OGH 4Ob130/17x

OGH4Ob130/17x24.8.2017

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Schwarzenbacher, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei WSV – Wettbewerbsschutzverband 1981, *****, vertreten durch Prof. Dr. Johannes Hintermayr und andere Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagten Parteien 1. B***** GmbH, 2. F***** N*****, 3. D***** AG, *****, alle vertreten durch Dr. Wolfgang Auer, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Unterlassung, Beseitigung und Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert 35.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz vom 3. April 2017, GZ 6 R 228/16s‑17, mit dem das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 31. Oktober 2016, GZ 14 Cg 42/16p‑11 bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0040OB00130.17X.0824.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 2.527,09 EUR (darin 421,18 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Der Zweitbeklagte ist Alleingesellschafter und Geschäftsführer der erstbeklagten Partei. Diese ist Inhaberin von zwei Domains, die sie der drittbeklagten Partei zur Verfügung stellt, die die Websites als Affiliate-Vertriebspartner der A***** GmbH (im Folgenden: GmbH) betreibt.

Affiliate-Systeme (engl affiliate „angliedern“) sind internetgestützte Vertriebsarten, bei denen in der Regel ein kommerzieller Anbieter seine Affiliate-Partner durch Provisionen vergütet. Ein Affiliate-Partner ist Vermittler von Kontakten durch Werbung. Der Anbieter (hier: die GmbH) stellt hierbei Werbemittel zur Verfügung, die der Affiliate-Partner auf seinen Webseiten verwendet oder über andere Kanäle wie Keyword-Advertising oder E-Mail-Marketing einsetzen kann (https://de.wikipedia.org/wiki/Affiliate-Marketing ).

Die GmbH ist Reisevermittlerin mit Sitz in Deutschland (mit der entsprechenden deutschen Konzession) sowie Betreiberin und Inhaberin verschiedener Reiseportale. Die GmbH stellt der drittbeklagten Partei ein Buchungsprogramm zur Verfügung. Wenn ein Kunde über dieses Programm eine Reise bucht, scheint das bei der GmbH auf, die dann Kontakt mit dem Reiseveranstalter aufnimmt, der dem Kunden die Unterlagen direkt übermittelt. Kunden schließen mit der GmbH keine Reiseverträge, mit der GmbH kommt ein Vermittlungsauftrag zustande. Die Reiseverträge werden mit dem jeweils angegebenen Veranstalter geschlossen. Der Kunde sieht bereits vor der Buchung, wer der Reiseveranstalter ist und muss die Zahlung an den jeweiligen Veranstalter leisten.

Die drittbeklagte Partei nutzt das Partnerprogramm der GmbH im Design der drittbeklagten Partei. Sie hat dem äußeren Anschein nach ein eigenes Online-Reisebüro eingerichtet. Tatsächlich werden die Inhalte aber von der GmbH erstellt, die eine Konzession als Reisevermittlerin hat. Die Inhalte sind für alle Partner der GmbH gleich und werden mittels „Framing“ (zum Begriff siehe 4 Ob 248/02b) automatisch auf die Website der drittbeklagten Partei übernommen. Die drittbeklagte Partei verkauft oder veranstaltet keine Reisen, sondern bewirbt als Affiliate-Partner der GmbH Reisen bzw deren Buchungsportal. Die GmbH bekommt für die Buchung über einen Affiliate-Link der drittbeklagten Partei eine Provision, wovon sie einen Teil an die drittbeklagte Partei weitergibt. Von der Website der drittbeklagten Partei können keine Buchungen von Reisen vorgenommen werden.

Die beklagten Parteien verfügen über keine Berechtigung als Reisebüro oder Reiseveranstalter.

Der klagende Schutzverband begehrt – inklusive mehrerer, jeweils geringfügig modifizierter Eventual-begehren – zusammengefasst, den beklagten Parteien die Ausübung des und/oder die Ankündigung von Leistungen eines Reisevermittlergewerbes zu untersagen, ohne dafür über die erforderlichen Bewilligungen zu verfügen. Die klagende Partei stützt ihre lauterkeitsrechtlichen Ansprüche – soweit in dritter Instanz noch relevant – auf Rechtsbruch und Irreführung.

Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Die drittbeklagte Partei erbringe selbst keine Leistungen eines Reisebüros, sondern bewerbe solche nur im Rahmen sogenannten Affiliate-Marketings. Erbracht würden die Leistungen von einem befugten Anbieter in Deutschland.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob ein Affiliate-Partner, der Reiseangebote bewirbt, auch über eine Gewerbeberechtigung als Reisebüro verfügen müsse.

Rechtliche Beurteilung

1. Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Weder in der zweitinstanzlichen Zulassungsbegründung noch im Rechtsmittel wird eine solche Rechtsfrage ausgeführt.

2. Eine Revision ist nur dann zulässig, wenn der Rechtsmittelwerber eine Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts konkret aufzeigt, von deren Lösung die Entscheidung im Anlassfall abhängt (4 Ob 37/17w). Im hier zu prüfenden Fall stellen sich keine Rechtsfragen zur Konstruktion des Affiliate-Marketings, von denen die Entscheidung über die Revision konkret abhinge, solche werden auch von der Revision nicht hervorgehoben (RIS‑Justiz RS0102059).

3. Die Verneinung des behaupteten Rechtsbruchs hält sich im Rahmen der bisherigen Judikatur.

3.1 Für die Beurteilung, ob ein nach § 1 UWG zu sanktionierender Verstoß gegen die Gewerbeordnung vorliegt, kommt es nach ständiger Rechtsprechung nicht darauf an, welchen Eindruck das Verhalten des Beklagten erweckt (RIS‑Justiz RS0115774). Ein Verstoß gegen § 1 UWG setzt vielmehr voraus, dass die bewilligungspflichtige Tätigkeit tatsächlich ausgeübt wird (4 Ob 21/05z [Gewerbeberechtigung eines Fotografen]; 4 Ob 70/09m [Gewerbeberechtigung für Reisebüros]; RIS‑Justiz RS0060016).

Demnach wird keine bewilligungspflichtige Reisebürotätigkeit iSd § 126 Abs 1 GewO tatsächlich ausgeübt, wenn die fraglichen Buchungsleistungen von einem dafür konzessionierten Dritten erbracht werden (4 Ob 70/09m; 4 Ob 103/11t [bewilligungspflichtige Reisebürotätigkeit]). Das deckt sich mit der bereits von den Vorinstanzen zitierten Judikatur des VwGH (2004/04/0058 VwSlg 16.590 A/2005), wonach derjenige Reisevermittler ist, der die unmittelbare Vertragsbeziehung zwischen dem Kunden und dem Reiseveranstalter herstellt.

3.2 Mit dem Hinweis, die drittbeklagte Partei trete als Subvermittler auf, kann die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht begründet werden. Der Senat hat vielmehr bereits klargestellt, dass das Vermitteln von Reiseleistungen einen maßgeblichen Beitrag zur eigentlichen organisatorischen Tätigkeit eines Reisebüros erfordert, etwa das Beraten von Kunden oder die Entgegennahme oder Weiterleitung von Buchungen (4 Ob 147/89; 4 Ob 87/94; 4 Ob 79/07g; RIS-Justiz RS0061448 [T3]).

Die drittbeklagte Partei übernahm nur Angebote der GmbH mittels Frame in ihre Website, war aber in den operativen Ablauf des Buchungsvorgangs nicht eingebunden, zumal die Buchungen nicht an die drittbeklagte Partei, sondern direkt an die GmbH gelangten. Wenn die Vorinstanzen aufgrund dieser Umstände davon ausgingen, dass die drittbeklagte Partei keine Reiseleistungen vermittelt hat (vgl RIS‑Justiz RS0061075), begründet das keine erhebliche Rechtsfrage.

3.3 Die Zulässigkeit der Revision kann auch nicht mit dem Hinweis auf § 1 Abs 4 GewO („Das Anbieten einer den Gegenstand eines Gewerbes bildenden Tätigkeit an einen größeren Kreis von Personen oder bei Ausschreibungen wird der Ausübung des Gewerbes gleichgehalten“) gestützt werden. Der Senat hat in vergleichbaren Konstellationen bereits klargestellt (s zB 4 Ob 171/07m), dass eine allfällige Verletzung dieser Bestimmung nicht geeignet ist, den Wettbewerb in spürbarer Weise zu beeinflussen (vgl RIS‑Justiz RS0120712, RS0117605): Eine (mögliche) Gesetzesverletzung läge nämlich, wenn überhaupt, nur darin, dass die drittbeklagte Partei nicht ausdrücklich darauf hinwies, dass nicht sie selbst, sondern ein dazu befugter Dritter die strittige Leistung erbringen werde. Dadurch hat sie sich aber keine relevanten Aufwendungen erspart. Auch am allfälligen „Anlockeffekt“ günstiger Angebote hätte sich nichts geändert, wenn die drittbeklagte Partei auf die tatsächlichen Umstände hingewiesen hätte. Die Beurteilung des Falls hängt somit nicht von den im Rechtsmittel zu § 1 Abs 4 GewO aufgeworfenen Fragen ab.

3.4 Schließlich hat das Berufungsgericht ausdrücklich auch auf die Vertretbarkeit der Auffassung der beklagten Parteien hingewiesen, wonach sie keine bewilligungspflichtige Reisebürotätigkeit iSd § 126 Abs 1 GewO ausübten. Die Revision argumentiert zwar damit, dass dieser Ansicht „nicht gefolgt werden kann“. Mit der für die Beurteilung der Erheblichkeit des Rechtsmittels entscheidenden Frage (vgl RIS‑Justiz RS0124004), ob das Berufungsgericht damit die lauterkeitsrechtliche Vertretbarkeit in unvertretbarer Weise angenommen hat, setzt sich die Revision nicht auseinander. Auch aus diesem Grund bedarf die Abweisung des Klagebegehrens keiner höchstgerichtlichen Korrektur durch gegenteilige Sachentscheidung.

4. Die Vorinstanzen haben eine irreführende Geschäftspraktik schon deshalb verneint, weil der Kunde vor Abschluss der Buchung erkennt, wer der Reiseveranstalter ist. Nach gesicherter Rechtsprechung kann ein aufklärender Hinweis eine allfällige Irreführung grundsätzlich verhindern, wenn er ausreichend deutlich ist (RIS‑Justiz RS0118488). Ob dies der Fall ist, ist aber eine Frage des Einzelfalls (RIS‑Justiz RS0053112 [T16]). Diesbezüglich wird von der klagenden Partei keine grobe Fehlbeurteilung behauptet.

5. Da somit keine erheblichen Rechtsfragen zu lösen sind, ist die Revision zurückzuweisen.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die beklagten Parteien haben auf die Unzulässigkeit der Revision mangels erheblicher Rechtsfrage hingewiesen.

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