European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0020OB00091.16W.0620.000
Spruch:
Der außerordentlichen Revision wird teilweise Folge gegeben.
I. Das angefochtene Urteil, das hinsichtlich der Abweisung eines Teilbegehrens von 295.813,26 EUR sA gegenüber der erstbeklagten Partei und von 20.250,25 EUR sA gegenüber der zweitbeklagten Partei als unbekämpft in Rechtskraft erwachsen ist, wird teilweise bestätigt, sodass es als Teilurteil zu lauten hat:
„Das Klagebegehren, die erstbeklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei restliche 575.380,74 EUR, hievon 565.323,75 EUR zur ungeteilten Hand mit der zweitbeklagten Partei, samt 4 % Zinsen seit Klagsbehändigung zu bezahlen, wird im Umfang von 564.256,48 EUR samt 4 % Zinsen ab Klagsbehändigung abgewiesen.“
Die Entscheidung über die auf dieses Teilbegehren entfallenden Verfahrenskosten bleibt dem Endurteil vorbehalten.
II. Im Übrigen, hinsichtlich der Abweisung eines weiteren Teilbegehrens von 11.124,26 EUR sA gegenüber der erstbeklagten Partei und von 565.323,75 EUR sA gegenüber der zweitbeklagten Partei werden die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben. Die Rechtssache wird in diesem Umfang zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die hierauf entfallenden Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin und der Erstbeklagte sind die Kinder der im Jahr 1930 geborenen und am 31. 10. 2012 verstorbenen H***** P*****. Die Zweitbeklagte ist die Ehefrau des Erstbeklagten. Im Testament der Erblasserin vom 24. 3. 2011 wurden der Erstbeklagte als Alleinerbe eingesetzt und die Klägerin als Pflichtteilsberechtigte genannt. Mit Einantwortungsbeschluss des Verlassenschaftsgerichts vom 26. 4. 2013 wurde der Nachlass dem Erstbeklagten eingeantwortet. Der reine Nachlass abzüglich der Masse‑ und Verfahrenskosten belief sich auf 22.248,52 EUR, davon erhielt die Klägerin ein Viertel als Nachlasspflichtteil, das sind 5.562,13 EUR.
Die Erblasserin war zu Lebzeiten sehr vermögend. Gemeinsam mit ihrem Anfang der 1980er Jahre verstorbenen Ehemann hatte sie erfolgreich ein Handelsunternehmen, die Dr. A***** GmbH, betrieben. Ab dem Jahr 1983 war der Erstbeklagte Geschäftsführer der GmbH. Die Erblasserin ging etwa 1985 in Pension und finanzierte ihren gehobenen Lebensstandard ab dann ua durch Vermietung und gelegentlich auch Verkauf ihrer durch das Familienunternehmen erwirtschafteten Liegenschaften.
In den 1970er Jahren hatte die Erblasserin in einer Gründerzeitvilla, dem Haus L***** in Wien 13, die Wohnungen W 2 bis W 4 im Mezzanin und die Wohnung W 7–8 im zweiten Stock erworben. In der rund 344 m² großen Wohnung W 7–8 wohnte die Familie, dort befand sich auch das 130 m² große Büro und der Sitz der GmbH. Es war der Wunsch der Erblasserin gewesen, ihre Familie in dem Haus L***** zusammenzuhalten, was wegen wachsender Unstimmigkeiten mit der Klägerin aber nicht gelang.
Im Einzelnen tätigte die Erblasserin folgende Liegenschaftstransaktionen:
1. Im Jahr 1982 schenkte sie der Klägerin die nötigen Mittel zum Ankauf und zur Renovierung einer Wohnung in Wien 8, Le*****, und zwar je ca 225.000 EUR, insgesamt daher ca 450.000 ATS (= 32.703 EUR).
2. Mit Schenkungsvertrag vom 15. 3. 1988 übertrug sie dem Erstbeklagten anlässlich dessen Eheschließung mit der Zweitbeklagten die aus drei Zimmern bestehende Wohnung W 4, wo dann die Beklagten mit ihren Kindern wohnten.
3. Mit Schenkungsvertrag vom 7. 6. 1991 schenkte die Erblasserin der Klägerin die Wohnung W 3, die ursprünglich zwei Zimmer gehabt hatte.
4. Davor wurde von dieser Wohnung jedoch ein 30 m² großes Zimmer abgetrennt und mit Schenkungsvertrag vom 29. 5. 1991 der dem Erstbeklagten gehörigen Wohnung W 4 zugeschlagen. Seither hat die Wohnung W 4 eine Wohnfläche von 174 m², die Wohnung W 3 war im Zeitpunkt der Schenkung an die Klägerin 63 m² groß.
5. Mit Schenkungsvertrag vom 25. 10. 1994 schenkte die Erblasserin der Klägerin anlässlich deren erster Eheschließung die Wohnung W 2 mit einer Wohnfläche von 86 m², die in der Folge mit der Wohnung W 3 zusammengelegt wurde. Nach Scheidung und Wiederverheiratung etwa ein Jahr nach ihrer ersten Hochzeit verließ die Klägerin diese Wohnung und vermietete sie.
6. Mit Notariatsakt vom 30. 4. 1999 schenkte die Erblasserin der Zweitbeklagten, zu der sie ein ausgezeichnetes Verhältnis hatte und von der sie sich im Alter Pflege erhoffte, die Wohnung W 7–8 sowie die Garage mit vier Stellplätzen. Der Notariatsakt enthielt in „Zweitens“ folgenden „Vorbehalt“:
„1) Der Geschenkgeber behält sich an den vertragsgegenständlichen Liegenschaftsanteilen die höchstpersönliche Dienstbarkeit des lebenslangen und unentgeltlichen Fruchtgenusses vor.
Dem Geschenkgeber stehen also weiterhin die gesamten Mieteinnahmen aus den teilweise als Büro an die [GmbH] vermieteten Flächen der W 7–8 sowie des Stellplatzes und die Benützung von zwei Stellplätzen in der Garage zu.
2) Weiters räumt der Geschenknehmer dem Geschenkgeber sowie auch dem Ehegatten des Geschenknehmers [Erstbeklagter] das Belastungs- und Veräußerungsverbot in Ansehung der vertragsgegenständlichen Liegenschaftsanteile ein […]
3) Der Geschenkgeber erklärt, aus der W 7–8 auszuziehen, dies unter dem Vorbehalt, daß dem Geschenkgeber dessen Sohn [Erstbeklagter], welcher der Ehegatte der Geschenknehmerin ist, an den diesem gehörigen, unter Grundbuchsstand b) näher bezeichneten Liegenschaftsanteilen [Wohnung W 4], das lebenslängliche und unentgeltliche Wohnungsgebrauchsrecht einräumt.
