OGH 5Ob7/18t

OGH5Ob7/18t13.2.2018

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragsteller 1. F* M*, vertreten durch Dr. Franz Hitzenbichler, Dr. Bernhard Zettl, Rechtsanwälte in Salzburg, 2. V* B*, vertreten durch Dr. Christoph Gernerth Mautner Markhof, Dr. Gabriele Gernerth Mautner Markhof, Dr. Alexander Schalwich, Rechtsanwälte in Hallein, 3. C* W*, vertreten durch Dr. Franz Hitzenbichler, Dr. Bernhard Zettl, Rechtsanwälte in Salzburg, gegen die Antragsgegner 1. Mag. S* H*, vertreten durch die Zumtobel Kronberger Rechtsanwälte OG in Salzburg, 2. F* H*, vertreten durch Dr. Roland Reichl, Rechtsanwalt in Salzburg, 3. S* S*, wegen § 24 Abs 6, § 29 WEG (§ 52 Abs 1 Z 4 und 5 WEG), über den Revisionsrekurs der Erstantragsgegnerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 18. Oktober 2017, GZ 22 R 300/17x-56, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Hallein vom 17. Juli 2017, GZ 24 Msch 1/15a-47, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E120889

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die Erstantragsgegnerin ist schuldig, dem Erstantragsteller und der Drittantragstellerin deren mit 415 EUR (darin enthalten 69,17 EUR USt) und der Zweitantragstellerin deren mit 377,50 EUR (darin enthalten 62,92 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Die Antragsteller und die Antragsgegner sind die Mit- und Wohnungseigentümer einer Liegenschaft. Mit Ausnahme des Erstantragstellers sind die Streiteile miteinander verwandt. Ein Verwalter ist nicht bestellt; im Rahmen der Eigenverwaltung erstellt der Zweitantragsgegner die Abrechnungen, der Ehegatte der Drittantragstellerin kümmert sich um das Verwaltungskonto.

Am 6. 8. 2013 brachte die Erstantragsgegnerin im eigenen Namen eine Mahnklage gegen den Erstantragsteller auf Zahlung von 500 EUR ein. Der (beklagte) Erstantragsteller weigere sich die Akontozahlung für Betriebskosten, Verwaltungskosten, Instandhaltung und Erhaltung für Mai 2013 zu leisten. Die (klagende) Erstantragsgegnerin sei mit dieser Zahlung in Vorlage getreten und mit der Wahrnehmung der Interessen der Eigentümergemeinschaft als Verwalterin bevollmächtigt. Der Beklagte wandte ein, dass er die Wohnung erst im Juli 2013 grundbücherlich erworben habe und daher nicht verpflichtet sei, schon für den Zeitraum ab Mai 2013 Betriebskosten zu akontieren. Außerdem sei die Klägerin nicht zur Klageführung legitimiert. Die Erstantragsgegnerin zog die Klage unter Anspruchsverzicht zurück. Sowohl ihre eigenen Verfahrenskosten als auch die (gerichtlich bestimmten und exekutiv eingebrachten) Verfahrenskosten des Erstantragstellers stellte sie der „Hausverwaltung“ in Rechnung. Dieser Betrag wurde ihr auch vom Verwaltungskonto zurückerstattet. Der Zweitantragsgegner initiierte einen Umlaufbeschluss, wonach die Kosten der Klage sowie die Kosten der Vertretung des Erstantragstellers als gesonderte Kosten in der nächsten periodischen Abrechnung der Betriebskosten, Instandhaltungskosten sowie Erhaltungskosten zu verrechnen seien. Die Mehrheit der Miteigentümer stimmte für diesen Beschluss.

Die Antragsteller beantragten die Feststellung der Rechtsunwirksamkeit dieses Beschlusses wegen Gesetzwidrigkeit. Die Gerichts- und Anwaltskosten, die allein die Erstantragsgegnerin ohne entsprechenden Auftrag und Beschluss verursacht habe,seien keine Betriebs- oder Instandhaltungskosten. Der Versuch, diese Kosten auf die Eigentümergemeinschaft abzuwälzen, sei missbräuchlich.

Das Erstgericht gab dem Antrag statt und stellte fest, dass dieser Beschluss der Eigentümergemeinschaft rechtsunwirksam sei. Die Erstantragsgegnerin habe eine eigene Forderung gegenüber dem Erstantragsteller eingeklagt und damit nicht einen Anspruch der Eigentümergemeinschaft geltend gemacht. Die Kosten dieses Gerichtsverfahrens seien daher keine Aufwendungen der Eigentümergemeinschaft. Damit fehle es an einer gesetzlichen Grundlage, diese auf die Eigentümergemeinschaft zu überwälzen. Der Versuch, die persönlichen Prozesskosten eines Miteigentümers der Eigentümergemeinschaft aufzuerlegen, welche – aufgrund vorheriger Befriedigung ihrer diesbezüglichen Forderungen – kein Interesse am Obsiegen desselben gehabt habe, sei im Sinne der im § 24 Abs 6 WEG als Anfechtungsgrund normierten Gesetzwidrigkeit als krasser Verstoß gegen die Grundsätze der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit anzusehen.

