OGH 5Ob186/18s

OGH5Ob186/18s6.11.2018

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragsteller 1. Arch DI D*, 2. DI Dr. G*, 3. M*, 4. Dr. E*, 5. B*, alle vertreten durch Hasberger Seitz & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die Antragsgegner 1. Dr. M*, 2. Mag. E*, 3. V*, alle vertreten durch Dr. Werner Loos, Rechtsanwalt in Wien, 4. Dr. O*, vertreten durch Dr. Rainer Schischka, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 52 Abs 1 Z 2 iVm § 16 Abs 2 WEG über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 4. Juli 2018, GZ 39 R 13/18b‑25, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E123450

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 52 Abs 2 WEG iVm § 37 Abs 3 Z 16 MRG und § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

 

Begründung:

Den Parteien sind Mit‑ und Wohnungseigentümer einer Liegenschaft in *, die mit einer „Cottage‑Servitut“ belastet ist. Die Antragsteller streben die Ersetzung der Zustimmung der Antragsgegner zur Errichtung eines Aufzugs für die auf der Liegenschaft im Jahr 1937 errichteten Villa an, die – nach Dachgeschossausbau – einschließlich des Erdgeschosses nun über vier Stockwerke verfügt. Die Aufzugsanlage ist als Liftturm an der straßenseitigen Hausfassade in Form einer schmuck‑ und fensterlosen Betonkonstruktion geplant, dadurch wird der dort befindliche 4 m breite Vorgarten zwischen Hausmauer und Grundgrenze auf 119 cm verschmälert.

Das Erstgericht wies den Antrag ab.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsteller nicht Folge, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 10.000 EUR übersteige und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsteller zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.

1. Die Zulässigkeit einer Änderung eines Wohnungseigentumsobjekts im Sinn des § 16 Abs 2 Z 1 und 2 WEG lässt sich nicht grundsätzlich bejahen oder verneinen. Es kommt dabei vielmehr auf die Umstände des Einzelfalls an, die in ihrer Gesamtheit zu beurteilen sind (RIS‑Justiz RS0083309; vgl auch RS0109643). Dabei ist den Vorinstanzen ein gewisser Ermessensspielraum eingeräumt (5 Ob 39/15v; 5 Ob 212/15k). Nur bei einer groben, die Rechtssicherheit in Frage stellenden Fehlbeurteilung hätte der Oberste Gerichtshof korrigierend einzugreifen. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor:

2. Gemäß § 16 Abs 2 Z 1 WEG darf jegliche Änderung weder eine Schädigung des Hauses noch eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der anderen Wohnungseigentümer, besonders auch keine Beeinträchtigung der äußeren Erscheinung des Hauses und keine Gefahr für die Sicherheit von Personen des Hauses oder von anderen Sachen zur Folge haben. Zusätzlich verlangt § 16 Abs 2 Z 2 WEG für den Fall, dass für eine Änderung – wie hier – auch allgemeine Teile der Liegenschaft in Anspruch genommen werden, sie entweder der Übung des Verkehrs entspricht oder einem wichtigen Interesse des Wohnungseigentümers dienen muss. Eine Abwägung der Interessen des die Änderung beabsichtigenden Wohnungseigentümers gegen die Interessen der übrigen Wohnungseigentümer an der Unterlassung der Änderung ist aber nicht vorzunehmen (RIS‑Justiz RS0083188). Der Umstand, dass die Antragsteller wegen der Inanspruchnahme allgemeiner Teile ein eigenes wichtiges Interesse an der geplanten Änderung darzulegen haben, bedeutet daher nicht, dass gegenläufige Interessen der Antragsgegner zumindest gleiches Gewicht haben müssten. Schon die Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen anderer Miteigentümer allein steht vielmehr nach § 16 Abs 2 Z 1 WEG der geplanten Änderung entgegen (RIS‑Justiz RS0083240). Der von den Revisionsrekurswerbern vermissten Interessensabwägung bedurfte es daher nicht.

