OGH 5Ob189/16d

OGH5Ob189/16d22.11.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der Rechtsache der klagenden Parteien 1. Mag. E***** R*****, 2. Mag. G***** R*****, vertreten durch die Gabler Gibel & Ortner Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Wien, gegen die beklagte Partei F***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Dr. Erich Kafka, Dr. Manfred Palkovits, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung der Rechtsunwirksamkeit und Löschung (Streitwert 15.000 EUR), über den Revisionsrekurs der klagenden Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 15. Juni 2016, GZ 46 R 166/16a‑11, mit dem über den Rekurs der beklagten Partei der Beschluss des Bezirksgerichts Döbling vom 20. April 2015, GZ 6 C 323/15m‑2, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0050OB00189.16D.1122.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien haben die Kosten ihres Revisionsrekurses selbst zu tragen.

 

Begründung:

Die Streitteile sind Mit- und Wohnungseigentümer einer Liegenschaft. Im Grundbuch ist ob deren Einlagezahl unter C‑LNr 7 eine Benützungsregelung gemäß § 15 WEG 1975 gemäß Vereinbarung vom 6. 9. 1996 und unter C‑LNr 12 eine Benützungsregelung gemäß § 17 WEG 2002 angemerkt.

Die Kläger begehren gegenüber der Beklagten die Feststellung der Unwirksamkeit der einverleibten Benützungsregelungen und deren Löschung. Beide Benützungsregelungen seien gemäß § 38 Abs 1 Z 1 WEG 2002 rechtsunwirksam und nichtig, weil sie einen vom Wohnungseigentumsorganisator vereinbarten Nutzungs-vorbehalt über allgemeine Teile der Liegenschaft (Dachboden) beinhalte, der die Kläger unbillig beschränke.

Gleichzeitig mit der Klage beantragten die Kläger deren Streitanmerkung. Das Erstgericht bewilligte diesen Antrag. Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Beklagten Folge und wies den Antrag der Kläger auf Streitanmerkung ab. Die Anmerkung bzw Ersichtlichmachung einer Benützungsregelung bekunde nur die Tatsache des Abschlusses dieser Benützungsregelung, sie allein bewirke nicht den grundbücherlichen Erwerb oder die Umänderung eines dinglichen Rechts im Sinne des Eintragungsgrundsatzes. Da sich die vorliegende Löschungsklage damit nicht gegen eine zugunsten der Beklagten erfolgte Einverleibung eines bücherlichen Rechts richte, sei eine Streitanmerkung dieser Klage gemäß den §§ 61 ff GBG nicht möglich.

Das Rekursgericht bewertete den Wert des Entscheidungsgegenstands mit 30.000 EUR nicht übersteigend und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs zunächst für nicht zulässig. Über Antrag der Kläger änderte das Rekursgericht den Zulassungsausspruch ab. Die Kläger hätten in ihrer Zulassungsvorstellung insofern eine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt, als es zur Frage, ob analog § 61 GBG eine Streitanmerkung für eine Klage auf Löschung der Anmerkung einer Benützungsregelung gemäß § 17 WEG zulässig sei, keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs gebe.

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs der Kläger wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidung des Rekursgerichts abzuändern und den Antrag auf Streitanmerkung zu bewilligen. Hilfsweise stellen sie einen Aufhebungs‑ und Zurückverweisungsantrag.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

 

1. Klagsanmerkungen sind nur zulässig, soweit sie das Grundbuchsgesetz oder ein anderes Gesetz vorsieht, das festlegt, welche Rechtswirkungen damit begründet werden sollen (§ 20 lit b GBG). Das schließt eine Analogie nicht aus, schränkt sie jedoch auf Klagen ein, deren Anspruchsgrund und Funktion einem der Streitanmerkung zugänglichen Klagstypus entsprechen (RIS‑Justiz RS0016506 [T1]). Die Frage, ob eine Streitanmerkung zu bewilligen ist, ist aufgrund des Klagevorbringens und des Urteilsantrags zu entscheiden (RIS‑Justiz RS0074232). Dabei hat auch eine Prüfung der Klage auf ihre Schlüssigkeit zu erfolgen, ob nämlich im Falle des Zutreffens des Klagevorbringens eine stattgebende Entscheidung ergehen kann; dies ist Voraussetzung für die Streitanmerkung (RIS‑Justiz RS0074232 [T2]).

2.1 Nach § 61 Abs 1 Satz 1 GBG kann derjenige, der durch eine Einverleibung in einem bücherlichen Recht verletzt scheint, die Einverleibung aufgrund ihrer Ungültigkeit im Prozessweg bestreitet und die Wiederherstellung des vorigen Grundbuchstandes begehrt, die Anmerkung dieses Streits beantragen.

