European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:009OBA00125.16X.1129.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 24 Abs 3 Z 1 HVertrG 1993 besteht der Anspruch des Handelsvertreters auf Ausgleichszahlung unter anderem dann nicht, wenn der Handelsvertreter das Vertragsverhältnis gekündigt hat, es sei denn, dass dem Handelsvertreter eine Fortsetzung seiner Tätigkeit wegen Krankheit nicht zugemutet werden kann.
Eine Krankheit liegt dann vor, wenn eine Störung des gesundheitlichen Zustands schwerwiegend und von nicht absehbarer Dauer ist und sie dadurch zu einer auch mit Ersatzkräften nicht behebbaren nachhaltigen Verhinderung in der Absatztätigkeit für den Unternehmer führt. Es kommt dabei nicht auf eine generelle Erwerbsunfähigkeit als Handelsvertreter, sondern auf das konkrete Vertragsverhältnis an. Die Unzumutbarkeit der Fortsetzung ist daher daran zu messen, ob die konkret vereinbarten Tätigkeiten in zumutbarer Weise weiter ausgeübt werden können oder nicht (9 ObA 2/04s; RIS‑Justiz RS0119191). Die Beurteilung der Zumutbarkeit der Fortsetzung hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (9 ObA 105/10x). Eine nur vorübergehende krankheitsbedingte Verhinderung eröffnet dem Handelsvertreter nicht die Möglichkeit zur ausgleichswahrenden Beendigung. Eine solche kurzfristige Verhinderung muss der Handelsvertreter – zB mit Einsatz von Hilfskräften – überbrücken ( Nocker , HVertrG 2 , § 24 Rz 339).
In seiner außerordentlichen Revision macht der Kläger geltend, dass ihm eine Fortsetzung seiner Tätigkeit für die Beklagte wegen Krankheit nicht mehr zumutbar gewesen sei.
Nach den Feststellungen litt er zum Zeitpunkt seiner am 28. 6. 2010 erklärten und zum 30. 9. 2010 wirksamen Eigenkündigung seit vielen Jahren an einem neurogenen Reizzustand am rechten Oberschenkel mit sensiblen Irritationen und Schmerzen. Zuletzt war er bis zur Abschlussprüfung seines berufsbegleitenden finanzwissenschaftlichen Studiums im Mai/Juni 2010 auch einer Doppelbelastung ausgesetzt und entschied, seine Situation zu verändern. Zum Zeitpunkt der Kündigung war sein Leistungskalkül in einem näher festgestellten Umfang deutlich eingeschränkt. Ex ante gesehen war jedoch mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass ihm in vier, längstens sechs Monaten die zuvor ausgeübte Tätigkeit als Vermittler von Versicherungs- und Finanzdienstleistungs-verträgen wieder möglich und zumutbar sein werde. Auch der Kläger ging davon aus, nur vorübergehend nicht in der Lage zu sein, dieser Tätigkeit nachzugehen. Zur Klarstellung für seine Kunden, dass es ihn weiterhin gebe, gründete er unmittelbar nach der Kündigung ein Unternehmen und war ab Mitte Oktober 2010 auch bei zwei Unternehmen als Finanzdienstleistungsassistent in dem gemäß § 28 Abs 6 WAG 2007 von der FMA geführten Register eingetragen.
Wenn die Vorinstanzen hier zum Ergebnis kamen, dass der Kläger nur vorübergehend nicht in der Lage war, seine Tätigkeit bei der Beklagten auszuüben und ihre Fortsetzung deshalb nicht für unzumutbar iSd § 24 Abs 3 Z 1 HVertrG 1993 hielten, so liegt darin keine grobe Fehlbeurteilung, die einer höchstgerichtlichen Korrektur bedürfte. Vergleichsweise berechtigt eine Gesundheitsbeeinträchtigung auch einen Arbeitnehmer erst dann zum Austritt aus einem Dienstverhältnis, wenn zu erwarten ist, dass sie über den in § 139 Abs 1 ASVG genannten Zeitraum (26 Wochen) andauern und den Arbeitnehmer an der Ausübung seiner vertraglich vereinbarten Tätigkeit hindern werde (RIS‑Justiz RS0060144).
Die außerordentliche Revision des Klägers ist daher zurückzuweisen.
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