OGH 7Ob209/17m

OGH7Ob209/17m24.1.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verlassenschaft nach dem am ***** verstorbenen A***** H*****, vertreten durch dessen Vater H***** H*****, als Verlassenschaftskurator vertreten durch Mag. Oliver Simoncic, Rechtsanwalt in St. Pölten, gegen die beklagte Partei A***** SE *****, vertreten durch Mag. Martin Paar und Mag. Hermann Zwanzger, Rechtsanwälte in Wien, wegen 6.555,06 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 27. Juli 2017, GZ 1 R 47/17h‑21, womit das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 12. Jänner 2017, GZ 2 C 576/15t‑17, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0070OB00209.17M.0124.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 626,52 EUR (darin enthalten 104,42 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Zwischen dem nunmehr Verstorbenen (in der Folge: Versicherungsnehmer) und der Beklagten bestand ein Rechtsschutzversicherungsvertrag, dem die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung ARB 2000 zugrunde lagen.

Art 8 lautet:

Welche Pflichten hat der Versicherungsnehmer zur Sicherung seines Deckungsanspruchs zu beachten? (Obliegenheiten).

1. Verlangt der Versicherungsnehmer Versicherungsschutz, ist er verpflichtet

1.1 den Versicherer unverzüglich, vollständig und wahrheitsgemäß über die jeweilige Sachlage aufzuklären und ihm alle erforderlichen Unterlagen auf Verlangen vorzulegen;

[…]

2.  Verletzt der Versicherungsnehmer eine der vorstehend genannten Obliegenheiten, ist der Versicherer gemäß § 6 Versicherungsvertragsgesetz (VersVG) von der Verpflichtung zur Leistung frei.

[...].“

Am 31. 7. 2004 kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Versicherungsnehmer und M***** A*****, bei der der Versicherungsnehmer seinem Gegner einen Faustschlag ins Gesicht versetzte, worauf dieser zu Boden ging. Der Versicherungsnehmer schlug mehrmals auf den am Boden liegenden Gegner ein, wodurch dieser verletzt wurde. Der Versicherungsnehmer erlitt eine Verletzung am rechten Zeigefinger.

Danach provozierte er mit M***** F***** eine weitere Konfrontation, in deren Zug der Versicherungsnehmer letztlich einen Trümmerbruch des Speichenköpfchens links, einen knöchernen Abriss des Griffelfortsatzes der Elle links und einen knöchernen Ausriss des ellenseitigen Seitenbands am linken Ellbogen erlitt.

M***** A***** erstattete am selben Tag Anzeige. Der Versicherungsnehmer wurde als Beschuldigter einvernommen. Daraufhin beschuldigte er M***** A*****, ihm die – durch den Sturz anlässlich der anderen Auseinandersetzung erlittene – Verletzung zugefügt zu haben. Die Staatsanwaltschaft St. Pölten brachte einen Strafantrag gegen den Versicherungsnehmer wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB zum Nachteil des M***** A***** und gegen diesen wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB zum Nachteil des Versicherungsnehmers beim Landesgericht St. Pölten ein. Die in der Aussage vom 17. 9. 2004 gemachten – unwahren – Angaben wiederholte der Versicherungsnehmer auch sinngemäß in seiner Beschuldigtenvernehmung in der Hauptverhandlung am 14. 5. 2005.

M***** A***** wurde daraufhin am 23. 1. 2006 des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs 2 und 84 Abs 1 StGB schuldig erkannt und der Versicherungsnehmer wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB.

Am 23. 9. 2004 erstattete der Klagevertreter im Namen des Versicherungsnehmers eine Versicherungsmeldung und ersuchte um Deckung der Klagsführung für Schadenersatzansprüche gegen M***** A*****. Die Beklagte erteilte schließlich mit Schreiben vom 19. 7. 2007 im Rahmen der dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen bis zur vereinbarten verbleibenden Versicherungssumme Kostendeckung für das Verfahren erster Instanz gegen M***** A*****.

Der Versicherungsnehmer brachte daraufhin zu AZ 2 Cg 81/07h des Landesgerichts St. Pölten eine Klage auf Zahlung von Schadenersatz und Feststellung gegen M***** A***** ein. Mit Urteil vom 12. 5. 2009 wurden dem Versicherungsnehmer 16.412,60 EUR (von eingeklagt 181.000 EUR) zugesprochen. Diese Entscheidung wurde mit Urteil des Oberlandesgerichts Wien zu AZ 13 R 137/09a bestätigt, eine Revision dagegen zu AZ 10 Ob 1/10k zurückgewiesen.

