European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0100OB00015.18F.0314.000
Spruch:
Beide Revisionen werden zurückgewiesen.
Jede Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.
Begründung:
Der Kläger ist selbständiger Taxiunternehmer in Salzburg. Die beklagte Partei hat die „Taxizone“ am Salzburger Flughafen in (Unter‑)Bestand genommen und die Ein‑ und Ausfahrt entsprechend den Bestimmungen des Unterbestandvertrags mit einer Schrankenanlage versehen. Die Unterbestandnehmerin verpflichtete sich weiters, sämtlichen Taxilenkern zu den gleichen Bedingungen die Nutzung der Taxizone zu ermöglichen, sofern nicht sachlich gerechtfertigte Ausschlussgründe vorliegen. Für die Nutzung der Taxizone ist pro Einfahrt ein von der beklagten Partei festzusetzender Infrastrukturbeitrag zu leisten.
Der Kläger begehrt 1. die Beklagte zu verpflichten, es zu unterlassen, das Zufahrtsrecht des Klägers hinsichtlich der Taxizone von der Leistung eines Infrastrukturbeitrags in Höhe von 1 EUR pro Fahrt abhängig zu machen und 2. die Feststellung, dass die in der Vereinbarung vom 27. April 2016 enthaltene Bestimmung, wonach die Beklagte die Zufahrt zur Taxizone nur unter der Bedingung gestattet, dass sie jederzeit widerrufen werden könne, unzulässig sei.
Das Erstgericht wies beide Begehren ab.
Das Berufungsgericht bestätigte die Abweisung des Unterlassungsbegehrens und gab dem Feststellungsbegehren statt. Es ließ die Revision zu, weil die behandelten Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Gewährung der Zufahrt zu Flughäfen für Kraftfahrzeuge im Rahmen des Taxigewerbes auch unter dem Aspekt des Kontrahierungszwangs und des Gleichbehandlungsgrundsatzes im Bereich öffentlicher Unternehmen als Monopolisten bislang ebenso wenig behandelt worden seien wie die Fragen, ob und wie ein Infrastrukturbeitrag als angemessen oder unangemessen bekämpft werden könne, ferner ob der jederzeitige Widerruf der Zufahrtsberechtigung über die Taxispur zulässig sei, und ob auch ein Feststellungsbegehren eines nicht von einem Widerruf betroffenen Taxilenkers zulässig sei.
Rechtliche Beurteilung
Die Revisionen der Parteien sind entgegen diesem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
1. Der Oberste Gerichtshof hat sich jüngst (20. 2. 2018, 4 Ob 13/18t) mit der Zulässigkeit einer (auch hier zwischen den Streitteilen vereinbarten) jederzeitigen Widerrufbarkeit des Zufahrtsrechts zu der betroffenen Taxizone befasst. Er kam zum Ergebnis, dass die Unterbestandgeberin ihre Monopolstellung an die Beklagte (Unterbestandnehmerin) übertragen habe, diese dem Kontrahierungszwang Rechnung tragen müsse und die Zufahrtsberechtigung der Taxilenker deshalb nur bei Vorliegen eines sachlichen Grundes widerrufen dürfe. Diese, dem Zulassungsausspruch zugrunde gelegte Rechtsfrage ist damit bereits im Sinn der Entscheidung des Berufungsgerichts beantwortet worden.
1.1 Der Zweck einer Feststellungsklage liegt darin, die Rechtslage zu klären, wenn ein von der Rechtsordnung anerkanntes Bedürfnis zur Klärung streitiger Rechtsbeziehungen besteht, sei es um weitere Streitigkeiten zu vermeiden, sei es um eine brauchbare Grundlage für weitere Entscheidungen zu schaffen (RIS‑Justiz RS0037422). Auch wenn nach den Feststellungen die Zufahrtsberechtigung des Klägers – im Gegensatz zu anderen Taxilenkern – noch nicht widerrufen wurde und er durch mehrere Jahre hindurch vor Abschluss der Vereinbarung mit der Beklagten kein Interesse an der Benützung der Taxizone gezeigt hatte, ist die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts nicht zu korrigieren, wenn es dem Kläger ein rechtliches Interesse an der Klärung der rechtlichen Qualifikation des Vertragsverhältnisses ([Un-]Zulässigkeit eines Prekariums) zubilligt.
