European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0060OB00113.17M.0829.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision in den Verfahren 581 Cg 117/16h und 581 Cg 131/16t wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Die Kläger erwarben Aktien der D***** L.L.C., der Alleingesellschafterin der Beklagten. Sie machen Schadenersatzansprüche infolge Malversationen bei der Muttergesellschaft geltend, durch welche die Aktien massiv an Wert eingebüßt hätten und die sich die Beklagte als hundertprozentige Tochtergesellschaft zurechnen lassen müsste. Der Oberste Gerichtshof hat allerdings bereits in der Entscheidung 1 Ob 240/03f (ErwGr 3.) im Ergebnis einen umgekehrten Durchgriff, also die Haftung der Gesellschaft für Schulden des Gesellschafters, mit der Begründung verneint, ein derartiges Konstrukt verkenne das Wesen der Durchgriffshaftung; diese sei eine Methode, um auf die „Hintermänner“ zu greifen, und könne daher nicht von der Mutter- zur Tochtergesellschaft gehen (vgl auch 5 Ob 714/81 GesRZ 1983, 153). Damit im Einklang steht, dass der Oberste Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung eine direkte Exekution auch in das Gesellschaftsvermögen einer Ein-Mann GmbH nicht zulässt (RIS‑Justiz RS0060266). Auch die Literatur lehnt einen umgekehrten Haftungsdurchgriff aufgrund des Trennungsprinzips und des Kapitalerhaltungsgrundsatzes ab (Harrer, Haftungsprobleme bei der GmbH [1990] 128; Torggler, Fünf (Anti‑)Thesen zum Haftungsdurchgriff, JBl 2006, 85 [FN 3]; Duursma/Duursma-Kepplinger/Roth, Handbuch zum Gesellschaftsrecht [2007] Rz 2263; Winkler/Gruber in Gruber/Harrer, GmbHG [2014] § 61 Rz 93; Aicher/Kraus in Straube/Ratka/Rauter, WK zum GmbHG § 61 [2015] Rz 71; Kraus/Torggler in Torggler, GmbHG [2014] § 61 Rz 25; zur deutschen Rechtslage BGH II ZR 134/89 = NJW-RR 1990, 738; IX ZR 55/02 = DStR 2004, 48; Merkt in MüKomm zum GmbHG² [2013] § 13 Rz 366; Heidner in MüKomm zum AktG4 § 1 [2016] Rz 63; Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG21 [2017] § 13 Rz 16). Einer weitergehenden Erörterung dieser Frage bedarf es schon deshalb nicht, weil die außerordentliche Revision nicht einmal ansatzweise darlegt, woraus sich im vorliegenden Fall auch nur der Verdacht einer rechtsmissbräuchlichen Konstruktion zum Schaden von Anlegern ergeben soll; außer der Behauptung der „Offenkundigkeit“ erschöpft sich das Vorbringen darin, die Muttergesellschaft sei Alleingesellschafterin und einzige Vermögensgeberin der Beklagten. Weshalb sich aus der Tatsache, dass das gesamte Vermögen der beklagten Tochter- von der Muttergesellschaft stammt, ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten ergeben sollte, das Voraussetzung eines jeglichen Durchgriffs wäre (vgl 6 Ob 313/03b [ErwGr 6.]; RIS-Justiz RS0115008), lässt die außerordentliche Revision aber offen.
Der Wert des Entscheidungsgegenstands im Berufungsverfahren betrug in allen verbundenen Verfahren zwar mehr als 5.000 EUR, im Verfahren 581 Cg 96/16w als einzigem jedoch nicht auch mehr als 30.000 EUR. Das Berufungsgericht hat in allen Verfahren die Revision nicht zugelassen. Da die Streitwerte der Verfahren nicht gemäß § 55 JN zusammenzurechnen sind, wurde die außerordentliche Revision der Beklagten im Verfahren 581 Cg 96/16w bereits vom Berufungsgericht zurückgewiesen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)