OGH 1Ob208/17w

OGH1Ob208/17w27.2.2018

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** S*****, vertreten durch Dr. Sven Rudolf Thorstensen, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei C*****gesellschaft mbH als Insolvenzverwalterin im Insolvenzverfahren der E***** GesmbH, AZ ***** des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz, *****, vertreten durch die Muhri & Werschitz Partnerschaft von Rechtsanwälten GmbH, Graz, wegen 45.854,80 EUR sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 6. September 2017, GZ 3 R 57/17b‑33, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 22. August 2016, GZ 41 Cg 72/15z‑16, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 26. August 2016, GZ 41 Cg 72/15z‑17, im Umfang der Anfechtung aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0010OB00208.17W.0227.000

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

Die Klägerin, die eine Ausbildung als Kellnerin hat, ist Alleineigentümerin eines Einfamilienhauses, in dem sie mit ihren sechs Kindern wohnt. Seit der Geburt ihrer Kinder ist sie Hausfrau, ihr monatliches Einkommen beträgt 1.400 EUR netto. Im Jahr 2012 verfügte sie über 80.000 EUR, wovon 40.000 EUR auf Sparbüchern, in einem Bausparvertrag und in einem offenen Investmentfonds veranlagt waren. Die Veranlagung des weiteren Betrags von 40.000 EUR sollte der Zukunftsvorsorge für sich und ihre sechs Kinder, von denen zwei sehr krank sind, dienen. Deshalb war das oberste Ziel eine sichere Veranlagung und der Erhalt des eingesetzten Kapitals, um eine finanzielle Absicherung bei jederzeitiger Verfügbarkeit des Vermögens zu schaffen.

Ende 2011/Anfang 2012 kontaktierte sie A***** B***** (in der Folge auch Berater), der sie in Versicherungsangelegenheiten bereits seit längerem betreut hatte, mit dem Anliegen, das ihr zur Verfügung stehende Vermögen sicher anlegen zu wollen. Er war Mitarbeiter der ehemals beklagten GmbH (der nach Konkurseröffnung nunmehrigen – in der Folge auch so bezeichneten – Schuldnerin). Weil er für die Klägerin bereits im Jahr 2011 einen Geldbetrag in einen offenen Investmentfonds investiert hatte, wusste er, dass für sie die permanente Verfügbarkeit der Investition wichtig war. Eine längerfristige Bindung sowie die Investition in einen geschlossenen Fonds lehnte sie ab, weil die Verfügbarkeit der Veranlagung insbesondere aufgrund der Erkrankung von zwei ihrer Kinder gewährleistet sein sollte. Der Berater empfahl der Klägerin eine Beteiligung an der (deutschen) „S***** GmbH & Co KG“ (kurz: S*****‑Produkt), mit der Grundstücke in Brasilien gekauft, Wohnungen gebaut und wieder verkauft und mit dem Erlös die Investitionen wieder rückerstattet würden. Er teilte ihr mit, dass es sich dabei um eine sichere Anlage handle, mit der kein Risiko verbunden sei, weil Brasilien eine aufstrebende Region sei. Der Berater sprach gegenüber der Klägerin von Gewinnmöglichkeiten in Höhe von etwa 9 % Rendite, erwähnte aber keine allfälligen Risiken und erklärte ihr auch nicht, dass es sich um einen geschlossenen Fonds mit einer fixen Laufzeit handle.

Darüber hinaus stellte er ihr auch die Veranlagung in Edelmetall‑Produkte der (deutschen) E***** e.V. (kurz: E***** e.V.) vor, mit welcher sie Gold und Silber ankaufen könnte. Dabei würde sie einen Code bekommen und könnte dann über das angekaufte Edelmetall, welches sich in einem eigenen Depot befinde, verfügen. Es bestünde die Möglichkeit, dieses jederzeit abzuholen und zu Hause zu lagern, weiterzuverkaufen oder beim E***** e.V. zu belassen. Edelmetall sei etwas Beständiges und es würde sich während der Behaltezeit auch an dessen Wert nichts ändern. Der Berater erklärte ihr nicht, dass das Edelmetall Kursschwankungen unterliegen würde, sondern überzeugte sie vielmehr davon, dass sich das von ihr angekaufte Edelmetall in diesem Depot befinde und sie über dieses allein verfügen könne.

Die Klägerin erhielt zu keinem Produkt Unterlagen ausgehändigt.

Obwohl der Berater wusste, dass sie eine sicherheitsorientierte Anlegerin war, die keine Bindung ihres eingesetzten Kapitals wollte, empfahl er ihr – sie brachte ihm in diesen Belangen ihr uneingeschränktes Vertrauenentgegen – die Investments. Nachdem sich die Klägerin für diese Investitionen entschieden hatte, sollte der Berater die notwendigen Unterlagen vorbereiten und ihr vorbeibringen. In der Zwischenzeit besuchte sie über seine Empfehlung und die einer weiteren Beraterin auch eine Informationsveranstaltung über die vormals beklagte GmbH und über verschiedene Sparformen und Veranlagungen. Da die Klägerin nur am ersten Tag dieses zweitägigen Seminars anwesend war, kann nicht festgestellt werden, welche Vorträge sie besuchte.

Am 30. 1. 2012 suchte der Berater die Klägerin mit den bereits von ihm vorausgefüllten Unterlagen auf. Er besprach mit ihr zum Aufklärungsbogen betreffend die S*****‑Beteiligung weder die Rubrik „Kenntnisse und Erfahrungen“, noch ihre finanziellen Verhältnisse. Die im Formular genannten Vermögenswerte entsprechen nicht den Tatsachen. Auch die weiteren Punkte „Anlageziele“, „Risikobereitschaft“ und „Risikoaufklärung“ waren kein Thema. Die Ankreuzungen tätigte der Berater, obwohl er die Klägerin über die mit dieser Investition verbundenen Risiken, insbesondere das Risiko des Totalverlusts, nicht aufklärte. Sie wusste nicht, dass es sich um ein Produkt der Risikogruppe „spekulativ“ handelt. Er erklärte ihr nur, dass sie überall dort, wo ein „Kreuzchen“ vermerkt sei, unterschreiben müsse.