[Der Erstbeklagte] räumt sohin der [Erblasserin] in Ansehung der ihm gehörigen, unter Grundbuchsstand b) näher bezeichneten Liegenschaftsanteilen, verbunden mit Wohnungseigentum an der Wohnung Top Nummer 4, das zu deren Gunsten grundbücherlich sicherzustellende höchstpersönliche, lebenslängliche und unentgeltliche Wohnungsgebrauchsrecht an allen Räumlichkeiten dieser Wohnung […] ein.“
In der Folge übersiedelten die Beklagten mit ihren Kindern aus der Wohnung W 4 in die Wohnung W 7–8 und die Erblasserin in die Wohnung W 4, wobei sie einen Großteil der Möbel und Einrichtungsgegenstände aus der Wohnung W 7–8 mitnahm; lediglich eine Kommode und eine Vitrine verblieben in der Wohnung W 7–8. Der Wunsch zum Wohnungstausch stammte von der Erblasserin.
7. Im Jahr 1999 schenkte die Erblasserin der Klägerin 130.000 ATS (= 9.447 EUR), die ihr „im Wege der Dr. A***** GmbH“ zuflossen.
8. Mit vollstreckbarem Notariatsakt vom 28. 6. 2000 kaufte die Erblasserin von der Klägerin die Wohnung W 2–3 um einen Kaufpreis von 3,9 Mio ATS (= 283.424,05 EUR) zurück, nachdem die Klägerin die Veräußerung an familienfremde Interessenten angestrebt hatte, wozu die Erblasserin ihre aufgrund des Belastungs- und Veräußerungsverbots erforderliche Zustimmung jedoch verweigerte. 2 Mio ATS wurden anlässlich der Vertragserrichtung an die Klägerin gezahlt, der Rest von 1,9 Mio ATS wurde hypothekarisch sichergestellt.
9. Mit Notariatsakt vom 21. 8. 2000 schenkte die Erblasserin der Zweitbeklagten die Wohnung W 2–3. Die Beweggründe waren dieselben wie schon bei der Schenkung im Jahr 1999. Wieder wurden ein Belastungs‑ und Veräußerungsverbot zu Gunsten der Erblasserin und des Erstbeklagten sowie ein lebenslanges unentgeltliches Fruchtgenussrecht zugunsten der Erblasserin vereinbart. Bezüglich der bei der Wohnung W 2 pfandrechtlich sichergestellten Zahlungsverpflichtung erklärte die Erblasserin, die Zweitbeklagte klag‑ und schadlos zu halten.
10. Um den Rückkauf der Wohnung W 2–3 finanzieren zu können, hatte die Erblasserin mit Kaufvertrag vom 15. 6. 2000 eine Ferienwohnung in B***** an den Erstbeklagten verkauft. Der Kaufpreis betrug 1,2 Mio ATS, wovon der Erstbeklagte zunächst 1,1 Mio ATS zahlte.
11. Am 18. 6. 2001 verkaufte die Erblasserin dem Erstbeklagten eine Eigentumswohnung im Haus Z***** in Wien 14 um 800.000 ATS. Der Erstbeklagte zahlte diesen Kaufpreis zuzüglich der aushaftenden 100.000 ATS aus dem Vertrag vom 15. 6. 2000. Damit war die Erblasserin nun auch in der Lage, die restlichen 1,9 Mio ATS für die Wohnung W 2–3 an die Klägerin zu bezahlen.
Nach einem Streit mit der Klägerin wegen der Schenkung der Wohnung W 7–8 an die Zweitbeklagte und die Veräußerung der Ferienwohnung in B***** an den Erstbeklagten ließ die Erblasserin ihre weiteren Transaktionen jahrelang (bis 2011) nicht verbüchern, um sie vor der Klägerin geheim zu halten.
Als die Erblasserin im Jahr 2002 an Brustkrebs erkrankte, wurde sie von der Zweitbeklagten in den folgenden ca zwei Jahren unterstützt und betreut. Nach ihrer Genesung war die Erblasserin wieder bei altersentsprechender guter Gesundheit. Im Jahr 2012 erkrankte sie schließlich zuerst an Morbus Alzheimer, dann auch an Morbus Parkinson. Ab dieser Zeit war die Zweitbeklagte ständig mit der Betreuung und der Pflege der Erblasserin sowie mit den damit zusammenhängenden organisatorischen Aufgaben befasst. Die Erblasserin starb am 31. 10. 2012.
Die Klägerin begehrte mit der am 28. 7. 2013 eingebrachten Klage vom Erstbeklagten einen Schenkungspflichtteil von 871.194 EUR, für den die Zweitbeklagte mit einem Anteil von 585.574 EUR solidarisch hafte.
Sie brachte vor, die Erblasserin habe praktisch ihr gesamtes Vermögen mit einem auf den Todestag geschätzten Wert von 3,8 Mio EUR ca zehn Jahre vor ihrem Tod in rechtsmissbräuchlicher Weise durch fiktive Verkäufe und Schenkungen an die Beklagten übertragen, um den Pflichtteil der Klägerin gezielt auszuhöhlen. Es handle sich um eine Kette von Scheingeschäften, deren einzige Triebkraft die Ausschaltung des Pflichtteilsrechts der Klägerin gewesen sei. Dabei habe die Zweitbeklagte quasi als Treuhänderin für den Erstbeklagten fungiert. Die Haftung der Zweitbeklagten folge aus dem Rechtsmissbrauch und der Umgehung der zwingenden Pflichtteilsbestimmungen. Auch die Berufung auf die Zweijahresfrist des § 785 Abs 3 ABGB sei rechtsmissbräuchlich. Der Erstbeklagte hafte mit der Zweitbeklagten auch im Umfang deren Haftungsteils, weil er kollusiv mit der Zweitbeklagten gehandelt habe.