Das Rekursgericht gab den Rekursen der Erstantragsgegnerin und des Zweitantragsgegners nicht Folge. Beschlüsse über die Tragung der im Zusammenhang mit der Einforderung der vorgeschriebenen Betriebskosten entstandenen Verfahrenskosten gehörten zwar zu den Angelegenheiten der ordentlichen Verwaltung im Sinne des § 28 Abs 1 WEG. Die Geltendmachung der Kosten für gerichtliche Einbringungsmaßnahmen der Erstantragsgegnerin setzte allerdings einen Beschluss voraus, mit dem die Mehrheit der Miteigentümer eine entsprechende Weisung erteilte. Die Anfechtung aus dem Titel der „Gesetzwidrigkeit“ nach § 24 Abs 6 WEG stehe nur bei einer Verletzung von zwingenden Bestimmungen des WEG und bei „krassen“ Verstößen gegen die für die Verwaltung stets geforderten Grundsätze der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit offen. Ein derartiger krasser Verstoß liege hier vor, weil ein berechtigtes Interesse der Eigentümergemeinschaft an der Übernahme der Verfahrenskosten schon mangels beschlussmäßig erteilter Weisung zur Klageerhebung nicht ersichtlich sei. Abgesehen davon, dass die Erstantragsgegnerin im eigenen Namen einen Betrag eingeklagt habe, den sie zuvor ohne entsprechende Weisung ausgelegt habe, sei die Klage schon deshalb nicht als zweckentsprechend anzusehen, weil sie unter Anspruchsverzicht zurückgezogen worden sei. Die Eigentümergemeinschaft hafte daher der Erstantragsgegnerin für die Einbringlichmachung dieses eingeklagten Betrags nicht, noch handle es sich bei den in dem von der Erstantragsgegnerin angestrengten Verfahren entstandenen Kosten um „Liegenschaftsaufwendungen“.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 10.000 EUR übersteige und ließ den Revisionsrekurs (nachträglich) zu. Die Ausführungen in der Zulassungsvorstellung der Erstantragsgegnerin seien insofern stichhältig, als zur Frage, ob der Begriff „Gesetzwidrigkeit“ einschränkend zu interpretieren sei, insbesondere ob es zulässig sei, die Gesetzwidrigkeit darauf zu stützen, dass die von der Erstantragsgegnerin eingebrachte Klage unter Anspruchsverzicht zurückgezogen worden sei, keine Rechtsprechung bestehe.

In ihrem Revisionsrekurs beantragt die Erstantragsgegnerin, die Entscheidung des Rekursgerichts abzuändern und den Antrag abzuweisen. Hilfsweise stellt sie einen Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag.

Die Antragsteller beantragen in ihren Revisionsrekursbeantwortungen, den Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen, in eventu diesem keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist – entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts (§ 52 Abs 2 WEG iVm § 37 Abs 3 Z 16 MRG und § 71 Abs 1 AußStrG) – nicht zulässig.

1. Jeder Wohnungseigentümer kann nach Maßgabe des § 24 Abs 6 WEG einen Beschluss der Eigentümergemeinschaft wegen formeller Mängel, Gesetzwidrigkeit oder Fehlens der erforderlichen Mehrheit anfechten.

2. Dieses in § 24 Abs 6 WEG normierte Anfechtungsrecht der Minderheit gegen Beschlüsse der Mehrheit wegen Gesetzwidrigkeit bedeutet nicht, dass eine umfängliche Inhaltskontrolle der Maßnahmen der ordentlichen Verwaltung nach den Prinzipien der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit zu erfolgen hätte. Der überstimmten Minderheit soll vielmehr die Einhaltung zwingender Bestimmungen des WEG garantiert werden, allenfalls noch erweitert um „krasse“ Verstöße gegen die für die Verwaltung stets geforderten Grundsätze der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit (5 Ob 208/16y; 5 Ob 20/16a, 5 Ob 186/08a; 5 Ob 144/05w; RIS‑Justiz RS0120092). Diese einschränkende Interpretation des Begriffs „Gesetzwidrigkeit“ entspricht – entgegen der vom Rekursgericht in seiner Zulassungsbegründung geäußerten Ansicht – der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (5 Ob 186/08a).