Schließlich investierte sie 20.000 EUR zuzüglich eines 5%igen Agios von 1.000 EUR in das Produkt „S***** GmbH & Co KG“ und unterfertigte die ihr vorgelegten Formulare (Anlegerprofil und Beitrittserklärung), ohne deren Inhalt zu beachten. Vielmehr vertraute sie auf die mündlichen Äußerungen des Beraters. Dabei fiel ihr nicht auf, dass das Produkt Eigenschaften aufwies, die sie keinesfalls haben wollte.

Weder verwendete der Berater für das Beratungsgespräch den Kapitalmarktprospekt für das S*****‑Produkt, noch zeigte oder übergab er ihn der Klägerin. Er händigte ihr auch weder die Präsentations‑CD, auf der unter anderem der Kapitalmarktprospekt vorhanden war, noch Gleichschriften der von ihr unterfertigten Formulare aus.

Beim S*****‑Produkt handelt es sich um die Beteiligung an einem (deutschen) „geschlossenen Fonds“, die in die Risikoklasse „spekulativ (überproportionale Ertragschancen bei gleichzeitiger Akzeptanz des gänzlichen Verlusts des eingesetzten Kapitals)“ fällt. Neben dem 5 %igen Agio sind noch rund 18 % vom eingesetzten Kapital in sogenannte „Weichkosten“ geflossen, die beispielsweise für Kapitalbeschaffung sowie diverse Vertriebs‑ und Verwaltungskosten aufgewendet wurden. Die Klägerin wurde darüber nicht aufgeklärt, vielmehr ging sie davon aus, dass das von ihr eingesetzte Kapital (exklusive 5 % Agio) zur Gänze in die Investition fließt.

Ebenso verhielt es sich mit den Unterlagen für den Edelmetall‑Ankauf. Auch bei diesem besprach der Berater mit der Klägerin die Unterlagen nicht, sondern ersuchte sie nur, auch bei diesen Formularen an den von ihm markierten Stellen zu unterschreiben. Er klärte sie nicht darüber auf, dass sie mit der Veranlagung kein Alleineigentum am Edelmetall erwerben und dieses in einem Sammeldepot verwahrt werden sowie die Laufzeit zehn Jahre betragen sollte und eine vorzeitige Kündigung frühestens nach vier Jahren erfolgen könnte. Die Klägerin unterfertigte den ihr vorgelegten Kaufvertrag und die Edelmetall-Vermögensanalyse, ohne sie durchzulesen, und investierte weitere 20.000 EUR zuzüglich 1.000 EUR (5 % Agio) in 50 % Gold und 50 % Silber. Auch bei dieser Veranlagung fiel ihr nicht auf, dass sie in ein Produkt investierte, dass sie so nicht haben wollte. Nach Abschluss dieses Kaufvertrags erhielt sie eine Besitzurkunde mit dem Wortlaut „… [Klägerin] ist Eigentümer eines N***** 50 % Gold/50 % Silber. Die Edelmetallzuweisung ist registriert unter der persönlichen Depositnummer: *****.“

Die Aufnahme des Vertriebs von Edelmetallprodukten des E***** e.V., eines nach deutschem Recht errichteten Vereins, erfolgte im Jahr 2009 durch die (ehemals) Beklagte (und nach Konkurseröffnung nunmehrige Schuldnerin). Kleininvestoren sollte im Rahmen von Einkäufergemeinschaften die Möglichkeit geboten werden, Gold und Silber mittels Ansparplänen zu einem günstigeren Einkaufspreis zu erwerben. Nach der Mindestlaufzeit von vier Jahren konnte der Kunde sich das Gold und/oder Silber ausliefern lassen oder aber auch verkaufen. Eine vorzeitige Auslieferung der Edelmetalle war nicht vorgesehen. Der Verkaufspreis orientierte sich dabei am jeweiligen Kurs, der je nach Marktlage niedriger oder höher sein konnte als zum Ankaufszeitpunkt. Die Lagerung der Edelmetalle beim E***** e.V. sollte kostenfrei sein. Vor der Einführung dieses Produkts überprüfte die Schuldnerin (ehemals Beklagte) dieses nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Sie besichtigte das Lager des E***** e.V. in Berlin und überprüfte, ob die Kundengelder in Edelmetalle investiert und wie diese gelagert würden. Dabei wurden keine Abweichungen des Ist- vom Sollbestand festgestellt.

Die deutsche Finanzmarktaufsichtsbehörde untersagte dem E***** e.V. am 25. 2. 2015, in Zukunft derartige Tätigkeiten auszuüben, da diese als Einlagengeschäfte anzusehen seien. Der E***** e.V. ist mittlerweile insolvent, das Insolvenzverfahren in Deutschland noch nicht abgeschlossen. Es steht nicht fest, ob die Klägerin Ansprüche aus der Insolvenzmasse befriedigt erhält. Gegen die Verantwortlichen des E***** e.V. ist in Deutschland ein Strafverfahren anhängig. Die nunmehrige Schuldnerin selbst geht nicht von einem Aussonderungsanspruch der einzelnen Anleger aus, weil diese und damit auch die Klägerin über kein eigenes Depot verfügen, sondern das Gold und Silber vielmehr in einem Sammellager gelagert ist.

Im Jahr 2015 erfuhr die Klägerin erstmals von der Insolvenz des E***** e.V. und setzt sich mit dem Berater in Verbindung. Erst im Zuge der Prozessvorbereitung mit ihrem nunmehrigen Rechtsvertreter erkannte sie, dass sie mit dem S*****‑Produkt in einen geschlossenen Fonds investiert hatte.

Wäre ihr mitgeteilt worden, dass mit dem S*****‑Produkt das Risiko des Totalverlusts verbunden sei und neben dem 5%igen Agio noch weitere Kosten entstünden, hätte sie die Investition nicht vorgenommen. Hätte sie gewusst, dass sie mit der Edelmetallveranlagung nicht Eigentümerin des Goldes und Silbers würde und über dieses nicht uneingeschränkt verfügen könnte, hätte sie auch dieses Produkt nicht gekauft. Stattdessen hätte sie das Geld auf ein Sparbuch gelegt. Sie hätte bis zur Klagseinbringung dadurch eine Rendite erwirtschaftet, deren Höhe mit 0,6 % „geschätzt wird“.

