OGH 3Ob29/18p

OGH3Ob29/18p21.2.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Roch und Dr. Rassi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J***** G*****, vertreten durch Dr. Othmar Knödl, Mag. Manfred Soder, Rechtsanwälte in Rattenberg, gegen die beklagte Partei A*****, vertreten durch Mag. Stefan Geisler, Mag. Markus Gredler, Rechtsanwälte in Zell am Ziller, wegen 150.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Zwischenurteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 28. November 2017, GZ 1 R 236/17p‑35, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0030OB00029.18P.0221.000

 

Spruch:

Die Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Der klagende Bestandnehmer macht gegen die beklagte Bestandgeberin Schadenersatzansprüche geltend, weil diese die Neuerrichtung einer (abgebrannten) Imbisshütte auf dem in Bestand gegebenen Grundstück vertragswidrig verzögert habe, sodass der Kläger die Zustimmung der Beklagten zum Bauvorhaben in einem Vorprozess gerichtlich durchsetzen habe müssen. Diese sei aufgrund des Bestandvertrags verpflichtet gewesen, dem Bauvorhaben zuzustimmen und alles zu unternehmen, damit der Kläger die behördlichen Genehmigungen erhalte. Sie hafte ihm für die durch die Bauverzögerungen schuldhaft verursachten Schäden (Gewinnausfall, Baukostenerhöhung).

Die Beklagte wandte (soweit noch relevant) im Wesentlichen ein, dass sie ihre Zustimmung zum Neubau nicht mutwillig verweigert habe, weil dieser vom alten Projekt erheblich abgewichen sei.

Die Vorinstanzen beurteilten mit Zwischenurteil die Klageforderung als dem Grunde nach zu Recht bestehend. Aus § 1096 ABGB ergebe sich die Verpflichtung des Bestandgebers, bei der Einholung von behördlichen Bewilligungen, die für die vertragsgemäße Nutzung oder Umgestaltung des Bestandobjekts erforderlich seien, mitzuwirken. Die Beklagte habe im Bauverfahren ohne berechtigte Gründe die Zustimmung verweigert und im Vorprozess ihren aussichtslosen Rechtsstandpunkt aufrechterhalten. Die Unrichtigkeit ihres Standpunkts sei leicht erkennbar gewesen. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision mangels erheblicher Rechtsfragen nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

In ihrer außerordentliche Revision macht die Beklagte geltend, das Berufungsgericht habe, die Vertretbarkeit ihrer Rechtsansicht nicht großzügig und die Beweislastverteilung falsch beurteilt. Damit zeigt sie keine erheblichen Rechtsfragen auf.

1. Wer sich in einen Prozess eingelassen hat, obwohl er bei nötiger Aufmerksamkeit (§ 1297 ABGB) erkennen hätte müssen, dass der Prozess aussichtslos ist, handelt rechtswidrig und schuldhaft, sodass er schadenersatzpflichtig wird (RIS-Justiz RS0022840). Setzt eine Partei Verfahrenshandlungen, obwohl sie weiß, dass dadurch ein Vertragspartner vermögensmäßige Nachteile erleiden kann, haftet sie bei Erkennbarkeit ihres aussichtslosen Standpunkts (RIS-Justiz RS0022854). Schadenersatz wegen einer durch eine Prozessführung herbeigeführten Verzögerung kommt somit dann in Betracht, wenn der Verurteilte wusste oder wissen musste, dass sein Rechtsstandpunkt entweder der tatsächlichen Voraussetzungen entbehre oder von vornherein unhaltbar sei, dessen ungeachtet aber den Prozess führt (RIS-Justiz RS0020727). Diese missbräuchliche Inanspruchnahme des Gerichts muss einwandfrei erwiesen sein (RIS-Justiz RS0022840 [T1]).

2.1 Die angefochtene Entscheidung hält sich im Rahmen der aufgezeigten Grundsätze. Die mit der gesicherten Judikatur (RIS-Justiz RS0021006) im Einklang stehende Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass die Beklagten als Bestandgeberin zur Mitwirkung bei der Errichtung eines vom Vertragsinhalt gedeckten Gebäudebaus verpflichtet und ihr gegenteiliger Standpunkt im Vorprozess daher aussichtslos gewesen sei, bedarf keiner Korrektur durch gegenteilige Sachentscheidung.

2.2 Ob ein im Verfahren vertretener Standpunkt von vornherein aussichtslos ist, hängt ebenso von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS-Justiz RS0022840 [T12], RS0022854 [T1]) wie die Frage, ob das Verhalten einer Prozesspartei in einem Vorverfahren als mutwillig beurteilt werden muss (RIS-Justiz RS0079881, RS0116109). Abgesehen von Fällen einer vom Obersten Gerichtshof aufzugreifenden Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts (vgl RIS-Justiz RS0044088) liegt daher keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO vor. Eine solche Fehlbeurteilung zeigt die Beklagte aber nicht auf.

3. Auch Fragen zur Beweislast können die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht stützen. Der Geschädigte muss beweisen, dass der Schädiger den Vorprozess schuldhaft rechtswidrig führte (RIS-Justiz RS0022777 [T2, T4]), was auch im Vertragsverhältnis gilt (RIS-Justiz RS0022859). Da die Vorinstanzen aus den getroffenen Feststellungen bzw den Ergebnissen im Vorprozess ableiteten, dass kein sachlicher Grund zur Verweigerung des Projekts durch die Beklagten vorlag, konnten sich Beweislastfragen nämlich gar nicht stellen (RIS-Justiz RS0039903). Es kommt daher auch nicht darauf an, aus welchen inneren Motiven die Beklagte den Vorprozess geführt hat.

4. Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit wurde geprüft, sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Der gerügte Verstoß gegen das Verbot von Überraschungsentscheidungen ist nicht erfüllt, weil die vom Berufungsgericht beurteilten Fragen zur Dimension des Neubaus bzw zur Aussichtslosigkeit der Prozessführung im Vorprozess bereits Gegenstand des erstgerichtlichen Verfahrens waren.

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