OGH 10Ob2/14p

OGH10Ob2/14p25.3.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Dr. Schramm und die Hofrätin Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj M*****, geboren am *****, J*****, geboren am ***** und T*****, geboren am *****, in Pflege und Erziehung der Mutter J*****, vertreten durch das Land Vorarlberg als Kinder‑ und Jugendhilfeträger (Bezirkshauptmannschaft Feldkirch, Schlossgraben 1, 6800 Feldkirch), wegen Gewährung von Unterhaltsvorschuss, über den Revisionsrekurs des Vaters B*****, vertreten durch Mag. Hans-Christian Obernberger, Rechtsanwalt in Feldkirch, gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom 12. Juli 2011, GZ 3 R 198/11g, 3 R 199/11d, 3 R 200/11a‑18, womit die Beschlüsse des Bezirksgerichts Feldkirch vom 18. Mai 2011, GZ 12 Pu 141/11f‑4 bis 6, bestätigt wurden, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0100OB00002.14P.0325.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die drei ‑ in den Jahren 1996, 1997 und 1998 geborenen ‑ Kinder leben in Österreich bei ihrer Mutter, der auch die Pflege und Erziehung zukommt. Sowohl die Kinder als auch die Mutter sind Doppelstaatsbürger, die über eine französische und eine Schweizer Staatsbürgerschaft verfügen. Die Mutter ist in Österreich selbständig erwerbstätig und bei der gewerblichen Sozialversicherung versichert; die Kinder sind über die Mutter mitversichert. Der Vater lebt in der Schweiz. Aufgrund des Entscheides des Kantonsgerichts Appenzell Ausserrhoden vom 19. 8. 2008, Verfahren Nr. ER2 06 8, ist der Vater für seine Kinder seit 28. 11. 2005 zu einem monatlichen Unterhaltsbeitrag von je 800 SFR bis zum Erreichen des 12. Geburtstages und zu einem solchen von 1.000 SFR für die Zeit danach verpflichtet.

Mit den am 18. 5. 2011 gefassten Beschlüssen (ON 4 bis 6) gewährte das Erstgericht den Minderjährigen antragsgemäß Unterhaltsvorschüsse gemäß §§ 3, 4 Z 1 UVG in Höhe von monatlich jeweils 791,50 EUR für den Zeitraum von 1. 5. 2011 bis 31. 1. 2014 bzw 30. 4. 2015 und 30. 4. 2016.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters gegen die Gewährung nicht Folge und sprach ‑ zunächst ‑ aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Mit Beschluss vom 18. 4. 2013 (ON 91) wies das Rekursgericht den außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters (vom 31. 1. 2013) als unzulässig zurück; änderte jedoch gleichzeitig den Zulassungsausspruch dahin ab, dass der ordentliche Revisionsrekurs nach § 62 Abs 1 AußStrG doch zulässig sei. Der außerordentliche Revisionsrekurs sei, jedenfalls unzulässig, weil der Entscheidungsgegenstand für jedes Kind jeweils 28.494 EUR (dreifacher Jahresbetrag des bekämpften Unterhaltsvorschusses) betrage. Die hilfsweise erhobene Zulassungsvorstellung verbunden mit dem ordentlichen Revisionsrekurs (vom 31. 1. 2013) sei hingegen berechtigt, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob die (mögliche) Anwendung europäischen Primär‑ und Sekundärrechts oder völkerrechtlicher Abkommen der EU mit anderen Staaten (unabhängig davon, ob eine „schwierige Rechtsfrage“ zu lösen sei) dem Begriff „ausländisches Recht“ im Sinn des § 16 Abs 2 Z 6 RpflG zu unterstellen sei und den Richtervorbehalt auslöse.

Nach Vorlage des Revisionsrekurses stellte der Oberste Gerichtshof mit Beschluss vom 25. 6. 2013, 10 Ob 29/13g (ON 93), den Akt dem Erstgericht zur Verbesserung zurück, weil der Vertreter des Vaters das Rechtsmittel am 31. 1. 2013 zwar rechtzeitig überreicht hatte, in der ‑ nicht im ERV übermittelten ‑ Eingabe aber die Bescheinigung unterließ, dass hiezu die konkreten technischen Möglichkeiten im Einzelfall ausnahmsweise nicht vorlägen (§ 1 Abs 1c ERV 2006 idF BGBl II 2012/141).