In ihrer am 23. 10. 2015 eingebrachten Klage wirft die Klägerin der ehemals Beklagten und nunmehrigen Schuldnerin Beratungsfehler ihrer Mitarbeiter vor, weil sie eine sichere Veranlagung gewünscht habe und das Risiko des Kapitalverlusts definitiv nicht eingehen habe wollen. Sie sei weder in Kenntnis über die spekulative Eigenschaft des S*****‑Produkts gewesen noch darüber, dass weitere 25 % der Nominale für Spesen (Weichkostenanteil) und Provisionen (Kick‑Back‑Zahlungen) aufgewendet worden seien, wovon 8,96 % der Nominale an die nunmehrige Schuldnerin als Provision geflossen seien. Erst im Nachhinein habe sich herausgestellt, dass sie – entgegen den Behauptungen des Beraters – durch den Kauf der Gold‑ und Silberbestände des E***** e.V. gar nicht Alleineigentümerin geworden sei und sie über diese Veranlagung nicht – wie von ihr gewünscht – jederzeit uneingeschränkt verfügen und/oder die Edelmetalle jederzeit herausverlangen könne. Sie hätte sie auf das Risiko im Zusammenhang mit dem Eigentumserwerb hinweisen und darüber aufklären müssen, dass eine physische Auslieferung der Edelmetalle gar nicht möglich sei. Neben der Rückzahlung des jeweiligen „Nominalbetrags“ von 21.000 EUR im Sinn einer Naturalrestitution (samt Zug‑um‑Zug‑Angebot) mache sie daher als weiteren Schaden die entgangene Rendite durch eine Alternativveranlagung von je 1.927,40 EUR (2,5 % Zinsen aus 21.000 EUR vom 31. 1. 2012 bis 1. 10. 2015) als Schaden geltend. Eventualiter erhob sie ein Feststellungsbegehren. Da sie von ihren Ansprüchen erst Anfang 2015 erfahren habe, sei keine Verjährung ihres Schadenersatzanspruchs eingetreten. Sie habe auf die Expertise der Mitarbeiter der Schuldnerin vertrauen dürfen.

Die vormals Beklagte (nunmehrige Schuldnerin) wandte – auf das Wesentliche zusammengefasst – ein, dass die Klägerin über sämtliche mit der von ihr getätigten Investition verbundenen Eigenschaften und Risiken, insbesondere auch das Totalverlustrisiko, ordnungsgemäß aufgeklärt worden sei und somit keine Aufklärungspflichten von den Mitarbeitern der Schuldnerin verletzt worden seien. Sie sei darüber informiert worden, dass beim Erwerb physischen Edelmetalls nicht die Erzielung von hohen Renditen, sondern der Schutz gegen die Unwägbarkeiten des Finanzsystems im Vordergrund stehe, dass Gewinn und Verlust von künftigen Ein‑ und Verkaufspreisen abhängen würden und es sich bei dem Anbieter um einen nach deutschem Recht errichteten Verein handle. Anhaltspunkte für eine mangelnde Bonität des E***** e.V. oder allfällige Malversationen habe es nicht gegeben. Zur Höhe wandte die Beklagte ein, dass sich die Klägerin beim Edelmetallerwerb jene Wertverluste anzurechnen habe, die sich in jedem Fall aus den Kursverlusten für den Investitionszeitraum ergeben hätten.

Das Erstgericht verpflichtete die vormals Beklagte zur Zahlung von 21.465,79 EUR sA Zug um Zug gegen Übertragung der Treugeberstellung der Klägerin betreffend die Kommanditbeteiligung an der S***** GmbH & Co KG in Höhe des Nominalbetrags von 20.000 EUR und zur Zahlung weiterer 21.465,79 EUR sA Zug um Zug gegen Übertragung ihrer schuldrechtlichen Ansprüche gegenüber dem E***** e.V. aus dem Kaufvertrag vom 30. 1. 2012. Das Mehrbegehren von 2.923,22 EUR sA wies es – unbekämpft und damit rechtskräftig – ab. In Anbetracht ihres Veranlagungswunsches, nämlich kein Risiko und keine Bindung des Kapitals anzustreben, sondern dieses jederzeit verfügbar zu haben, liege eine falsche Beratung durch die Mitarbeiter der (ehemals) Beklagten und nunmehrigen Schuldnerin vor, weil sie anstelle über die tatsächlichen Risiken, insbesondere den möglichen Totalverlust, über eine real nicht existente, mit dem angebotenen S*****‑Produkt garantierte Sicherheit informiert worden sei. Gleiches gelte für den Ankauf der E*****‑Produkte. Entgegen den tatsächlichen Gegebenheiten sei der Klägerin zugesichert worden, Alleineigentum an dem von ihr erworbenen Gold und Silber zu erlangen und dieses jederzeit herausverlangen zu können. Eine permanente Verfügbarkeit sei aber – ausgehend von der Laufzeit von zehn Jahren unter möglicher vorzeitiger Auflösung nach Ablauf von frühestens vier Jahren – nicht gewährleistet gewesen. Die Beratung sei weder vollständig noch richtig oder sorgfältig gewesen, weshalb die (nunmehrige) Schuldnerin hinsichtlich beider Investitionen einen Beratungsfehler zu verantworten habe und schadenersatzpflichtig sei.

Nach Zustellung der Entscheidung an die Parteien wurde am 31. 8. 2016 über das Vermögen der Schuldnerin das Konkursverfahren eröffnet und die nunmehr Beklagte zur Insolvenzverwalterin bestellt. Mit Beschluss vom 1. 9. 2016 sprach das Erstgericht aus, das Verfahren sei gemäß § 7 IO unterbrochen und werde nur über Antrag einer Partei fortgesetzt.

Die Klägerin meldete im Insolvenzverfahren der Schuldnerin insgesamt 64.073,66 EUR, bestehend aus dem jeweils investierten Kapital von 21.000 EUR zuzüglich eines Gewinnentgangs aufgrund einer alternativen Veranlagung von jeweils 2.938,56 EUR und den Verfahrenskosten erster Instanz von 16.196,54 EUR als Insolvenzforderung an. Die Insolvenzverwalterin bestritt in einer Prüfungstagsatzung diese Forderung.

Mit Schriftsatz vom 9. 3. 2017 beantragte die Klägerin die Aufnahme des unterbrochenen Verfahrens. Mit (mittlerweile rechtskräftigem) Beschluss vom 13. 3. 2017 nahm das Erstgericht das Verfahren nach § 7 Abs 2 IO wieder auf und berichtigte die Bezeichnung der Beklagten.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten, mit der sie sich gegen den klagsstattgebenden Teil des Ersturteils wendete, Folge, hob dieses im Umfang der Anfechtung einschließlich der Kostenentscheidung auf und verwies die Sache zur Verhandlung und neuerlichen Urteilsfällung an das Prozessgericht erster Instanz zurück. Rechtlich führte es aus, die Klägerin habe eine risikolose Veranlagung haben wollen, um eine finanzielle Absicherung für sich und ihre Kinder zu schaffen. Darüber hinaus habe sie eine längerfristige Bindung der Investition in einen geschlossenen Fonds abgelehnt, weil sie das Geld, insbesondere aufgrund der Erkrankung zweier ihrer Kinder jederzeit (sicher) zur Verfügung habe wollen. Diese Eigenschaften seien aber bei der von ihr aufgrund der Beratung des Mitarbeiters der Schuldnerin getätigten Veranlagung nicht gewährleistet. Der Berater der Schuldnerin habe sowohl die Beteiligung an der S***** GmbH & Co KG als auch ihre Veranlagung in Edelmetallprodukte des E***** e.V. als „sicher“ dargestellt und habe auf das Alleineigentum der Klägerin an dem erworbenen Silber und Gold sowie auf die jederzeitige Verfügbarkeit der Veranlagung verwiesen. Damit habe er den unzutreffenden Eindruck erweckt, er verfüge über besondere Informationen über das Anlageunternehmen und die dort handelnden Personen. Durch die fehlerhafte und falsche Beratung sei bei der Klägerin ein unrichtiger Eindruck über die mit der Anlage verbundenen Eigenschaften entstanden. Entgegen der für sie entscheidungswesentlichen Zusicherungen des Beraters sei sie nicht Alleineigentümerin an dem von ihr angekauften Gold und Silber geworden und– ausgehend von einer Laufzeit von zehn Jahren und einer vorzeitigen Kündigung nach Ablauf von frühestens vier Jahren – insbesondere nicht in der Lage gewesen, über das Edelmetall jederzeit frei zu verfügen. Sie hätte aber nach dem festgestellten Sachverhalt die hier zu beurteilende Investition nicht getätigt, hätte sie gewusst, dass sie mit der Edelmetallveranlagung nicht Eigentümerin des Goldes und des Silbers werden würde und über dieses nicht uneingeschränkt verfügen könne. Ihr Schadenersatzanspruch sei bereits durch den Erwerb der nicht gewünschten– jederzeit verfügbaren und in ihrem Alleineigentum stehenden – Vermögenswerte entstanden. Das von der Beklagten ins Treffen geführte Malversationsrisiko könne– mangels vorliegender Kausalität – dahingestellt bleiben. Das gegebenenfalls strafbare Verhalten der Organe des E***** e.V. sei nicht relevant für den Schadenseintritt und somit den Schadenersatzanspruch, sondern ausschließlich die kausale und rechtswidrige Fehlberatung der Mitarbeiter der nunmehrigen Schuldnerin über die Produkteigenschaften der erworbenen Anlage. Zudem liege auch der Fall vor, dass die Beratung und die darauf beruhende Veranlagung die Wahrscheinlichkeit der Verwirklichung des tatsächlich eingetretenen Risikos nicht bloß unerheblich erhöht habe. Auch die Schuldnerin selbst gehe nicht von einem Aussonderungsanspruch des einzelnen Anlegers aus, weil die Klägerin über kein eigenes Depot verfüge, sondern das Gold und Silber vielmehr in einem Sammellager gelagert sei. Mangels geklärter Zugehörigkeit zur Insolvenzmasse und mangels ausdrücklicher Zuordnung der Edelmetalle an die einzelnen Anleger habe sie somit auch keinen Aussonderungsanspruch (hinsichtlich des Goldes und Silbers). Zur Beteiligung der Klägerin an der S***** GmbH & Co KG enthalte die Berufung der Beklagten keine Darlegungen, sodass es sich um einen abschließend erledigten Streitpunkt handle.

Die Klägerin habe im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin ihre Forderung ohne eine Zug‑um‑Zug‑Beschränkung angemeldet. Der Insolvenz‑ verwalter habe die in dieser Form (unbedingt) angemeldete Forderung bestritten. Im vorliegenden Fall sei nicht nur über die S***** AG und den E***** e.V., sondern auch über das Vermögen des beklagten Vermögensberatungs‑ unternehmens das Insolvenzverfahren eröffnet und die in erster Instanz der Klägerin zugesprochene Zug‑um‑Zug‑Forderung als reiner Zahlungsanspruch (ohne die Zug‑um‑Zug‑Beschränkung) im Insolvenzverfahren angemeldet worden. Die von ihr im Konkurs angemeldete Forderung sei keine bedingte Forderung im Sinn des § 16 IO; sie sei vielmehr bereits jetzt fällig. Sie sei auch nicht bedingt durch die Übertragung der von der Klägerin über Rat der nunmehrigen Schuldnerin eingegangene Beteiligungen, sodass auch die eingeklagte unbedingte Forderung nicht als bedingt festgestellt werden könnte. Denn ungeachtet des Begehrens auf Rückzahlung der Investition Zug um Zug gegen einen Bereicherungsausgleich durch Übertragung der noch vorhandenen Finanzprodukte handle es sich um einen auf Geldersatz gerichteten Anspruch, in dem von vornherein (ohne Einwendung des Beklagten) im Klagebegehren der vorweggenommene Bereicherungsausgleich ausgedrückt werde. Durch das Entstehen des Anspruchs mit dieser Zug‑um‑Zug‑Verpflichtung liege in Wahrheit eine unbestimmte Forderung im Sinn des § 14 IO vor. In einem dieser Konstellation vergleichbaren Fall habe der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) in der Entscheidung III ZR 383/12 festgehalten, dass zwischen der insolvenzrechtlichen Eignung einer Forderung für die Berechnung der Quote und damit für die Anmeldung im Insolvenzverfahren einerseits und ihrer materiellrechtlichen Berechtigung andererseits zu unterscheiden sei. Der BGH gehe davon aus, dass eine Zug um Zug zu erfüllende Forderung ohne Zug‑um‑Zug‑Einschränkung als reiner Zahlungsanspruch (in der deutschen Insolvenztabelle) angemeldet werden müsse, weil nur ein solcher Anspruch – anders als eine Zug um Zug zu erfüllende Forderung – zur Berechnung der Quote geeignet sei (und auch nur in dieser Höhe ein Konkursteilnahmeanspruch bestehen könne). Er bestehe nur– je nach dem Wert der Zug um Zug zu erbringenden (Gegen‑)Leistung – möglicherweise materiellrechtlich nicht in dem angemeldeten Umfang zu Recht. Der materiellrechtliche Bestand einer Forderung sei demnach nicht Voraussetzung für eine wirksame Anmeldung, sondern nur für eine (vollumfängliche) Feststellung der angemeldeten Forderung. Dementsprechend habe der BGH entschieden, dass im Fall der Anmeldung „eines bezifferten Schadenersatzanspruchs hinsichtlich einer Kommanditbeteiligung mit dem vollen Zahlungsbetrag und ohne die zugesprochene Zug‑um‑Zug‑Einschränkung die Entscheidung betreffend die Feststellung der angemeldeten Forderung vom Wert der Zug um Zug zu übertragenden Beteiligung“ abhänge (BGH II ZR 9/12). In Anlehnung an die Rechtsprechung des BGH bedürfe es für das (materiellrechtliche) Zu‑Recht‑Bestehen des Schadenersatzanspruchs der Klägerin als Insolvenzforderung zunächst der Feststellung des Werts der von ihr erworbenen Anteile und schuldrechtlichen Ansprüche. Eine Zug‑um‑Zug‑Forderung könne aber nur mit einem unter Berücksichtigung der ihr zu übertragenden (Kommandit‑)Beteiligung berechneten Wert geltend gemacht und insoweit – ohne den Zug‑um‑Zug‑Vorbehalt – als Insolvenzforderung (materiellrechtlich) festgestellt werden. Dieser Wert könne für die Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geschätzt werden (BGH III ZR 384/12). Feststellungen dazu, ob die abzutretende Kommanditbeteiligung an der S***** GmbH & Co KG und/oder die schuldrechtlichen Ansprüche gegenüber dem E***** e.V. (zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens) überhaupt noch werthaltig seien und welchen Wert sie gegebenenfalls hätten, fehlten aber; diese Feststellungen seien nach Konkurseröffnung nunmehr relevant. Von der Werthaltigkeit hänge ab, ob gegebenenfalls der Forderungsbetrag als Insolvenzforderung zu reduzieren sei.

Das Berufungsgericht erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof nach § 502 Abs 1 iVm § 519 Abs 1 Z 2 und Abs 2 ZPO für zulässig, weil Rechtsprechung dazu fehle, ob und in welcher Weise bei nachträglicher Insolvenzeröffnung über das Vermögen einer schadenersatzpflichtigen Vermögensberaterin und den daran anknüpfenden (insolvenz‑)rechtlichen Folgen im zu führenden Prüfungsprozess auf die seinerzeitige Verpflichtung der Beklagten zur Schadenersatzzahlung nur Zug um Zug gegen die Übertragung der von der Klägerin erworbenen Beteiligungen an sie (gegebenenfalls im Sinn der §§ 14, 16 IO) Bedacht zu nehmen sei. Die gefundene Lösung könnte auch als Abgehen von der Entscheidung 6 Ob 7/15w gewertet werden.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Beklagten mit einem Abänderungsantrag; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt in der Rekursbeantwortung die Zurückweisung des Rechtsmittels der Prozessgegnerin, in eventu dieses abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

1.1. Die Beklagte argumentiert – wie schon in der Berufung – (nur) zur nicht erforderlichen Aufklärung über die Insolvenzsicherheit der von der Klägerin über den E***** e.V. getätigten Anlage. Darin, dass die Schuldnerin das Produkt N***** aufgrund der sachenrechtlichen Miteigentümerstellung – oder unabhängig davon – als insolvenzsicher angepriesen habe, liege kein Beratungsfehler, weil sie im Insolvenzfall Aussonderung verlangen könne. Die Laufzeit der Veranlagung habe keinen inhaltlichen Zusammenhang mit dem Risiko und dem Zeitpunkt von Veruntreuungen. Selbst wenn sie ohne Beratungsfehler ein Produkt erworben hätte, bei dem es keine Malversationen gegeben hätte, sei ein Ersatz des „Malversationsschadens“ ausgeschlossen.

1.2. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass die Beklagte in weiten Teilen nicht vom festgestellten Sachverhalt ausgeht und damit insofern die Rechtsrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt ist (RIS‑Justiz RS0043312 [T4, T14]; RS0043603 [T8]). So steht weder fest, dass der der Klägerin entstandene Schaden aus der „strafrechtlich relevanten Zweckentfremdung“ der Anlagegelder durch den E***** e.V. und mit ihm verbundener Organisationen entstanden ist, noch wollte sie Miteigentümerin sämtlicher gelagerter Barren werden (sondern Alleineigentümerin der von ihr erworbenen Barren). Zudem steht nicht fest, dass sich das Risiko von Malversationen und Veruntreuungen realisiert hätte. Dass der E***** e.V. durch Malversationen insolvent geworden sein soll, steht ebenfalls nicht fest.

1.3. Die Vorinstanzen bejahten zu Recht den Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen der mangelhaften Beratung und dem Schaden der Klägerin.

1.4. Sie wollte eine risikolose Veranlagung, um eine finanzielle Absicherung für sich und ihre Kinder zu schaffen. Darüber hinaus lehnte sie eine längerfristige Bindung der Investition in einem geschlossenen Fonds ab, weil sie das Geld, insbesondere aufgrund der Erkrankung zweier ihrer Kinder jederzeit (sicher) zur Verfügung haben wollte. Diese Eigenschaften waren aber bei der von ihr aufgrund der Beratung des Mitarbeiters der Schuldnerin getätigten Veranlagung nicht gewährleistet. Dieser stellte die Veranlagung in Edelmetallprodukte des E***** e.V. als „sicher“ dar und hatte auf das Alleineigentum der Klägerin an dem erworbenen Silber und Gold sowie eine jederzeitige Verfügbarkeit der Veranlagung verwiesen. Damit entstand für sie durch die fehlerhafte und falsche Beratung ein unrichtiger Eindruck über die Eigenschaften der Anlage. Entgegen den für sie wesentlichen Zusicherungen des Beraters wurde sie nicht Alleineigentümerin des von ihr gekauften Goldes und Silbers und war – ausgehend von einer Laufzeit von zehn Jahren und einer vorzeitigen Kündigung nach Ablauf der Frist von vier Jahren – insbesondere nicht in der Lage, über das Edelmetall jederzeit frei zu verfügen. Sie hätte die von ihr vorgenommene Investition nicht getätigt, hätte sie gewusst, dass sie mit der Edelmetallveranlagung nicht (Allein‑)Eigentümerin des Goldes und Silbers werden würde und über dieses nicht uneingeschränkt verfügen könne. Sie erhielt damit nicht das von ihr gewünschte Produkt, sodass ihr Schadenersatzanspruch bereits durch den Erwerb der nicht gewünschten – jederzeit verfügbaren und in ihrem Alleineigentum stehenden – Vermögenswerte entstand. Die Schuldnerin ging gegenüber den Anlegern selbst nicht von einem Aussonderungsanspruch aus, weil diese und damit auch die Klägerin über kein eigenes Depot verfügten, vielmehr das Gold und Silber in einem Sammellager gelagert wurde. Gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, sie habe mangels ausdrücklicher Zuordnung der Edelmetalle an die einzelnen Anleger (nach deutschem Recht) keinen Aussonderungsanspruch und jedenfalls nicht Alleineigentum an den von ihr erworbenen Edelmetallen, vermag die Beklagte nichts Stichhaltiges anzuführen.

1.5. Hat sich ein Anlagerisiko verwirklicht, vor dem der Berater mangels Erkennbarkeit nicht warnen musste, so ist der Rechtswidrigkeitszusammenhang mit einer aus anderen Gründen mangelhaften Beratung dennoch zu bejahen, wenn diese Beratung und die darauf beruhende Veranlagung die Wahrscheinlichkeit der Verwirklichung des tatsächlich eingetretenen Risikos nicht bloß unerheblich erhöhte (RIS‑Justiz RS0127012). Das gilt insbesondere dann, wenn eine Zusicherung völliger Risikolosigkeit, die ohne Vorliegen entsprechender Informationen abgegeben wird, für den Anleger die Gefahr erhöht, eine Anlage zu wählen, die nicht seinen Risikovorstellungen entspricht (RIS‑Justiz RS0127012 [T3]).

Im konkreten Fall stellte der Mitarbeiter der Beklagten die Anlage in Gold und Silber als „sicher“ dar und verwies auf die Möglichkeit jederzeitiger Verfügbarkeit. Er erweckte bei der Klägerin den unzutreffenden Eindruck, er verfüge über besondere Informationen über das Anlageunternehmen. Dadurch entstand für sie der unrichtige Eindruck über das mit der Anlage verbundene Risiko. Dazu gehörte auch das – hier von der Beklagten behauptete – Veruntreuungs‑ und Malversationsrisiko durch die Verantwortlichen des E***** e.V.. Denn der deutsche Verein, dem sie ihr Vermögen anvertraute, unterlag anders als eine Bank oder ein Versicherungsunternehmen keiner besonderen Aufsicht; es waren auch sonst keine Kontrollmechanismen erkennbar, die dieses Risiko beschränkt hätten. Die vom Berater versprochene „Sicherheit“ hängt daher in hohem Maß von der Seriosität der für das Anlageunternehmen handelnden Personen ab. Die Klägerin durfte auf dieser Grundlage annehmen, die Schuldnerin werde nur dann von einer „sicheren“ Anlage sprechen, wenn sie auch insofern über objektive Informationen verfügte. Damit durfte sie aber– gerade wegen der Beratung – ein allfälliges Veruntreuungsrisiko geringer einschätzen, als es tatsächlich war. Jedenfalls durfte sie die Zusicherung des Beraters so verstehen, dass auch kein Veruntreuungsrisiko bestehe, sodass auch aus diesem Grund der Rechtswidrigkeitszusammenhang zu bejahen ist (vgl zum Rechtswidrigkeitszusammenhang bei Verwirklichung des Veruntreuungsrisikos 4 Ob 67/12z = JBl 2012, 788 [ Dullinger ]).

2.1. Die Beklagte argumentiert, dass auf das im Zusammenhang mit der Geltendmachung von Anlegerschäden Zug um Zug zu erfüllende „Rückgewährungsschuldverhältnis“ § 21 IO analog anzuwenden sei. Bis zur Ausübung des Wahlrechts im Sinn des § 21 IO durch den Insolvenzverwalter bzw bis zum Ablauf der diesem gesetzten Erklärungsfrist sei der geschädigte Anleger weder Insolvenz‑ noch Massegläubiger. Daher liege bis zur Erfüllungsablehnung durch den Insolvenzverwalter auch noch keine Insolvenzforderung vor. Eine dennoch im Sinn des § 14 IO unbedingt angemeldete Forderung wäre zu bestreiten. Werde der unterbrochene Leistungsprozess vor einer Erfüllungsablehnung wegen der im Insolvenzverfahren ohne das Zug‑um‑Zug‑Element angemeldeten (ursprünglichen) Forderung des Anlegers fortgesetzt, habe das Prozessgericht festzustellen, dass es die geltend gemachte Insolvenzforderung nicht gebe.

Dazu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

2.2. Beim Vermögensschaden ist zwischen dem realen Schaden (diesen zu ersetzen begehrt die Klägerin), der in einer tatsächlichen negativen Veränderung der Vermögensgüter des Geschädigten liegt und auf dessen Ausgleich die Naturalherstellung (§ 1323 ABGB) ausgerichtet ist, und dem rechnerischen Schaden zu unterscheiden. Während für den realen Schaden eine in Geld messbare Vermögenseinbuße nicht entscheidend ist (RIS‑Justiz RS0022537 [T12]), versteht man unter rechnerischem Schaden die in Geld messbare Verminderung des Vermögens oder eines Vermögensgutes des Geschädigten. Der rechnerische Schaden wird stets durch eine Differenzrechnung ermittelt (RIS‑Justiz RS0030153 [T28]).

