OGH 1Ob166/18w

OGH1Ob166/18w26.9.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C*****, vertreten durch Dr. Christoph Reitmann, Rechtsanwalt in Klagenfurt am Wörthersee, gegen die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, Wien 20, Adalbert-Stifter-Straße 65, vertreten durch Dr. Peter Schaden und Mag. Werner Thurner, Rechtsanwälte in Graz, wegen 25.000 EUR sA sowie wegen Zahlung einer Rente (Streitwert 3.888 EUR) und Feststellung (Streitwert 5.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 27. Juli 2018, GZ 2 R 102/18i‑40, mit dem das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 9. Mai 2018, GZ 21 Cg 48/16t‑35, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0010OB00166.18W.0926.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die Entscheidung des Berufungsgerichts über eine Beweisrüge ist mängelfrei, wenn es sich mit dieser befasst, die Beweiswürdigung des Erstgerichts überprüft, nachvollziehbare Überlegungen über die Beweiswürdigung anstellt und in seinem Urteil festhält (RIS‑Justiz RS0043150). Eine bloß mangelhafte und unzureichende Beweiswürdigung kann im Revisionsverfahren nicht angefochten werden. Nur wenn sich das Berufungsgericht mit der Beweisfrage überhaupt nicht ernstlich befasst, ist sein Verfahren mangelhaft (RIS‑Justiz RS0043371).

Das Berufungsgericht setzte sich mit der erstinstanzlichen Beweiswürdigung zur Feststellung, die Klägerin hätte den Eingriff auch bei einer Aufklärung über das damit einhergehende Infektionsrisiko und einer damit verbundenen „Handphlegmone“ durchführen lassen, auseinander. Dass es zunächst auf die als zutreffend angesehene erstinstanzliche Beweiswürdigung verwies, liegt im Rahmen der Begründungserleichterung des § 500a ZPO (vgl RIS‑Justiz RS0122301). Dass den Anforderungen dieser Bestimmung nicht entsprochen worden wäre, zeigt die Klägerin nicht auf. Das Berufungsgericht ging auch auf deren Argumente in der Beweisrüge ein, wobei es die Aussage der Klägerin in einen Bezug zur allgemeinen Lebenserfahrung setzte. Eine bloße Scheinbegründung kann darin nicht erblickt werden. Die behauptete Unrichtigkeit unterinstanzlicher Erwägungen zur Beweiswürdigung kann in der Revision nicht mehr geltend gemacht werden (vgl RIS‑Justiz RS0043371). Worauf die in der Verfahrensrüge behauptete fehlende Auseinandersetzung des Berufungsgerichts mit der Frage eines „Entscheidungskonflikts“ der Klägerin abzielt, ist ebenso unklar, wie die dortigen Ausführungen zum Umfang und Zweck der – nach Einschätzung des Berufungsgerichts ohnehin nicht erfolgten – Risikoaufklärung. Dass die Revisionswerberin nicht darlegt, inwiefern sich der behauptete Verfahrensmangel auf das Ergebnis des Verfahrens ausgewirkt habe (vgl RIS‑Justiz RS0043049; RS0116273), sei der Vollständigkeit halber erwähnt.

2. Auch in ihrer – teilweise nur schwer verständlichen – Rechtsrüge, die kein einziges Zitat aus Rechtsprechung oder Literatur enthält, zeigt die Klägerin keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf. Sie wendet sich auch mit diesem Rechtsmittelgrund gegen die bereits in ihrer Verfahrensrüge bekämpfte Feststellung, sie hätte den medizinischen Eingriff auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung über das damit einhergehende Risiko einer Infektion sowie – als deren Folge – einer sogenannten „Handphlegmone“ durchführen lassen. Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin ist diese Feststellung keinesfalls überschießend, sie fällt vielmehr in den Rahmen der Einwendung der Beklagten (vgl RIS‑Justiz RS0037972 [T1, T9, T13, T15]), wonach sich die Klägerin bei jeder noch so umfangreichen Aufklärung für die gewählte Behandlung entschieden hätte. Einer weiteren Präzisierung des Einwands zur hypothetischen Einwilligung der Klägerin dahin, bei welcher konkreten Aufklärung sie sich dennoch für den Eingriff entschieden hätte, bedurfte es nicht, weil sich dieser Einwand unzweifelhaft auf die von der Klägerin behauptete Aufklärungspflichtverletzung bezog.

Die Ausführungen der Klägerin zum „echten Entscheidungskonflikt“ bzw zum möglichen Ausbedingen einer Überlegungsfrist sind nur schwer nachvollziehbar. Möglicherweise möchte die Klägerin damit auf die in der deutschen Rechtsprechung (vgl etwa BGH VI ZR 108/06; VI ZR 243/14) vertretene Ansicht abstellen, wonach der Patient plausibel machen muss, dass er bei ordnungsgemäßer Aufklärung vor einem „echten Entscheidungskonflikt“ gestanden wäre. Was die Klägerin aus einer solchen – nur im Falle eines non liquet relevanten – Darlegungspflicht ableiten möchte, ist jedoch unklar, zumal dem Arzt oder dem Krankenhausträger selbstverständlich auch bei einer angenommenen Plausibilisierungspflicht des Patienten der– von der Beklagten im vorliegenden Fall erbrachte – Nachweis offen steht, dass der Patient dem Eingriff dennoch zugestimmt hätte (vgl 4 Ob 65/09a zum dort angewandten deutschen Recht). Der Oberste Gerichtshof lehnt eine Plausibilisierungspflicht des Patienten ausdrücklich ab (vgl 3 Ob 123/99f; 4 Ob 155/08k; 4 Ob 65/09a; offenlassend 4 Ob 132/06z; 1 Ob 80/08h), vielmehr trifft nach ständiger Rechtsprechung die Behauptungs‑ und Beweislast dafür, dass der Patient auch bei ausreichender Aufklärung die Zustimmung zur ärztlichen Maßnahme erteilt hätte, stets den Arzt bzw Krankenhausträger (RIS‑Justiz RS0108185). Soweit die Revisionswerberin negiert, dass der Beklagten dieser Nachweis gelungen ist, ist die Rechtsrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt. Auch die im Zusammenhang mit dem behaupteten „echten Entscheidungskonflikt“ monierten sekundären Feststellungsmängel liegen daher nicht vor. Weshalb aus der Feststellung zur hypothetischen Einwilligung der Klägerin für die Beklagte nichts zu gewinnen sei, ist nicht nachvollziehbar, ergibt sich doch gerade daraus deren fehlende Haftung.

3. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 

510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

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