2. Der Kläger meint nach wie vor, dass ein Taxifahrer für die Zahlung des veränderlichen Infrastrukturbeitrags (vorläufig mit 1 Euro pro Zufahrt vereinbart), zu der sich auch er selbst im (Standard-)Vertrag mit der Beklagten verpflichtet hatte, keine Gegenleistung erhält. Der Infrastrukturbeitrag sei unangemessen und sittenwidrig, stelle zumindest teilweise Entgelt dar und dürfe aufgrund der ausdrücklich vereinbarten Unentgeltlichkeit nicht verlangt werden. Mit dieser Argumentation, die sein Unterlassungsbegehren rechtfertigen soll, zeigt der Kläger keine erhebliche Rechtsfrage auf.
2.1 Verträge sind nach der ständigen Rechtsprechung sittenwidrig, wenn nach dem Gesamteindruck der Vereinbarung eine grobe Verletzung rechtlich geschützter Interessen oder bei Interessenkollision ein grobes Missverhältnis zwischen den durch die Handlung verletzten und den durch sie geförderten Interessen vorliegt (RIS-Justiz RS0113653 [T4]; RS0022884 [T13]). Ein Unternehmen darf seine Monopolstellung nicht dazu ausnützen, seinen Vertragspartnern „drückende“ Bedingungen aufzuzwingen (1 Ob 224/06g).
2.2 Die einzelfallbezogene (RIS-Justiz RS0037780 [T10]) Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der Kläger eine gravierende Ungleichgewichtslage (und damit die Sittenwidrigkeit des vereinbarten Infrastrukturbeitrags iSd § 879 Abs 1 ABGB als Voraussetzung für das Unterlassungsbegehren) nicht ausreichend dargelegt habe, ist vertretbar.
2.3 Für alle die Taxispur benützenden Taxiunternehmer gelten die gleichen Bedingungen: Sie müssen zuvor über eine Geldwertkarte den Infrastrukturbeitrag bezahlen. Das Gebot der Gleichbehandlung ist damit erfüllt.
2.4 Der Unterbestandvertrag sowie die Standardverträge zwischen Beklagter und den einzelnen Taxiunternehmern bezwecken die komfortablere Nutzung von Taxis durch Passagiere und Besucher des Flughafens sowie die Einhaltung bestimmter Qualitätsstandards, nachdem es in der Vergangenheit zu Beschwerden gekommen war. Ein verbessertes Angebot und Kundenzufriedenheit bringt auch den Taxiunternehmern Vorteile. Entgegen dem Vorwurf des Klägers stellt die Beklagte nach den Feststellungen der Vorinstanzen ihren Vertragspartnern eine gewisse Infrastruktur zur Verfügung und sie ist mit Aufwendungen für die Bewirtschaftung und Wartung der Taxizone belastet.
2.5 Bereits der Unterbestandvertrag sieht die Verpflichtung zur Einhebung eines angemessenen Infrastrukturbeitrags pro Einfahrt vor (Blg ./J Punkt VII.3). Der Kläger begründete die Unangemessenheit des von ihm zu leistenden Beitrags in seinem erstinstanzlichen Vorbringen mit einem Vergleich zwischen dem Jahresuntermietzins und den fiktiven Einnahmen aus dem Beitrag. Seine hypothetische Berechnung vernachlässigt die Aufwendungen der Beklagten, die nicht in der jährlichen Belastung mit dem Untermietzins bestehen, gänzlich.
2.6 Für die Beurteilung, ob die vertraglich vereinbarte Verpflichtung der Taxiunternehmer zur Leistung des Infrastrukturbeitrags an die Beklagte sittenwidrig ist und demnach von der Beklagten nicht gefordert werden dürfte, ist die Qualifikation dieser Leistung als (teilweises) Entgelt nicht von Bedeutung. Wäre der Beitrag nach der maßgeblichen (RIS-Justiz RS0017919) Absicht der Vertragsparteien als ins Gewicht fallende Gegenleistung und damit als Entgelt anzusehen ( Iro/Rassi in KBB 5 § 1090 ABGB Rz 3 mwN), kann die Vereinbarung schon deshalb kein Prekarium sein, weil dieses als Form der Leihe Unentgeltlichkeit voraussetzt (vgl RIS-Justiz RS0083418; Iro/Rassi § 1090 ABGB Rz 3). Die Vereinbarung des Infrastrukturbeitrags als (teilweises) Entgelt könnte ebenfalls nur dann als sittenwidrig angesehen werden, wenn eine gravierende Ungleichgewichtslage vorläge. Aber selbst wenn die Vereinbarung mit dem Kläger gar nicht wirksam begründet wurde, wäre die Beklagte berechtigt, die Nutzung der ihr untervermieteten Taxispur von der Zahlung eines angemessenen Benützungsentgelts abhängig zu machen.
3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Beide Parteien haben in der jeweiligen Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen. Da die Bemessungsgrundlage aber jeweils gleich hoch ist, gibt es keinen wechselseitigen Kostenersatz.
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