Bei einer Kapitalveranlagung liegt ein zu ersetzender Schaden bereits darin, dass ein Anleger kein wertstabiles (wie von ihm gewünscht), sondern ein Kursschwankungen unterliegendes Wertpapier (oder Edelmetall) erworben hat (RIS‑Justiz RS0120784 [T7]). Für das Vorliegen eines realen Schadens reicht es aus, dass die Zusammensetzung des Vermögens des Geschädigten nach dem schadensbegründenden Ereignis nicht seinem Willen entspricht (6 Ob 7/15w mwN).

Entschließt sich der Geschädigte, die unerwünschte Anlage vorläufig noch zu behalten, besteht ein– vereinfacht gesagt auf „Naturalrestitution“ gerichteter – Anspruch, der auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen einen Bereicherungsausgleich durch Übertragung des noch vorhandenen Finanzprodukts an den Schädiger gerichtet ist (RIS‑Justiz RS0108267 [T15]; RS0120784 [T22]). Da der Schaden des Anlegers bereits im Erwerb des ungewollten Finanzprodukts liegt, ist der Ersatzanspruch grundsätzlich nicht von dessen späterer Kursentwicklung abhängig, die Herausgabe der Wertpapiere ist nur eine Form des Bereicherungsausgleichs. Diese Variante des Leistungsbegehrens steht auch gegenüber dem bloßen Anlageberater zu, von dem die Finanzprodukte nicht erworben wurden (8 Ob 39/12m mwN).

Hätte der Anleger bei richtiger Beratung die Vermögensanlage nicht gekauft, hat er daher im Rahmen der „Naturalrestitution“ (§ 1323 ABGB) Anspruch auf Rückzahlung der zum Erwerb der Vermögensanlage gezahlten Kaufpreise abzüglich allfälliger erhaltener Zinszahlungen Zug um Zug gegen Übertragung der Vermögensanlage (RIS‑Justiz RS0108267 [T5]; RS0120784 [T3]). Durch die Notwendigkeit, ein Leistungsbegehren in diesem Sinn zu erheben, wird die Möglichkeit des Anlegers, auf dem Rücken des Schädigers zu spekulieren, verhindert (RIS‑Justiz RS0120784 [T12]). Wenn in der Entscheidung 6 Ob 7/15w (= RIS‑Justiz RS0108267 [T31] = RS0120784 [T39]; 1 Ob 86/17d; RS0030153 [T39]) davon gesprochen wird, dass das Angebot der Rückgabe der seinerzeit erworbenen Wertpapiere Zug um Zug gegen Rückerstattung des Kaufpreises erforderlich sei, weil durch die schadenersatzrechtliche Naturalrestitution eine Vertragsaufhebung nachgebildet werde, und in der Erhebung eines Anspruchs auf Rückerstattung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe der erworbenen Papiere auch das Begehren, in die Vertragsaufhebung einzuwilligen, liege, so bezieht sich diese Aussage – wie sich aus dem Verweis auf G. Kodek (Ausgewählte Fragen der Schadenshöhe bei Anlegerschäden, ÖBA 2012, 11 [14]) – ergibt, auf den Vertragspartner, von dem der Anleger die Wertpapiere erworben hat. Das ist im vorliegenden Fall die Schuldnerin nicht, die als Anlageberaterin für die Klägerin tätig war. Sie hat die allein geschuldete Beratungsleistung – wenn auch fehlerhaft – bereits erbracht. Ein Begehren auf Vertragsaufhebung kommt ihr gegenüber im Zusammenhang mit der Rückgabe der erworbenen Papiere nicht in Betracht.

2.3. Zutreffend legte das Berufungsgericht dar, dass die von der Klägerin im Insolvenzverfahren der Schuldnerin angemeldete Schadenersatzforderung keine bedingte Forderung im Sinn des § 16 IO ist; sie war vielmehr bereits im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz und der Insolvenzeröffnung fällig. Die klagende Anlegerin hat einen auf Geldersatz gerichteten schadenersatzrechtlichen Anspruch auf Rückzahlung der Investition. Bei diesem Anspruch auf „Naturalrestitution“ handelt es sich nicht um ein schadenersatzrechtliches Feststellungsbegehren über künftige Schadenersatzansprüche, die im Insolvenzverfahren als bedingte Insolvenzforderung (§ 16 IO) mit dem Schätzwert zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 14 Abs 1 IO) anzumelden wären (vgl dazu RIS‑Justiz RS0124734 [T1]).

2.4. Die von der Beklagten herangezogene Bestimmung des § 21 Abs 1 IO, die von einem Teil der Lehre auch auf „Rückabwicklungsschuldverhältnisse“ (Verhältnisse, die sich aus der Auflösung von gegenseitigen Verträgen ergeben) angewandt wird (so etwa Widhalm‑Budak in Konecny/Schubert , Insolvenzgesetze § 21 KO Rz 39; aA Iro , Das Zug‑um‑Zug‑Prinzip im Insolvenzverfahren, RdW 1985, 101 [102]; H.  Kepplinger , Das Synallagma in der Insolvenz [2000], 347), gelangt nicht – auch nicht analog – zur Anwendung. In casu handelt es sich nicht um ein „Rückabwicklungsschuldverhältnis“, sondern um einen – ohne Beachtung der Besonderheiten des Insolvenzverfahrens – zu berücksichtigenden Bereicherungsausgleich. Dabei geht es um eine Frage der Höhe des Anspruchs (vgl zum Vorteilsausgleich 7 Ob 89/14k; 10 Ob 85/15w; RIS‑Justiz RS0022788 [T4, T5]). § 21 IO betrifft im Austauschverhältnis stehende Leistungspflichten (RIS‑Justiz RS0119883). Die Schuldnerin hat ohne Zahlung gerade keinen Anspruch auf Herausgabe der Wertpapiere, den grundsätzlich die wechselseitige Verpflichtung Zug um Zug sichern soll. § 21 IO ist hier auch nicht analog anzuwenden, weil die Zug‑um‑Zug‑Abwicklung bei Anlegerschäden keine Sicherungsfunktion wie das Zurückbehaltungsrecht nach § 1052 ABGB hat, sondern eine Form des Bereicherungsausgleichs ist. Ihr Zweck ist nicht die Abwicklung von beiderseitigen Leistungspflichten (den geschädigten Anleger trifft keine Herausgabepflicht), sondern die Schadensberechnung „durch Naturalrestitution“ (8 Ob 79/16z).

