OGH 4Ob586/95

OGH4Ob586/9521.11.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** AG, ***** vertreten durch Frieders, Tassul & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Dr.Anton K*****, vertreten durch Dr.Werner Steinacher und Dr.Alfred Hammerer, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen S 296.975,38 sA, infolge Rekurses beider Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 28.Juni 1995, GZ 3 R 125/95-21, mit dem das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 17.März 1995, GZ 9 Cg 329/93-17, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Beiden Rekurses wird Folge gegeben.

Der angefochtene Aufhebungsbeschluß wird aufgehoben und in der Sache selbst zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Entscheidung des Erstgerichtes wird wiederhergestellt.

Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten die mit S 52.135,40 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin S 6.480,90 USt und 13.250,- Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist Rechtsnachfolgerin der ***** M*****-Bank N***** AG (kurz: M*****-Bank). Die M*****-Bank stand mit dem Vermögensberater Mag.Johannes S***** in Geschäftsverbindung. Sie finanzierte wiederholt den von Mag.Johannes S***** vermittelten Kauf von Hausanteilscheinen des Bautreuhand-Konzerns. Mag.Johannes S***** hatte zu diesem Zweck Selbstauskunfts- und Kreditantragsformulare der M*****-Bank zur Verfügung, um Kreditanträge aufnehmen und an die Bank weiterleiten zu können. Zwischen Mag.Johannes S***** und der Immo-Bautreuhand GesellschaftmbH bestand eine Vertriebsvereinbarung.

Der Beklagte schloß durch Vermittlung des Mag.Johannes S***** zwei Ansparverträge für Hausanteilscheine ab. Ende November 1984 nahm er mit dem Vermögensberater "routinemäßig" Kontakt auf. Mag.Johannes S***** bot dem Beklagten einen Hausanteilschein der Bautreuhand Hausanteilschein GesellschaftmbH & Co Immobilien KG Serie 8/II an. Da der Beklagte erklärte, keine Ansparbeträge mehr aufbringen zu können, schlug ihm Mag.Johannes S***** vor, den Erwerb des Hausanteilscheines durch einen Kredit zu finanzieren. Der Kredit könne mit den Erlösen aus dem Hausanteilschein und der Steuerersparnis zurückgezahlt werden; sichergestellt würde der Kredit durch Verpfändung des Hausanteilscheines.

Mag.Johannes S***** legte dem Beklagten den Prospekt "Bericht Hausanteilschein" und eine Gewinntabelle vor, in der das unwiderrufliche Kaufangebot der Unternehmensgruppe Wohnungseigentum Bautreuhand enthalten war. Insbesondere im Prospekt wird der Hausanteilschein als sichere Anlageform beschrieben, "da keine Zinsen und Tilgungen für Fremdkapital anfallen" und "das Sicherheitsdenken im Vordergrund steht". Mag.Johannes S***** erklärte dem Beklagten, daß diese Anlage sicher sei, da eben lastenfreie Immobilien als Haftungsgrundlage - auch im Falle der Insolvenz der Anlagegesellschaft - zur Verfügung stünden.

Am 14.11.1984 unterschrieb der Beklagte das Formular "Selbstauskunft und Kreditantrag", welches Mag.Johannes S***** an die M*****-Bank weiterleitete. Mit Schreiben vom 14.2.1985 sagte die M*****-Bank dem Beklagten einen Kredit über S 221.000,-- mit einer Laufzeit von zehn Jahren (bis 31.1.1996), 9,25 % Zinsen per anno und, für den Fall des Verzuges, Verzugszinsen von 4,75 % per anno über den vertragsmäßigen Zinsen zu. An Bearbeitungsgebühr wurden S 4.420,--, an staatlicher Kreditgebühr 0,8 % verrechnet.

