OGH 9Ob39/17a

OGH9Ob39/17a25.7.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin Hon.‑Prof. Dr. Dehn, den Hofrat Dr. Hargassner und die Hofrätinnen Mag. Korn und Dr. Weixelbraun-Mohr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T*gesmbH, *, vertreten durch Dr. Raimund Danner, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei G* GmbH, *, vertreten durch Dr. Michael Konzett, Rechtsanwalt in Bludenz, sowie den Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei 1. A* AG & Co KG, *, und 2. I* AG, *, beide vertreten durch Sluka | Hammerer Tevini Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen 117.319,45 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse: 98.725,36 EUR sA) und die Revision der Nebenintervenienten (Revisionsinteresse: 18.594,09 EUR sA) gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 29. März 2017, GZ 22 R 338/16h‑36, mit dem den Berufungen der klagenden Partei, der beklagten Partei und der Nebenintervenienten gegen das Teilurteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 10. August 2016, GZ 23 C 188/15a‑27, nicht Folge gegeben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:E119073

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die Revisionen der klagenden Partei und der Nebenintervenienten werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.366,28 EUR (darin enthalten 394,38 EUR USt) sowie den Nebenintervenienten jeweils die mit 1.301,33 EUR (darin 216,89 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.379,02 EUR (darin enthalten 229,84 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die Revisionen sind entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Zulassungsausspruch unzulässig. Die Begründung kann sich auf die Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

2. Die Vorinstanzen sind davon ausgegangen, dass der mit Teilurteil abgewiesene Teil des Klagebegehrens – im Wesentlichen auf Schadenersatz gestützte Umsatzrückgänge aus dem Zeitraum vor April 2012 durch Umbauarbeiten des Vermieters – verjährt sei. Dagegen wendet sich die Revision der Klägerin.

2.1. Der Beginn der kurzen Verjährungsfrist nach § 1489 ABGB setzt die Kenntnis des Verletzten vom Schaden und von der Person des Ersatzpflichtigen voraus. Die Kenntnis des Sachverhalts, der den Grund des Entschädigungsanspruchs darstellt, beginnt im Allgemeinen erst, wenn dem Geschädigten der Sachverhalt (samt den schadenersatzrechtlich relevanten Komponenten) soweit bekannt wurde, dass er eine Klage mit Aussicht auf Erfolg hätte anstellen können (RIS-Justiz RS0034524).

Die Verjährungsfrist beginnt daher dann, wenn dem Berechtigten der Kausalzusammenhang zwischen dem schädigenden Ereignis und dem eingetretenen Schaden erkennbar war oder sein musste, wenn also die objektive Möglichkeit zur Klagseinbringung gegeben war. Die Kenntnis der Höhe des Schadens ist nicht erforderlich, sondern es genügt die Möglichkeit der Ermittlung desselben (RIS‑Justiz RS0034366). Wenn der Geschädigte die für die erfolgversprechende Anspruchsverfolgung notwendigen Voraussetzungen ohne nennenswerte Mühe in Erfahrung bringen kann, gilt die Kenntnisnahme schon als in dem Zeitpunkt erlangt, in welchem sie ihm bei angemessener Erkundigung zuteil geworden wäre (RIS‑Justiz RS0034327).

Sobald sich dem Geschädigten die Möglichkeit bietet, ist ihm schon vor Kenntnis der genauen Höhe seines Schadens die Erhebung einer Feststellungsklage abzuverlangen, um die Unterbrechung der Verjährung zu bewirken (RIS‑Justiz RS0034366 [T18]).

2.2. Die schon eingetretenen und die aus demselben Schadensereignis voraussehbaren künftigen Teil-(Folge‑)Schäden bilden verjährungsrechtlich eine Einheit. Der drohenden Verjährung seines Anspruchs auf Ersatz der künftigen, aber schon vorhersehbaren Schäden hat der Geschädigte daher dann, wenn ihm schon ein Primärschaden entstanden ist, mit einer Feststellungsklage innerhalb der Verjährungsfrist zu begegnen oder ein außergerichtliches Anerkenntnis des Schädigers zu erwirken (vgl RIS‑Justiz RS0097976; RS0087613).

Bei fortgesetzter Schädigung beginnt die Verjährung für den Ersatz des Erstschadens nach herrschender Ansicht mit dessen Kenntnis durch den Geschädigten zu laufen; für jede weitere Schädigung beginnt allerdings eine neue Verjährung in dem Zeitpunkt, in welchem sie dem Geschädigten zur Kenntnis gelangt (RIS‑Justiz RS0034536). Der Geschädigte ist also in dieser Konstellation ausnahmsweise nicht genötigt, innerhalb von drei Jahren nach Eintritt und Bekanntwerden des Primärschadens eine Feststellungsklage zur Wahrung seines Anspruchs auf Ersatz künftiger Schäden einzubringen (RIS‑Justiz RS0034536 [T14]). Dies ist selbst dann nicht erforderlich, wenn diese Schäden schon vorhersehbar sind (6 Ob 232/15h).

2.3. Die Beurteilung der Verjährung hängt im Allgemeinen typisch von den Umständen des Einzelfalls ab, weshalb grundsätzlich keine erhebliche Rechtsfrage betroffen ist. Eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen liegt nicht vor. Die vom Berufungsgericht in seiner Zulassung herangezogene Rechtsfrage nach der Verjährung monatsweise auflaufender und auch erkennbarer Schadenersatzansprüche ist nach den Umständen des jeweiligen Falls auf Basis der genannten Kriterien zu beurteilen.

Im vorliegenden Fall sind die Vorinstanzen von einer fortgesetzten Schädigung ausgegangen und haben den Beginn der Verjährung des Verdienstentgangs jeweils mit dem Ende des Monats angenommen, mit dem er eingetreten ist. Wenn die Klägerin in der Revision davon ausgeht, dass ein kausaler Schaden überhaupt erst mit dem Jahresabschluss für das jeweilige Vorjahr erkennbar war, übergeht sie, dass nach den Feststellungen die Geschäftsführer der Klägerin jedenfalls im März 2012 darauf hinwiesen, dass sie „vom Geschäftsfluss her erhebliche Schwierigkeiten mit den Sanierungsarbeiten hätten. Das Berufungsgericht hat weiters auf schon vorangehende Korrespondenz zu Beeinträchtigungen durch die Arbeiten verwiesen. Vor diesem Hintergrund ist die Ansicht der Vorinstanzen, dass den Verantwortlichen der Klägerin der Schaden und die Schadensverursachung hinreichend bekannt waren bzw durch zumutbare Erhebungen für eine erfolgreiche Klagsführung ausreichend hätte in Erfahrung gebracht werden können, jedenfalls vertretbar. Auch die Klägerin legt nicht dar, welche Umstände außer den konkreten Umsatzzahlen, die für sie aber jederzeit leicht feststellbar waren, ihr erst später bekannt geworden wären, sodass erst dadurch eine erfolgversprechende Klagseinbringung möglich geworden wäre.

Aus der in der Revision zitierten Entscheidung 9 ObA 7/04a ist für die Klägerin schon deshalb nichts zu gewinnen, weil in ihr nicht Schadenersatzansprüche, sondern Vergütungsansprüche aus einer Diensterfindung zu beurteilen waren.

2.4. Vergleichsverhandlungen, die bis zum Ablauf der Verjährungsfrist geführt werden, bilden nur einen besonderen Fall einer Ablaufshemmung (RIS‑Justiz RS0034518). Verhindert wird nicht der Lauf der Verjährungsfrist, sondern nur ihr Ablauf, also das „Zuendegehen“ der Verjährungsfrist (RIS‑Justiz RS0034501 [T3, T10]). Scheitern Vergleichsverhandlungen nach einem Zeitpunkt, in dem ohne sie der Rechtsverlust bereits eingetreten wäre, tritt Verjährung dann nicht ein, wenn die Klage unverzüglich eingebracht wird (RIS‑Justiz RS0034450).

Auch die Revision geht aber nicht davon aus, dass nach März 2012 noch Gespräche über eine Schadensbereinigung geführt wurden. Die Klage wurde aber erst im April 2015 eingebracht. Selbst bei Annahme von verjährungshemmenden Gesprächen wäre daher für die Klägerin daraus nichts zu gewinnen.

Der Klägerin gelingt es daher insgesamt nicht, eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung aufzuzeigen.

3. Die Nebenintervenienten wenden sich in ihrer Revision dagegen, dass nur ein Teilurteil gefällt wurde, tatsächlich wäre das gesamte Klagebegehren abzuweisen gewesen.

3.1. Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels ist der Eingriff in die geschützte Rechtssphäre (RIS-Justiz RS0006497). Es ist nur derjenige rechtsmittellegitimiert, der durch die bekämpfte Entscheidung (formell oder materiell) beschwert ist. Formelle Beschwer liegt vor, wenn die Entscheidung von dem ihr zu Grunde liegenden Antrag des Rechtsmittelwerbers zu seinem Nachteil abweicht. Die formelle Beschwer reicht aber nicht immer aus. Der Rechtsmittelwerber muss auch materiell beschwert sein. Materielle Beschwer liegt vor, wenn die (materielle oder prozessuale) Rechtsstellung des Rechtsmittelwerbers durch die Entscheidung beeinträchtigt wird (RIS‑Justiz RS0041868). Die Beschwer muss zur Zeit der Erhebung des Rechtsmittels gegeben sein und zur Zeit der Entscheidung über das Rechtsmittel noch fortbestehen; andernfalls ist das Rechtsmittel von Amts wegen als unzulässig zurückzuweisen (RIS‑Justiz RS0041770).

Grundsätzlich kann nur der durch den Spruch Beschwerte ein Rechtsmittel ergreifen (RIS‑Justiz RS0041735). Allein aus den Gründen einer Entscheidung kann eine Beschwer in der Regel nicht abgeleitet werden (RIS‑Justiz RS0043947; RS0041929; ausgenommen etwa die prozessuale Beschwer des Zwischenurteils oder Zwischenfeststellungsantrags). Die in einem Teilurteil getroffenen Feststellungen oder ausgesprochenen Rechtsansichten können für sich allein, mögen sie auch für das Teilurteil maßgeblich gewesen sein, keine für das weitere Verfahren bindende Wirkungen haben (RIS‑Justiz RS0040956). Durch das klagsabweisende Teilurteil sind daher weder die Beklagte noch die Nebenintervenienten beschwert.

3.2. Die Frage, ob die Erlassung eines Teilurteils zweckmäßig war, ist aber der Prüfungsbefugnis des Obersten Gerichtshofs entzogen (RIS‑Justiz RS0040047 [T5]). Die Erlassung eines Teilurteils ist eine Frage der Prozessleitung und die Entscheidung hierüber unanfechtbar. Ob die Fällung eines Teilurteils durch ein Gericht unterer Instanz zweckmäßig war, kann von der höheren Instanz nicht geprüft werden, die Ermessensentscheidung, ob das Gericht ein Teilurteil (oder Zwischenurteil) fällen will, ist ebenso unanfechtbar. Überprüfbar ist lediglich die Zulässigkeit eines solchen Urteils, das heißt, ob die prozessualen Voraussetzungen für ein Teilurteil überhaupt gegeben sind, was aber die Nebenintervenienten nicht bestreiten.

4. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO sind daher beide Revisionen zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. In den Revisionsbeantwortungen wurde jeweils auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Für die Kosten der Beantwortung eines erfolglosen Rechtsmittels des Nebenintervenienten haftet die von ihm unterstützte Hauptpartei (RIS-Justiz RS0036057). Allerdings gebühren der Klägerin nur 10 % Streitgenossenzuschlag, weil ihr bei Erstattung der Revisionsbeantwortung nur die beiden Nebenintervenienten als Prozessgegner gegenüber standen (§ 15 lit a RATG; 7 Ob 125/12a; 2 Ob 55/13x; Obermaier, Kostenhandbuch² [2010], 352).

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