European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0040OB00057.18P.0419.000
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
Beim vorliegenden Verfahren handelt es sich (ab dem zweitinstanzlichen Verfahren) um einen Prüfungsprozess während des Insolvenzverfahrens. Die Beklagte ist die Insolvenzverwalterin einer Vermögensberatungsgesellschaft.
Die Klägerin schloss im Frühjahr 2010 im Alter von zirka 16 Jahren über Vermittlung einer für die Vermögensberatungsgesellschaft tätigen Vermögensberaterin mit der ausländischen Veranlagungsgesellschaft drei Kauf-und Abtretungsverträge betreffend ihre inländischen Lebensversicherungspolizzen ab. Diesen Verträgen lagen sogenannte „Polizzenkaufmodelle“ zugrunde. Der Kaufpreis von insgesamt 15.056,92 EUR entsprach den Rückkaufswerten der Versicherungsverträge und wurde vereinbarungsgemäß gestundet. Die Veranlagungsgesellschaft investierte die Summe in eine Kommanditbeteiligung bei einer Investment GmbH & Co KG. In der Folge ordnete die deutsche Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht gegenüber der Rechtsnachfolgerin der Veranlagungsgesellschaft die unverzügliche Abwicklung der Einlagengeschäfte an, weil diese ohne die erforderliche Erlaubnis durchgeführt wurden. Über deren Vermögen wurde vom Amtsgericht Nürnberg zwischenzeitlich das Insolvenzverfahren eröffnet; die Klägerin hat auch im deutschen Insolvenzverfahren ihre Ansprüche angemeldet.
Im vorliegenden Verfahren begehrte die Klägerin letztlich die Zahlung von 16.624,06 EUR samt 4 % Zinsen seit Klagserhebung, hilfsweise die Feststellung, dass die beklagte Vermögensberatungsgesellschaft für sämtliche Schäden hafte, die ihr durch die mangelhafte Beratung und Aufklärung aus den Investments oder durch sonstige Haftungen aus diesen Investments zukünftig entstehen. Für den Fall der Klagsstattgebung sei sie bereit, ihren Anspruch aus dem deutschen Insolvenzverfahren Zug um Zug an die Beklagte abzutreten. Der Vermögensberatungsgesellschaft sei ein Beratungsfehler anzulasten, weil sie die Investments mit maximaler Sicherheit und einem garantierten Ertrag angeboten habe. Über das Risiko eines Totalverlusts des eingesetzten Kapitals sei sie nicht aufgeklärt worden. Wäre sie ordnungsgemäß unterrichtet worden, so hätte sie die zugrunde liegenden Kauf- und Abtretungsverträge nicht abgeschlossen. In diesem Fall hätte sie eine jährliche Rendite von zumindest 2 % erzielt.
Die Beklagte entgegnete, dass sie ihren Sorgfalts-und Aufklärungspflichten hinreichend nachgekommen sei. Zu den Polizzenkaufmodellen habe eine positive Analyse eines deutschen Kapitalmarktexperten bestanden. Nach dem Inhalt eines Rechtsgutachtens seien diese Modelle weder als Bank- noch als Finanzdienstleistungsgeschäft zu qualifizieren, weshalb eine Erlaubnis der Aufsichtsbehörde nicht erforderlich gewesen sei. Aus diesem Grund gelange auch das WAG 2007 nicht zur Anwendung. Der Klägerin sei ein Mitverschulden anzulasten; im Übrigen seien die geltend gemachten Ansprüche verjährt. Schließlich sei ein konkreter Schaden noch gar nicht bezifferbar, weil der rechnerische Schaden von der Quote im deutschen Insolvenzverfahren abhänge.
Das Erstgericht erkannte die beklagte Vermögensberatungsgesellschaft schuldig, der Klägerin 16.624,06 EUR samt 4 % Zinsen seit 24. 4. 2015 Zug um Zug gegen Abtretung ihrer Rechte aus der Forderungsanmeldung in dem vom Amtsgericht Nürnberg zu AZ ***** geführten Insolvenzverfahren über das Vermögen der Rechtsnachfolgerin der Veranlagungsgesellschaft zu zahlen; das Zinsenmehrbegehren wies es ab. Der Vermögensberatungsgesellschaft sei in Bezug auf die angebliche Risikolosigkeit der Versicherungsmodelle eine falsche Beratung und damit eine Verletzung ihrer Auskunfts- und Beratungspflichten anzulasten. Der Schaden der Klägerin sei bereits mit Abschluss der zugrunde liegenden Kauf- und Abtretungsverträge eingetreten. Ihr gebühre daher ein der Naturalrestitution nachgebildeter Anspruch auf Rückersatz des eingesetzten Kapitals samt Zinsen Zug um Zug gegen die Abtretung ihrer Rechte aus der Forderungsanmeldung im deutschen Insolvenzverfahren. Der unerfahrenen Klägerin sei kein Mitverschulden anzulasten, weil sie die Vermögensberaterin gerade in Bezug auf ein allfälliges Risiko der Anlageprodukte kontaktiert habe. Die Ansprüche der Klägerin seien auch nicht verjährt.
Nach Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens und nach Vorlage der Akten an das Berufungsgericht wurde mit Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 31. 8. 2016 zu AZ ***** über das Vermögen der Vermögensberatungsgesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet; die nunmehrige Beklagte wurde zur Insolvenzverwalterin bestellt. In diesem Insolvenzverfahren meldete die Klägerin eine (unbedingte) Insolvenzforderung von 24.309,19 EUR (Schadenersatz 16.624,25 EUR; Kosten 6.777,68 EUR sowie kapitalisierte Zinsen) an. Dabei stützte sie sich auf eine mangelhafte Beratung und Aufklärung durch die Schuldnerin. Die Insolvenzverwalterin bestritt die Forderung, weil sie nicht bedingt angemeldet worden sei; die Klägerin habe die Übertragung des Anlageprodukts nicht angeboten.
Das Berufungsgericht nahm das gemäß § 7 IO unterbrochene Verfahren über Antrag der Klägerin wieder auf, stellte die Parteienbezeichnung der beklagten Partei auf die Firma der Insolvenzverwalterin richtig und gab der Berufung der Beklagten mit der Maßgabe nicht Folge, dass es das stattgebende Leistungsurteil in folgendes Feststellungsurteil kleidete: „Es wird festgestellt, dass die Klagsforderung mit 16.624,06 EUR samt 4 % Zinsen seit 24. April 2015 (bis zur Insolvenzeröffnung vom 31. August 2016) Zug um Zug gegen Abtretung der Rechte der klagenden Partei aus der Forderungsanmeldung in dem vom Amtsgericht Nürnberg zu AZ ***** geführten Insolvenzverfahren über das Vermögen der [Rechtsnachfolgerin der Veranlagungsgesellschaft] zuzüglich der Kosten des Verfahrens erster Instanz von 4.445,96 EUR (darin 623,16 EUR USt und 707 EUR Barauslagen) als Insolvenzforderung zu Recht besteht.“ Im Prüfungsprozess gäbe es – abgesehen von einer weiteren Forderungsprüfung – keine Erweiterung oder Änderung der Klage. Zwischen dem Gegenstand der Forderungsanmeldung der Klägerin (ohne Zug‑um‑Zug‑Einschränkung) und den im Prüfungsprozess geltend gemachten Ansprüchen bestehe Identität, weil die Verurteilung zu einer Zug‑um‑Zug‑Leistung gegenüber der uneingeschränkt begehrten Leistung kein Aliud, sondern ein Minus sei. Der Schadenersatzanspruch wegen der geltend gemachten Falschberatung bestehe zu Recht, weil die Vermögensberatungsgesellschaft ihre vorvertraglichen Aufklärungspflichten verletzt habe. Da die komplexe Konstruktion der Polizzenkaufmodelle für die wirtschaftlich unerfahrene Klägerin nicht durchschaubar gewesen sei, hätte sie über die Risiken der Veranlagung aufgeklärt werden müssen. Demgegenüber habe die Vermögensberaterin das Anlagemodell unrichtig als sicheres Garantieprodukt angepriesen. Ein Mitverschulden könne der Klägerin nicht angelastet werden, weil sie die Beraterin gerade zur Risikogeneigtheit des Anlagemodells kontaktiert habe. Da die Klägerin die Anlageprodukte noch halte, habe sie einen Anspruch auf Schadenersatz in einer der Naturalrestitution nachgebildeten Form. Dieser Grundsatz gelange auch im Prüfungsprozess zur Anwendung. Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil zur Beurteilung der haftungsrechtlichen Fragen umfassende höchstgerichtliche Judikatur bestehe.
Über Antrag der Klägerin nach § 508 ZPO sprach das Berufungsgericht nachträglich aus, dass die ordentliche Revision doch zulässig sei, weil zur Frage, ob bei einer nachträglichen Insolvenzeröffnung im Prüfungsprozess auf die erstinstanzliche Verpflichtung zur Schadenersatzleistung Zug um Zug gegen die Übertragung der unerwünschten Veranlagung im Sinn der §§ 14 und 16 IO Bedacht zu nehmen sei, höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.
Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie die Feststellung einer unbedingten Insolvenzforderung im Betrag von 16.624,06 EUR (ohne Zug‑um‑Zug‑Einschränkung) begehrt.
Mit ihrer Revisionsbeantwortung beantragt die Beklagte, die Revision der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu, dieser den Erfolg zu versagen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil zu der vom Berufungsgericht aufgeworfenen Fragestellung bisher keine gefestigte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs besteht. Die Revision ist auch im Sinn des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags berechtigt.
1. Fragen, die den von den Vorinstanzen bejahten Schadenersatzanspruch der Klägerin aus fehlerhafter Anlageberatung betreffen, werden im Revisionsverfahren nicht mehr thematisiert. Dies gilt nicht nur für die schuldhafte Fehlberatung der unerfahrenen Klägerin durch eine Mitarbeiterin der Vermögensberatungsgesellschaft, sondern auch für den als unberechtigt qualifizierten Mitverschuldenseinwand der Beklagten und die verneinte Verjährung.
2. Zur Frage der Forderungsanmeldung bei einem Schadenersatzanspruch mit einer Zug‑um‑Zug-Rückgabeverpflichtung steht die Klägerin in der Revision auf dem Standpunkt, dass die Ansicht des Berufungsgerichts eine Bereicherung der Masse bewirke, weil der geschädigte Anleger seine gesamten Rechte an der Beteiligung abtreten müsse, dafür aber nur eine allfällige Quote im Insolvenzverfahren des Schädigers erhalte. Die Naturalrestitution sei daher untunlich. Daraus folge, dass das Feststellungsbegehren mit 16.624,06 EUR (ohne Zug‑um‑Zug‑Abtretung) berechtigt sei.
Die Beklagte vertritt in der Revisionsbeantwortung demgegenüber die Ansicht, dass eine Zug‑um‑Zug‑Verpflichtung nicht unter den Bedingungsbegriff des § 16 IO fallen könne, weil eine Bedingung ohne jedes Zutun des Schuldners eintreten müsse. Tatsächlich sei die Zug‑um‑Zug‑Verpflichtung als (beiderseits nicht erfülltes) „Rückgewährungsschuldverhältnis“ anzusehen, auf das die Bestimmungen des § 21 IO analog anzuwenden seien. Danach liege – wie hier – vor der Erfüllungsablehnung durch den Insolvenzverwalter noch keine Insolvenzforderung vor, weshalb eine solche auch nicht angemeldet werden könne. Mit der Erfüllungsablehnung durch den Insolvenzverwalter werde das ursprüngliche Zug‑um‑Zug‑Verhältnis mit der Wirkung ex tunc aufgelöst.
3.1 Der Oberste Gerichtshof hat sich erst jüngst in der Entscheidung 1 Ob 208/17w mit der Frage der (nachträglichen) Forderungsanmeldung bei einem Schadenersatzanspruch mit einer Zug‑um‑Zug-Rückgabeverpflichtung beschäftigt und dazu (zusammengefasst) folgende Erwägungen angestellt:
„Bei einer Kapitalveranlagung liegt ein zu ersetzender Schaden bereits darin, dass ein Anleger kein wertstabiles, sondern ein Kursschwankungen unterliegendes Wertpapier (oder Edelmetall) erworben hat (RIS‑Justiz RS0120784 [T7]). Für das Vorliegen eines realen Schadens reicht es aus, dass die Zusammensetzung des Vermögens des Geschädigten nach dem schadensbegründenden Ereignis nicht seinem Willen entspricht (6 Ob 7/15w mwN). Entschließt sich der Geschädigte, die unerwünschte Anlage vorläufig noch zu behalten, besteht ein vereinfacht als „Naturalrestitution“ bezeichneter Anspruch, der auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen einen Bereicherungsausgleich durch Übertragung des noch vorhandenen Finanzprodukts an den Schädiger gerichtet ist (RIS‑Justiz RS0108267 [T15]; RS0120784 [T22]). [...] Diese Variante des Leistungsbegehrens steht auch gegenüber dem bloßen Anlageberater zu, von dem die Finanzprodukte nicht erworben wurden (8 Ob 39/12m mwN). Hätte der Anleger bei richtiger Beratung die Vermögensanlage nicht gekauft, hat er daher im Rahmen der „Naturalrestitution“ (§ 1323 ABGB) – Zug um Zug gegen Übertragung der Vermögensanlage – Anspruch auf Rückersatz der zum Erwerb der Vermögensanlage gezahlten Kaufpreise abzüglich allfälliger erhaltener Zinszahlungen (RIS‑Justiz RS0108267 [T5]; RS0120784 [T3]). [...]