Mit Beschluss vom 17. 1. 2013 wurde zu AZ 9 Hv 47/05b einem Wiederaufnahmeantrag des M***** A***** im Strafverfahren Folge gegeben, das Strafverfahren wiederaufgenommen und M***** A***** mit Urteil vom 17. 1. 2013 vom Vergehen der schweren Körperverletzung zum Nachteil des Versicherungsnehmers rechtskräftig freigesprochen. Daraufhin brachte M***** A***** am 11. 2. 2013 eine Wiederaufnahmsklage zu AZ 2 Cg 24/13k (zuletzt AZ 40 Cg 1/15k) des Landesgerichts St. Pölten ein.

Am 14. 2. 2013 übermittelte der Klagevertreter der Beklagten die Wiederaufnahmsklage und ersuchte um Mitteilung, ob für ihre Abwehr sowie für die Einbringung von Unterlassungsklagen und von strafrechtlichen Anzeigen wegen Verleumdung samt anschließendem Privatbeteiligtenanschluss gegen die Zeugen, welche den Versicherungsnehmer des Prozessbetrugs beschuldigt hätten, Rechtsschutzdeckung bestehe. Mit Schreiben vom 4. 3. 2013 lehnte die Beklagte die Deckung hinsichtlich allfälliger Schadenersatzansprüche sowie für Unterlassungsklagen und die Erstattung von Anzeigen als nicht vom Versicherungsschutz umfasst ab.

Mit Schreiben vom 12. 6. 2013 fragte der Klagevertreter bei der Beklagten an, ob die rechtsschutzmäßige Deckung durch die Beklagte für das wiederaufgenommene Verfahren erteilt werden müsse bzw ob diese für das Verfahren bestehe. Am 4. 7. 2013 urgierte der Klagevertreter eine Antwort der Beklagten.

Der Wiederaufnahmsklage wurde mit Urteil vom 9. 7. 2013 Folge gegeben und die Wiederaufnahme des Verfahrens AZ 2 Cg 81/07h bewilligt.

Mit Schreiben vom 15. 7. 2013 teilte der Klagevertreter dies der Beklagten mit und fragte neuerlich an, ob für die Vertretung rechtsschutzmäßige Deckung bestehe. Mit Schreiben vom 15. 7. 2013 ersuchte die Beklagte um Übermittlung der Unterlagen bezüglich des wiederaufgenommenen Strafverfahrens sowie um Übermittlung des Strafurteils gegen M***** A***** vom 17. 1. 2013.

Am 18. 7. 2013 schrieb die Beklagte: „In gegenständlicher Angelegenheit nehmen wir Bezug auf Ihr Schreiben vom 15. 7. 2013 und teilen mit, dass im Sinne unserer Deckungszusage vom 19. 7. 2007 Kostendeckung für das wiederaufgenommene Verfahren (inklusive dem Wiederaufnahmsverfahren) besteht.“

Mit Schreiben vom 22. 7. 2013 teilte der Klagevertreter unter anderem mit, dass gegen den Versicherungsnehmer zwischenzeitig ein Verfahren wegen des Verdachts des Prozessbetrugs eingeleitet worden und das Zivilverfahren bis zur rechtskräftigen Beendigung des Strafverfahrens unterbrochen sei. Mit Schreiben vom 23. 7. 2013 ersuchte die Beklagte um Übermittlung des Strafantrags; dem entsprach der Klagevertreter am 29. 7. 2013.

Der Versicherungsnehmer wurde schließlich mit Urteil des Landesgerichts St. Pölten zu AZ 35 Hv 93/13w vom 26. 3. 2014 des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB und des Verbrechens des schweren Betrugs als Beteiligter nach dem § 12 zweiter Fall und dem §§ 146, 147 Abs 3, 15 StGB schuldig erkannt.

Am 20. 11. 2014 übermittelte der Klagevertreter den Fortsetzungsantrag im Zivilverfahren und ersuchte um Bekanntgabe, wie nunmehr im Zivilverfahren weiter vorgegangen werde. Mit Schreiben vom 26. 11. 2014 teilte er im Hinblick darauf, dass das im Strafverfahren eingeholte medizinische Sachverständigengutachten nicht nachvollziehbar sei, mit, dass der Versicherungsnehmer nicht beabsichtige, die Ansprüche im Zivilverfahren anzuerkennen.

Am 3. 12. 2014 gab die Beklagte bekannt, dass eine Neubewertung der Deckungssituation notwendig sei. Nach den zu Tage getretenen Informationen könne kein Zweifel daran bestehen, dass die Aufklärungsobliegenheit nach Art 8.1.1 ARB und der Ausschlussgrund nach Art 7.2.5 ARB gegeben seien. Die Beklagte sehe sich gezwungen, ihre Deckungszusagen zu widerrufen. Es würden keine weiteren Zahlungen erfolgen. Der Versicherungsnehmer werde aufgefordert, die bisherigen Aufwendungen in Höhe von 40.384,59 EUR zurückzuzahlen.

Am 5. 8. 2015 teilte der Klagevertreter mit, dass der Versicherungsnehmer am 5. 5. 2015 verstorben sei. Er übermittelte eine Honorarnote für das Einschreiten seiner Kanzlei in Höhe von 8.916 EUR brutto, dies für die Vertretung im Wiederaufnahmsverfahren ab 19. 3. 2013 bis einschließlich 6. 7. 2015. Mit Schreiben vom 7. 8. 2015 lehnte die Beklagte die Kostendeckung ab. Am 10. 9. 2015 trat im wiederaufgenommenen Verfahren einvernehmliches Ruhen ein.

Im Verlassenschaftsverfahren wurden keine Erbantrittserklärungen abgegeben. Die Verlassenschaft ist überschuldet.

Die Klägerin begehrt die Zahlung von 6.555,06 EUR sA. Die Beklagte habe aufgrund des Rechtsschutzversicherungsvertrags vorbehaltlos die Deckungszusage im Verfahren AZ 42 Cg 57/15k, vormals AZ 2 Cg 24/13k, nunmehr AZ 40 Cg 1/15k jeweils des Landesgerichts St. Pölten erteilt. Es handle sich um ein konstitutives Anerkenntnis, welches nicht einseitig widerrufen werden könne. Der Anspruch auf Kostendeckung erlösche erst ab dem Zeitpunkt, in dem die Deckungsfreiheit des Versicherers feststehe. Eine Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers führe nur zu einer Rückforderbarkeit der Verfahrenskosten. Der Rechtsschutzversicherer habe Versicherungsschutz durch Zahlung der Kosten an den betrauten Rechtsanwalt jedenfalls unbeschadet einer möglichen Rückzahlungspflicht des Versicherungsnehmers zu gewähren.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Der Versicherungsnehmer habe wissentlich seine Auskunftsobliegenheit nach § 34 VersVG und Art 8 ARB verletzt, weshalb sie leistungsfrei sei, und sich durch Vortäuschung eines Versicherungsfalls bereichert und der Beklagten einen Vermögensnachteil in Höhe von 40.384,59 EUR zugefügt. Sie sei zur Rückforderung dieses Betrags berechtigt und wende diesen compensando bis zur Höhe einer allenfalls zu Recht bestehenden Klagsforderung ein.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das Schreiben vom 18. 7. 2013 könne nur dahin verstanden werden, dass die ursprünglich am 19. 7. 2007 erteilte Deckungszusage auch für das wiederaufgenommene Verfahren weiterhin aufrecht sei. Durch falsche Angaben habe der Versicherungsnehmer die Beklagte aber zur Abgabe der Deckungszusage arglistig veranlasst; ihm sei es nicht nur darauf angekommen, einen Sachverhalt falsch darzulegen, um zu einer Schadenersatzforderung zu kommen, sondern auch darauf, die Beklagte durch diese falschen Angaben zu einer Deckungszusage zu bewegen. Die Beklagte sei zum Widerruf im Sinne einer erfolgreichen Anfechtung der Deckungszusage berechtigt gewesen. Darüber hinaus sei die Beklagte auch leistungsfrei, weil der Versicherungsnehmer bewusst falsche Angaben über einen nicht stattgefundenen Versicherungsfall gemacht habe.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Der Klägerin stehe hinsichtlich allfälliger von ihr noch nicht beglichener fälliger Forderungen des Rechtsanwalts lediglich ein Anspruch auf Zahlung an den Rechtsanwalt, nicht aber an sie persönlich zu, sodass das Klagebegehren bereits aus diesem Grunde abzuweisen gewesen sei.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil zur Frage des Zahlungsanspruchs an den Versicherungsnehmer bei fälligen, aber vom Versicherungsnehmer noch nicht beglichenen Anwaltskosten noch keine gefestigte oberstgerichtliche Judikatur vorliege.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision der Klägerin mit einem Abänderungsantrag; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte begehrt, die Revision zurückzuweisen; hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