3. Die Vorinstanzen haben hier den Liegenschaftsbezug der nach dem Mehrheitsbeschluss in die Jahresabrechnung zu übernehmenden Prozesskosten ausdrücklich verneint und damit im Ergebnis die – die Anfechtung rechtfertigende – Gesetzwidrigkeit (implizit) auch aus einem Verstoß gegen § 32 WEG abgeleitet. Nach § 32 WEG sind ja ausschließlich die Aufwendungen für die Liegenschaft einschließlich der Beiträge zur Rücklage von den Wohnungseigentümern nach dem maßgeblichen Aufteilungsschlüssel zu tragen (5 Ob 226/14t; 5 Ob 10/13a; 5 Ob 37/03g; RIS‑Justiz RS0069987 [T22]). Andere Aufwendungen können nicht auf alle Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft überwälzt werden. Eine diesen Grundsätzen widersprechende Abrechnung ist insoweit unrichtig (5 Ob 37/03g).

3.2. Leistet ein Wohnungseigentümer einen insgesamt notwendigen und nützlichen Aufwand für die Eigentümergemeinschaft, bestehen keine Bedenken an der Rechtmäßigkeit des Beschlusses der Mehrheit der Wohnungseigentümer, die damit verbundenen Auslagen als Aufwendungen im Sinne des § 32 WEG zu behandeln und dementsprechend in die Jahresabrechnung der Bewirtschaftungskosten aufzunehmen (5 Ob 86/09x). Der Prozessaufwand der Erstantragsgegnerin ist aber gerade nicht als notwendig und nützlich für die Eigentümergemeinschaft zu qualifizieren. Wie vom Rekursgericht zutreffend aufgezeigt diente die Klageführung der Erstantragsgegnerin (im eigenen Namen und ohne Auftrag [„Weisung“] der Eigentümergemeinschaft) der Betreibung einer eigenen Regressforderung; zudem blieb diese infolge Zurückziehung der Klage unter Anspruchsverzicht bei gleichzeitiger Verpflichtung zum Kostenersatz auch wirtschaftlich erfolglos. Die damit verbundenen Kosten können daher nicht entgegen § 32 WEG als Aufwendungen für die Liegenschaft behandelt und als solche in die Jahresabrechnung der Bewirtschaftungskosten aufgenommen werden.

4. Die Erstantragsgegnerin begründet die Zulässigkeit ihres Revisionsrekurses mit der Behauptung, das Rekursgericht weiche insofern von der vom Obersten Gerichtshof vorgegebenen einschränkenden Auslegung des Begriffs „Gesetzwidrigkeit“ im Sinne des § 24 Abs 6 WEG ab, als es schon allein das (angebliche) Fehlen eines berechtigten Interesses der Eigentümergemeinschaft am Beschlussgegenstand als einen krassen Verstoß gegen die Grundsätze der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit angesehen habe. Ob sich die „Gesetzwidrigkeit“ des Beschlusses im Sinne der Rechtsprechung zu § 24 Abs 6 WEG nicht nur aus dem klaren Verstoß gegen die zwingende Vorschrift des § 32 WEG, sondern auch aus einem Verstoß gegen die für die Verwaltung stets geforderten Grundsätze der Sparsamkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit ergibt, ist für die Entscheidung nicht relevant, weil die Antwort auf diese Frage das Verfahrensergebnis nicht zu ändern vermag. Abgesehen davon sind die Kriterien der Sparsamkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit typischerweise so stark von den Umständen des Einzelfalls abhängig (vgl RIS‑Justiz RS0120092 [T1]), dass selbst im Fall ihrer Anfechtungstauglichkeit der Beurteilung, ob ein Mehrheitsbeschluss im Sinne des § 24 Abs 6 WEG einen „krassen“ Verstoß gegen diese Grundsätze darstellt, keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt.

5. Das Fehlen des Liegenschaftsbezugs der nach dem angefochtenen Beschluss von der Eigentümergemeinschaft zu übernehmenden Prozesskosten wirft zwar auch die Frage der Sachkompetenz der Eigentümergemeinschaft für den Gegenstand des bekämpften Beschlusses auf. Mehrheitsbeschlüsse können und dürfen schließlich nur Maßnahmen der Liegenschaftsverwaltung zum Gegenstand haben. Deshalb sind Beschlüsse der Eigentümergemeinschaft auch wegen Kompetenzüberschreitung anfechtbar (5 Ob 226/14t; RIS‑Justiz RS0130070). Die Frage, ob die hier beschlossene Maßnahme im Sinne der von der Rechtsprechung entwickelten Leitlinien als Verwaltungshandlung anzusehen ist (vgl RIS‑Justiz RS0109188, RS0013573), kann allerdings mangels Auswirkung auf das Verfahrensergebnis dahin gestellt bleiben.

7. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG iVm § 52 Abs 2 WEG. Die danach anzustellenden Billigkeitserwägungen rechtfertigen einen Kostenzuspruch, wenn – wie hier – in der Revisionsrekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen wurde (vgl RIS‑Justiz RS0112296, RS0035962, RS0035979).

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