Die Klägerin errechnete den Schenkungspflichtteil wie folgt, wobei sich die Zuordnung zu den Beklagten aus dem Vorbringen und/oder den ermittelten Gesamtbeträgen ergibt:
- Fw B***** (Erstbekl): 228.000 EUR
- Z***** (Erstbekl): 220.000 EUR
- W 4 (Erstbekl): 694.480 EUR
- W 2–3 (Zweitbekl): 593.880 EUR
- W 7–8 (Zweitbekl): 1.547.415 EUR
- Garage (Zweitbekl): 120.000 EUR
- Möbel W 7–8 (Zweitbekl): 81.000 EUR
Summe 3.484.775 EUR
Davon entfielen 1.142.480 EUR auf den Erstbeklagten und 2.342.295 EUR auf die Zweitbeklagte. Der Schenkungspflichtteil betrage 871.194 EUR und werde gegenüber dem Erstbeklagten geltend gemacht. Die Mithaftung der Zweitbeklagten bestehe mit 585.574 EUR.
Die Beklagten bestritten den behaupteten Rechtsmissbrauch und wandten ein, die Schenkungen an die Zweitbeklagte seien weit mehr als zwei Jahre vor dem Tod der Erblasserin erfolgt. Motiv für die Schenkung sei die hohe Wertschätzung gewesen, die die Erblasserin der Zweitbeklagten entgegengebracht habe. Die Erblasserin habe bei den Beklagten den so sehr gewünschten Familienanschluss gefunden und sich von der Zweitbeklagten die Pflege gewünscht, die ihr schließlich auch zuteil geworden sei. Es handle sich um Schenkungen in Erfüllung einer sittlichen Pflicht. Das zugunsten der Erblasserin und des Erstbeklagten vereinbarte Belastungs- und Veräußerungsverbot habe dazu gedient, das Familienvermögen zu sichern und zu erhalten. Die Verkäufe der Ferienwohnung in B***** und der Wohnung im Haus Z***** an den Erstbeklagten seien keineswegs fiktiv gewesen, der Erstbeklagte habe marktgerechte Kaufpreise bezahlt. Auch die Klägerin habe Schenkungen erhalten, deren Wert sie sich auf den behaupteten Schenkungspflichtteil anrechnen lassen müsse. Die geltend gemachte Solidarhaftung sei nicht nachvollziehbar.
Das Erstgericht ging vom eingangs zusammengefasst wiedergegebenen Sachverhalt aus und wies das Klagebegehren ab.
Es erörterte rechtlich, die Verkäufe der Wohnungen in B***** und im Haus Z***** seien nicht bloß zum Schein erfolgt, der Erstbeklagte habe jeweils einen marktgerechten Preis bezahlt. Die Schenkungen der Wohnungen W 7–8 und W 2–3 beruhten auf dem freien Willen der Erblasserin, ohne dass sie von den Beklagten beeinflusst oder gedrängt worden wäre. Aus den Feststellungen folge auch nicht, dass das Motiv der Erblasserin die Vereitelung der Pflichtteilsansprüche der Klägerin gewesen sei. Tatsächlich habe sie der Zweitbeklagten am meisten vertraut und erwartet, dass sie ihren (der Erblasserin) Willen, die Wohnungen in der L***** für die Familie zu erhalten, umsetzen werde. Im Übrigen habe sie sich für den Fall ihrer Pflegebedürftigkeit die Unterstützung der Zweitbeklagten sichern wollen. Aber auch die Berufung auf die Zweijahresfrist des § 785 Abs 3 ABGB sei nicht als rechtsmissbräuchlich anzusehen. Die Schenkung der Wohnung W 4 an den Erstbeklagten sei anlässlich dessen Eheschließung erfolgt. Es handle sich um einen Vorempfang iSd § 788 erster Fall ABGB, der allenfalls auf den Nachlass‑, nicht aber auf den Schenkungspflichtteil anzurechnen sei. Dasselbe treffe auf die Schenkung der Wohnung W 2 an die Klägerin zu. Die einzige anrechnungspflichtige Schenkung an den Erstbeklagten sei somit die Übertragung des Zimmers von der Wohnung W 3 auf die Wohnung W 4, die, wenn man von der Bewertung der Klägerin (4.000 EUR/m²) ausginge, einen geschenkten Wert von 120.000 EUR repräsentiere. Davon stünde der Klägerin ein Viertel zu, dies seien 30.000 EUR, auf die sie sich aber die ihr geschenkten Vermögenswerte anrechnen lassen müsse. Allein die Wohnung W 3, die mit einem Wert von 252.000 EUR zu veranschlagen wäre, übersteige bei weitem den errechneten Betrag. Zu keinem anderen Ergebnis käme man, wenn man noch den Wert der in der Wohnung W 7–8 verbliebenen Möbelstücke (Vitrine und Kommode) berücksichtigen würde. Das Klagebegehren sei daher abzuweisen.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
Es teilte die Auffassung des Erstgerichts, dass weder Schein‑ noch Umgehungsgeschäfte vorlägen. Der Erstbeklagte habe die Kaufpreise für die Wohnungen in B***** und in der Z***** an die Erblasserin bezahlt. Hinsichtlich der Zweitbeklagten habe die Erblasserin nachvollziehbare Beweggründe für die Schenkungen gehabt. Um dem Erstbeklagten eine eigentümerähnliche Stellung an den geschenkten Wohnungen einzuräumen, hätte es weit mehr als eines bloßen Belastungs- und Veräußerungsverbots zu seinen Gunsten bedurft. Rechtsmissbrauch habe das Erstgericht zu Recht verneint. Ein solcher könne auch nicht darin liegen, dass sich die Zweitbeklagte auf die Zweijahresfrist des § 785 Abs 3 ABGB berufe. Die Zweitbeklagte habe nie zum Kreis der potentiell Pflichtteilsberechtigten gehört, weshalb ein Vergleich mit jenen Fällen, in denen ein Pflichtteilsberechtigter auf den Pflichtteil verzichtet habe, um in den Genuss dieser Frist zu kommen, nicht statthaft sei.
Gegen dieses Berufungsurteil richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin im Umfang der Abweisung eines Betrags von 575.380,74 EUR sA gegenüber dem Erstbeklagten, davon 565.323,75 EUR sA auch gegenüber der Zweitbeklagten als Solidarschuldnerin, mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne des Zuspruchs der genannten Beträge.
Die Beklagten beantragen in der ihnen durch den Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortung, das Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum Zeitpunkt des Vermögensopfers unberücksichtigt ließ. Das Rechtsmittel ist im Sinne des im Abänderungsantrag enthaltenen Aufhebungsantrags (RIS‑Justiz RS0041774 [T1]) auch teilweise berechtigt.
Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, das Sich-Berufen auf die Zweijahresfrist des § 785 Abs 3 ABGB sei rechtsmissbräuchlich, wenn das Vermögen der Ehefrau eines Pflichtteilsberechtigten geschenkt worden sei. Davon abgesehen habe das Berufungsgericht die höchstgerichtliche Rechtsprechung zum Eintritt des Vermögensopfers nicht berücksichtigt. Die Erblasserin habe sich bei den Schenkungen an die Zweitbeklagte das lebenslange Fruchtgenussrecht vorbehalten und die Schenkung daher nicht schon zu Lebzeiten „gemacht“. Die Zweijahresfrist des § 785 Abs 3 ABGB sei vor dem Tod der Erblasserin noch gar nicht in Gang gesetzt worden. Das Revisionsinteresse errechne sich wie folgt:
Schenkungen an Zweitbeklagte:
- W 7–8 1.547.415 EUR
- Garage 120.000 EUR
- W 2–3 593.880 EUR
Summe 2.261.295 EUR
Erhalt Erstbeklagter:
- W 4 (1 Zimmer) 120.000 EUR
- W 4 (150 m²) – Vorempfang 0 EUR
- Z***** 220.000 EUR
- Möbel 30.000 EUR
- Bargeld 2005 (aufgezinst) 349.286,35 EUR
- Überweisung 1999 (aufgezinst) 12.390 EUR
Summe 731.676,82 EUR
Vorempfänge Klägerin:
- Le***** halbe W (wertges) 16.745,76 EUR
- W 3 (wertges) 156.116,45 EUR
Summe 172.862,21 EUR
Schenkungspflichtteil:
Summe Schenkungen 2.992.971,82 EUR
Viertel 748.242,95 EUR
abzügl Vorempfänge 172.862,21 EUR
Nachforderung: 575.380,74 EUR
Hiezu wurde erwogen:
I. Vorbemerkung:
1. Das Erstgericht hat in seinen Feststellungen den Inhalt des Notariatsakts vom 30. 4. 1999 (Beilage ./M = Beilage ./1) nur zusammengefasst wiedergegeben. Da sich aber jeweils beide Parteien zum Beweis ihres Prozessvorbringens auf diese Urkunde beriefen, ist der Urkundeninhalt als unstrittig anzusehen. Es ist prozessual unbedenklich, unstrittiges Parteivorbringen – und dazu gehört auch der Inhalt einer von beiden Seiten für bedeutsam angesehenen Urkunde – ohne Weiteres der Entscheidung zugrunde zu legen (§§ 266 f ZPO). Dies gilt auch für das Verfahren vor dem Revisionsgericht, weshalb zum besseren Verständnis dieser Entscheidung die wesentlichen Passagen aus der erwähnten Vertragsurkunde eingangs wörtlich wiedergegeben werden konnten (RIS‑Justiz RS0121557 [T3]).
2. Für den vorliegenden Fall ist die Rechtslage vor dem Inkrafttreten des ErbRÄG 2015 maßgeblich (§ 1503 Abs 1 Z 1 und 2 ABGB). Die im Folgenden zitierten Gesetzesbestimmungen sind daher jene in der anzuwendenden Fassung vor dem ErbRÄG 2015.
II. Allgemeines:
1. Gemäß § 785 Abs 1 ABGB sind auf Verlangen eines Pflichtteilsberechtigten bei der Berechnung des Nachlasses Schenkungen des Erblassers in Anschlag zu bringen. Der Anspruch auf den Schenkungspflichtteil richtet sich gegen den Nachlass bzw die Erben. Der Schenkungspflichtteil ist also zunächst bis zur Höhe des Werts des reinen Nachlasses vom Erben zu berichtigen. Nur dann und insoweit der Nachlass (nach Befriedigung der Nachlasspflichtteile) zur Deckung des Schenkungspflichtteils nicht ausreicht, kann der Noterbe gemäß § 951 Abs 1 ABGB den Fehlbetrag vom Beschenkten fordern und sich aus dem Geschenk befriedigen (vgl 7 Ob 248/11p NZ 2013/38 [Umlauft]; 8 Ob 55/13s SZ 2013/102; RIS‑Justiz RS0012941).
2. In diesem Zusammenhang ist unstrittig, dass
- der reine Nachlass 22.248,52 EUR betrug und
- die Klägerin und der Erstbeklagte als gesetzliche Erben zu je einem Viertel (5.562,13 EUR) pflichtteilsberechtigt sind.
Das bedeutet, dass die Hälfte des dem Erstbeklagten eingeantworteten Nachlasses, demnach ein Betrag von 11.124,26 EUR, für die Deckung eines allfälligen Anspruchs der Klägerin auf den Schenkungspflichtteil zur Verfügung steht und den Anspruch nach § 951 ABGB gegen den (die) Beschenkten entsprechend vermindert.
3. Nach § 951 Abs 3 ABGB haftet unter mehreren Beschenkten der früher Beschenkte nur in dem Maße, als der später Beschenkte zur Herausgabe nicht verpflichtet oder nicht imstande ist. Dieser Haftungsbeschränkung (zugunsten des früher Beschenkten) liegt die Vermutung des Gesetzgebers zugrunde, dass der Geschenkgeber erst durch die späteren Geschenke gegenüber dem Noterben pflichtwidrig handelte (6 Ob 189/00p; RIS‑Justiz RS0114314). Ist der Beschenkte selbst Noterbe, muss ihm nach § 951 Abs 2 ABGB der bei Einrechnung der Schenkungen gebührende eigene Pflichtteil erhalten bleiben (6 Ob 189/00p).
4. Von dieser Rechtslage ausgehend richtet sich der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf den Schenkungspflichtteil bis zur Höhe eines Betrags von 11.124,26 EUR gegen den Erstbeklagten als Erben. Für die darüber hinausgehenden Ansprüche bildet hingegen § 951 ABGB die Anspruchsgrundlage. Insoweit hätte das Klagebegehren auf Zahlung des Ausfalls am Pflichtteil bei Exekution (nur) in die geschenkte Sache zu lauten gehabt (7 Ob 248/11p NZ 2013/38 [Umlauft]; RIS‑Justiz RS0012943; Bollenberger in KBB4 § 951 Rz 3; unverändert nach der neuen Rechtslage: vgl Musger in KBB5 § 789 Rz 2).