1.1 Obliegenheiten nach dem Versicherungsfall dienen dem Zweck, den Versicherer vor vermeidbaren Belastungen und ungerechtfertigten Ansprüchen zu schützen. Die Drohung mit dem Anspruchsverlust soll den Versicherungsnehmer motivieren, die Verhaltensregeln ordnungsgemäß zu erfüllen; ihr kommt eine generalpräventive Funktion zu (RIS‑Justiz RS0116978). Der Versicherer braucht nur den objektiven Tatbestand einer Obliegenheitsverletzung nachzuweisen, während es Sache des Versicherungsnehmers ist, zu behaupten und zu beweisen, dass er die ihm angelastete Obliegenheitsverletzung weder vorsätzlich noch grob fahrlässig begangen habe. Dass – bei grob fahrlässiger Begehung einer Obliegenheitsverletzung – die Verletzung weder auf die Feststellung des Versicherungsfalls noch auf die Feststellung und den Umfang der dem Versicherer obliegenden Leistungen Einfluss gehabt hat, ist vom Versicherungsnehmer im Verfahren erster Instanz zu behaupten und zu beweisen (RIS‑Justiz RS0081313). Gelingt dem Versicherungsnehmer der Beweis der leichten Fahrlässigkeit nicht, so steht ihm nach § 6 Abs 3 VersVG auch bei „schlichter“ vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Obliegenheitsverletzung der Kausalitätsgegenbeweis offen. Nur wenn der Versicherungsnehmer eine Obliegenheit mit dem Vorsatz verletzt, die Beweislage nach dem Versicherungsfall zu Lasten des Versicherers zu manipulieren (sogenannter „dolus coloratus“), ist der Kausalitätsgegenbeweis ausgeschlossen und der Anspruch verwirkt (RIS‑Justiz RS0109766, RS0081253 [T10]).

1.2 Bei der Bestimmung des Art 8.1.1 ARB 2000 handelt es sich um eine auf die Bedürfnisse des Rechtsschutzversicherers zugeschnittene Ausformung der allgemeinen Auskunftsobliegenheit des § 34 Abs 1 VersVG, wobei der Versicherungsschutz begehrende Versicherungsnehmer diese Auskünfte von sich aus, spontan und ohne konkretes Verlangen des Versicherers zu geben hat (RIS‑Justiz RS0105784 [auch T2]). Die Aufklärungsobliegenheit hat auch den wesentlichen Zweck, den Versicherer vor betrügerischen Machenschaften zu schützen (RIS‑Justiz RS0080833). Durch die Aufklärung soll der Versicherer in die Lage versetzt werden, sachgemäße Entscheidungen über die Behandlung des Versicherungsfalls zu treffen. Es genügt, dass die begehrte Auskunft abstrakt zur Aufklärung des Schadenereignisses geeignet ist (RIS‑Justiz RS0080833, RS0080205 [T1, T2]).

1.3 Die gerichtliche Geltendmachung des behaupteten Schadenersatzanspruchs durch den Versicherungsnehmer gegenüber M***** A***** und auch die ursprüngliche Deckungsanfrage erfolgten wissentlich auf Grundlage eines unwahren Sachverhalts. Selbst noch bei der späteren Anfrage, ob Deckung auch für das Wiederaufnahms- und das wiederaufgenommene Verfahren bestehe, verschwieg er das Zutreffen der ihm zu diesem Zeitpunkt bereits vorgeworfenen Machenschaften.

Soweit die Klägerin argumentiert, die Beklagte sei vollständig über die Sachlage aufgeklärt gewesen, übersieht sie, dass die Beklagte am 18. 7. 2013 nichts von der Einleitung des Strafverfahrens gegen den Versicherungsnehmer wusste. Weiters übergeht sie, dass sie durch die gleichzeitige Deckungsanfrage für ein weiteres Vorgehen gegen die den Versicherungsnehmer belastenden Zeugen der Beklagten unmissverständlich zu verstehen gegeben hat, dass der Erblasser seine unwahren Angaben aufrecht erhält.

1.4 Dass durch die vorsätzliche Falschinformation wesentliche Auskünfte für die sachgemäße Entscheidung der Beklagten über die Behandlung des Versicherungsfalls unterlassen wurden, die auch abstrakt zur Aufklärung des Schadenereignisses geeignet gewesen waren, bedarf wohl ebensowenig einer weiteren Begründung, wie dass dieses Vorgehen auf dolus coloratus beruhte. Die Beklagte ist daher grundsätzlich leistungsfrei.

1.5 Die Klägerin meint weiters – unter Verweis auf die Entscheidungen AZ 7 Ob 219/73, 7 Ob 7/95 und 7 Ob 12/95 –, dass sich die Beklagte nicht auf Leistungsfreiheit berufen könne, sondern sie den Versicherungsschutz durch Zahlung der Kosten an den betrauten Rechtsanwalt unbeschadet einer möglichen Rückzahlungsverpflichtung des Versicherungsnehmers zu gewähren habe. Das Risiko der Zahlungsunfähigkeit des Versicherungsnehmers habe der Versicherer zu tragen.

Die genannten Entscheidungen sind nicht einschlägig. Abgesehen davon, dass dort der Rechtsanwalt direkt vom Versicherer beauftragt war, lag ihnen auch eine besondere Bedingungslage zugrunde, die spezielle Voraussetzungen für die Leistungsfreiheit des Versicherers (wie die spätere verwaltungsrechtliche Verurteilung) normierte und den Versicherungsnehmer verpflichtete, bei Verletzung bestimmter Obliegenheiten die Leistung auf Verlangen zurückzuzahlen. Nur in diesem Zusammenhang wurde ausgesprochen, dass der Versicherer sich nicht weigern könne, das Honorar des Rechtsanwalts zu bezahlen, sondern dass er auf die konkret in diesen Bedingungen vorgesehene Rückforderung verwiesen sei.

2.1 Weiters meint die Klägerin, die – trotz Kenntnis der strittigen Umstände – vorbehaltlose Zusage der Deckung vom 18. 7. 2013 für das Wiederaufnahms‑ und wiederaufgenommene Verfahren stelle ein konstitutives Anerkenntnis dar, das nicht einseitig habe widerrufen werden können.

2.2 Das konstitutive Anerkenntnis ist eine Willenserklärung, die dadurch zustande kommt, dass der Gläubiger seinen Anspruch ernstlich behauptet und der Schuldner die Zweifel am Bestehen des behaupteten Rechts dadurch beseitigt, dass er das Recht zugibt. Es ruft das anerkannte Rechtsverhältnis auch für den Fall, dass es nicht bestanden haben soll, ins Leben und hat somit rechtsgestaltende Wirkung (RIS‑Justiz RS0032496 [T6, T7, T9]). Ob ein konstitutives Anerkenntnis vorliegt, ist durch Auslegung des Parteiwillens im Einzelfall zu ermitteln. Dabei gilt die Vertrauenstheorie; es kommt darauf an, welchen Eindruck der Erklärungsempfänger aus dem Verhalten des Erklärenden redlicher Weise gewinnen musste. Maßgeblich sind vor allem die mit dem Anerkenntnis verfolgten Zwecke, die beiderseitigen Interessenlagen und die allgemeine Verkehrsauffassung über die Bedeutung eines solchen Anerkenntnisses (RIS‑Justiz RS0017965, RS0032666). Vom echten konstitutiven Anerkenntnis unterscheidet sich das unechte oder deklarative Anerkenntnis dadurch, dass es eine bloße Wissenserklärung ist und keinen neuen Verpflichtungsgrund schafft; der Schuldner gibt nur bekannt, dass das Recht des Gläubigers „seines Wissens“ besteht (RIS‑Justiz RS0114623).

2.3 Hier fragte der Versicherungsnehmer an, ob für die Abwehr der Wiederaufnahmsklage Deckung bestehe. Nachdem die Beklagte darauf vorerst nicht reagierte, teilte sie über Urgenz am 18. 7. 2013 mit, dass im Sinne der Deckungszusage vom 19. 7. 2007 Kostendeckung für das wiederaufgenommene Verfahren (inklusive dem Wiederaufnahmsverfahren) bestehe. Wie bereits ausgeführt hatte sie zu diesem Zeitpunkt keine Kenntnis von der Einleitung eines Strafverfahrens gegen den Versicherungsnehmer. Vor diesem Hintergrund im Zusammenhang damit, dass der Versicherungsnehmer gleichzeitig die Deckung zur Verfolgung der ihn belastenden Zeugen beantragte, und damit unmissverständlich klarlegte, dass er seine unrichtigen Tatsachenbehauptungen aufrechterhält, konnte er keinesfalls den Eindruck erhalten, dass die Beklagte ihm vorbehaltlos die Deckung für sein weiteres prozessbetrügerisches Vorgehen gewähren wollte. Abgesehen davon ging der Mitteilung vom 18. 7. 2013 auch kein Streit über die Deckungspflicht voraus.

Entgegen der Ansicht der Klägerin kann damit von einem konstitutiven Anerkenntnis der Beklagten keine Rede sein.

3. Da das Klagebegehren schon deshalb abzuweisen war, weil die Beklagte aufgrund vorsätzlicher Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers leistungsfrei ist und auch das behauptete konstitutive Anerkenntnis nicht vorliegt, erübrigte sich ein Eingehen auf die vom Berufungsgericht als erheblich erachtete Rechtsfrage ebenso wie die Behandlung der damit im Zusammenhang stehenden Verfahrensrüge.

4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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