2.2 Voraussetzung einer Streitanmerkung iSd § 61 Abs 1 GBG ist, dass ein dingliches Recht an einer verbücherten Liegenschaft (RIS‑Justiz RS0060512), zumindest aber ein Recht geltend gemacht wird, das zufolge besonderer Bestimmung einem dinglichen Recht gleich zu halten ist (RIS‑Justiz RS0060512 [T4]). Derjenige, der diese Anmerkung anstrebt, muss also in einem bücherlichen Recht verletzt sein (RIS‑Justiz RS0060512) und die Wiederherstellung des Grundbuchstands verlangen (RIS‑Justiz RS0060511). Bei bloß obligatorischen, auf vertraglicher Grundlage beruhenden Ansprüchen ist die Anmerkung hingegen nicht zulässig (RIS‑Justiz RS0060629).

2.3 § 61 GBG regelt nur die Zulässigkeit der Streitanmerkung bei der Löschungsklage, nicht aber die materiell-rechtliche Frage, wann eine Klage auf Löschung einer ungültigen Eintragung gewährt wird. Sie ist immer dann gegeben, wenn die Einverleibung aus dem Grunde der ursprünglichen Nichtigkeit oder durch nachträglichen Wegfall des Rechtstitels, auf dem sie beruht, vom Grundeigentümer angefochten wird (RIS‑Justiz RS0107070). Nach der ständigen Rechtsprechung ist dabei die Verletzung eines im Grundbuch eingetragenen dinglichen Rechts des Klägers auch Voraussetzung für eine Löschungsklage nach den §§ 61 ff GBG (RIS‑Justiz RS0126087; Kodek in Kodek, Grundbuchsrecht § 61 GBG Rz 3 mwN).

3.1 Eine Benützungsvereinbarung bezweckt die vertragliche Zuweisung der gemeinschaftlichen Sache oder körperlich begrenzter Teile dieser Sache zur ausschließlichen Benutzung durch einzelne Teilhaber dauernd oder zumindest für eine bestimmte (längere) Zeit (vgl RIS‑Justiz RS0009664; RS0013577). Eine zwischen Miteigentümern geschlossene Benützungsvereinbarung hat nur obligatorische Wirkung (RIS‑Justiz RS0013602). Sie wirkt zwar auch für oder gegen den Gesamtrechtsnachfolger eines Miteigentümers, nicht aber für oder gegen einen Einzelrechtsnachfolger, es sei denn, dass diesem die Benützungsvereinbarung einvernehmlich überbunden wurde oder er sich ihr stillschweigend unterwarf (RIS‑Justiz RS0013593, RS0013598, RS0013614). Die herrschende Judikatur verlangt für den Eintritt in eine Benützungsvereinbarung also entweder eine Gesamtrechtsnachfolge, für den Einzelrechtsnachfolger eine ausdrückliche Überbindung (Vertragsübernahme) oder stillschweigende Unterwerfung (RIS‑Justiz RS0013602 [T3]).

3.2 Im Wohnungseigentum wird eine vertragliche (§ 17 Abs 1 WEG 2002) oder gerichtliche Benützungsregelung (§ 17 Abs 2 WEG 2002) betreffend die verfügbaren allgemeinen Teile durch den Wechsel eines Wohnungseigentümers nicht berührt. Sie ist bei Festsetzung durch das Gericht von Amts wegen, sonst auf Antrag eines Wohnungseigentümers im Grundbuch ersichtlich zu machen (§ 17 Abs 3 WEG 2002). Die Ersichtlichmachung einer Benützungsvereinbarung nach § 17 WEG 2002 im Grundbuch wirkt dabei nur deklarativ (RIS‑Justiz RS0118532); jeder Einzelrechtsnachfolger ist gemäß § 17 Abs 3 WEG an eine bestehende Benützungsregelung gebunden, mag diese im Grundbuch ersichtlich sein oder nicht (5 Ob 117/14p). An dem weiterhin bloß obligatorischen Charakter von Benützungsregelungen ändert die – zur Ermöglichung von Transparenz und Publizität geschaffene (vgl Vonkilch in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht, WEG³ § 17 WEG Rz 41) – Möglichkeit der Ersichtlichmachung einer Benützungsregelung nichts.

