OGH 9ObA12/17f

OGH9ObA12/17f28.6.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisions- und Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Dehn, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Johannes Püller und Mag. Matthias Schachner in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Arbeiterbetriebsrat der B***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. German Storch, Mag. Rainer Storch, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei B***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Alfred Hawel, Dr. Ernst Eypeltauer ua, Rechtsanwälte in Linz, wegen Feststellung gemäß § 54 Abs 1 ASGG (Streitwert: 21.800 EUR), über die Revision und den Rekurs der beklagten Partei gegen das Teilurteil und den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29. November 2016, GZ 11 Ra 71/16i-13, mit denen der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 3. Mai 2016, GZ 9 Cga 24/16y-9, Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:009OBA00012.17F.0628.000

 

Spruch:

 

Der Revision und dem Rekurs der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben.

Die Kostenentscheidung ist der Endentscheidung vorbehalten.

 

Entscheidungsgründe:

Die im vorliegenden Verfahren vom klagenden Betriebsrat vertretenen vier Mitarbeiter der Beklagten werden zur Arbeitsleistung der ***** Betriebsfeuerwehr ***** überlassen. Ihre Dienstverhältnisse unterliegen unstrittig dem Kollektivvertrag für Arbeiter der chemischen Industrie (idF: Kollektivvertrag). Die Mitarbeiter verrichten ihre Arbeit in 12-Stunden-Schichten, davon acht Stunden aktive Arbeitszeit und vier Stunden inaktive Arbeitsbereitschaft. Sie sind in einen fixen Schichtplan mit zwei Tagen Tagdienst, zwei Tagen Nachtdienst und zwei freien Tagen eingeteilt. Durch Ausspringschichten ergibt sich eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 45 Stunden.

Mit Wirksamkeit zum 1. 5. 1990 wurde bei der Beklagten eine Betriebsvereinbarung über die Umstellung der Arbeitszeit für die im Schichtdienst tätigen Mitarbeiter bei der Betriebsfeuerwehr ***** abgeschlossen, die zum einen die Umstellung auf eine 45-Stunden-Woche sowie die Ausgestaltung des Schichtmodells mit 12-Stunden-Schichten und zum anderen die Abgeltung der über die 38. Wochenstunde hinausgehenden Arbeitszeit regelt. Zur Abgeltung der Arbeitsbereitschaft ab der 39. bis 45. Wochenstunde wurde vereinbart, dass die Mitarbeiter zusätzlich zum bisherigen Monatsgehalt bzw ‑lohn 40 % des errechneten Stundengehalts bzw ‑lohns für 30,43 Stunden monatlich (bezogen auf eine kollektivvertraglich geregelte Arbeitszeit von 38 Stunden) erhalten. Zusätzlich wurde mit Aktenvermerk zu dieser Betriebsvereinbarung eine Schichtpauschale für den 45-Stunden-Schichtplan vereinbart. Diese Schichtpauschale setzt sich aus Zuschlägen für Sonntagsarbeit mit 23,7 Stunden, Feiertagsarbeit mit 10,5 Stunden sowie Mittags- und Nachtschichtzulagen mit je 59 Stunden zusammen, wie sie bereits in der zuvor abgeschlossenen Betriebsvereinbarung der Beklagten über die Verkürzung der Arbeitszeit von 40 auf 38 Stunden vom 28. 4. 1987 vorgesehen waren. Zudem enthält die Schichtpauschale für den 45-Stunden-Schichtplan noch eine Bereitschaftsdienstzulage mit 11,83 Stunden.