Am 28.2.1985 nahm der Beklagte die Kreditzusage an und verpfändete den Hausanteilschein der M*****-Bank als Sicherheit für den ihm gewährten Kredit. Die M*****-Bank überwies am 4.3.1985 S 214.000,-- an die Concentra Treuhand- und VerwaltungsAG, Serie 8, als Treuhänderin der Bautreuhand Hausanteilschein GesellschaftmbH & Co Immobilien KG, Serie 8/II. Der Beklagte hatte den Überweisungsauftrag bereits im November 1984 zusammen mit der Selbstauskunft und dem Kreditantrag durch Mag.Johannes S***** der M*****-Bank übermittelt. Zwischen der M*****-Bank und dem Beklagten gab es keinen direkten Kontakt.

Die M*****-Bank eröffnete für den Beklagten das Girokonto Nr. 2507055370. Die Bautreuhand zahlte pro Quartal zwei- bis dreimal S 1.000,--, Der Beklagte mußte zum Abschluß eines jeden Quartals knapp S 2.200,-- einzahlen, um die aufgelaufenen Zinsen zu begleichen. Am 5.7.1989 überwies die Bautreuhand zum letzten Mal S 1.000,--.

Die Bautreuhand Hausanteilschein GesellschaftmbH & Co Immobilien KG, Serie 8/II, befindet sich in Liquidation und ist vermögenslos.

Mit Schreiben vom 24.8.1993 kündigte die Klägerin den Kreditvertrag auf. Sie machte Terminsverlust geltend und forderte den Beklagten auf, bis 7.9.1993 S 373.155,86 zu zahlen. Ab 8.9.1993 würden Verzugszinsen von 16 % per anno begehrt. Da für den Zeitraum 14.12.1990 bis 31.12.1991 ein Zinsstop verfügt worden war, verringert sich die Forderung der Klägerin auf S 296.975,38.

Die Klägerin begehrte vom Beklagten zuletzt diesen Betrag sA; er habe sich verpflichtet, den Kreditbetrag samt 9,25 % Zinsen per anno kontokorrentmäßig, die Bearbeitungsgebühr von S 4.420,-- und 0,8 % staatliche Kreditgebühr "vierteljährlich, erstmals am 31.3.1985", zu zahlen. Nachdem der Beklagte bereits sechs Wochen mit den Ratenzahlungen im Rückstand gewesen sei, habe die Klägerin eine Nachfrist von zwei Wochen gesetzt und in der Folge den Kreditbetrag fällig gestellt.

Mag.Johannes S***** sei für die M*****-Bank nicht als Verhandlungsgehilfe tätig geworden. Zwischen dem Kreditvertrag und dem Vertrag über den Erwerb eines Hausanteilscheines habe keine Verbindung bestanden. Die M*****-Bank sei nicht verpflichtet gewesen, den Beklagten über die Gefahren und Risken von Hausanteilscheinen aufzuklären. Zwischen der M*****-Bank und der Anlagegesellschaft habe keine wirtschaftliche Einheit bestanden. Die Verschaffung des Hausanteilscheines als Wertträger sei weder Beweggrund noch Endzweck des Vertrages gewesen. § 18 KSchG sei bei drittfinanzierten Vermögensanlagegeschäften nicht analog anzuwenden.

Der Beklagte beantragt, das Klagebegehren abzuweisen.

Mag.Johannes S***** habe ihm erklärt, der Kredit werde durch die Barausschüttungen der Serie 8, die Steuergutschriften aus der Geltendmachung der Finanzierungskosten sowie aus der Zuweisung von Verlusten bedient. Der nach zehn Jahren noch offene Rest werde aus dem garantierten Verkaufserlös des Hausanteilscheines gezahlt. Die Beteiligung bedeute keinerlei Risiko, das gesamte Anlagekapital werde in Immobilien veranlagt, so daß auch kein Insolvenzrisiko bestehe. Es handle sich um einen ausschließlich aus Eigenkapital finanzierten Immobilienfonds, bei dem keine Fremdfinanzierungskosten anfallen und keine Hypotheken bestehen würden. Der Hausanteilschein reiche daher für die Klägerin als Kreditsicherheit aus; die Bonität des einzelnen Anlegers müsse nicht geprüft werden.

Auf dieser Informations- und Geschäftsgrundlage habe der Beklagte das Kreditvertragsanbot, den Girokontoeröffnungsantrag, den Pfandbestellungsvertrag und den Zeichnungsschein der Serie 8 unterfertigt. Er sei durch unrichtige, unvollständige und irreführende Prospekte zum Abschluß des Kreditvertrages und des Beteiligungsvertrages veranlaßt worden. Ihm stünden Prospekthaftungsansprüche gegen die Klägerin zu. Mag.Johannes S***** habe als Verhandlungsgehilfe der M*****-Bank den Beklagten arglistig irregeführt. Die M*****-Bank habe ihre Aufklärungspflichten verletzt. Ihr Verhandlungsgehilfe habe die wahre Natur und das wahre Risiko der Hausanteilscheine verschleiert.

Der Beklagte habe keine weiteren Zahlungsverpflichtungen übernehmen wollen. Insoweit deckten sich der Kreditantrag des Beklagten und dessen Annahme durch die Klägerin nicht; es liege ein Dissens vor. Kreditnehmer, Beteiligungsgesellschaft und Finanzierer hätten es iS des § 901 ABGB zum Beweggrund und Endzweck des gesamten Vertrages und damit auch des Kreditvertrages gemacht, daß der Hausanteilschein als Wertträger verschafft und erhalten bleibe. Analog § 18 KSchG sei der Beklagte zur Geltendmachung sämtlicher Anfechtungsansprüche berechtigt, weil alle Einwendungen und Ansprüche gegen die Anlagegesellschaft auch gegen den Finanzierer zustünden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Mag.Johannes S***** sei Verhandlungsgehilfe der M*****-Bank gewesen. Er habe dem Beklagten erklärt, daß dieser den Kredit allein durch die Barausschüttungen der Serie 8/II zusammen mit Steuergutschriften und durch den Wiederverkaufserlös des Hausanteilscheines bedienen könne. Die Erklärungen seien der M*****-Bank zuzurechnen. Der Kreditantrag des Beklagten habe diese Erklärungen umfaßt. Die M*****-Bank habe aber nicht diesen Antrag, sondern nur den schriftlich niedergelegten Antrag annehmen wollen. Ihre Erklärung sei ein neuer Antrag an den Beklagten gewesen, den dieser jedoch nicht angenommen habe. Mündliche Ergänzungen oder Abweichungen vom Text des Vertragsformulares seien nicht ausgeschlossen gewesen. Mangels Annahme sei kein Kreditvertrag zustandegekommen; die Klägerin habe keinen vertraglichen Anspruch auf Rückzahlung des Kreditbetrages. Bereichungsansprüche habe sie nicht geltend gemacht.

Das Berufungsgericht hob die Entscheidung des Erstgerichtes auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zurück. Es sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.

Der vorliegende Fall sei dem der "Dissensentscheidung" (7 Ob 546/93 JBl 1994, 408 = WBl 1993, 331 = ecolex 1993, 664 [Wilhelm] = ÖBA 1993, 908 [P. Bydlinski]) zugrundeliegenden Sachverhalt nicht vergleichbar. Dem Kreditvertrag seien nicht ein Antrag des Kreditnehmers und dessen (vermeintliche) Annahme durch die Bank zugrundegelegen, sondern der Beklagte habe am 28.2.1985 die Kreditzusage der M*****-Bank vom 14.2.1985 angenommen. Die Kreditzusage habe die mündlichen Zusagen des Vermögensberaters nicht umfaßt. Vertragsinhalt sei der schriftlich festgehaltene Text der Kreditzusage geworden.

Ein Einwendungsdurchgriff käme nur in Betracht, wenn der Finanzierer von solchen tatsächlichen Verhältnissen Kenntnis hätte, die einen Fehlschlag mit größter Wahrscheinlichkeit erwarten ließen. Die vom Beklagten erworbene Beteiligung sei ein Risikogeschäft. Daß sich die M*****-Bank über die Finanzierung hinaus am Hausanteilgeschäft beteiligt hätte, sei nicht behauptet. Ebensowenig sei vorgebracht, daß sie um einen mit größter Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Fehlschlag der Beteiligung gewußt hätte.

Schadenersatzansprüche mache der Beklagte nicht geltend; eine allfällige Verletzung von Aufklärungspflichten der Bank sei daher nicht entscheidend. Seine Behauptung, die Parteien hätten einvernehmlich die Erhaltung des Hausanteilscheines als Wertträger zur Bedingung auch des Kreditvertrages gemacht, habe der Beklagte nicht bewiesen.

Mag.Johannes S***** sei Verhandlungsgehilfe der M*****-Bank gewesen. Er sei daher nicht Dritter iS des § 875 ABGB. Seine Erklärungen seien der M*****-Bank zuzurechnen. Der Beklagte habe vorgebracht, bei Abschluß des Kreditvertrages über seine Rückzahlungspflicht im Fall des Konkurses der Anleihegesellschaft geirrt zu haben. Mag.Johannes S***** habe den Irrtum arglistig veranlaßt. Ein derartiger Irrtum wäre als Geschäftsirrtum iS des § 871 ABGB zu qualifizieren; die Anfechtung wäre sowohl nach dieser Gesetzesstelle als auch nach § 870 ABGB möglich. Das Erstgericht habe weder zum Irrtum des Beklagten noch zur behaupteten List des Mag.Johannes S***** Feststellungen getroffen. Es fehlten auch konkrete Feststellungen darüber, was Mag.Johannes S***** dem Beklagten beim Beratungsgespräch tatsächlich zugesagt habe.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung gerichteten Rekurse beider Parteien sind berechtigt.

Die Klägerin hält an ihrer Auffassung fest, daß Mag.Johannes S***** nicht Verhandlungsgehilfe der M*****-Bank gewesen sei. Er sei als Besorgungsgehilfe des Beklagten tätig geworden. Seine Erklärungen seien der M*****-Bank nicht zuzurechnen. Daß Mag.Johannes S***** im Besitz eines Formularsatzes für sein jährliches Routinegespräch mit dem Beklagten gewesen sei, bedeute nicht, daß die M*****-Bank an dem davon betroffenen Beteiligungsgeschäft Anteil gehabt habe. Daß eine allenfalls durch das Beteiligungsunternehmen verursachte arglistige Täuschung auf den Finanzierer durchschlage, weil der Beteiligungsvertrag jedenfalls Motiv des Finanzierungsvertrages gewesen wei, widerspreche der derzeitigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung. Der Beklagte habe keine Umstände behauptet, aus denen sich eine arglistige Täuschung ergebe. Die Erwartungen des Beklagten seien ein unbeachtlicher Motivirrtum.

Die Beklagte verweist auf die Ausführungen des Erstgerichtes, wonach dem Beklagten von Mag.Johannes S***** zugesichert worden sei, ihn werde - auch bei Insolvenz der Anlagegesellschaft - kein wirtschaftliches Risiko treffen. Überlegungen, wer das Risiko trage, seien daher ausdrücklich angestellt worden. Der "Kreditvertrag" enthalte keine Rückzahlungs- oder Abstattungsvereinbarung, die den Zusicherungen des Vermögensberaters widersprechen könnte. Im Gegensatz zu dem der Entscheidung 8 Ob 649/93 zugrundeliegenden Fall enthalte der Kreditvertrag keine Trennungsklausel; der Beklagte habe den Widerspruch zwischen mündlichen Zusagen und Inhalt der Kreditzusage nicht erkennen können. Habe der Anleger - im Gegensatz zur Bank - den Kredit nur aus Beteiligungserträgen und Steuergutschriften zahlen wollen, so liege ein Dissens vor. Der Beteiligungsvertrag sei jedenfalls Motiv des Finanzierungsvertrages gewesen. Der - wegen des Wissens des Vermittlungsunternehmens Immo-Bautreuhand GesellschaftmbH um die schlechte finanzielle Lage der Hausanteilgesellschaft - arglistig verursachte Motivirrtum könne gegen den Finanzierer eingewandt werden. Das Berufungsgericht hätte sich mit der Fälligkeit des Klagebetrages auseinandersetzen müssen. Die Klage sei nur auf Terminsverlust gestützt; Terminsverlust sei nicht vereinbart worden und mangels Verzuges mit Rückzahlungsraten - der Kreditbetrag werde erst am 31.1.1996 fällig - auch nicht eingetreten. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Österreichischen Kreditunternehmungen seien nicht Vertragsinhalt geworden.

Rechtsprechung und Lehre haben sich in letzter Zeit wiederholt mit Fragen drittfinanzierter Vermögensanlagen befaßt (s die Rechtsprechungs- und Literaturübersicht in der E 5 Ob 550/93, ÖBA 1995, 473). Im vorliegenden Fall sind die Fragen der Stellung des Vermögensberaters, eines allfälligen Dissenses und der Irrtumsanfechtung des Kreditvertrages von Bedeutung.

1. Zur Stellung des Vermögensberaters

Mag.Johannes S***** hat dem Beklagten nicht nur den Hausanteilschein, sondern auch die Finanzierung vermittelt. Er ließ den Beklagten die Kreditunterlagen unterschreiben und leitete sie an die M*****-Bank weiter. Zwischen dem Beklagten und der M*****-Bank bestand kein direkter Kontakt.

In solchen Fällen ist der Vermögensberater nach ständiger Rechtsprechung und Lehre Verhandlungsgehilfe der Bank. Verhandlungsgehilfen sind keine Dritten iS des § 875 ABGB; der Finanzierer muß die Anfechtung des Vertrags gegen sich gelten lassen, wenn der Verhandlungsgehilfe beim Abschluß des Vertrages einen Willensmangel des Anlegers veranlaßt hat (7 Ob 639/85 ÖBA 1986, 356

mwN; 6 Ob 577, 578/90 ecolex 1991, 605 = ÖBA 1991, 917 [Apathy]; s

auch 1 Ob 599/93 WBl 1994, 273 [Hammerer] = ÖBA 1994, 558 [Apathy] =

ecolex 1994, 460 ua; Aicher in Rummel, ABGB2 § 1063 Rz 21 mwN; Rummel in Rummel, ABGB2 § 875 Rz 2; P. Bydlinski, Zur Drittfinanzierung stiller Gesellschaftsbeteiligungen, JBl 1988, 205 [207]; Koziol, Einwendungsmöglichkeiten und Rückabwicklung bei Drittfinanzierung mit Einlösung der Kaufpreisforderung, ÖBA 1989, 207 [211]; Wilhelm, Selbständige Einwendungen gegen die Bank, ecolex 1990, 15 [16]; Graf, Neues zur drittfinanzierten Vermögensanlage, ecolex 1991, 591 [596]).

Der Verhandlungsgehilfe ist Empfangsbote der Bank. Das ihm gemachte Kreditvertragsoffert des Anlegers gilt als der Bank zugegangen (s 6 Ob 600/94 ÖBA 1995, 51 [Apathy] mwN).

