European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0090OB00033.18W.0628.000
Spruch:
I. Die Bezeichnung der zwölftbeklagten Partei wird von „P***** GmbH“ auf R***** GmbH,
berichtigt.
II. Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
III. Die Revisionsrekursbeantwortung wird zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
ad I.:
Die Zwölftbeklagte hat wie aus dem Firmenbuch zu FN ***** ersichtlich ihre
Firma geändert. Ihre Parteibezeichnung war daher gemäß § 235 Abs 5 ZPO vom Obersten Gerichtshof als Rechtsmittelgericht von Amts wegen zu berichtigen (RIS‑Justiz RS0039666 [T10]).
ad II.:
Die Beklagten sind Miteigentümer einer Liegenschaft, wobei jedem Miteigentümer (bzw jedem Ehepaar) schon seit vielen Jahren jeweils ein Areal der Liegenschaft zur alleinigen Benützung überlassen ist. Die Beklagten beabsichtigen eine dieser Benützungsvereinbarung entsprechende Realteilung der Liegenschaft. Die Erstbeklagte erbte die Miteigentumsanteile im Jahr 2008 von ihrem Ehemann. An das der Erstbeklagten zugewiesene Areal grenzt eine nach dem Grundbuch im Eigentum des Klägers stehende Liegenschaft an.
Im Verfahren des Erstgerichts zu 13 Cg 45/16g obsiegten die Beklagten (dort: Kläger) rechtskräftig mit ihrem Begehren, der Kläger (dort: Beklagter) sei schuldig, in die Einverleibung des Eigentumsrechts zugunsten der Erstbeklagten an einer näher beschriebenen Grundfläche seiner Liegenschaft einzuwilligen. Der Stattgebung der Ersitzungsklage lagen Feststellungen zugrunde, die inhaltlich im Wesentlichen besagten, dass der Ehemann der Erstbeklagten, der 1974 (gemeinsam mit seiner ersten Ehegattin) Miteigentumsanteile an der heute im Miteigentum der Beklagten stehenden Liegenschaft erworben hatte, stets der Meinung gewesen sei, dass auch die nunmehr strittige Fläche zu „seinem Grundstück“ gehöre, dass niemand ihn jemals darauf hingewiesen habe, dass die nunmehr strittige Fläche einem Dritten (nämlich dem Kläger bzw dessen Rechtsvorgängern) eigentümlich sei, und dass auch objektiv betrachtet keinerlei Umstände vorgelegen hätten, die diesen Schluss nahegelegt hätten. Dieser Sachverhalt wurde von den Gerichten im Vorverfahren rechtlich dahingehend beurteilt, dass alle Voraussetzungen für die Ersitzung, insbesondere auch jene der Redlichkeit der Erstbeklagten bzw ihres Rechtsvorgängers, vorlagen.
Mit Wiederaufnahmsklage vom 8. 11. 2017 begehrt der Kläger die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 530 Abs 1 Z 7 ZPO mit der Behauptung, der Ehemann der Erstbeklagten habe bereits 1997 von dem Mitarbeiter eines Vermessungsbüros erfahren, dass die strittige Grundfläche nicht Teil der Liegenschaft der Beklagten sei, sondern im Eigentum der Rechtsvorgänger des Klägers stehe, sodass im Vorprozess fälschlich von einer Gutgläubigkeit der Erstbeklagten bzw ihres verstorbenen Ehemanns ausgegangen worden sei. Dass der Ehemann bereits 1997 von den wahren Eigentumsverhältnissen erfahren habe, sei dem Kläger erst durch ein Gespräch in dem von den Beklagten hinzugezogenen Vermessungsbüro am 18. 10. 2017 zur Kenntnis gelangt, somit nach Schuss der mündlichen Verhandlung erster Instanz im Vorprozess am 16. 1. 2017. Der Kläger habe das Vermessungsbüro aufgrund von Angaben der Erstbeklagten in ihrer Einvernahme am letzten Verhandlungstag im Vorprozess aufgesucht. Die Erstbeklagte habe nämlich damals, obwohl sich die Beklagten im Vorprozess immer nur auf einen im Jahr 2015 erstellten Teilungsplan bezogen hätten, erstmals Angaben darüber getätigt, dass es bereits früher, angeblich im Jahr 2012, Bestrebungen der Beklagten als Miteigentümer ihrer Liegenschaft gegeben habe, die Miteigentumsgemeinschaft aufzulösen, und auch ausgesagt, dass der Inhaber des Vermessungsbüros bereits 2012 einen Teilungsplan erstellt habe. „Aufgrund bis zum 18. 10. 2017 unverschuldeter Unkenntnis der neuen Tatsachen sowie der sie untermauernden Beweismittel“ habe sich der Kläger im Vorprozess auf diese Tatsachen und Beweise nicht schon vor Schluss der Verhandlung erster Instanz im Vorprozess berufen können.