In der Folge räumte das Erstgericht dem für den Vater einschreitenden Rechtsanwalt eine Frist von 14 Tagen zur Verbesserung des Revisionsrekurses „vom 13. 2. 2013“, der [ebenfalls] „in Papierform“ eingebracht worden war, durch Einbringung im ERV ein. Mangels Verbesserung wies der zuständige Richter des Erstgerichts (der gleichzeitig die Entscheidung über den Unterhaltsherabsetzungsantrag des Vaters vom 22. 12. 2011 an sich zog) mit Beschluss vom 27. 11. 2013 (ON 98) den außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters samt der damit (in eventu) verbundenen Zulassungsvorstellung iVm dem ordentlichen Revisionsrekurs „vom 13. 2. 2012 (ON 87)“ zurück.

Mit Beschluss des Erstgerichts vom 29. 11. 2013 (zugestellt am 9. 12. 2013) wurde dem Vertreter des Vaters in der Folge auch der ordentliche Revisionsrekurs „vom 31. 1. 2013 (ON 82)“ zur Verbesserung binnen 14 Tagen (gemäß dem Beschluss 10 Ob 29/13g [ON 93]) zurückgestellt.

Den am 10. 12. 2013 im ERV eingebrachten verbesserten Revisionsrekurs legt das Erstgericht neuerlich dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vor.

Revisionsrekursbeantwortungen wurden nicht erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Der Revisionsrekurswerber leitet die Zulässigkeit seines Rechtsmittels aus dem 30.000 EUR übersteigenden Entscheidungsgegenstand „(791,50 EUR x 36 x 3)“ und den - seiner Meinung nach ‑ erheblichen Rechtsfragen ab, dass der Richtervorbehalt nach § 16 Abs 2 Z 6 RpflG nicht beachtet sowie von der „einschlägigen Rechtsprechung“ abgewichen wurde. Für den Richtervorbehalt nach der zitierten Bestimmung reiche es aus, dass die Anwendung ausländischer Rechtsvorschriften, die nicht „ausschließlich von der inländischen (österreichischen) Rechtserzeugung geschaffen“ worden seien, zumindest in Betracht komme; dies treffe für EU-Recht jedenfalls zu. Außerdem bestehe ein Anspruch auf österreichische Unterhaltsvorschüsse nach der einschlägigen Rechtsprechung (10 Ob 15/12x) nur dann, wenn der Elternteil mit demselben Aufenthalt wie das betroffene Kind in Österreich einer sozialversicherungspflichtigen, ausreichend ins Gewicht fallenden unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgehe, was hier aktenkundig nicht der Fall sei.

Dem ist zu erwidern:

1. Entgegen der Ansicht des Rechtsmittelwerbers übersteigt der vom Rekursgericht völlig zutreffend ermittelte Entscheidungsgegenstand nicht 30.000 EUR; nach ständiger Rechtsprechung sind Unterhaltsansprüche mehrerer Kinder nämlich nicht zusammenzurechnen (RIS‑Justiz RS0017257; RS0112656). Infolge nachträglicher Zulassung ist der Revisionsrekurs nicht jedenfalls unzulässig; das ordentliche Rechtsmittel ist jedoch entgegen dem ‑ gemäß § 71 Abs 1 AußStrG den Obersten Gerichtshof nicht bindenden - Ausspruch des Rekursgerichts wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig. Die Zurückweisung kann sich gemäß § 73 Abs 2 letzter Satz AußStrG auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

2. Aus Art 87 und 87a B‑VG ergibt sich, dass die Gerichtsbarkeit grundsätzlich von Richtern auszuüben ist, wobei die Besorgung einzelner und genau zu bezeichnender Arten von Geschäften der Gerichtsbarkeit erster Instanz in Zivilrechtssachen besonders ausgebildeten nichtrichterlichen Bundesbediensteten (Rechtspfleger) übertragen werden kann. In Durchführung dieser verfassungsrechtlichen Bestimmungen ordnen die §§ 18 ff RpflG Wirkungskreise für Rechtspfleger an (10 Ob 26/12i; Mayr/Fucik, Das neue Verfahren außer Streitsachen³ Rz 70 f).