2. Zum vom Beklagten behaupteten Dissens

In der Entscheidung 7 Ob 546/93 JBl 1994, 408 = WBl 1993, 331 =

ecolex 1993, 664 [Wilhelm] = ÖBA 1993, 908 [P. Bydlinski] wurde die

Auffassung vertreten, daß ein Dissens vorliegt, wenn mündliche Erklärungen des Vermögensberaters das Kreditanbot des Anlegers beeinflussen, die Bank den Antrag aber allein auf Basis des Antragsformulars annimmt. Diese Entscheidung blieb vereinzelt. In den Entscheidungen 1 Ob 599/93 WBl 1994, 273 [Hammerer] = ÖBA 1994, 558 [Apathy] = ecolex 1994, 460, 8 Ob 649/93 ÖBA 1995, 146 [Koziol] = ecolex 1994, 749 (mit BsprAufs von Wilhelm, Aufklärungspflicht der Bank, Unwirksamkeit des Kreditvertrags und Rückabwicklung, ecolex 1994, 746), 6 Ob 600/94 ÖBA 1995, 51 [Apathy] und 1 Ob 540/95 ecolex 1995, 480 = ÖBA 1995, 627 = WBl 1995, 337 = RdW 1995, 381 wurde bei vergleichbarem Sachverhalt ein Dissens verneint. Die Erklärungen des Vermögensberaters über die Art der Rückzahlung hätten nur die besondere Vorteilhaftigkeit der Anlage unterstrichen. In der Entscheidung 8 Ob 649/93 ÖBA 1995, 146 [Koziol] = ecolex 1994, 749 wurde ein Dissens nur für den Fall einer Änderung des Betrages durch den Vermögensberater oder durch die Bank nach der Unterfertigung des Kreditantrages durch den Anleger bejaht.

Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, kommt zur Ablehnung der Dissenslösung durch die Rechtsprechung und herrschende Lehre im vorliegenden Fall noch hinzu, daß der Kreditvertrag nicht durch Annahme eines Anbotes des Beklagten, sondern durch Annahme der Kreditzusage der M*****-Bank durch den Beklagten zustandekam. Der Beklagte hat sich am 28.2.1985 mit dem Inhalt der Kreditzusage einverstanden erklärt und zur Kenntnis genommen, daß für das Kreditverhältnis im übrigen die "Allgemeinen Geschäftsbedingungen der österreichischen Kreditunternehmungen" sowie die "Besonderen Bedingungen für den Giroverkehr" gelten. Seine vom Inhalt der Kreditzusage abweichende Vorstellung kann allenfalls eine Irrtumsanfechtung rechtfertigen (vgl Wilhelm, exolex 1993, 665); sie kann aber nicht dazu führen, der Kreditzusage einen anderen Inhalt zu geben, als sie nach ihrem dem Willen der finanzierenden Bank entsprechenden Wortlaut hatte.

3. Zur Irrtumsanfechtung

Der Verhandlungsgehilfe ist, wie oben ausgeführt, nicht Dritter iS des § 875 ABGB. Der Finanzierer muß auch dann eine Anfechtung des Kreditvertrages wegen eines Willensmangels hinnehmen, wenn er von der durch den Verhandlungsgehilfen bewirkten Täuschung, Drohung oder Irreführung gar nichts wußte (Bydlinski in Klang2 IV/2, 440f; 7 Ob 639/85 ÖBA 1986, 356). Nur jene Irrtümer berechtigen zur Anfechtung, die das Finanzierungsgeschäft betreffen (vgl 3 Ob 573/85 JBl 1987, 378). Irrt der Anleger über das Beteiligungsgeschäft und schließt er deshalb den Kreditvertrag ab, so unterliegt er einem - außer bei List (§ 870 ABGB) - unbeachtlichen Motivirrtum (8 Ob 649/93 ÖBA 1995, 146 = ecolex 1994, 749 (Wilhelm aaO 746); 5 Ob 550/93 ÖBA 1995, 473; s Graf, ecolex 1991, 597, s auch Wilhelm, ecolex 1990, 16).

Der Beklagte hat eingewandt, vom Vermögensberater arglistig irregeführt worden zu sein. Dieser habe ihm erklärt, er müsse den Kredit auch bei Insolvenz der Beteiligungsgesellschaft nicht zurückzahlen. Anders als in dem der Entscheidung 8 Ob 649/93 ÖBA 1995, 146 = ecolex 1994, 749 (Wilhelm aaO 746) zugrundeliegenden Fall und in dem von P. Bydlinski in seiner Anmerkung zur Entscheidung 7 Ob 546/93 JBl 1994, 408 = WBl 1993, 331 = ecolex 1993, 664 [Wilhelm] = ÖBA 1993, 908 [P. Bydlinkski] vorausgesetzten Sachverhalt enthielten Kreditantrag und Kreditzusage im vorliegenden Fall keine "Trennungsklausel".