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass jene Arbeiter seit 1. 8. 2013 Anspruch auf einen 100%igen Zuschlag für die Sonntagsarbeit gemäß Punkt N53 und auf Abgeltung der Feiertagsarbeit gemäß Punkt N54 des Kollektivvertrags haben, soweit monatlich mehr als 23,7 Sonntagsstunden bzw mehr als 5,25 Feiertagsstunden geleistet werden. Für die 39. bis 45. Wochenstunde stünden ihnen nach dem Kollektivvertrag zusätzliche Sonn- und Feiertagszuschläge zu, soweit diese nicht bereits durch die vereinbarte Schichtpauschale abgedeckt seien. In die Schichtpauschale seien die Sonn- und Feiertagsstunden auf Basis einer 38-Stunden-Woche eingerechnet worden, weshalb die Ansprüche für die durch die Ausdehnung von 38 auf 45 Stunden entsprechend mehr geleisteten Sonn- und Feiertagsstunden bestünden. Sie seien erstmals mit Schreiben vom 10. 2. 2014 geltend gemacht worden.

Die Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte im Wesentlichen ein, dass es sich bei der Arbeitszeit von der 39. bis 45. Wochenstunde um Arbeitsbereitschaft handle, für die ein geringeres Entgelt vereinbart werden könne. Sämtliche Sonn- und Feiertagsstunden seien durch die Bereitschaftsabgeltung iHv 40 % der Grundvergütung pauschal abgegolten. Die Ansprüche seien erstmals mit der Änderung des Klagebegehrens in der Verhandlung vom 31. 3. 2016 geltend gemacht worden und daher, soweit sie mehr als sechs Monate davor fällig geworden seien, auch verfallen.

Das Erstgericht folgte dem Standpunkt der Beklagten und wies das Klagebegehren ab. Die Regelung der Betriebsvereinbarung zur pauschalen Abgeltung der Arbeitsbereitschaft ab der 39. bis 45. Stunde sei gültig (Urteil des OLG Linz vom 30. 9. 2015, 12 Ra 60/15b). Ein Unterschreiten der kollektivvertraglichen Grenzen zur Entlohnung der Arbeitsbereitschaft sei nicht behauptet worden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und stellte mit Teilurteil die vom Kläger begehrte Verpflichtung der Beklagten zur Leistung eines 100%igen Zuschlags für die Sonntagsarbeit gemäß Pkt N53 und einer Abgeltung der Feiertagsarbeit gemäß Pkt N54 des Kollektivvertrags seit 1. 1. 2015 fest. Im Hinblick auf die davor liegenden Zeiträume hob es das Ersturteil auf, weil Feststellungen zur Beurteilung des Verfalls fehlten. Dass die den Mitarbeitern zustehenden Sonn- und Feiertagszuschläge durch die Bereitschaftsdienstzulage abgegolten wären, würde bedeuten, dass durch eine über dem Mindestansatz des Kollektivvertrags liegende Entgeltvereinbarung eine Abgeltung von Sonn- und Feiertagsentgelten vorgesehen werden könnte. § 9 Abs 5 ARG sehe jedoch unabdingbar die Verpflichtung zur Zahlung von Feiertagsentgelt vor. Nach der Rechtsprechung könne Urlaubsentgelt nicht mit einem erhöhten laufenden Entgelt abgegolten werden. Dies treffe auch auf Feiertagsentgelt zu. Die bloße Vereinbarung überkollektivvertraglichen Entgelts sei auch nicht als Pauschalvereinbarung über die Anrechnung von Feiertagsentgelt anzusehen. Der Berechnung der Ansprüche auf Feiertagsentgelt sei daher das zwischen den Parteien vereinbarte Entgelt (für den Bereitschaftsdienst) zugrunde zu legen. Nichts anderes könne für den Zuschlag für Sonntagsarbeit gelten, für den Pkt N53 des Kollektivvertrags einen 100%igen Zuschlag vorsehe. Der Inhalt des Aktenvermerks vom 6. 4. 1990 verstoße daher gegen die zwingenden Regeln des Kollektivvertrags. Die Betriebsvereinbarung sehe zwar zulässigerweise eine geringere Entlohnung des Bereitschaftsdienstes vor. Ihr sei aber nicht zu entnehmen, dass damit auch Sonn- und Feiertagszuschläge (auf Basis der „Bereitschaftsabgeltung“) abgegolten sein sollten. Die vereinbarte Bereitschaftsabgeltung sei daher als Grundvergütung anzusehen. Für die 39. bis 45. Woche seien allenfalls Zuschläge für Sonn- und Feiertagsarbeit entsprechend Pkt N53 und N54 des Kollektivvertrags zu leisten. Die Revision und der Rekurs seien zur Frage zulässig, ob im Fall eines überkollektivvertraglichen Bereitschaftsentgelts allfällige Sonn- und Feiertagszuschläge als mitabgegolten gelten.