Das Erstgericht wies die Wiederaufnahmsklage zurück. Es begründete dies zum einen damit, dass im Falle des Wiederaufnahmsgrundes nach § 530 Abs 1 Z 7 ZPO den Wiederaufnahmskläger die Behauptungs- und Beweislast dafür treffe, dass er kein Verschulden daran habe, die nun geltendgemachten Tatsachen oder Beweise nicht schon im Vorprozess vorgebracht zu haben. Wieso es hier dem Kläger nicht möglich gewesen sei, schon früher Erkundigungen über allfällige Teilungspläne und im Zuge von deren Erstellung geführte Gespräche einzuziehen, werde in der Wiederaufnahmsklage nicht ausgeführt. Zum anderen habe es der Kläger verabsäumt, schlüssig die Einhaltung der vierwöchigen Frist des § 534 Abs 1 ZPO darzulegen.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Wiederaufnahmsklägers keine Folge. Fehle es an einem notwendigen Vorbingen, müsse die Wiederaufnahmsklage ohne Erfolg bleiben. Den Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht (nachträglich) aus der Erwägung zu, dass nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs für den Beginn der Frist nach § 534 Abs 2 Z 4 (iVm Abs 1) ZPO die tatsächliche Kenntnis des Wiederaufnahmsklägers maßgeblich sei und dieser hier nach seinem Vorbringen vom Wissen des Ehemanns über das fremde Eigentum an der strittigen Grundfläche bereits im Jahr 1997 erst am 18. 10. 2017 erfahren habe, sodass ausgehend davon und unter Zugrundelegung der genannten Rechtsprechung die Frist sehr wohl eingehalten worden sei.
Der gegen die Rekursentscheidung gerichtete Revisionsrekurs des Klägers ist ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruchs des Rekursgerichts nicht zulässig.
1. Wurde – wie hier – eine Wiederaufnahmsklage bereits vor Eintritt der Streitanhängigkeit zurückgewiesen, ist der angefochtene Beschluss, weil der Ausnahmefall des § 528 Abs 2 Z 2 zweiter Halbsatz ZPO vorliegt, nicht jedenfalls (absolut) unanfechtbar (RIS‑Justiz RS0125126; RIS‑Justiz RS0023346 [T13]). Dies ändert aber nichts daran, dass der Revisionsrekurs gegen den Beschluss des Rekursgerichts nur dann zulässig ist, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Rekursgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist (§ 528 Abs 1 ZPO). Dies ist hier nicht der Fall.
2. Gemäß § 530 Abs 2 ZPO ist die Wiederaufnahme aus dem Grund des Abs 1 Z 7 leg cit nur dann zulässig, wenn die Partei ohne ihr Verschulden außer Stande war, die neuen Tatsachen oder Beweismittel vor Schluss der mündlichen Verhandlung, auf welche die Entscheidung erster Instanz erging, geltend zu machen. Die Behauptungs- und Beweislast für den Mangel des Verschuldens trägt der Wiederaufnahmskläger (RIS‑Justiz RS0044558 [T11]; RS0044633). Dazu sind konkrete Tatsachenbehauptungen aufzustellen. Die alleinige Berufung des Wiederaufnahmsklägers auf mangelndes Verschulden, ohne dies näher darzulegen und ein Tatsachensubstrat zu behaupten, aufgrund dessen die Verschuldensfrage beurteilt werden kann, ist nicht ausreichend (RIS‑Justiz RS0044558 [T16]). Ergibt das Vorbringen des Wiederaufnahmsklägers keinen Anhaltspunkt dafür, dass die geltend gemachten Tatsachen oder Beweise im Vorprozess gar nicht geltend gemacht werden konnten, dann ist das Vorbringen kein tauglicher Wiederaufnahmegrund und die Klage daher im Vorprüfungsverfahren gemäß § 538 ZPO mit Beschluss zurückzuweisen (RIS‑Justiz RS0044558 [T6]). Fehlt es an einem solchen Vorbringen, muss die Wiederaufnahmsklage somit ohne Erfolg bleiben. Eine insoweit nicht gesetzmäßige Ausführung des Wiederaufnahmsgrundes des § 530 Abs 1 Z 7 iVm Abs 2 ZPO ist einer Verbesserung nicht zugänglich (1 Ob 194/06w = RIS‑Justiz RS0044558 [T9]; 3 Ob 275/08z; 3 Ob 121/09d; G. Kodek in Fasching/Konecny , Zivilprozessgesetze 3 §§ 84, 85 ZPO Rz 185/1 mwH).
Hier wurde in der Wiederaufnahmsklage allein dargelegt, was den Kläger veranlasst hat, mit dem Vermessungsbüro nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz im Vorverfahren Kontakt aufzunehmen. Die Wiederaufnahmsklage enthält aber keine konkreten Tatsachenbehauptungen, aus denen hervorgeht, dass es dem Kläger nicht zum Verschulden gereiche, sich nicht bereits während des Prozesses nach allfälligen vormaligen Realteilungsabsichten und in deren Zuge geführte Gespräche erkundigt zu haben. Die Zurückweisung der Wiederaufnahmsklage durch die Vorinstanzen ist aufgrund des genannten, nicht verbesserbaren Mangels nicht zu beanstanden.
3. Folglich kommt der als erheblich iSd § 528 Abs 1 ZPO relevierten Frage, ob sich die Vorinstanzen durch die Bejahung (auch) einer Verletzung der vierwöchigen Frist des § 534 Abs 1 ZPO in Widerspruch zur höchstgerichtlichen Rechtsprechung gesetzt haben, keine Entscheidungsrelevanz zu.
Der Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.
ad III.:
Wurde – wie hier – eine Wiederaufnahmsklage bereits vor Eintritt der Streitanhängigkeit zurückgewiesen, so ist das Rechtsmittelverfahren einseitig (RIS‑Justiz RS0125126 [T1]). Die Revisionsrekursbeantwortung war daher zurückzuweisen.
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