2.5. Die Klägerin hat ihre Schadenersatzforderungen auf „Naturalrestitution“ zutreffend als unbedingte Forderungen angemeldet. Im Insolvenzverfahren kann grundsätzlich aufgrund der insolvenzrechtlichen Bestimmungen vom Schuldner nicht die Zug‑um‑Zug‑Einrede erhoben werden. Dieser Einwand steht ihm nur außerhalb des Insolvenzverfahrens offen ( Tremel , Insolvenzaufhebung während anhängigem Prüfungsprozess, ZIK 2017/9, 11 [15]). Die Anmeldung einer Forderung Zug um Zug gegen die Übertragung der Finanzprodukte ist im Insolvenzrecht nicht vorgesehen. Zutreffend ging das Berufungsgericht davon aus, dass bei einer Zug‑um‑Zug‑Verpflichtung eine unbestimmte Forderung im Sinn des § 14 Abs 1 IO vorliegt.

Die „Naturalrestitution“ bzw der „Naturalersatz“ ist – wie dargelegt – beim Schaden durch Erwerb einer unerwünschten Anlage nur eine besondere Berechnungsform des Geldersatzes (8 Ob 79/16z ua; RIS‑Justiz RS0129706 [T4]). Gemäß § 14 Abs 1 IO sind insbesondere Forderungen, die nicht auf eine Geldleistung gerichtet sind oder deren Geldbetrag unbestimmt ist, nach ihrem Schätzwert in inländischer Währung zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geltend zu machen. Steht daher eine Insolvenzforderung ihrer Höhe nach nicht fest, kann sie mit dem Schätzwert zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung angemeldet und im Insolvenzverfahren berücksichtigt werden. Der Wert einer „Zug‑um‑Zug‑Einschränkung“ eines Schadenersatzanspruchs ist im Insolvenzverfahren daher in entsprechender Anwendung des § 14 Abs 1 IO zu schätzen und – falls nicht null – vom Schadenersatzbetrag abzuziehen (so auch die deutsche Judikatur und Lehre zur vergleichbaren Bestimmung des § 45 Satz 1 dInsO: BGH II ZR 9/12 [Rn 17]; III ZR 383/12 [Rn 17, 27]; III ZR 384/12 [Rn 25]; VII ZR 58/13 [Rn 36]; IX ZR 315/14 [Rn 36]; Thonfeld in K. Schmidt , InsO 19 [2016] § 45 Rn 4). Daher wäre (bei Werthaltigkeit) der Wert der Finanzprodukte zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung von den wegen Fehlberatung aufgewendeten Ankaufskosten abzuziehen und die Differenz als unbedingte Insolvenzforderung anzumelden. Ein Prüfungsbegehren, das auf Feststellung einer Geldforderung zu lauten hat (RIS‑Justiz RS0065442), wäre auch nur in dieser Höhe berechtigt.

3. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin kann gegen diese während des Insolvenzverfahrens ein Leistungsurteil nicht erwirkt werden. Durch die Aufnahme des zunächst unterbrochenen Verfahrens wird der bisherige Leistungsprozess gemäß § 113 IO zu einem Prüfungsprozess nach § 110 IO. Gegenstand des Prüfungsprozesses ist der Teilnahmeanspruch, so wie er der Prüfungsverhandlung zugrunde lag (RIS‑Justiz RS0065601). Das Klagebegehren im Prüfungsprozess kann nur auf den Grund gestützt werden, der in der Anmeldung und bei der Prüfungstagsatzung angegeben worden ist, denn die ordnungsgemäße Abwicklung des Prüfungsverfahrens erfordert, dass es keinen Prüfungsprozess ohne vorhergehende Forderungsanmeldung gibt; es gibt daher in einem solchen keine Erweiterung oder Änderung des Klagsgrundes und auch keine Klagsänderung. Diese Begrenzung der Prüfungsklage ist von Amts wegen jederzeit zu beachten. Der Geltendmachung einer im Insolvenzverfahren nicht in diesem Sinn angemeldeten Forderung steht das Prozesshindernis der Unzulässigkeit des Rechtswegs entgegen. Unzulässig sind Klageänderungen; Ergänzungen sind zulässig, wenn die Forderung schon in der Anmeldung individualisiert worden ist (RIS‑Justiz RS0039281 [besonders T12, T17]; RS0065597).

Gegenstand der Forderungsanmeldung der Klägerin im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin waren ihre unbedingt angemeldeten Schadenersatzforderungen aus der fehlerhaften Anlageberatung (Ankaufskosten zuzüglich kapitalisierte Zinsen aus einer Alternativveranlagung für die beiden Veranlagungsprodukte) ohne Abzug des Werts des Bereicherungsausgleichs („Zug‑um‑Zug‑Einschränkung“). Entgegen der Ansicht der Beklagten hat die Klägerin kein „anderes Klagebegehren erhoben, als dieses Gegenstand der unbedingten Forderungsanmeldung ist“. Dass sich ihr Schadenersatzanspruch der Höhe nach um den Wert der jeweiligen Anlageprodukte vermindern könnte, führt nicht dazu, dass Gegenstand des Prüfungsprozesses eine andere als die angemeldete Forderung wäre.

4. Sowohl Vorbringen als auch Festellungen dazu, ob die von der Klägerin an die Schuldnerin abzutretenden Finanzprodukte noch werthaltig sind und welchen Wert sie gegebenenfalls haben, fehlen. Bei einer feststehenden Werthaltigkeit der von ihr zu übertragenden Veranlagungen reduzierte sich der Betrag ihrer Insolvenzforderung entsprechend. Zudem kann der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, dem Berufungsgericht dann nicht entgegentreten, wenn es ausgehend von seiner zutreffenden Rechtsansicht der Meinung ist, der Sachverhalt sei in der von ihm dargestellten Richtung noch nicht genügend geklärt (RIS‑Justiz RS0042179 [T3]).

5. Dem Rekurs ist daher nicht Folge zu geben.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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