In ihrer gegen das Teilurteil gerichteten Revision und dem gegen den Aufhebungsbeschluss gerichteten Rekurs beantragt die Beklagte, das Berufungsurteil im Sinn einer Klagsabweisung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt, die Rechtsmittel zurückzuweisen, in eventu ihnen keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision und der Rekurs sind zulässig , jedoch nicht berechtigt .

1.  Arbeitsbereitschaft ist der Aufenthalt an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort mit der Bereitschaft zur jederzeitigen Aufnahme der Arbeitsleistung im Bedarfsfall (RIS-Justiz RS0051351). Grundsätzlich kann die Arbeitsbereitschaft durch Kollektivvertrag oder Einzelarbeitsvertrag geringer entlohnt werden als die normale Arbeitszeit. Hiefür ist jedoch eine entsprechende Vereinbarung Voraussetzung (RIS-Justiz RS0021399).

2.  Im vorliegenden Fall ist unstrittig, dass die von den Mitarbeitern zu leistenden 39. bis 45. Wochenstunden Zeiten der Arbeitsbereitschaft enthalten, die auch Sonn- und Feiertage betreffen.

Nach § 3 Abs 1 S 1 ARG hat der Arbeitnehmer in jeder Kalenderwoche Anspruch auf eine ununterbrochene Ruhezeit von 36 Stunden, in die der Sonntag zu fallen hat (Wochenendruhe).

Nach § 7 Abs 1 ARG hat der Arbeitnehmer an Feiertagen Anspruch auf eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens 24 Stunden, die frühestens um 00:00 Uhr und spätestens um 6:00 Uhr des Feiertags beginnen muss (Feiertagsruhe).

Nach § 9 Abs 5 ARG hat der Arbeitnehmer, der während der Feiertagsruhe beschäftigt wird, außer dem Entgelt nach Abs 1 Anspruch auf das für die geleistete Arbeit gebührende Entgelt, es sei denn, es wird Zeitausgleich iSd § 7 Abs 5 vereinbart.

In Ermangelung einer solchen Regelung für die Beschäftigung während der Wochen‑(end‑)ruhe besteht kein vergleichbarer (gesetzlicher) Anspruch auf zusätzliche Abgeltung von Sonntagsarbeit ( Pfeil in ZellKomm 2 § 9 ARG Rz 2). Ein solcher ist hier jedoch sowohl für die Sonntags- als auch für die Feiertagsarbeit kollektivvertraglich vorgesehen, denn der Kollektivvertrag für die Arbeiter der chemischen Industrie enthält ua folgende Regelungen:

Sonntagsarbeit

N53 Sonntagsarbeit wird sowohl bei kontinuierlicher als auch nicht kontinuierlicher Arbeitsweise mit einem Zuschlag von 100 Prozent auf die Grundvergütung entlohnt.

Feiertagsarbeit

N54 Für die Arbeit an gesetzlichen Feiertagen, welche nicht auf einen Sonntag fallen, ist neben der im § 9 Abs. 1 Arbeitsruhegesetz vorgesehenen Fortzahlung des regelmäßigen Entgeltes das Doppelte des auf die geleistete Arbeit entfallenden Entgeltes zu zahlen.

3.  In der Entscheidung 8 ObA 56/11k wurde ausgesprochen, dass mit der (relativ zwingenden) Verpflichtung zur Zahlung von Überstundenzuschlägen der Gesetzgeber den Zweck verfolgt, die damit verbundene Mehrbelastung des Arbeitnehmers abzugelten und die Kosten der Arbeit zu erhöhen, damit die Arbeitgeber veranlasst werden sollen, von Überstundenarbeit nur in begründeten Fällen Gebrauch zu machen. Weiter wurde festgehalten, dass der Gesetzgeber einen vergleichbaren Zweck mit der Verpflichtung zur Zahlung von Feiertagsentgelten iSd– unabdingbaren – § 9 Abs 5 ARG verfolgt. Es kann daher nicht fraglich sein, dass dem Arbeitnehmer jedenfalls ein Anspruch auf erhöhtes Sonn- und Feiertagsarbeitsentgelt zusteht.

4.  Die Beklagte meint, die nicht bereits abgedeckten Stunden seien durch die in der Betriebsvereinbarung festgelegte Abgeltung der Arbeitsbereitschaft ab der 39. bis 45. Wochenstunde abgegolten, wonach die Mitarbeiter zusätzlich zum bisherigen Monatsgehalt 40 % des errechneten Stundengehalts für 30,43 Stunden monatlich (bezogen auf eine kollektivvertraglich geregelte Arbeitszeit von 38 Stunden) erhielten.

Das Berufungsgericht wies auf die Rechtsprechung hin, dass auch die gemäß § 12 UrlG zwingende Regelung des Urlaubsentgelts in § 6 UrlG nicht dadurch unterlaufen werden darf, dass das Urlaubsentgelt unabhängig vom Verbrauch des Urlaubs mit einem erhöhten laufenden Entgelt oder auch mit einem Zuschlag zu diesem Entgelt abgegolten werden soll. Dies verstößt gegen den Zweck der am Ausfallsprinzip orientierten Regelung des § 6 UrlG, weil der Arbeitnehmer während des Urlaubs das laufende Entgelt nicht weiter bezieht und damit durch die Inanspruchnahme des ihm gebührenden Urlaubs einen wirtschaftlichen Nachteil erleidet, der ihn vom Verbrauch des Urlaubs abhalten könnte (s RIS-Justiz RS0077538).

Die Frage, ob diese Rechtsprechung auf die Leistung von Sonn‑ und Feiertagsarbeit übertragbar ist, kann hier jedoch dahingestellt bleiben: Zwar ist der Schichtpauschale zu entnehmen, dass sie der Abgeltung von Sonntagsarbeit im Ausmaß von 23,7 Stunden und von Feiertagsarbeit im Ausmaß von 10,5 Stunden dient. Dagegen geht aus der in der Betriebsvereinbarung vorgesehenen Abgeltung der Arbeitsbereitschaft für die 39. bis 45. Wochenstunde nicht hervor, dass damit auch Bereitschaftsdienste an Sonn‑ und Feiertagen abgegolten sein sollen. Dass sich dies aus ihrem Wortlaut ergäbe oder dass dafür in ihrem Text (vgl RIS‑Justiz RS0010089) Anhaltspunkte für eine entsprechende Absicht der Parteien bestünden, hat auch die Beklagte nicht behauptet. Selbst wenn man ihr darin folgt, dass Sonntagszuschläge und Feiertagsentgelt wertungsmäßig dem – grundsätzlich pauschalierbaren (RIS‑Justiz RS0051519) – Überstundenentgelt gleichzuhalten seien, wäre für einen Arbeitnehmer damit aber nicht klar erkennbar (zu diesem Erfordernis s Pfeil in ZellKomm 2 AZG § 10 Rz 19 mwN), dass mit der Bereitschaftsabgeltung für die 39. bis 45. Wochenstunde unter Berücksichtigung der kollektivvertraglichen Zuschläge auch Sonn‑ und Feiertagsarbeit, soweit sie über monatlich 23,7 bzw 10,5 Stunden hinausgeht, abgegolten werden soll.

5. Da damit nicht davon auszugehen ist, dass mit der Bereitschaftsdienstzulage auch die Zuschläge für Sonn- und Feiertagsentgelt, soweit monatlich mehr als 23,7 Sonntagsstunden bzw mehr als 5,25 Feiertagsstunden geleistet werden, abgegolten sind, sind die Rechtsmittel der Beklagten nicht berechtigt. Ihnen ist daher keine Folge zu geben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf jenem des Berufungsgerichts (§ 52 ZPO).

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