III. Anrechnungspflichtige Schenkungen an den Erstbeklagten:
1. Die Anrechnung von Schenkungen setzt nach § 785 Abs 1 ABGB das „Verlangen“ eines pflichtteilsberechtigten Kindes oder des pflichtteilsberechtigten Ehegatten voraus (Welser in Rummel/Lukas 4 § 785 Rz 2). Der Anrechnungsberechtigte hat deshalb die Schenkungen genau zu bezeichnen, deren Anrechnung er begehrt. Im Pflichtteilsprozess ist dieses Verlangen im erstinstanzlichen Verfahren bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zu stellen. Ein erst im Rechtsmittelverfahren gestelltes Anrechnungsbegehren verstößt gegen das Neuerungsverbot (§ 504 Abs 2 ZPO) und kann daher nicht berücksichtigt werden.
2. Die Klägerin hat durch die Berechnung des Schenkungspflichtteils in der Klage ihr Anrechnungsbegehren (das „Verlangen“) ausreichend konkretisiert. Davon weicht allerdings jene Berechnung, die sie nunmehr ihrem Revisionsinteresse zugrunde legt, erheblich ab:
2.1 Die Klägerin hält in der Revision nicht mehr an ihrer Behauptung fest, dass dem Erstbeklagten die Ferienwohnung in B***** in Wahrheit geschenkt statt verkauft worden sei.
2.2 Die Wohnung W 4 wird mit Ausnahme des von der Wohnung W 3 abgetrennten und mit der Wohnung W 4 vereinigten Zimmers nun als (nicht auf den Schenkungspflichtteil anzurechnender) Vorempfang iSd § 788 ABGB qualifiziert.
2.3 Der Wert der in der Wohnung W 7–8 verbliebenen Möbel wird nun dem Erstbeklagten zugerechnet, während die Möbel in erster Instanz (rechnerisch eindeutig) noch als Schenkung an die Zweitbeklagte veranschlagt worden waren. Diese Widmungsänderung verstößt gegen das Neuerungsverbot.
2.4 Erstmals nimmt die Klägerin auch die behauptete „Bargeldübergabe“ vom 26. 9. 2005 in Höhe von 362.500 EUR, abzüglich eines auf den Erstbeklagten entfallenden Anteils von 61.000 EUR, mit einem aufgewerteten Betrag von 349.286,35 EUR in ihre Aufstellung auf.
2.5 Schließlich hat sie ihrer erstinstanzlichen Berechnung auch keine Schenkung an den Erstbeklagten in Höhe von 130.000 ATS (= 9.447,67 EUR) im Jahr 1999 zugrunde gelegt, die sie aber nunmehr aufgewertet mit 12.390 EUR in Anschlag bringt.
3. All diese Vermögenswerte können in dritter Instanz nicht (mehr) berücksichtigt werden, entweder weil die Klägerin von ihrem Anrechnungsbegehren selbst Abstand nimmt oder weil sie damit in dritter Instanz gegen das Neuerungsverbot verstößt. Daran ändert nichts, dass die Klägerin die („mutmaßliche“) Zuwendung der oben unter 2.4 und 2.5 erwähnten Vermögenswerte an den Erstbeklagten schon in erster Instanz behauptet und dazu auch Vorbringen erstattet hat. Entscheidend ist, dass sie nicht als Grundlage für die Berechnung des Anspruchs herangezogen worden sind. Sekundäre Verfahrensmängel liegen in diesem Zusammenhang nicht vor.
4. Was die Wohnung in der Z***** anlangt, ignoriert die Klägerin die Feststellungen des Erstgerichts, wonach die Erblasserin diese Wohnung am 18. 6. 2001 um 800.000 ATS an den Erstbeklagten verkauft hat, wobei das Erstgericht in seiner rechtlichen Beurteilung von einem „marktgerechten Preis“ ausging. Indem die Klägerin dieses Rechtsgeschäft in ihrem Rechtsmittel immer noch als „mutmaßliches Scheingeschäft“ bezeichnet, entfernt sie sich in unzulässiger Weise vom festgestellten Sachverhalt. Eine anrechenbare Schenkung liegt insoweit nicht vor.
5. Als anrechnungspflichtige Schenkung an den Erstbeklagten verbleibt somit nur das ihm am 29. 5. 1991 geschenkte und mit der Wohnung W 4 vereinigte 30 m² große Zimmer, dessen Wert die Klägerin mit 130.000 EUR veranschlagt.
IV. Anrechnungspflichtige Schenkungen an die Zweitbeklagte:
1. Keine Schenkung aus sittlicher Pflicht:
Die Zweitbeklagte vertritt in der Revisionsbeantwortung weiterhin die Ansicht, die Erblasserin habe ihr die Wohnung W 7–8 in Erfüllung einer sittlichen Pflicht geschenkt. Dies ist unzutreffend:
1.1 Gemäß § 785 Abs 3 erster Satz ABGB bleiben ua Schenkungen unberücksichtigt, die der Erblasser in Entsprechung einer sittlichen Pflicht oder aus Rücksichten des Anstands gemacht hat. Bei der Auslegung des Begriffs „sittliche Pflicht“ ist davon auszugehen, dass die Bestimmungen des § 785 ABGB die Gleichstellung aller pflichtteilsberechtigten Kinder bezwecken. Unter diesem Gesichtspunkt ist eine Schenkung in Entsprechung einer sittlichen Verpflichtung nur dann anzunehmen, wenn hiezu eine besondere, aus den konkreten Umständen des Falls erwachsene, in den Geboten der Sittlichkeit wurzelnde Verpflichtung des Schenkers (Erblassers) bestand. Dies lässt sich nur von Fall zu Fall unter Berücksichtigung der persönlichen Beziehungen zwischen Schenker und Beschenktem, deren Vermögens und deren Lebensstellung („Herkommen“ und „Verkehrsanschauung im gesellschaftlichen Kreis des Verfügenden“) entscheiden (7 Ob 304/97z SZ 70/231; 1 Ob 46/01y; 2 Ob 14/12s; RIS‑Justiz RS0012972).
1.2 Ein häufiger Anwendungsfall dieser Bestimmung ist jener, in welchem die „sittliche Pflicht“ wegen des Empfangs von (außerordentlichen) Beistandsleistungen, die über die gesetzlich geschuldeten weit hinausgehen, angenommen wird, so insbesondere wenn dem Geschenkgeber dadurch die sonst unumgängliche Fremdpflege, etwa der Aufenthalt in einem Pflegeheim, erspart bleibt (vgl 1 Ob 146/01y; RIS‑Justiz RS0115477). Dass dem Beschenkten für seine Leistungen geradezu ein Lohn als Pfleger zustand, ist dabei nicht Voraussetzung für das Bestehen einer sittlichen Pflicht (7 Ob 304/97z SZ 70/231; 1 Ob 46/01y; 2 Ob 14/12s; RIS‑Justiz RS0012972 [T2]).
1.3 Die Zweitbeklagte hatte als Schwiegertochter der Erblasserin gegenüber keine gesetzliche Beistandspflicht (vgl § 137 Abs 2 ABGB idF BGBl 1977/403). Den Feststellungen zufolge hat sie die Erblasserin nach deren Krebserkrankung ab dem Jahr 2002 ca zwei Jahre lang betreut und unterstützt, ebenso ab dem Mai 2012, als die Erblasserin unter rasch voranschreitendem Morbus Alzheimer, später auch noch an Morbus Parkinson, litt.
1.4 Die Schenkung der Wohnung W 7–8 war jedoch bereits vor der Pflegebedürftigkeit der Erblasserin, nämlich mit Notariatsakt vom 30. 4. 1999 erfolgt. Der Oberste Gerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, dass die „sittliche Pflicht“ schon im Zeitpunkt der Schenkung vorliegen muss (vgl 2 Ob 678/87 SZ 61/110; 2 Ob 65/12s; 6 Ob 101/14t; RIS‑Justiz RS0128820; Welser in Rummel/Lukas 4 § 785 Rz 15). War die bloße Erwartung künftiger Pflegeleistungen Motiv für die Zuwendung, so bestand noch keine „sittliche Pflicht“ (vgl 6 Ob 101/14t). Aus der Entscheidung 7 Ob 304/97z SZ 70/231 ist für den gegenteiligen Standpunkt nichts zu gewinnen, war dort doch von ausschlaggebender Bedeutung, dass die Geschenkgeberin von ihrem Enkelsohn bereits vor der Schenkung jahrelang betreut worden war.
1.5 Umstände, wie eine persönliche Nahebeziehung, viel gemeinsam verbrachte Zeit und gemeinsame Familienurlaube, welche die Zweitbeklagte in der Revisionsbeantwortung ins Treffen führt, bewirkten auch in Verbindung mit der Hoffnung künftiger Pflege noch keine besondere, in den Geboten der Sittlichkeit wurzelnde Verpflichtung der Erblasserin zu einer Schenkung an ihre Schwiegertochter. Damit lässt sich die Anrechnungsfreiheit der Schenkung jedenfalls nicht begründen.
2. Kein Umgehungsgeschäft und kein Rechtsmissbrauch:
2.1 Gemäß § 785 Abs 3 zweiter Satz ABGB haben auch solche Schenkungen unberücksichtigt zu bleiben, die früher als zwei Jahre vor dem Tod des Erblassers an nicht pflichtteilsberechtigte Personen gemacht worden sind.
Die von der Klägerin vertretene Rechtsansicht, es sei rechtsmissbräuchlich, wenn sich die beschenkte Ehefrau eines Pflichtteilsberechtigten auf die Zweijahresfrist beruft, hat der Senat kürzlich in einem vergleichbaren Fall abgelehnt. In der Entscheidung 2 Ob 145/16m EF-Z 2017/37 (Tschugguel) = iFamZ 2017/73 (Schweda) = EvBl 2017/57 (Apathy), der ebenfalls Schenkungen in beträchtlichem Umfang an die Schwiegertochter des Erblassers zugrunde lagen, verneinte er sowohl das Vorliegen eines Umgehungsgeschäfts als auch Rechtsmissbrauch. Er stellte klar, dass die durch die Festlegung der Zweijahresfrist als „kritische Zeit für Umgehungen des Noterbrechts“ zum Ausdruck gebrachte Wertung des Gesetzgebers abschließend ist. Erfolgte die Schenkung an eine nicht pflichtteilsberechtigte Person vor der Zweijahresfrist des § 785 Abs 3 ABGB, können sich die Pflichteilsberechtigten daher nicht erfolgreich darauf stützen, dass die Schenkung rechtsmissbräuchlich nur zur Vermeidung einer Schenkungsanrechnung vorgenommen worden sei (RIS‑Justiz RS0131055). Damit wird auch dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit Rechnung getragen.
Diese Entscheidung wurde im Schrifttum ausnahmslos zustimmend glossiert.
2.2 Die Grundsätze der zitierten Entscheidung sind auch auf den vorliegenden Sachverhalt übertragbar. Demnach muss auch der Vorwurf der Klägerin, die Zweitbeklagte berufe sich rechtsmissbräuchlich auf die Zweijahresfrist des § 785 Abs 3 ABGB, erfolglos bleiben.
Die Klägerin vermochte aber auch nicht den Beweis für ihre Behauptung zu erbringen, dass die Zweitbeklagte hinsichtlich der ihr geschenkten Vermögenswerte lediglich als Treuhänderin des Erstbeklagten fungierte und die gesetzliche Regelung des § 785 Abs 1 erster Satz ABGB auf diese Weise umgangen worden ist. Zu Recht verwies das Berufungsgericht darauf, dass der Erstbeklagte mit der Einräumung eines Belastungs‑ und Veräußerungsverbots zu seinen Gunsten noch keine rechtliche Stellung erlangt hatte, die mit jener eines Eigentümers vergleichbar ist (auch zu diesem Kriterium vgl 2 Ob 145/16m).
2.3 Es liegt somit weder ein Umgehungsgeschäft vor, noch kann sich die Klägerin auf Rechtsmissbrauch seitens der Zweitbeklagten berufen.
3. Vermögensopfer:
Das Bestehen des Anspruchs gegen die Zweitbeklagte hängt daher ausschließlich davon ab, ob die Schenkung tatsächlich mehr als zwei Jahre vor dem Tod der Erblasserin „gemacht“ worden ist.