3.1. Die in § 16 Abs 2 Z 1 WEG ausdrücklich genannte Beeinträchtigung des äußeren Erscheinungsbildes des Hauses ist ein spezifischer Fall der Interessensbeeinträchtigung (5 Ob 9/17k = EvBl 2017/127). Grundsätzlich steht einer Änderung nicht jede Beeinträchtigung von Interessen der Miteigentümer entgegen, sondern nur eine wesentliche Beeinträchtigung, die die Interessen der anderen Wohnungseigentümer am Unterbleiben der Änderung so schutzwürdig erscheinen lässt, dass ein Anspruch des Wohnungseigentümers auf Änderung zurückzustehen hat (RIS‑Justiz RS0083236). Als Beeinträchtigung des äußeren Erscheinungsbildes des Hauses ist nicht jede (wertneutrale) Veränderung zu verstehen, sondern nur eine solche, die eine Verschlechterung des Erscheinungsbildes bewirkt (RIS‑Justiz RS0043718). Die Judikatur berücksichtigt dabei etwa, ob die bisherige Gestaltung des Gebäudes einem bestimmten architektonischen Konzept folgt oder es sich um ein äußerlich einfallsloses Bauwerk handelt, und stellt für die Beurteilung der Beeinträchtigung des äußeren Erscheinungsbildes primär auf die straßenseitige Ansicht der Liegenschaft ab (5 Ob 9/17k = EvBl 2017/127; Vonkilch in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht4 § 16 WEG Rz 30 mwN). Auch die Einheitlichkeit des äußeren Erscheinungsbildes per se kann einen schutzwürdigen Wert darstellen (Loggiaverbauung: LGZ Wien MietSlg 40.641; Vergrößerung von Windfängen auf einer Dachterrasse: 5 Ob 36/90 MietSlg 42.435; Errichtung eines Balkonturms an der straßenabgewandten Hausfront 5 Ob 9/17k). Bei der Beurteilung der Beeinträchtigung der äußeren Erscheinung des Hauses kommt dem Rechtsanwender wegen des dabei gebrauchten unbestimmten Gesetzesbegriffs ein gewisser Ermessensspielraum zu (5 Ob 208/11s = immolex 2012/79 [Maier‑Hülle]). Abgesehen davon, dass es sich dabei ohnedies um eine Rechtsfrage handelt, haben die Antragsteller die Unterlassung der Einholung eines architektonischen Sachverständigengutachtens in ihrem Rekurs nicht gerügt; dies können sie im Revisionsrekurs nicht nachholen (RIS‑Justiz RS0043111).

3.2. Die Auffassung des Rekursgerichts, der Vergleich des im Baujahr 1937 eingereichten Plans der Straßenfassade mit demjenigen nach Errichtung des geplanten Liftturms lasse eine wesentlichen Beeinträchtigung des äußeren Erscheinungsbildes des Hauses erkennen, ist jedenfalls vertretbar. Die Fassadengliederung – die unter Einbeziehung der das Stiegenhaus belichtenden Fenster bewusst regelmäßig erfolgte – würde durch den aus der Fassade deutlich herausragenden Betonteil gebrochen. Die straßenseitige Hausfront würde sich dann deutlich von der des zur gleichen Zeit errichteten Nachbarhauses unterscheiden. Außerdem gibt die ob der Liegenschaft einverleibte Cottage‑Servitut eine bestimmte architektonische Gestaltung der Häuser in diesem Viertel ausdrücklich vor, zumal sie die Verbauung in villenartigem Stil nicht höher als zwei Stock hoch anordnet und zwar derart, dass ein mindestens 4 m breiter Vorgarten unverbaut liegen bleibt. Dass die Errichtung des Liftturms in der geplanten Form gegen diese Cottage‑Servitut verstößt – wie die Vorinstanzen übereinstimmend rechtlich begründet haben – wird im Revisionsrekurs ebensowenig in Zweifel gezogen wie die Gefahr, dass Eigentümer von Nachbarliegenschaften oder der Cottage‑Verein selbst rechtliche Schritte gegen Wohnungseigentümer einleiten könnten, was ebenso als Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen im Sinn des § 16 Abs 2 Z 1 WEG zu werten wäre. Auf die vom Rekursgericht zutreffend hervorgehobene Entscheidung 5 Ob 9/17k (= EvBl 2017/127) gehen die Revisionsrekurswerber nicht ein; dort wurde die Errichtung eines nur in einem von vier, einem einheitlichen architektonischen Konzept folgenden Häusern geplanten, asymmetrisch zu errichtenden Balkonturm, der einen auffallenden Fremdkörper vor dem Haus gebildet hätte, die Genehmigung ungeachtet dessen versagt, dass es sich nicht einmal um die Straßenfront handelte. Warum die Grundsätze dieser Entscheidung auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt nicht anwendbar wären, versuchen die Revisionsrekurswerber nicht einmal darzulegen.

5. Der außerordentliche Revisionsrekurs war somit mangels erheblicher Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte