OGH 4Ob236/17k

OGH4Ob236/17k20.2.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.‑Prof. Dr. Brenn und Dr. Rassi sowie die Hofrätin Mag. Wessely‑Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*****, vertreten durch MMag. Dr. Susanne Freyer, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei „c*****“ ***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Gerhard Steiner, Rechtsanwalt in Wien, wegen 5.592,33 EUR sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom 8. August 2017, GZ 7 R 89/17v‑36, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Melk vom 16. März 2017, GZ 12 C 122/16v‑31, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0040OB00236.17K.0220.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 625,45 EUR (darin 104,35 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte beabsichtigte auf einer in ihrem Alleineigentum stehenden Liegenschaft befindliche Wohnungen nach einer Generalsanierung zu vermieten. Sie beauftragte die W*****-GmbH (kurz: W***** GmbH) mit den Sanierungsarbeiten, der Baustellenkoordinierung und der laufenden Kommunikation mit den künftigen Mietern, insbesondere hinsichtlich der Änderungs- und Sonderwünsche der Mieter bei der Gestaltung der Wohnungen. Die Beklagte erteilte der W***** GmbH und deren Geschäftsführer H***** M***** auch Vollmacht zum Abschluss der Mietverträge entsprechend einem von der Geschäftsführerin der Beklagten vorab für in Ordnung befundenen Mietvertragstext. H***** M***** war jedoch nicht bevollmächtigt, darüber hinausgehende Zusagen an die Mieter zu machen oder vom Standardvertrag abweichende Sonderwünsche der Mieter ohne Genehmigung durch die Beklagte in den Mietvertrag aufzunehmen. Der von der Beklagten beauftragte Makler hatte ebenfalls keine Vollmacht, den Mietinteressenten Änderungen gegenüber der Standardausführung zuzusagen.

Die Klägerin interessierte sich für die Wohnung Top 2 auf der Liegenschaft der Beklagten. Bei der gemeinsamen Besichtigung teilte der Makler der Klägerin mit, dass die künftigen Mieter ein gewisses Mitspracherecht bei der Gestaltung der Wohnung hätten, nämlich hinsichtlich der – durch Zwischenwände gestaltbaren – Raumgrößen, bei der Auswahl des Laminats, der Paneele, der Fliesen und Sanitäreinrichtung sowie bei Schaltern und Steckdosen, wegen Änderungs- und Sonderwünschen müsse er allerdings Rücksprache halten.

Die Klägerin wollte die für die Wohnung vorgesehene Fußbodenheizung nur wenig nutzen und stattdessen unbedingt ein alternatives Heizsystem (wie einen Kamin) haben. Des Weiteren wollte die Klägerin den Einbau von Außenjalousien bei den straßenseitigen Fenstern als Sicht-, Lärm- und Einbruchsschutz. Diese beiden Punkte waren der Klägerin so wichtig, dass sie bei Nichtvorliegen eines alternativen Heizsystems neben oder anstelle der Fußbodenheizung oder auch ohne Einbau von Rollläden die Wohnung nicht genommen und den Mietvertrag nicht unterschrieben hätte. Die Klägerin selbst hätte sich kostspielige Umbauten wie etwa den Einbau von Rollläden und Außenjalousien nicht leisten können.

Am 27. Jänner 2015 erhielt die Klägerin von der W***** GmbH ein E‑Mail mit auszugsweise folgendem Inhalt:

[…] Wie Sie dem Mietvertrag entnehmen können, werden wir jetzt die Sanierung und den Ausbau der Wohnungen, dem üblichen Standard entsprechend, durchführen.

Sollten Sie jedoch im Sanitärbereich, sowie bei Schalter und Steckdosen besondere Wünsche und Vorstellungen haben, die Sie eingebaut haben wollen, bitten wir Sie mit den [sic] bei uns zuständigen Herrn M***** mit dem Hinweis 'Wohnung in P*****' Kontakt aufzunehmen.

Sie haben die Möglichkeit, vor allen Dingen im Sanitärbereich, den uns zur Verfügung stehenden großen Schauraum unverbindlich zu besichtigen und vorausgesetzt Sie wollen das, andere Modelle als die Standartausrüstung [sic] aussuchen.

Wenn die von Ihnen ausgewählten Sonderwünsche preislich höher sind, wird Ihnen klarerweise die Standartausrüstung [sic] gegen verrechnet. Die Differenz müssten Sie jedoch begleichen. …"

Nachdem die Klägerin vom Makler den Mietvertragsentwurf per E‑Mail übermittelt erhalten hatte, formulierte sie „Zusatzvereinbarungen betreffend Sanierung und Standardeinrichtung“, darunter „Benutzung des Kamins für einen Schwedenofen“, „Rollläden als Lärm-/Einbruchs- und Schmutzschutz bei allen an der Straße liegenden Fenstern“ und „Einbau einer Balkontüre im Schlafzimmer mit Zugang (Stiegenabgang) in einen kleinen Vorgarten“, und schloss diese „Zusatzvereinbarungen“ dem Vertragstext derart an, dass sie sich auf der Rückseite der letzten Seite des zweiseitig ausgedruckten Vertragstextes fanden. Die Klägerin ging davon aus, dass diese Zusatzwünsche – die sie vor dem Termin zur Unterzeichnung des Mietvertrags ausschließlich mit dem Makler besprach – für sie unentgeltlich umgesetzt würden, sofern nichts anderes erwähnt war.

Beim Termin zum Abschluss des Mietvertrags am 18. Februar 2015 gingen die Klägerin und der Makler jene Vertragspunkte durch, welche gegenüber dem Standardvertragstext Änderungen bedeuteten, so auch die von der Klägerin auf der Rückseite des letzten Blattes des Vertrags ergänzten Zusatzwünsche. H***** M***** war während des gesamten, etwa 20 bis 30 Minuten dauernden Termins anwesend, ohne den Raum zu verlassen oder zu telefonieren. Er stand, während die Klägerin und der Makler unter anderem die von der Klägerin dem Vertrag angefügten Zusatzwünsche laut miteinander besprachen, rund 1,5 m hinter den beiden, sagte jedoch nichts. Ob H***** M***** beim Gespräch zuhörte oder die letzte Seite des Vertrags sah, konnte nicht festgestellt werden. Beim Durchbesprechen nummerierte die Klägerin auch die Seiten des Vertrags händisch durch. Die Klägerin übergab H***** M***** die halbe Kaution sowie die Mietvertragsgebühr. H***** M***** unterschrieb auf der siebenten Seite des Vertrags, welche mit „Zahlungen bei Mietvertragsunterzeichnung“ tituliert war, neben „Kaution 1. Rate Betrag erhalten am …“ und „Erstellung Mietvertrag Betrag erhalten am ...! jeweils unter dem vorgedruckten Namen der Beklagten. Die Klägerin unterzeichnete den Mietvertrag auf der sechsten Seite (letzte Seite des Mietvertragsentwurfs) und auf der achten, sprich Rückseite der siebenten, Seite („Zusatzvereinbarungen betreffend Sanierung und Standardeinrichtung“). Durch die Unterschriften der Klägerin und des H***** M***** sollte der Mietvertrag abgeschlossen werden. Die Klägerin fragte noch nach, warum beim Datum des Mietvertrags der 1. Juli 2015 angeführt sei, woraufhin der Makler zu ihr meinte, es sei üblich, dass die Beklagte erst im Juli beim Einzugstermin unterschreibe.

Die Geschäftsführerin der Beklagten erfuhr erstmals im Mai 2015 von den Änderungswünschen der Klägerin entsprechend der achten Seite des Vertrags. Sie war damit nicht einverstanden und auch nicht willens, die von der Klägerin gewünschten Änderungen, wie insbesondere den Einbau der Rollläden, auf Kosten der Beklagten vornehmen zu lassen.

Die Klägerin begehrte von der Beklagten zuletzt die Zahlung von insgesamt 5.945,38 EUR sA an Schadenersatz wegen Nichterfüllung des im Februar 2015 zwischen den Parteien zustande gekommenen Mietvertrags. H***** M***** habe für die Beklagte gehandelt, die Sonderwünsche der Klägerin seien mit ihm ausgehandelt worden. Die teilweise Umsetzung der Sonderwünsche der Klägerin sei als konkludente Annahme dieser Sonderwünsche zu beurteilen. Die Klägerin sei gezwungen gewesen, kurzfristig eine andere, vergleichbare Wohnung teurer anzumieten, nachdem die W***** GmbH namens der Beklagten erklärt habe, an der Aufrechterhaltung des Mietvertrags nicht mehr interessiert zu sein. Die Klägerin machte die monatliche Differenz der beiden Mietzinse von August 2015 bis einschließlich Jänner 2017, die Kosten des zur Finanzierung des Genossenschaftsanteils der neu angemieteten Wohnung erforderlichen Kreditvertrags sowie Benzinkosten für Fahrten geltend, die sie im Vertrauen auf den Mietvertragsabschluss mit der Beklagten getätigt habe.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Ein Mietvertrag sei nicht zustande gekommen. Weder der Makler noch H***** M***** hätten für die Beklagte rechtswirksam Zusagen abgeben bzw Mietverträge abschließen können. Die Beklagte habe an die Klägerin einen Mietvertragsentwurf betreffend die Standardausstattung übermittelt, den die Klägerin eigenmächtig um kostspielige Zusatzwünsche ergänzt habe. Es sei kein Konsens hinsichtlich wesentlicher Vertragspunkte vorgelegen, zumal die Gültigkeit von Änderungen des Mietvertrags ausdrücklich an das Schriftlichkeitsgebot geknüpft gewesen sei. Damit sei von der Beklagten klargestellt worden, dass jede Änderung zu dieser Textierung durch sie persönlich genehmigt werden müsse und eine allfällige Vollmacht diese Änderung nicht umfasse. Hinsichtlich der von der Klägerin als wesentlich angesehenen und angeblich gratis vereinbarten Sonderwünsche habe es keine Durchführungsmaßnahmen gegeben. Die Klägerin habe mit der Anmietung einer Genossenschaftswohnung zudem gegen ihre Schadensminderungspflicht verstoßen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Beklagte habe durch das Schriftformgebot im Mietvertrag mit ausreichender Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht, dass sie nur an den schriftlich fixierten Vertragstext gebunden sein wolle und mit Vertragsverhandlungen befassten Dritten keine Befugnis eingeräumt habe, vom schriftlichen Text abweichende oder über diesen hinausgehende Zusagen zu machen. Daher bleibe kein Raum für die Annahme einer Anscheinsvollmacht des H***** M***** betreffend die Zusage von Sonderwünschen. Irrelevant sei, dass mit der Umsetzung der Sonderwünsche teilweise begonnen worden sei, weil hier die Beklagte keinen Anschein gesetzt habe, den sie sich zurechnen lassen müsse. Da die Klägerin selbst erklärt habe, dass die Rollläden und ein alternatives Heizsystem unabdingbare Voraussetzung für den Abschluss eines Mietvertrags gewesen seien, die ihr H***** M***** aber nicht habe zusagen können und die auch von der Beklagten nicht nachträglich genehmigt worden seien, sei von Dissens auszugehen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Aus dem Sachverhalt ergebe sich keine Zusage von H***** M***** gegenüber der Klägerin zu der von ihr gewünschten Zusatzvereinbarung, womit der hier vorliegende Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt von der Entscheidung 5 Ob 81/01z abweiche. Die bloße Anwesenheit des H***** M***** beim Termin am 18. Februar 2015 lasse keine andere rechtliche Beurteilung zu, auch wenn die Klägerin und der Makler damals die vom Standardvertragstext abweichenden Änderungen besprochen hätten. Im E‑Mail vom 27. Jänner 2015 sei H***** M***** als Ansprechpartner für „Sonderwünsche“ im Sanitärbereich sowie bei Schaltern und Steckdosen genannt worden, woraus bereits deutlich werde, dass H***** M***** in puncto Sonderwünsche keine uneingeschränkte Befugnis gehabt habe. In der bloßen Bevollmächtigung zum Abschluss standardisierter Mietverträge liege kein äußerer Tatbestand, den die Beklagte zu verantworten habe und der ausreiche, um bei der Klägerin die begründete Annahme zu rechtfertigen, H***** M***** sei befugt, Sondervertragsbedingungen auszuhandeln. Die Berufung auf eine Anscheinsvollmacht gehe daher ins Leere. Anhaltspunkte für eine konkludente Genehmigung des Mietvertrags durch die Beklagte lägen nicht vor.

Aufgrund eines Antrags der Klägerin änderte das Berufungsgericht seinen Zulassungsausspruch nachträglich dahin ab, dass es die ordentliche Revision doch zuließ. Das Berufungsgericht habe dem Umstand, ob und gegebenenfalls mit welchem Inhalt die Beklagte als Vollmachtgeberin außenstehenden Dritten (Kunden) gegenüber (k)eine Beschränkung der erteilten Vollmacht kundgegeben habe, kein Augenmerk geschenkt. Wenn die Beklagte keinen Hinweis darauf offengelegt habe, dass die W***** GmbH und für diese H***** M***** nur zum Unterfertigen vorformulierter standardisierter Mietverträge bevollmächtigt gewesen sei, könnte die von der Beklagten erteilte Vertretungsmacht einen äußeren Tatbestand erfüllen, der bei der Klägerin die begründete Annahme rechtfertige, dass H***** M***** zum Unterfertigen eines vom Standardvertragstext abweichenden Mietvertrags berechtigt sei.

Gegen das Berufungsurteil richtet sich die Revision der Klägerin wegen Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung dahin, dass der Klage stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, das Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig. Sie ist aber im Ergebnis nicht berechtigt.

A. Die Revision macht als Aktenwidrigkeit geltend, die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Vermutung der Verwaltervollmacht im Sinn des § 1029 ABGB mangels Zusage durch H***** M***** nicht greife, gehe nicht von den (vollständigen) Feststellungen des Erstgerichts aus. Eine Aktenwidrigkeit ist aber nur gegeben, wenn Feststellungen auf aktenwidriger Grundlage getroffen werden (RIS-Justiz RS0043347 [T3]). Eine (allenfalls unrichtige) rechtliche Schlussfolgerung – wie hier – erfüllt den Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit nicht (RIS-Justiz RS0043256).

B. In ihrer Rechtsrüge macht die Klägerin geltend, das Berufungsgericht habe das Vorliegen eines die Vertretungsmacht des H***** M***** begründenden Anscheins zu Unrecht verneint.

1. Eine Anscheinsvollmacht (= Vollmacht wegen Vertrauens auf den äußeren Tatbestand) setzt voraus, dass Umstände vorliegen, die geeignet sind, im Dritten den begründeten Glauben an die Berechtigung des Vertreters zum Abschluss des beabsichtigten Geschäfts zu erwecken. Der die Vertretungsmacht begründende Anschein hat dabei nicht vom Vertreter, sondern von einem Verhalten des Vertretenen oder eines vertretungsbefugten Organs auszugehen (RIS-Justiz RS0019609; RS0020004; RS0020145; RS0020331; zuletzt etwa 8 ObS 1/17f; 8 Ob 98/17w).

2.1. Will der Geschäftsherr die nach § 1029 Abs 1 ABGB vermutete Vertretungsmacht ausschließen oder einschränken, so muss er dies Dritten gegenüber deutlich machen ( Apathy in Schwimann/Kodek , ABGB 4 § 1029 Rz 9; P. Bydlinski in KBB 5 § 1029 ABGB Rz 5, jeweils mwN).

2.2. Dementsprechend hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 5 Ob 81/01z ausgesprochen, dass ein Wohnungseigentumsorganisator, der sich bei der Aufnahme und Pflege von Kontakten zu Kaufinteressenten von Personen vertreten lässt, die mit seinem erklärten Willen auch Gespräche über Sonderwünsche der Kunden hinsichtlich des noch im Bau befindlichen Wohnungseigentumsprojekts führen, damit eine Vollmacht kundgibt, die nach dem Gegenstand und der Natur des Geschäfts auch die Zusage der Erfüllung von Sonderwünschen deckt, wenn er nicht darauf hinweist, seine Vertreter nur zur Vermittlung oder Besprechung ermächtigt zu haben (RIS-Justiz RS0115194; RS0020251 [T23]).

3. Der Klägerin ist zuzustimmen, dass die Beurteilung des Berufungsgerichts, im vorliegenden Fall sei kein äußerer, der Beklagten zurechenbarer Tatbestand zu erkennen, der die Annahme rechtfertige, H***** M***** könnte Sondervertragsbedingungen aushandeln, mit dem Tenor dieser Entscheidung nicht in Einklang steht. Nach den Feststellungen hatte die Beklagte die W***** GmbH bzw deren Geschäftsführer unter anderem mit der laufenden Kommunikation mit den künftigen Mietern über deren Sonder- und Änderungswünsche die Gestaltung der Wohnungen betreffend beauftragt und zum Abschluss von Standardmietverträgen bevollmächtigt. Die Beklagte wäre in dieser Konstellation verhalten gewesen, den Anschein einer weitergehenden Bevollmächtigung der W***** GmbH bzw des H***** M***** auch mit der Zusage der Erfüllung von Sonderwünschen Dritten gegenüber zu zerstören.

4. Ein Vertrag zwischen den Parteien über die Sonderwünsche der Klägerin laut „Zusatzvereinbarungen betreffend Sanierung und Standardvereinbarung“ ist nach den Feststellungen trotzdem nicht zustande gekommen, sodass weitergehende Erwägungen zur Bevollmächtigung des H***** M***** kraft Rechtsscheins, aber auch zu dem vom Erstgericht zur Begründung der Klageabweisung herangezogenen Schriftformgebot für Vertragsergänzungen, dahingestellt bleiben können.

5. Für das Zustandekommen eines Vertrags ist die Einigung der Vertragsteile über den Vertragsinhalt und die ausdrückliche oder stillschweigende Erklärung des Abschlusswillens erforderlich. Eine Einigung der Parteien über den Vertragsinhalt ist erst anzunehmen, wenn über sämtliche Vertragsbestimmungen Einigkeit besteht. Solange über einzelne Vertragsbestimmungen – wesentliche oder unwesentliche – Fragen noch offen sind, ist der Vertrag nicht zustande gekommen (RIS-Justiz RS0038607).

6. Hier fehlt es an einer Einigung darüber, welche der Vertragsparteien die Kosten für die Erfüllung der Sonderwünsche der Klägerin zu tragen hat. Der schriftliche Mietvertrag regelt diese Frage nicht. Fest steht, dass die W***** GmbH der Klägerin mit E‑Mail vom 27. Jänner 2015 mitteilte, dass die Mieter selbst die Preisdifferenz zwischen der Standardausstattung und den ausgewählten Sonderwünschen zu tragen haben. Die Klägerin ging hingegen nach den Feststellungen davon aus, dass die „Zusatzvereinbarungen“ für sie unentgeltlich umgesetzt würden. Die Klägerin und der Makler sprachen zwar anlässlich des Termins zur Mietvertragsunterzeichnung – in Anwesenheit des H***** M***** – über die auf der Rückseite des letzten Blattes des Vertrags ergänzten Zusatzwünsche der Klägerin. Aus den Feststellungen geht aber nicht hervor, dass die Klägerin bei dieser Gelegenheit ihre – dem Inhalt des E-Mails der W***** GmbH vom 27. Jänner 2015 widerstreitende und dem schriftlichen Vertragsentwurf gerade nicht entnehmbare – Erwartung kommuniziert hätte, die Beklagte werde die Sonderausstattung auf ihre Kosten herstellen. Die Klägerin durfte daher das Schweigen des H***** M***** anlässlich des Termins jedenfalls nicht als Zustimmung zur Übernahme der für die „Zusatzvereinbarungen“ anfallenden Kosten durch die Beklagte auffassen (vgl RIS-Justiz RS0014205). Auch eine von der Klägerin behauptete „konkludente Annahme“ durch teilweise Umsetzung der Sonderwünsche scheidet aus diesem Grund aus.

7. Hinsichtlich der Tragung der Kosten für die Erfüllung der Sonderwünsche der Klägerin ist daher weder ein natürlicher noch ein normativer Konsens gegeben. Mangels übereinstimmenden Willens und übereinstimmender Willenserklärungen der Parteien liegt vielmehr Dissens vor. Da die Umsetzung der Sonderwünsche „alternatives Heizsystem“ und „Rollläden“ auf Kosten der Beklagten für die Klägerin Voraussetzung für den Abschluss des Mietvertrags war, betrifft die Nichteinigung einen Hauptpunkt des Vertrags. Damit erweist sich im Ergebnis die Schlussfolgerung des Erstgerichts als zutreffend, dass infolge Dissens kein Vertrag zwischen den Parteien zustande gekommen ist (vgl 1 Ob 762/76; Bollenberger in KBB 5 § 869 ABGB Rz 8). Dieser Dissens musste der Klägerin – anders als der Beklagten – bei gehöriger Sorgfalt aufgrund des E-Mails vom 27. Jänner 2015 auch bekannt sein, sodass ein Zuspruch der als Vertrauensschaden begehrten Benzinkosten ebenfalls nicht in Betracht kommt. Die Revision der Klägerin muss daher letztlich erfolglos bleiben.

8. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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