OGH 4Ob209/18s

OGH4Ob209/18s27.11.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.‑Prof. Dr. Brenn, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** GmbH, *****, vertreten durch Ing. DDr. Hermann Wenusch, Rechtsanwalt in Rekawinkel, gegen die beklagten Parteien 1) A***** KG, *****, und 2) P***** & Co Gesellschaft mbH, ebendort, beide vertreten durch Ing. Mag. Dr. Roland Hansély, Rechtsanwalt in Wien, wegen 92.041,26 EUR sA, über die Revision der beklagten Parteien gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 26. Juni 2018, GZ 5 R 172/17a‑47, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 15. September 2017, GZ 25 Cg 10/14g‑43, teilweise bestätigt und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0040OB00209.18S.1127.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit 2.438,51 EUR (darin enthalten 406,42 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Im September 2010 beauftragte die Erstbeklagte (als Generalunternehmerin) die Klägerin mit Metallbauarbeiten bei einem Bauvorhaben in Wien 4. In den Bauauftrag wurden (unter anderem) die „Vertragsbedingungen für Nachunternehmeraufträge“ der Beklagten (Beilage ./3) einbezogen. Die Zweitbeklagte ist die persönlich haftende Gesellschafterin der Erstbeklagten.

Das Gewerk der Klägerin wies Mängel an der Geländerkonstruktion auf, für deren Behebung ein Betrag von 40.137 EUR angemessen ist. Die Dachflächenfenster wurden von der Klägerin mängelfrei errichtet. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Erstbeklagte die Klägerin mit Arbeiten zur Ermittlung der Schadensursache beauftragte. Am 30. März 2012 legte die Klägerin Schlussrechnung über insgesamt 468.161,27 EUR brutto. Darauf zahlte die Erstbeklagte 379.673,67 EUR; zudem nahm sie diverse Abzüge vor.

Die Klägerin begehrte die Zahlung von 92.041,26 EUR sA; der überwiegende Teil der Klagsforderung (83.639,26 EUR) betrifft den ausstehenden Restbetrag (nach Abzug eines vereinbarten Nachlasses, der Teilzahlungen sowie eines Skontobetrags) aus der Schlussrechnung vom 30. März 2012. Zusammengefasst brachte die Klägerin vor, dass die in der Schlussrechnung enthaltenen Mehrkosten zu den Positionen 73, 75 und 76 von den Beklagten zu vertreten seien. Die behaupteten Mängel lägen nicht vor.

In der Verhandlung vom 11. Mai 2016 brachte die Klägerin vor, sie habe die Erstbeklagte am 11. März 2015 darauf hingewiesen, dass sie im Fall des Nichtzustandekommens des erörterten Vergleichs eine Sicherstellung gemäß § 1170b ABGB begehre. Ihr Vergleichsvorschlag sei nicht angenommen worden; eine Sicherheitsleistung sei nicht erlegt worden. Aus diesem Grund sei sie zu keinen weiteren Leistungen verpflichtet. Dadurch sei die Fälligkeit des Werklohns eingetreten.

Die Beklagten entgegneten, dass die Arbeiten der Klägerin mangelhaft geblieben und die Mängelbehebungsarbeiten nicht vollständig ausgeführt worden seien. Die Mängelbehebungskosten beliefen sich auf zumindest 40.622,42 EUR. Da die Leistungen der Klägerin nicht zeitgerecht bis Juli 2012 erbracht worden seien, habe sie die vereinbarte Pönale in Abzug gebracht. Die Regieleistungen zu den Rechnungspositionen 73, 75 und 76 seien von der Klägerin vertragswidrig verrechnet worden. Das Gewerk der Klägerin sei noch nicht übernommen worden, weshalb der Werklohn nicht fällig sei. Der Sanierungsaufwand zur Behebung der Mängel werde in Klagshöhe auch als Gegenforderung eingewendet. Die weitere Gegenforderung resultiere aus den Kosten für die Fehlersuche nach dem Wassereintritt bei den Dachflächenfenstern.

Das Erstgericht stellte die Klagsforderung mit (richtig) 43.502,26 EUR als zu Recht bestehend, die Gegenforderungen hingegen als nicht zu Recht bestehend fest und erkannte die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig, der Klägerin den genannten Betrag zu zahlen; das Mehrbegehren wies es ab. Die Klägerin habe nach § 1170b ABGB berechtigt die Vertragsaufhebung erklärt. Mit der vorzeitigen Auflösung des Vertrags entfalle die Herstellungspflicht des Unternehmers. Ihm stehe der Werklohn für die erbrachten Leistungen zu; die erforderlichen Sanierungskosten seien abzuziehen. Die von der Klägerin zusätzlich geltend gemachten Klagspositionen (Mahnspesen, Aufwand für einen nicht von ihr zu vertretenden Wasserschaden bei den Dachflächenfenstern, Inkassokosten) stünden ihr nicht zu. Die erste Gegenforderung bestehe schon deshalb nicht zu Recht, weil der berechtigte Sanierungsaufwand (als ersparter Aufwand) von der Werklohnforderung abzuziehen sei. Auch die zweite Gegenforderung sei nicht berechtigt.

Der klagsabweisende Teil des Ersturteils ist unbekämpft in Rechtskraft erwachsen. Im Berufungsverfahren war daher nur mehr ein Teil der auf die Schlussrechnung gestützten Klagsforderung von 43.502,26 EUR (Restbetrag aus der Schlussrechnung als Vergütungsanspruch gemäß § 1170b ABGB von 83.639,26 EUR minus Mängelbehebungskosten von 40.137 EUR) Streitgegenstand. Davon hat das Berufungsgericht der Klägerin 31.206,72 EUR sA (ohne Berücksichtigung der als nicht zu Recht bestehend erkannten Gegenforderungen) zugesprochen; hinsichtlich des Teilbetrags von 12.295,54 EUR (Einbehalt für allgemeine Bauschäden von 2.317,16 EUR, Skontodifferenz von 8.349,98 EUR [13.198,32 EUR minus 4.848,34 EUR], Position 75 der Schlussrechnung von 826 EUR exkl USt und Position 76 der Schlussrechnung von 531 EUR exkl USt) hat das Berufungsgericht die stattgebende Entscheidung des Erstgerichts aufgehoben. Die Klägerin habe mit ihrem Vorbringen in der Tagsatzung vom 11. Mai 2016 mit hinreichender Deutlichkeit dargelegt, dass ihr Vergleichsvorschlag zum damaligen Zeitpunkt bereits abgelehnt gewesen und eine Sicherheitsleistung nicht erlegt worden sei, weshalb sie nicht zu weiteren Leistungen verpflichtet und Fälligkeit eingetreten sei. Die Behauptung der Fälligkeit impliziere, dass die Klägerin auch die Vertragsaufhebung erklärt habe. Diese sei nach § 1170b ABGB berechtigt gewesen. Ausgehend vom 11. Mai 2016 sei – bei Annahme einer angemessenen 14‑tägigen Nachfrist – Fälligkeit am 25. Mai 2016 (und nicht schon am 11. Mai 2016) eingetreten; danach bestimme sich der Zinsenlauf für den Entgeltanspruch der Klägerin. Zur Position 73 der Schlussrechnung sei unbekämpft festgestellt worden, dass die Kostenübernahme durch die Erstbeklagte vereinbart worden sei. Zum Thema „Rechnungskorrektur“ ergebe sich, dass ein Ausschluss nachträglicher Forderungen (im Sinn eines Verzichts) nach Pkt 5.4 und Pkt 5.5 der AVB der Beklagten an die vorbehaltlose Annahme der Schlusszahlung aufgrund einer Schluss- oder Teilschlussrechnung anknüpfe; Derartiges hätten die Beklagten nicht behauptet. Der von der Erstbeklagten beanspruchten Pönale stehe die Negativfeststellung zum Vorliegen einer Vereinbarung über eine Konventionalstrafe entgegen. Auch bei ihrer Argumentation zu den Kosten der Fehlersuche (Gegenforderung) gingen die Beklagten nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Die ordentliche Revision ließ das Berufungsgericht mangels höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Frage zu, ob die Nachfrist nach § 1170b ABGB auch bloß faktisch gewährt werden könne.

Gegen den klagsstattgebenden Teil des Teilurteils des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Beklagten, die auf die Abweisung des Klagebegehrens abzielt.

Mit ihrer Revisionsbeantwortung beantragt die Klägerin, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu, diesem den Erfolg zu versagen.

Die Revision ist zulässig, weil zur Frage der Fristsetzung bzw Nachfristsetzung nach § 1070b ABGB weitere Klarstellungen durch den Obersten Gerichtshof geboten sind. Die Revision ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

I. Zur Vertragsaufhebung nach § 1170b ABGB:

1.1 Für Bauaufträge normiert § 1170b ABGB eine Sicherstellungsobliegenheit des Werkbestellers. Nach Abs 1 leg cit kann der Werkunternehmer eines Bauauftrags vom Besteller ab Vertragsabschluss für das noch ausstehende Entgelt eine Sicherstellung (grundsätzlich) bis zur Höhe von 20 % des vereinbarten Entgelts verlangen. Kommt der Werkbesteller dem Sicherstellungsverlangen des Werkunternehmers nicht, nicht rechtzeitig oder unzureichend nach, so kann der Unternehmer nach Abs 2 leg cit die Erbringung seiner Leistung verweigern und – unter Setzung einer angemessenen Nachfrist – die Vertragsaufhebung im Sinn des § 1168 Abs 2 ABGB erklären.

Das Aufhebungsrecht des Werkunternehmers ist damit grundsätzlich an eine doppelte Fristsetzung gebunden. Zunächst muss der Unternehmer vom Besteller die Sicherheitsleistung verlangen und ihm dafür eine angemessene Frist setzen (zum Erfordernis der Fristsetzung kritisch Schauer, Handelsrechtsreform: Die Neuerungen im Vierten und Fünften Buch, ÖJZ 2006, 64 [79]; Maier‑Hülle, § 1170b ABGB – Sinn und Zweck einer zwingenden Sicherstellung für Werkunternehmer von Bauverträgen, immolex 2007, 230 [232]; Rebhahn/Kietaibl in Schwimann/Kodek 4 § 1170b ABGB Rz 8; Wiesinger, Sicherstellung bei Bauverträgen – § 1170b ABGB, bbl 2007, 1 [5]).

Der Werkunternehmer kann die Angemessenheit der Frist allerdings nicht einseitig bestimmen. Diese ist vielmehr nach objektiven Gesichtspunkten zu ermitteln und umfasst jenen Zeitraum, den der Werkbesteller ohne schuldhaftes Zögern zur Beschaffung der geforderten Sicherheiten benötigt (Hörker/Kletečka in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.03 § 1170b Rz 32). Setzt der Unternehmer eine zu kurze Frist, so ist ein objektiv angemessener Zeitraum maßgebend (M. Bydlinski in KBB 5 § 1170b Rz 6; Rebhan/Kietaibl in Schwimann/Kodek 4 § 1170b ABGB Rz 8). Kommt der Besteller dem Verlangen auf Sicherstellung nicht fristgerecht nach, so kommt dem Unternehmer (zunächst) ein Leistungsverweigerungsrecht zu.

1.2 Das Verlangen des Werkunternehmers auf Leistung der Sicherheit ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung, die an keine besondere Form gebunden ist. Das Verlangen kann nach allgemeinen rechtsgeschäftlichen Grundsätzen daher auch konkludent erfolgen (vgl RIS‑Justiz RS0109021; RS0014146; vgl auch RS0014396 zu § 918 ABGB). Für den Besteller muss sich aber klar ergeben, dass der Werkunternehmer eine Sicherstellung begehrt (Hörker/Kletečka in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.03 § 1170b Rz 32; Wiesinger, Sicherstellung bei Bauverträgen – § 1170b ABGB, bbl 2007, 1 [4]).

1.3 Zur Aufhebung des Vertrags kommt es – bei entsprechender Erklärung des Unternehmers – grundsätzlich erst nach Ablauf der zu setzenden Nachfrist (Schopper, Sicherstellung bei Bauverträgen – Der neue § 1170b ABGB, JAP 2006, 2007, 53 [57]). Auch bei der Aufhebungserklärung handelt es sich um eine formfreie einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, für die die allgemeinen rechtsgeschäftlichen Grundsätze gelten.

In der Entscheidung 7 Ob 67/17d wurde zur Nachfristsetzung bereits ausdrücklich festgehalten, dass der– unter Setzung einer Nachfrist (zur Nachholung) erklärte – Rücktritt (so wie nach § 918 ABGB) erst nach einer (objektiv) angemessenen Nachfrist wirksam wird (RIS‑Justiz RS0018395). Von der Nachfristsetzung kann aber dann abgesehen werden, wenn der Besteller die Sicherheitsleistung ernsthaft und endgültig verweigert. In diesem Fall steht dem Unternehmer zur Vermeidung allfälliger Mehrkosten (zB Stehzeiten) das Leistungsverweigerungsrecht sowie das Recht zur Vertragsaufhebung sofort zu.

1.4 Diese aus § 918 ABGB abgeleiteten Grundsätze gelten aufgrund der Vergleichbarkeit der Regelungen für beide „Fristsetzungen“ nach § 1170b ABGB. Auch in diesem Fall geht es um die Voraussetzungen für den Eintritt von Verzugsfolgen.

Daraus folgt nicht nur, dass es im Fall der (Nach-)Fristsetzung auf die im konkreten Fall objektiv angemessene Frist (für die Leistung oder für deren Nachholung) ankommt und bei Leistungsverweigerung die (Nach-)Fristsetzung entbehrlich ist, sondern zudem, dass es auch ausreicht, wenn eine objektiv angemessene (Nach-)Frist faktisch gewährt wird (RIS‑Justiz RS0018340), sofern für den Schuldner (Besteller) der Verzug mit ausreichender Sicherheit erkennbar ist (vgl RIS‑Justiz RS0018356; 2 Ob 94/16m).

1.5 Hinsichtlich der Rechtsfolgen der Vertragsaufhebung verweist § 1170b Abs 2 ABGB auf § 1168 Abs 2 leg cit. Mit diesem Verweis soll klargestellt werden, dass der Entgeltanspruch (Vergütungsanspruch) des Unternehmers wie in den Fällen des § 1168 Abs 2 ABGB zu behandeln ist. Daher entfällt mit der vorzeitigen Auflösung des Vertrags die Verpflichtung des Unternehmers zur Herstellung (Vollendung, auch Verbesserung) des Werks; sein Entgeltanspruch ist nach § 1168 ABGB beschränkt; der Besteller muss daher den auf die erbrachte (Teil-)Leistung entfallenden Aufwand bezahlen, auch wenn die Teilleistung für ihn wertlos ist. Weist die erbrachte (Teil-)Leistung Mängel auf, so muss sich der Unternehmer den durch die unterbliebene Verbesserung ersparten Aufwand anrechnen lassen (1 Ob 107/16s; 7 Ob 67/17d).

2.1 Wie das Erstgericht in seinem Urteil ausdrücklich festgehalten (und worauf es im Rahmen seiner Feststellungen zusätzlich verwiesen) hat, brachte die Klägerin in der Verhandlung vom 11. Mai 2016 vor, dass die Parteien am 11. März 2015 einen Vergleich erörtert hätten und die Klägerin darauf hingewiesen habe, dass sie im Fall eines Nichtabschlusses des Vergleichs eine Sicherheitsleistung gemäß § 1170b ABGB begehrt; der Vergleichsvorschlag sei nicht angenommen worden; eine Sicherheitsleistung sei nicht erlegt worden; aus diesem Grund sei sie nicht zur weiteren Leistung verpflichtet und Werklohnfälligkeit sei eingetreten. Zu diesem Vorbringen der Klägerin entgegneten die Beklagten, dass sie bereits vier Fünftel des vereinbarten Werklohns gezahlt hätten und die Klägerin keinen Anspruch auf eine weitere Sicherheitsleistung habe.