2.1. Der Wirkungskreis in Kindschafts‑ und Sachwalterschaftsangelegenheiten umfasst die Geschäfte in Pflegschaftsangelegenheiten (§ 19 Abs 1 RpflG idF BGBl I 2009/30), zu denen alle Angelegenheiten des Kindschaftsrechts (Eltern‑Kind‑Verhältnisses im Sinn des Dritten Hauptstücks des ABGB), soweit sie minderjährige Kinder betreffen, zählen. Diese sind damit den Rechtspflegern mittels Generalklausel übertragen (7 Ob 234/12f; 10 Ob 26/12i).

2.1. In § 19 Abs 2 RpflG sind jene Geschäfte des Pflegschaftsverfahrens aufgezählt, die dem Richter vorbehalten sind („Richtervorbehaltssachen“). Das Verfahren über den gesetzlichen Unterhaltsanspruch ist in § 19 Abs 2 RpflG nicht als eine dem Richter vorbehaltene Angelegenheit genannt (7 Ob 234/12f). Soweit es ‑ wie hier ‑ um Personen geht, die keine österreichischen Staatsbürger sind, bleiben demnach (gemäß § 19 Abs 2 Z 6 lit a RpflG) nur alle nicht rein vermögensrechtlichen Streitigkeiten dem Richter vorbehalten.

2.2. Im Bereich des § 19 RpflG hat insoweit eine Befugniserweiterung des Rechtspflegers im Sinn einer Zuständigkeitsverlagerung vom Richter zum Rechtspfleger in Verfahren zur Regelung der Unterhaltsansprüche minderjähriger und volljähriger Kinder stattgefunden (und zwar unabhängig davon, ob es sich bei den Kindern um Österreicher, Ausländer oder Staatenlose handelt, ob sie in Österreich oder im Ausland ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben oder ob sie überhaupt der inländischen Pflegschaftsgerichtsbarkeit unterworfen sind); Voraussetzung ist allerdings im Hinblick auf den generellen Richtervorbehalt (§ 16 Abs 2 Z 6 RpflG), dass nicht „ausländisches Recht anzuwenden“ ist (Etz in Szöky, Hrsg, Komm RPflG, § 19 Rz 28, 140 mwN).

2.3. Die Ausnahmetatbestände (die dem Richter weiterhin vorbehaltenen Agenden) in § 16 Abs 2 RpflG sind erschöpfend aufgezählt (RIS‑Justiz RS0072245). Entscheidungen, bei denen ausländisches Recht anzuwenden ist, sind dem Richter gemäß § 16 Abs 2 Z 6 RpflG generell vorbehalten (6 Ob 348/97p); für das Wirksamwerden dieses Richtervorbehalts reicht es aus, dass die Notwendigkeit der Berücksichtigung einer ausländischen Rechtsvorschrift zumindest in Betracht kommt (RIS‑Justiz RS0125906). Dann gilt der Richtervorbehalt ‑ unabhängig von der Schwierigkeit der zu lösenden Rechtsfrage ‑ generell, also auch dann, wenn bloß Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ausländisches Recht relevant sein wird (vgl RIS‑Justiz RS0009230).

3. Entgegen den Ausführungen zur Zulässigkeit des Revisionsrekurses hat sich der Oberste Gerichtshof bereits ausdrücklich mit der Frage befasst, ob die (wenn auch nur mögliche) Anwendung europäischen Primär‑ und Sekundärrechtes oder völkerrechtlicher Abkommen der EU mit anderen Staaten (unabhängig davon, ob eine „schwierige Rechtsfrage“ zu lösen ist) dem Begriff „ausländisches Recht“ im Sinn des § 16 Abs 2 Z 6 RpflG zuzurechnen ist und demgemäß auch dem Richtervorbehalt unterliegt.

3.1. Zu 6 Ob 152/12i wurde zum Richtervorbehalt des § 16 Abs 2 Z 6 RpflG bereits aufgezeigt, dass das Recht der Europäischen Union ‑ entgegen der im Revisionsrekurs vertretenen Ansicht ‑ nicht ausländisches Recht ist; gilt es doch in Österreich. Auch in der Präambel zu Protokoll 2 über die einheitliche Auslegung des Übereinkommens und den Ständigen Ausschuss des (hier bei der Vorfragenprüfung anzuwenden) Lugano‑Übereinkommens 2007 ist festgehalten, dass dieses Übereinkommen Teil des Gemeinschaftsrechts wird und der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften deshalb für Entscheidungen über die Auslegung dieses Übereinkommens in Bezug auf dessen Anwendung durch die Gerichte zuständig ist. Nach der Entscheidung 6 Ob 152/12i kann daher kein Zweifel daran bestehen, dass auch die (mögliche) Anwendung des Lugano-Übereinkommens 2007 nicht den Richtervorbehalt des § 16 Abs 2 Z 6 RpflG auslöst.

3.2. Da keine der im Rechtsmittel genannten, für den gegenteiligen Standpunkt (nach den Worten „vgl dazu“ [?]) ins Treffen geführten Entscheidungen eine Aussage zur Frage enthält, bei welchen Rechtsvorschriften es sich um „ausländische“ im Sinn des § 16 Abs 2 Z 6 RpflG handelt, wird eine erhebliche Rechtsfrage insoweit nicht aufgezeigt.

4. Gleiches gilt für die weitere Frage, die im Abweichen des Rekursgerichts von der Rechtsprechung liegen soll, weil ein Anspruch auf Gewährung österreichischer Unterhaltsvorschüsse ‑ wie der Vater meint ‑ nur dann bestehe, wenn der Elternteil mit demselben Aufenthalt wie das Kind einer sozialversicherungspflichtigen, ausreichend ins Gewicht fallenden unselbständigen Erwerbstätigkeit in Österreich nachgehe, was aktenkundig nicht der Fall sei.

4.1. Dazu hat schon das Rekursgericht zutreffend aufzeigt, dass die zu 10 Ob 15/12x dargelegten Grundsätze, auf die sich der Rechtsmittelwerber beruft, hier gar nicht anwendbar sind. Nach dieser Entscheidung kann, obwohl Unterhaltsvorschüsse seit 1. 5. 2010 vom Anwendungsbereich der VO (EG) 883/2004 ausgenommen sind, ein Anspruch auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen dennoch bestehen, wenn ein Kind mit der Staatsbürgerschaft eines EU‑Mitgliedstaats den gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat (dort: in der Slowakei, also ‑ anders als im vorliegenden Fall ‑ nicht im Inland) hat und der Elternteil, mit dem ein gemeinsamer Aufenthalt besteht, in Österreich einer sozialversicherungspflichtigen (ausreichend ins Gewicht fallenden) unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgeht (RIS‑Justiz RS0127731).

4.2. Im vorliegenden Fall geht es hingegen um Unterhaltsvorschüsse für nicht-österreichische EU-Bürger, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt ohnehin im Inland haben. Insoweit ist aber ‑ nach ständiger Rechtsprechung ‑ die Frage, ob bei Sachverhalten mit Unionsbezug österreichische Unterhaltsvorschüsse gebühren, seit 1. 5. 2010 wieder auf der Grundlage des § 2 UVG zu beurteilen, bei dessen Anwendung das europäische Primär‑ und Sekundärrecht aber nicht ausgeblendet werden darf (10 Ob 15/12x). Nach § 2 Abs 1 erster Satz UVG haben minderjährige Kinder, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben und entweder österreichische Staatsbürger oder staatenlos sind, Anspruch auf Vorschüsse.

4.3. Die Bezugnahme auf die österreichische Staatsbürgerschaft ist dabei so zu lesen, dass damit die Staatsbürgerschaft eines EU-Mitgliedstaats gemeint ist, weil ein Abstellen auf das Staatsbürgerschaftskriterium unionsrechtswidrig wäre (so bereits 10 Ob 14/10x uva). Wesentlicher Anknüpfungspunkt für einen Vorschussanspruch in Österreich ist daher neben der österreichischen oder der Staatsbürgerschaft eines EU‑Mitgliedstaats ein gewöhnlicher Aufenthalt des Kindes in Österreich (10 Ob 15/12x).

4.4. Im vorliegenden Fall hat die Mutter ihren gewöhnlichen Aufenthalt gemeinsam mit den minderjährigen Kindern in Österreich, wobei sowohl die Mutter als auch die Kinder Staatsbürger eines EU-Mitgliedstaats (Frankreich) sind. Damit stellt sich die Frage der Anwendbarkeit der Wanderarbeitnehmerverordnung ebenso wenig wie jene nach der Erwerbstätigkeit der Mutter. Vielmehr besteht, weil der gewöhnliche Aufenthalt der Kinder mit der Staatsbürgerschaft eines EU‑Mitgliedstaats im Inland liegt, eine unbeschränkte Pflicht des Bundes zur Leistung von Unterhaltsvorschüssen (Felten/Neumayr, Die neue Wanderarbeitnehmerverordnung und Unterhaltsvorschuss, iFamZ 2010, 164 [170]); in diesen Fällen ist das Staatsbürgerschaftskriterium ‑ wie bereits ausgeführt ‑ im Lichte des Primärrechts (Art 18 AEUV) so zu lesen, dass (auch) Kinder mit der Staatsbürgerschaft eines EU‑Mitgliedstaats bei gewöhnlichem Aufenthalt in Österreich von österreichischen Unterhaltsvorschüssen nicht ausgeschlossen werden dürfen (Neumayr in Schwimann/ Kodek, ABGB I4 § 2 UVG Rz 10).

5. Die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen folgt daher der zitierten Rechtsprechung. Entgegen dem Standpunkt des Rechtsmittels wurde im vorliegenden Fall auch die erfolglose exekutive Betreibung ausreichend bescheinigt (vgl die Beilagen zu den Anträgen ON 1 bis 3).

5.1. Nach dem Unterhaltsherabsetzungsantrag des Vaters vom 20. 12. 2011 (Band I, ON 29 und ON 30) wurde mit der Vorschussgewährung ohnehin bereits teilweise innegehalten, sodass anstatt der ursprünglich gewährten 791,50 EUR monatlich pro Kind nunmehr ‑ wie der Vater beantragte ‑ nur noch monatliche Unterhaltsvorschüsse von 300 EUR für M*****, 340 EUR für J***** und 330 EUR für T***** zur Auszahlung gelangen (Band I, ON 31, vgl auch Band II, ON 75, womit das Rekursgericht dem Erstgericht die Fortsetzung des Unterhaltsherabsetzungsverfahrens auftrug).

5.2. Tatsächlich hat der Vater erst mit Schriftsatz vom 10. 4. 2012 (Band II, ON 52) Urkunden betreffend seine Einkommens- und Vermögenssituation (dies jedoch nur betreffend seinen Verfahrenshilfeantrag zur Erhebung eines außerordentlichen Revisionsrekurses) vorgelegt.

5.3. Die Ansicht des Rekursgerichts, der Vater habe den angeblichen Wegfall des Exekutionstitels und die Behauptung der neuen Einkommenssituation und neuer Sorgepflichten nicht ausreichend bescheinigt, begegnet daher ebenfalls keinen Bedenken.

5.4. Außerdem besteht für nach dem 31. 12. 2009 gefasste Gewährungsbeschlüsse nicht mehr die Möglichkeit einer Versagung der Vorschüsse nur auf der Grundlage von „begründeten Bedenken“. Vielmehr muss sich die materielle Unrichtigkeit des bestehenden Unterhaltstitels ohne weitere klärende Erhebungen aus der Aktenlage ergeben. Damit soll verdeutlicht werden, dass im Rahmen der Prüfung nach § 7 Abs 1 Z 1 UVG (idF FamRÄG 2009, BGBl I 2009/75) kein hypothetisches Unterhaltsfestsetzungsverfahren abzuführen ist. Nach der neuen Rechtslage sollen Titelvorschüsse nur versagt werden, wenn das Gericht bereits aufgrund der Aktenlage (also ohne weitere Erhebungen) „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ vom Vorliegen der Versagungsgründe des § 7 Abs 1 Z 1 UVG überzeugt ist (RIS‑Justiz RS0126398; Neumayr, Unterhaltsvorschuss neu ‑ Änderungen des UVG mit dem FamRÄG 2009, ÖJZ 2010/20, 164 [166]).

5.5. Sollte dieser Grad der Überzeugung nicht aus der Aktenlage zu gewinnen sein, so ist ein Vorgehen nach Abs 1 wie auch die Durchführung weiterer Erhebungen mit dem Ziel, das Maß der Überzeugung entsprechend zu verdichten, nicht zulässig; ein Vorgehen nach § 12 UVG ist demnach im Bereich des § 7 Abs 1 UVG ebenfalls nicht angezeigt. Diese Änderung soll auch zur Beschleunigung des Vorschussgewährungsverfahrens beitragen (10 Ob 72/10a mwN).

Mangels erheblicher Rechtsfragen im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG ist der Revisionsrekurs zurückzuweisen.

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