3.3 Bis zum Inkrafttreten des WEG 2002 war mit Eintragung einer Benützungsregelung im Grundbuch – im Unterschied zur Ersichtlichmachung nach § 17 Abs 3 WEG 2002 – noch eine besondere Rechtswirkung verbunden: Benützungsregelungen wirkten gegen gutgläubige bücherliche Erwerber nur, wenn sie im Grundbuch eingetragen sind (§ 15 letzter Satz WEG 1975). Die Bedeutung dieser Eintragung bestand jedoch – gleich wie bei der Anmerkung einer Benützungsregelung nach § 828 Abs 2 ABGB idF des WEBeglG 2002 – lediglich in der Bindung auch neu hinzukommender Miteigentümer. Am weiterhin bloß obligatorischen Charakter von Benützungsregelungen änderte dieser Umstand freilich nichts (zu § 828 Abs 2 ABGB 5 Ob 89/08m = RIS‑Justiz RS0013602 [T5]). Die Anmerkung bewirkte auch in diesen Fällen nicht den grundbücherlichen Erwerb, Umänderung oder Aufhebung eines dinglichen Rechts.

3.4 Grundbücherliche Anmerkungen sind nach § 20 GBG zur Ersichtlichmachung persönlicher Verhältnisse oder zur Begründung bestimmter, gesetzlich vorgesehener Rechtswirkungen vorgesehen. Anmerkungen publizieren Tatsachen, aus denen sich Rechtsfolgen ergeben können. Sie verschaffen aber für sich allein keine dinglichen Rechte (5 Ob 233/09i = RIS‑Justiz RS0060679 [T4]; vgl Kodek aaO § 20 GBG Rz 1). Von der Einverleibung oder Vormerkung unterscheiden sich die Anmerkungen generell dadurch, dass sie zur Feststellung von Tatsachen dienen, die gewisse rechtliche Folgen nach sich ziehen. Sie können keine dinglichen Rechte begründen, abändern oder aufheben, sondern haben den Zweck, im Interesse Dritter bestimmte tatsächliche und für den Realverkehr interessante Verhältnisse bekannt zu machen oder bestimmte gesetzlich besonders geregelte Rechtswirkungen herbeizuführen (5 Ob 10/09w mwN). Das GBG spricht in den §§ 61 ff ausschließlich von der „Einverleibung“, maßgeblich ist aber nicht die Eintragungsart, sondern das materielle Ergebnis. Mit der Löschungsklage kann daher nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs auch eine Vormerkung bekämpft werden und in besonderen Ausnahmefällen ist auch eine Löschungsklage gegen eine Anmerkung denkbar (RIS‑Justiz RS0008201 [Anmerkung eines Substitutionsbands]). Grundsätzlich kann aber mangels Verletzung eines dinglichen Rechts des Liegenschaftseigentümers die Beseitigung einer Anmerkung nicht mit Löschungsklage geltend gemacht werden (5 Ob 233/09i; Rassi, Grundbuchsrecht² Rz 495; vgl auch Feil/Friedl in Feil/Friedl/Bayer, GBG § 61 Rz 25).

3.5 Die Grundsätze der von den Revisionsrekurswerbern zitierten Rechtsprechung zur (bloßen) Anmerkung des Substitutionsbands (4 Ob 593/74, 5 Ob 5/83) sind auf Anmerkungen nach § 17 Abs 3 WEG 2002 bzw § 15 WEG 1975 nicht übertragbar. Die grundbücherliche Eintragung des Substitutionsbands ist nämlich auch dann, wenn sie in die äußere Form einer „Anmerkung“ gekleidet wird, ihrem Wesen nach einer zum unbedingten Erwerb eines dinglichen Rechts führenden Einverleibung im Sinn des § 8 Z 1, § 9 GBG gleichzuhalten. Mit einer auf Beseitigung einer solchen Grundbuchseintragung wegen ursprünglicher Ungültigkeit gerichteten Klage wird also gemäß § 61 Abs 1 GBG eine die bücherlichen Rechte des Klägers verletzende „Einverleibung“ bestritten (RIS‑Justiz RS0008201; vgl Kodek aaO § 61 GBG Rz 7). Die vorliegende Löschungsklage richtet sich hingegen auch nicht in diesem Sinn gegen eine zugunsten der Beklagten erfolgte Einverleibung eines bücherlichen Rechts, deren Gegenstand ist keine Verletzung eines dinglichen Rechts. Eine Streitanmerkung dieser Klage gemäß den §§ 61 ff GBG ist daher nicht möglich.

4. Der Revisionsrekurs erweist sich damit als nicht berechtigt. Die Revisionsrekurswerber haben die Kosten ihrer erfolglosen Rechtsmittelschrift jedenfalls selbst zu tragen.

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