Zutreffend legte das Berufungsgericht dar, dass die von der Klägerin im Insolvenzverfahren der Schuldnerin angemeldete Schadenersatzforderung keine bedingte Forderung im Sinn des § 16 IO ist; sie war vielmehr bereits im Zeitpunkt Schluss der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz und der Insolvenzeröffnung fällig. Die klagende Anlegerin hat einen auf Geldersatz gerichteten schadenersatzrechtlichen Anspruch auf Rückzahlung der Investition. […] Die Klägerin hat ihre Schadenersatzforderung auf „Naturalrestitution“ zutreffend als unbedingte Forderung angemeldet. Im Insolvenzverfahren kann grundsätzlich aufgrund der insolvenzrechtlichen Bestimmungen vom Schuldner nicht die Zug‑um‑Zug‑Einrede erhoben werden. Dieser Einwand steht dem Schuldner nur außerhalb des Insolvenzverfahrens offen (Tremel, Insolvenzaufhebung während anhängigem Prüfungsprozess, ZIK 2017/9, 11 [15]). Zutreffend ging das Berufungsgericht davon aus, dass hinsichtlich der Zug‑um‑Zug‑Verpflichtung eine unbestimmte Forderung im Sinn des § 14 Abs 1 IO vorliegt. Gemäß § 14 Abs 1 IO sind insbesondere Forderungen, die nicht auf eine Geldleistung gerichtet sind oder deren Geldbetrag unbestimmt ist, nach ihrem Schätzwert in inländischer Währung zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geltend zu machen. Der Wert einer Zug‑um‑Zug‑Einschränkung eines Schadenersatzanspruchs ist im Insolvenzverfahren daher in entsprechender Anwendung des § 14 Abs 1 IO zu schätzen und – falls nicht wertlos – vom Schadenersatzbetrag abzuziehen. Daher wäre der Wert der Finanzprodukte zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung vom Ersatz der wegen Fehlberatung aufgewendeten Ankaufskosten abzuziehen und die Differenz als unbedingte Insolvenzforderung anzumelden. Das Prüfungsbegehren, das auf Feststellung einer Geldforderung zu lauten hat (RIS‑Justiz RS0065442), wäre auch nur in dieser Höhe berechtigt.
Die von der Beklagten herangezogene Bestimmung des § 21 Abs 1 IO, die von einem Teil der Lehre auch auf „Rückabwicklungsschuldverhältnisse“ (Verhältnisse, die sich aus der Auflösung von gegenseitigen Verträgen ergeben) angewandt wird (so etwa Widhalm‑Budak in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze § 21 KO Rz 39; aA Iro, Das Zug‑um‑Zug‑Prinzip im Insolvenzverfahren, RdW 1985, 101 [102]; Kepplinger, Das Synallagma in der Insolvenz [2000] 347), gelangt nicht – auch nicht analog – zur Anwendung. Hier geht es um kein „Rückabwicklungsschuldverhältnis“, sondern um einen – ohne Beachtung der Besonderheiten des Insolvenzverfahrens – zu berücksichtigenden Bereicherungsausgleich [...] bzw eine besondere Berechnungsform des Geldersatzes (8 Ob 79/16z; RIS‑Justiz RS0129706 [T4]). Dabei handelt es sich um eine Frage der Höhe des Anspruchs (vgl zum Vorteilsausgleich RIS‑Justiz RS0022788 [T4, T5]). § 21 IO betrifft nur im Austauschverhältnis stehende Leistungspflichten (RIS‑Justiz RS0119883). Die Schuldnerin hat gerade ohne Zahlung keinen Anspruch auf Herausgabe der Wertpapiere, den grundsätzlich die wechselseitige Verpflichtung Zug um Zug sichern soll. § 21 IO ist hier auch nicht analog anzuwenden, weil die Zug‑um‑Zug‑Abwicklung bei Anlegerschäden keine Sicherungsfunktion wie das Zurückbehaltungsrecht nach § 1052 ABGB hat, sondern sie ist eine Form de s Bereicherungsausgleichs. Ihr Zweck ist nicht die Abwicklung von beiderseitigen Leistungspflichten, sondern die Schadensberechnung durch „Naturalrestitution“ (8 Ob 79/16z).
Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin kann gegen diese während des Insolvenzverfahrens ein Leistungsurteil nicht erwirkt werden. Durch die Aufnahme des zunächst unterbrochenen Verfahrens wird der bisherige Leistungsprozess gemäß § 113 IO zu einem Prüfungsprozess nach § 110 IO. Gegenstand des Prüfungsprozesses ist der Teilnahmeanspruch, so wie er der Prüfungsverhandlung zugrunde lag (RIS‑Justiz RS0065601). Das Klagebegehren im Prüfungsprozess kann nur auf den Grund gestützt werden, der in der Anmeldung und bei der Prüfungstagsatzung angegeben worden ist, denn die ordnungsgemäße Abwicklung des Prüfungsverfahrens erfordert, dass es keinen Prüfungsprozess ohne vorhergehende Forderungsanmeldung gibt; es gibt daher im Prüfungsprozess keine Erweiterung oder Änderung des Klagsgrundes und auch keine Klagsänderung.“
3.2 Aus der zitierten Entscheidung lassen sich folgende Grundsätze ableiten:
Bei einem Schadenersatzanspruch, der durch eine Zug‑um‑Zug-Rückgabeverpflichtung (im Sinn eines Bereicherungsausgleichs; siehe dazu die Glosse von Brenn zu 1 Ob 251/11k EvBl 2012/109, 762; 1 Ob 103/15a EvBl‑LS 2015/177) eingeschränkt ist, handelt es sich um keine bedingte Forderung im Sinn des § 16 IO. Der Bereicherungsausgleich betrifft die Höhe des (Schadenersatz‑)Anspruchs. Hinsichtlich der Zug‑um‑Zug‑Verpflichtung liegt eine unbestimmte Forderung im Sinn des § 14 Abs 1 IO vor. Bei Werthaltigkeit der Veranlagung besteht die Insolvenzforderung in der Differenz zwischen den Ankaufskosten samt Zinsen (kapitalisierte Zinsen aus einer allfälligen Alternativveranlagung) und dem Wert der Finanzprodukte zur Zeit der Insolvenzeröffnung; sie ist als unbedingte Insolvenzforderung anzumelden.
Der erkennende Senat hält diese Grundsätze für zutreffend und schließt sich der zitierten Entscheidung an. Die Ausführungen von Nunner-Krautgasser/Muhri [Letzterer ist der Beklagtenvertreter] in ihrem Aufsatz „Zur formalen Geltendmachung von Anlegerschäden im Insolvenzverfahren“, ZIK 2018/5, 13, entsprechen dem Prozessstandpunkt der Beklagten, wie er zuletzt in der Revisionsbeantwortung vorgetragen wurde. Sie bieten keinen Anlass, von den aufgezeigten Argumenten abzugehen.
4. Gegenstand der Forderungsanmeldung der Klägerin war ihre unbedingt angemeldete Schadenersatzforderung aus der fehlerhaften Anlageberatung ohne Abzug eines Bereicherungsausgleichs und ohne Zug‑um‑Zug-Einschränkung. Dass sich der berechtigte Schadenersatzanspruch der Höhe nach um den noch bestehenden Wert des jeweiligen Anlageprodukts vermindern könnte, führt zu keiner über den Gegenstand der Forderungsanmeldung hinausgehenden Änderung des Anspruchs. Die Forderungsanmeldung der Klägerin war demnach (unbeschadet der Höhe des berechtigten Anspruchs) insolvenzrechtskonform.
Bei richtiger Rechtsansicht ist im Prüfungsprozess die Insolvenzforderung der Klägerin mit den Ankaufskosten der Anlageprodukte samt Zinsen aus einer allfälligen Alternativveranlagung abzüglich des Wertes der Anlageprodukte im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung festzustellen.
Zu den Fragen, ob die erworbenen Finanzprodukte (hier die Ansprüche gegen die Veranlagungsgesellschaft aus den Polizzenkaufmodellen) im maßgebenden Zeitpunkt werthaltig waren und welchen Wert sie gegebenenfalls hatten, fehlen sowohl Tatsachenbehauptungen als auch Feststellungen.
Da die Parteien bisher keine Gelegenheit hatten, ihr Vorbringen an die nunmehr geklärte Rechtslage anzupassen und auch der Oberste Gerichtshof die Parteien in seiner Entscheidung nicht mit einer Rechtsauffassung, die sie nicht beachtet haben, überraschen darf (RIS‑Justiz RS0037300), waren die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben. Im fortgesetzten Verfahren wird die Frage der Höhe der im Prüfungsprozess festzustellenden Insolvenzforderung der Klägerin mit den Parteien zu erörtern und ihnen Gelegenheit zu geben sein, dazu ergänzendes Vorbringen zu erstatten.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
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