Nach diesem – von der Klägerin auch nicht substantiiert bestrittenen – Vorbringen war den Beklagten ab 11. März 2015 klar, dass die Klägerin eine Sicherheitsleistung gemäß § 1170b ABGB verlangt, wenn ihr Vergleichsvorschlag nicht angenommen wird. Am 11. Mai 2016 wurde den Beklagten vor Augen geführt, dass die Klägerin – mangels Zustandekommens des Vergleichs – die Rechtsfolgen der Vertragsaufhebung nach § 1170b ABGB beansprucht, weil– ausgehend von der von den Beklagten erhobenen Einrede des nicht gehörig erfüllten Vertrags – nur in diesem Fall von der Fälligkeit der Werklohnforderung ausgegangen werden konnte (vgl RIS‑Justiz RS0131056).

2.2 Wie bereits ausgeführt, gelten für das Verlangen der Sicherheitsleistung sowie für die Aufhebungserklärung als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärungen die allgemeinen rechtsgeschäftlichen Grundsätze. Dazu ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass auch Prozesserklärungen materiell‑rechtliche Willenserklärungen sein können. So ersetzt etwa die Erhebung der Klage die Rücktrittserklärung nach § 918 ABGB (RIS‑Justiz RS0018258). Dementsprechend kann auch die Erklärung der Vertragsaufhebung nach § 1170b Abs 2 ABGB durch prozessuale Erklärung erfolgen. Weiters ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass einseitige empfangsbedürftige Willenserklärungen grundsätzlich bedingungsfeindlich sind. Dies gilt allerdings dann nicht, wenn im konkreten Fall keine Ungewissheit des Gegners herbeigeführt werden kann, insbesondere also dann, wenn es sich um eine allein auf den Willen des Erklärungsempfängers abstellende Potestativbedingung handelt (RIS‑Justiz RS0028418; 8 Ob 94/12z).

Die Annahme des Vergleichsvorschlags war allein von der Willensentscheidung der Beklagten abhängig. Damit kann im Anlassfall jedenfalls von einem Verlangen einer Sicherheitsleistung ausgegangen werden, wobei die von der Klägerin dazu aufgestellte Bedingung (Nichtzustandekommen eines Vergleichs) spätestens am 11. Mai 2016 eingetreten ist. Den Beklagten wäre ab diesem Zeitpunkt eine objektiv angemessene Frist zur Erbringung der Sicherheitsleistung zugestanden. Ihre Reaktion hat allerdings darin bestanden, dass sie eine Sicherheitsleistung endgültig abgelehnt haben. Damit ist von einer Leistungsverweigerung der Beklagten auszugehen, was die Klägerin zur sofortigen Vertragsaufhebung berechtigte.

2.3 In der in Rede stehenden Prozesserklärung der Klägerin in der Verhandlung vom 11. Mai 2016 war auch die Erklärung der Vertragsaufhebung enthalten, zumal für die Beklagten kein Zweifel bestehen konnte, dass die Klägerin davon ausging, dass mangels Erbringung der Sicherheitsleistung kein Erfüllungsanspruch (und kein Verbesserungsanspruch) der Beklagten mehr besteht.

2.4 Die Erstbeklagte konnte auch keinen Zweifel über die Höhe der verlangten Sicherstellung haben. Nach § 1170b ABGB richtet sich deren Höhe grundsätzlich nach dem noch ganz oder teilweise ausstehenden (vereinbarten) Gesamtentgelt (bis maximal 20 % bzw bei kurzfristigen Verträgen 40 % davon; 7 Ob 67/17d).

Die Klägerin hat den ausstehenden Restbetrag aus dem Bauauftrag in der Klage mit 83.639,26 EUR beziffert. Selbst wenn dieser Betrag überhöht wäre, hätte dies nicht die Unbeachtlichkeit des Begehrens, sondern dessen Reduktion auf den noch zulässigen Inhalt zur Folge (Hörker/Kletečka in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.03 § 1170b Rz 32 mwN).

3. Entgegen der Ansicht der Beklagten schließen Vergleichsverhandlungen und Sanierungsvorschläge ein Vorgehen nach § 1170b ABGB nicht aus, wenn ab einem bestimmten Zeitpunkt (hier am 11. Mai 2016) feststeht, dass derartige Bemühungen gescheitert sind (vgl RIS‑Justiz RS0032582; RS0032522 [T4]).

Die Inanspruchnahme eines gesetzlichen Rechtsbehelfs zur Vermeidung von Insolvenzrisiken (vgl 6 Ob 65/18d) und Zahlungsverzug ist auch nicht als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren. Der Hinweis der Beklagten auf die Sittenwidrigkeit des Zurückbehaltungsrechts, wenn die Mängel unter 5 % der Gesamtauftragssumme ausmachen, ist hier nicht einschlägig.

4. Die zugrunde liegende Beurteilung beruht auf einer Auslegung der Parteierklärungen im Rahmen des Prozesses. Auf die von den Beklagten ins Treffen geführte Unklarheitenregel nach § 915 ABGB muss nicht zurückgegriffen werden. Die dazu geltend gemachten sekundären Feststellungsmängel liegen nicht vor.

Die vom Berufungsgericht verneinten Verfahrensmängel können in dritter Instanz nicht mehr geltend gemacht werden (RIS‑Justiz RS0106371; RS0042963). Auch die dazu behaupteten Mängel des Berufungsverfahrens liegen nicht vor.

II. Zu den weiteren Einwänden der Beklagten:

1. Mit den weiteren Ausführungen in der Revision wiederholen die Beklagten ihre Argumente in der Berufung, ohne auf die Beurteilung des Berufungsgerichts näher einzugehen.

Zu Position 73 der Schlussrechnung ignorieren die Beklagten die Feststellungen des Erstgerichts. Zu den Positionen 75 und 76 wurde die Entscheidung des Erstgerichts aufgehoben.

Zur „Korrektur der Schlussrechnung“ lässt die Revision die Beurteilung des Berufungsgerichts außer Acht, dass nach Pkt 5.4 und Pkt 5.5 der AVB der Beklagten ein Ausschluss nachträglicher Forderungen (im Sinn eines Verzichts) nur bei der vorbehaltlosen Annahme einer Schlusszahlung in Frage kommt (vgl 4 Ob 241/14s; 4 Ob 194/15f) und die Beklagten Derartiges nicht einmal behauptet hätten.

Den Zinsenlauf hat das Berufungsgericht nicht mit 11. Mai 2016, sondern mit 25. Mai 2016 angenommen. Dazu werden die Beklagten darauf hingewiesen, dass mit der vorzeitigen Beendigung des Vertragsverhältnisses die Erfüllungsansprüche (auch der Verbesserungsanspruch) des Bestellers auf Übergabe eines vollendeten und mängelfreien Werkes und damit auch das Zurückbehaltungsrecht entfallen und mit der Vertragsaufhebung Fälligkeit eintritt (vgl 1 Ob 107/16s).

Die von den Beklagten begehrte Pönale scheitert an der zutreffenden Beurteilung des Berufungsgerichts, dass eine Pönalevereinbarung (aufgrund der Unklarheiten und Widersprüchlichkeiten der Urkunden Beilagen ./2 und ./3) nicht zustande gekommen und eine sonstige (mündliche) Vereinbarung nicht feststellbar ist.

Die von den Beklagten (als Gegenforderung) geltend gemachten Kosten für die Fehlersuche bei den Dachflächenfenstern scheitern an der Feststellung, dass diese Mängel nicht die Arbeiten der Klägerin betroffen haben. Entgegen der Ansicht der Beklagten stellt sich hier die Frage der Beweislast nach Maßgabe der AVB nicht.

III. Ergebnis:

Zusammenfassend erweisen sich die Ausführungen der Beklagten in der Revision als nicht stichhaltig. Das Teilurteil des Berufungsgerichts steht mit den dargelegten Grundsätzen im Einklang. Der Revision war daher der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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