eines nicht mehr auffindbaren Testaments reicht es nämlich aus, dass nach der Aktenlage ein Testament zugunsten des Erbansprechers errichtet wurde und die Urkunde - aus welchen Gründen auch immer - nicht mehr aufgefunden werden kann. Die Frage, ob die letztwillige Verfügung zufällig vernichtet wurde oder in Verlust geraten ist, muss im streitigen Verfahren (nach Verteilung der Klägerrolle) geklärt werden. Die Erbserklärung des sich auf das Testament berufenden Erbansprechers ist in einem solchen Fall jedenfalls anzunehmen (Eccher in Schwimann ABGB² § 722 Rz 3, § 799 Rz 17 mwN).
Dem Revisionsrekurs wird daher Folge gegeben.
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