Ein Irrtum über die Rückzahlungspflicht bei Insolvenz der Beteiligungsgesellschaft betrifft, anders als ein Irrtum über den durch Ausschüttungen der Beteiligungsgesellschaft und durch Steuergutschriften bestimmten Anteil des Kreditnehmers an den Rückzahlungsraten, nicht bloß den Erfolg der finanzierten Vermögensanlage, sondern den Kreditvertrag. Dem Beklagten ist nämlich der Hausanteilschein nicht nur als eine sichere Anlageform beschrieben, sondern auch zugesagt worden, daß im Fall der Insolvenz der Anlagegesellschaft lastenfreie Immobilien als Haftungsgrundlage zur Verfügung stehen. Da der Beklagte die Hausanteilscheine der Klägerin verpfändet, wurde diese Zusage auch Gegenstand des Kreditvertrags. Der Irrtum des Beklagten ist daher hier wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, ein Geschäftsirrtum, weil der Beklagte annehmen dürfte, eine Sicherheit gegeben zu haben, die seine persönliche Inanspruchnahme selbst im Insolvenzfall ausschließen würde. Er berechtigt schon dann zur Anfechtung, wenn er durch den anderen veranlaßt war, oder diesem aus den Umständen offenbar auffallen mußte oder - was hier nicht in Frage kommt - noch rechtzeitig aufgeklärt wurde (§ 871 Abs 1 ABGB).

Nach den - von der Klägerin in der Berufung nicht gesetzmäßig bekämpften - Feststellungen des Erstgerichtes hat der Vermögensberater dem Beklagten erklärt, daß diese Anlage sicher sei, da eben lastenfreie Immobilien als Haftungsgrundlage - auch im Falle der Insolvenz der Anlagegesellschaft - zur Verfügung stünden. Das Berufungsgericht vermißt Feststellungen über die List des Anlageberaters und über den Irrtum des Beklagten. Feststellungen über die List des Anlageberaters sind aus rechtlichen Gründen überflüssig, weil es für die Anfechtung wegen eines Geschäftsirrtums schon genügt, daß (ua) der Irrtum durch den anderen veranlaßt war (§ 871 Abs 1 erster Fall ABGB). Daß der Irrtum durch den Vermögensberater veranlaßt war, steht fest, war es doch seine Erklärung, die den Irrtum des Beklagten über seine Rückzahlungspflicht bei Insolvenz der Beteiligungsgesellschaft hervorgerufen hat.

Aber auch über den Irrtum des Beklagten sind keine weiteren Feststellungen notwendig: Daß der Beklagte dem Vermögensberater geglaubt hat, beweist sein Verhalten. Die Zusicherungen des Vermögensberaters betrafen die wesentliche Eigenschaft der Vermögensanlage; der Beklagte hat sich aufgrund des Beratungsgespräches entschlossen, den Bankkredit aufzunehmen, um den Hausanteilschein erwerben zu können. Schon der Geschehensablauf beweist daher, daß der Beklagte einem wesentlichen Irrtum erlegen ist. Das Gegenteil - der Beklagte habe die Unrichtigkeit der Zusicherungen durchschaut - hat die dafür beweispflichtige Klägerin nicht einmal behauptet.

Der bereits feststehende Sachverhalt reicht aus rechtlichen Gründen aus, um in der Sache selbst zu erkennen. Dies kann der Oberste Gerichtshof, auch wenn er nicht Tatsacheninstanz ist (Kodek in Rechberger, ZPO § 519 Rz 5 mwN), wahrnehmen.

Die Klägerin hat für den vom Verhandlungsgehilfen ihrer Rechtsvorgängerin veranlaßten Geschäftsirrtum einzustehen. Die erfolgreiche Anfechtung beseitigt den Kreditvertrag, so daß die Forderung der Klägerin schon aus diesem Grund nicht berechtigt ist. Bereicherungsansprüche hat die Klägerin nicht geltend gemacht.

Die vom Beklagten geltend gemachten Verfahrensmängel liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Beiden Rekursen war Folge zu geben und - durch Wiederherstellung des Ersturteiles - in der Sache selbst zu erkennen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte