OGH 6Ob101/14t

OGH6Ob101/14t28.8.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. M***** H*****, vertreten durch Dr. Alfred Kriegler, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei A***** H*****, vertreten durch Gabler Gibel & Ortner Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 128.504,44 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 25. April 2014, GZ 13 R 204/13k‑49, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0060OB00101.14T.0828.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1.1. Die Rechtsauffassung der Vorinstanzen, wonach die sittliche Verpflichtung iSd § 785 Abs 3 ABGB bereits im Zeitpunkt der Schenkung gegeben sein muss, entspricht der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (2 Ob 678/87). Entgegen der Rechtsansicht der beklagten Partei ist der dieser Entscheidung zugrundeliegende Sachverhalt mit der vorliegenden Konstellation durchaus vergleichbar.

1.2. Nach ständiger Rechtsprechung reicht aber, um eine gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs annehmen zu können, schon das Vorliegen auch nur einer, ausführlich begründeten, grundlegenden und veröffentlichten Entscheidung, der keine gegenteiligen entgegenstehen, insbesondere dann, wenn sie auch im Schrifttum nicht auf beachtliche Kritik gestoßen ist (RIS‑Justiz RS0103384; E. Kodek in Rechberger , ZPO 4 § 502 Rz 19). Das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage ist in einem solchen Fall insbesondere dann zu verneinen, wenn der Rechtsmittelwerber nicht mit neuen Argumenten erhebliche Zweifel an der Richtigkeit dieser Entscheidung wecken kann (RIS‑Justiz RS0103384 [T4]). Die außerordentliche Revision enthält keine Argumente, die Zweifel an der Richtigkeit dieser Entscheidung wecken würden.

2. Entgegen der Rechtsansicht der Revision bewirkt die Bejahung eines Pflichtteilsanspruchs des Klägers keine grobe Unbilligkeit. Das österreichische Erbrecht sieht als Grundsatz einen Pflichtteilsanspruch bestimmter naher Angehöriger vor, der nur in besonders gewichtigen Fällen nicht zum Tragen kommen soll. Eine ausdehnende Auslegung des Begriffs der „sittlichen Pflicht“ würde dieses System entgegen dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers unterlaufen und den Anrechnungsregeln des österreichischen Erbrechts widersprechen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Beklagte als Ehefrau eine entsprechende Beistandspflicht traf und dies für die Berücksichtigung der Schenkung aus sittlicher Pflicht miteinbezogen werden muss, weil eine sittliche Pflicht des Erblassers gegenüber seiner Frau nur dann besteht, wenn diese Leistungen erbrachte, die weit über das hinausgehen, was normalerweise eine Ehefrau für ihren Mann im Rahmen der Beistandspflicht tut (3 Ob 583/82; Welser in Rummel , ABGB 3 § 785 Rz 15).

3. Bei der Auslegung des Begriffs „sittliche Pflicht“ ist davon auszugehen, dass die Bestimmungen des § 785 ABGB die Gleichstellung aller Pflichtteilsberechtigten bezwecken. Unter diesem Gesichtspunkt ist eine Schenkung, mit der einer sittlichen Pflicht entsprochen wurde, nur dann anzunehmen, wenn hiezu eine besondere aus den konkreten Umständen des Falls erwachsene, in den Geboten der Sittlichkeit wurzelnde Verpflichtung des Schenkers (Erblasser) bestand. Dies lässt sich nur im jeweiligen Einzelfall unter Berücksichtigung der persönlichen Beziehungen zwischen Schenker und Beschenktem, ihres Vermögens und ihrer Lebensstellung entscheiden. Wegen der regelmäßigen Einzelfallbezogenheit dieser Beurteilung stellen sich dabei in der Regel keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO (5 Ob 191/10i).

4. Entgegen der Rechtsansicht der Revision kann auch keine Rede davon sein, dass es dem Gleichheitsgrundsatz widerspreche, eine als Gegenleistung für erbrachte Pflegeleistungen gewährte Schenkung anders zu behandeln, als eine Schenkung, bei der ‑ wie im vorliegenden Fall ‑ die Erwartung künftiger Pflegeleistungen möglicherweise das Motiv für die Zuwendung war. Der bloße Umstand, dass in einer Revision verfassungsrechtliche Bedenken geltend gemacht werden, begründen aber keine erhebliche Rechtsfrage, wenn der Oberste Gerichtshof die verfassungsrechtlichen Bedenken des Rechtsmittelwerbers nicht teilt (RIS‑Justiz RS0116943).

5. Zusammenfassend bringt die beklagte Partei somit keine Rechtsfragen der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität zur Darstellung, sodass die Revision spruchgemäß zurückzuweisen war.

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