3.1 Maßgebend dafür ist nach der inzwischen gefestigten Rechtsprechung des Senats (2 Ob 125/15v EF‑Z 2015/162 [Tschugguel] = PSR 2015/49 [Zollner] = ecolex 2015/445 [Fritzer]; 2 Ob 185/15t; 2 Ob 220/15i EF‑Z 2017/21 [Tschugguel] = iFamZ 2017/28 [Mondel]; 2 Ob 144/16i EF-Z 2017/20 [Tschugguel] mwN; 2 Ob 35/17m; RIS‑Justiz RS0130273) der Zeitpunkt des Vermögensopfers: Dieses setzt jedenfalls den Abschluss eines formgültigen und unwiderruflichen Schenkungsvertrags voraus. Auch in diesem Fall liegt es aber nicht vor, wenn sich der Geschenkgeber sämtliche Nutzungen der geschenkten Sache in Form eines dinglichen Fruchtgenussrechts zurückbehält. In einem solchen Fall tritt das Vermögensopfer erst mit dem Tod oder einem wirksamen Verzicht des Geschenkgebers auf das vorbehaltene Recht ein (2 Ob 125/15v; 2 Ob 35/17m).
3.2 Eindeutig ist die Rechtslage bei der Schenkung vom 21. 8. 2000 (W 2–3): Der Notariatsakt enthielt keinen Widerrufsvorbehalt, die Erblasserin behielt sich das lebenslange dingliche Fruchtgenussrecht vor. Nach der zitierten Rechtsprechung trat das Vermögensopfer erst mit dem Tod der Erblasserin ein. Die Schenkung ist daher anzurechnen.
3.3 Auch der Notariatsakt über die Schenkung vom 30. 4. 1999 (W 7–8 und Garage) enthielt keinen Widerrufsvorbehalt. Die Klägerin behielt sich zwar auch damals das lebenslange dingliche Fruchtgenussrecht vor, dessen Umfang aber im Hinblick auf den gleichzeitig vereinbarten „Wohnungstausch“ samt Einräumung eines lebenslänglichen unentgeltlichen Wohnungsgebrauchsrechts fraglich ist. Dazu sind folgende Erwägungen anzustellen:
a) Die Textierung von Punkt „Zweitens“ der Vertragsurkunde lässt auf den übereinstimmenden Parteiwillen schließen, dass die Zurückbehaltung des umfassenden und unbeschränkten Fruchtgenusses an den vertrags-gegenständlichen Liegenschaftsanteilen, mit denen das Wohnungseigentum an W 7–8 und an der Garage verbunden ist, hinsichtlich bestimmter räumlich abgegrenzter Teile, nämlich des „Wohnteils“ der Wohnung und auch eines von vier Stellplätzen der Garage unter einer auflösenden Bedingung stehen sollte. Diese im genannten Vertragspunkt ebenfalls festgehaltene Bedingung lag in der Bereitschaft des Erstbeklagten, der Erblasserin an der in seinem Eigentum stehenden Wohnung W 4 das lebenslängliche Wohnungsgebrauchsrecht einzuräumen. Für diesen Fall verpflichtete sich die Erblasserin ihrerseits zur Übersiedlung in die Wohnung W 4. Die Bedingung ist eingetreten.
b) Rechtliche Hindernisse standen einer solchen Vereinbarung nicht entgegen:
aa) Gegenstand der Fruchtnießung können auch räumlich bestimmte Teile einer Liegenschaft sein, etwa eine Wohnung oder ein Geschäftslokal (5 Ob 50/70 SZ 43/83; RIS‑Justiz RS0011876) oder auch nur ein Zimmer samt Mitbenützung sanitärer Anlagen und freier Zufahrt zu Haus und Hof (7 Ob 603/94). Ferner entspricht es der ständigen Rechtsprechung, dass der Fruchtnießer sein von Gesetzes wegen umfassendes dingliches Recht, die fremde Sache ohne jede Einschränkung, aber unter Schonung der Substanz zu gebrauchen, jedenfalls der Ausübung nach mit dinglicher oder obligatorischer Wirkung an einen anderen übertragen kann, und zwar sowohl hinsichtlich eines realen als auch eines ideellen Teils der Sache (5 Ob 106/09p mwN; 1 Ob 185/10b iFamZ 2011/79 [Deixler-Hübner]). „Anderer“ kann auch der Eigentümer der mit dem Fruchtgenuss belasteten Sache sein (1 Ob 185/10b mwN).
bb) Überträgt der Fruchtgenussberechtigte der Ausübung nach seine Rechte ganz oder teilweise an den Eigentümer der mit dem Fruchtgenussrecht belasteten Liegenschaft, stellt sich in der Regel die Auslegungsfrage nach einem (teilweisen) Verzicht des Fruchtgenussberechtigten auf seine Dienstbarkeit (5 Ob 193/02x NZ 2003/559 [GBSlg; Hoyer], 1 Ob 185/10b; RIS‑Justiz RS0012152). Demnach besteht auch die rechtliche Möglichkeit, dass sich der Eigentümer und der Fruchtgenussberechtigte schon im Dienstbarkeitsbestellungs-vertrag auf eine Aufteilung der Nutzungsrechte in Bezug auf reale oder auch ideelle Anteile der Liegenschaft einigen (5 Ob 193/02x). Dabei kommt es nicht darauf an, ob dies uno actu durch Vorbehalt von Nutzungsrechten durch den Eigentümer oder in zwei getrennten Rechtsgeschäften geschieht (5 Ob 193/02x; 5 Ob 106/09p). Die Aufteilung der Nutzungsrechte kann von den Vertragsparteien auch so festgelegt werden, dass Teile einer Wohnung (einzelne Räume) vom Fruchtgenussrecht ausgenommen sind (vgl 1 Ob 185/10b).
c) Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung begegnet es keinen Bedenken, wenn die Parteien des Schenkungsvertrags eine Vertragsgestaltung wählten, bei welcher der Erblasserin letztlich – nach Eintritt der auflösenden Bedingung – nur ein räumlich auf den vermieteten „Büroteil“ der Wohnung W 7–8 und drei der vier Stellplätze der Garage beschränktes Fruchtgenussrecht verbleiben und die Nutzung der übrigen Räumlichkeiten, nämlich des „Wohnteils“ der Wohnung und des verbleibenden Stellplatzes, der Zweitbeklagten als Wohnungseigentümerin zukommen sollte. Dabei ist es unerheblich, dass das Fruchtgenussrecht am gesamten Mindestanteil haftete. Wie der Oberste Gerichtshof schon mehrfach betonte, kommt es nur auf die Rechtsstellung des Geschenkgebers (der Erblasserin) im Verhältnis zum Geschenknehmer (der Zweitbeklagten), nicht aber auf die allfällige Wirkung gegenüber Dritten an (zuletzt 2 Ob 35/17m).
d) Der erkennende Senat hat jüngst in der soeben zitierten Entscheidung 2 Ob 35/17m für den Zeitpunkt des Vermögensopfers zwar darauf abgestellt, ob der fruchtgenussberechtigte Erblasser durch seine Erklärung, „auf die Ausübung des im Schenkungsvertrag vereinbarten Fruchtgenussrechts gegenüber dem Beklagten zu verzichten“, endgültig auf das Recht als solches oder nur auf die Ausübung des Rechts verzichtet hat. Die Erklärung könne – so derSenat – auch dahin gedeutet werden, dass der Berechtigte dieses Recht derzeit nicht ausüben wolle, für den Fall geänderter Verhältnisse aber am grundsätzlichen Bestehen seines Rechts festhalte.
Davon unterscheidet sich aber der hier zu beurteilende Sachverhalt insofern ganz wesentlich, als die Vertragsparteien eine abschließende, einseitig nicht kündbare Vereinbarung getroffen haben, die – wie sich aus der Begründung eines dinglichen Wohnungsgebrauchsrechts zugunsten der Erblasserin am „Tauschobjekt“ ersehen lässt – auf Lebenszeit der Erblasserin ausgerichtet war.
e) Diese Überlegungen erfordern bei der Wohnung W 7–8 und der Garage für den Zeitpunkt des Vermögensopfers eine differenzierte Betrachtung:
Im Umfang des „Wohnungsteils“ und eines Stellplatzes der Garage lag das Vermögensopfer bereits mit dem Eintritt der auflösenden Bedingung, also bereits im Jahr 1999, vor. Im Umfang des 130 m² großen „Büroteils“ und der übrigen drei Stellplätze trat es hingegen erst mit dem Tod der Erblasserin ein. Nur die zuletzt genannten Vermögenswerte unterliegen daher der Schenkungsanrechnung. Ihr Wert wird im fortgesetzten Verfahren zu ermitteln sein.
4. Möbel:
Den Wert der in der Wohnung W 7–8 (und zwar im „Wohnungsteil“) verbliebenen Möbel rechnet die Klägerin der Zweitbeklagten in dritter Instanz nicht mehr zu. Insoweit verfolgt sie ihr Anrechnungsbegehren nicht mehr weiter. Daran ändert nichts, dass auch die Berücksichtigung als Schenkung an den Erstbeklagten nicht in Frage kommen kann (siehe dazu III.2.3).
V. Weiteres Revisionsvorbringen:
Soweit sich die Klägerin gegen die Feststellung wendet, wonach ihr von der Erblasserin im Jahr 1999 130.000 ATS geschenkt worden seien, bekämpft sie inhaltlich die in dritter Instanz unanfechtbare Beweiswürdigung der Vorinstanzen. Auf diese Ausführungen ist nicht weiter einzugehen. Die in diesem Zusammenhang gerügte Aktenwidrigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 dritter Satz ZPO).
VI. Zusammenfassung und Ergebnis:
1. Entgegen der Annahme der Vorinstanzen sind die Schenkungen an die Zweitbeklagte vom 30. 4. 1999 (W 7–8 und Garage) sowie vom 21. 8. 2000 (W 2–3) in die Berechnung des Schenkungspflichtteils der Klägerin einzubeziehen, erstere aber nur im Umfang des „Büroteils“ der Wohnung und dreier Stellplätze in der Garage. Als anrechnungspflichtige Schenkung an den Erstbeklagten kommt nur die Schenkung des von der Wohnung W 3 abgetrennten und mit der Wohnung W 4 vereinigten Zimmers im Jahr 1991 in Betracht.
2. Davon ausgehend erweist sich das Klagebegehren als spruchreif, soweit die Klägerin gegen den Erstbeklagten einen über 11.124,26 EUR hinausgehenden Betrag geltend macht, ihn also nicht als Erben, sondern als Beschenkten nach § 951 ABGB in Anspruch nimmt:
2.1 Zunächst ist festzuhalten, dass eine tragfähige Grundlage für eine solidarische Haftung des Erstbeklagten im Umfang der an seine Ehefrau erbrachten Schenkungen nicht besteht. Für das von der Klägerin behauptete „kollusive Zusammenwirken“ enthält der Sachverhalt keinen ausreichenden Anhaltspunkt.
2.2 Wie in Punkt III. erörtert wurde, kommt als anrechnungspflichtige Schenkung an den Erstbeklagten nur mehr das ihm im Jahr 1991 geschenkte Zimmer in Betracht, dessen Wert die Klägerin mit 130.000 EUR ansetzt. Selbst wenn der Erstbeklagte als im Verhältnis zur Zweitbeklagten früher Beschenkter gemäß § 951 Abs 3 ABGB zur Haftung heranzuziehen wäre, ist er – im Gegensatz zur Zweit-beklagten – als „pflichtteilsberechtigtes Kind“ (§ 785 Abs 1 ABGB) gegenüber der Klägerin anrechnungsberechtigt. Von diesem Recht hat er in erster Instanz auch Gebrauch gemacht. Dem trägt die Klägerin in ihrer Revision dadurch Rechnung, dass sie ihren Anspruch um eigene „Vorempfänge“ vermindert. Da aber der von der Klägerin in Ansatz gebrachte Wert jenen der Schenkung an den Erstbeklagten übersteigt (130.000 : 172.862,21 EUR), ist ein Anspruch gegen den Erstbeklagten, soweit er nicht als Erbe haftet, ausgeschlossen.
2.3 In dem aus dem Spruch ersichtlichen Umfang kann das Urteil des Berufungsgerichts daher als Teilurteil bestätigt werden.
3. Hingegen fehlen Feststellungen, die eine Bewertung der Schenkungen an die Zweitbeklagte ermöglichen (§ 794 ABGB). Aus diesem Grund, aber auch, um die Parteien mit der dargelegten Rechtsansicht nicht zu überraschen, sind die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben. Das Erstgericht wird die Rechtslage mit den Parteien zu erörtern und nach den erforderlichen Beweisaufnahmen die noch fehlenden Feststellungen zu treffen haben. Erst danach wird unter Bedachtnahme auf die obigen Ausführungen beurteilt werden können, ob und in welcher Höhe ein Anspruch der Klägerin auf den Schenkungspflichtteil besteht.
4. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 und 4 ZPO.
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