OGH 5Ob154/16g

OGH5Ob154/16g22.11.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, durch den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der außerstreitigen Wohnrechtssache der Antragstellerin I***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Bertram Broesigke, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegner 1. R***** P*****, 2. K***** H*****, 3. S***** S*****, 4. Dr. N***** P*****, 5. M***** Z*****, 6. A***** B*****, 7. Dr. A***** W*****, 8. Mag. S***** K*****, 9. G***** GmbH, *****, 10. C***** R*****, 11. Dr. B***** H*****, 12. Dr. J***** D*****, 13. J***** M*****, 14. A***** R*****, 15. M***** B*****, 16. I***** D*****, 17. Mag. J***** K*****, 18. Dr. E***** B*****, 19. Dr. E***** P*****, 20. C***** E*****, 21. F***** S*****, 3.‑ und 4.‑, 6.‑ bis 8.‑, 11.‑ bis 14.‑ und 16.‑ bis 21. Antragsgegner vertreten durch Dr. Harald Friedl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Beschlussanfechtung, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der 3.‑ und 4.‑, 6.‑ bis 8.‑, 11.‑ bis 14. und 16. bis 21. Antragsgegner gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 29. Juni 2016, GZ 40 R 142/16b‑12, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 29. Februar 2016, GZ 42 Msch 21/15z‑7, bestätigt wurde, den

Sachbeschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0050OB00154.16G.1122.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die 3.‑ und 4.‑, 6.‑ bis 8.‑, 11.‑ bis 14.‑ und 16.‑ bis 21. Antragsgegner/innen sind schuldig, der Antragstellerin die mit 626,90 EUR (darin 104,48 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Die Antragstellerin und die Antragsgegner sind Mit‑ und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ 376 KG ***** mit der Anschrift *****. Zu Lasten der Miteigentumsanteile der 3.‑ und der 10. Antragsgegnerinnen ist im Grundbuch jeweils ein Fruchtgenuss einverleibt.

Die Verwaltung der Liegenschaft erfolgt durch die Realkanzlei H***** Handels GesmbH.

Der 14. Antragsgegner initiierte einen Umlaufbeschluss zur Abbestellung der Hausverwalterin. Mit Schreiben vom 6. 8. 2015 gab er das Ergebnis der Beschlussfassung bekannt. Danach hätten 52,73 % der Wohnungseigentümer der Abberufung der Hausverwaltung zugestimmt und 47,27 % der Wohnungseigentümer die Abberufung abgelehnt bzw sich der Stimme enthalten. Dieses Schreiben wurde am 6. 8. 2015 im Haus angeschlagen.

Die Antragstellerin begehrt, diesen Beschluss der Eigentümergemeinschaft für rechtsunwirksam zu erklären. Sie brachte – mit Relevanz für das Revisionsrekursverfahren – vor, dass der Beschluss auf Abberufung der Hausverwalterin nicht die Mehrheit der Wohnungseigentümer gefunden hätte, weil die Anteile der 3.‑ und 10. Antragsgegnerinnen jeweils mit Fruchtgenussrechten belastet seien, sodass die Stimmen der Mit‑ und Wohnungseigentümerinnen nicht berücksichtigt werden dürften.

Das Erstgericht stellte die Rechtsunwirksamkeit des Umlaufbeschlusses fest. Die Miteigentumsanteile der 3.‑ und 10. Antragsgegnerinnen seien jeweils durch Fruchtgenussrechte belastet, sodass die Ausübung der Nutzungs‑ und Verwaltungsbefugnisse ausschließlich den Fruchtgenussberechtigten zustehe und diesen das Stimmrecht bei der Willensbildung in der Eigentümergemeinschaft zukomme. Die Stimmen der Mit- und Wohnungseigentümerinnen hätten nicht berücksichtigt werden dürfen, sodass die erforderliche Mehrheit für eine Abberufung der Hausverwaltung fehle.

Das Rekursgericht bestätigte den Sachbeschluss des Erstgerichts. Nach ständiger Judikatur habe der Fruchtgenussberechtigte eines ideellen Anteils einer Sache das ausschließliche Recht auf Ausübung der Nutzungs‑ und Verwaltungsbefugnisse, sodass der Eigentümer des belasteten Anteils von dessen Nutzung und Verwaltung ausgeschlossen sei. Dies gelte auch im Wohnungseigentumsrecht, weswegen der mit einem Fruchtgenussrecht belastete Eigentümer einer Eigentumswohnung kein Recht auf die Benutzung (und Verwaltung) des Wohnungseigentumsobjekts habe. Ebenso wenig kämen ihm Rechte in Bezug auf die allgemeinen Teile der Liegenschaft zu, seien diese doch ebenfalls an das Recht zur (ausschließlichen) Nutzung eines bestimmten Wohnungseigentumsobjekts gebunden. Der formelle Eigentümer des mit dem Fruchtgenussrecht belasteten Anteils könne dem Fruchtnießer auch kein bestimmtes Verhalten gegenüber den übrigen Miteigentümern auferlegen oder ein (unerwünschtes) Verhalten verbieten. Aus dem Umstand, dass der Fruchtgenussberechtigte nicht Mitglied der Eigentümergemeinschaft sei, folge nicht zwingend, dass er an der Entscheidungsfindung in der Gemeinschaft nicht mitwirken könne, zumal dem einzelnen Wohnungseigentümer die Möglichkeit offen stehe, sein Stimmrecht auch durch Dritte auszuüben. Die dem Fruchtgenussberechtigten zustehenden Verwaltungsbefugnisse umfassten auch die Ausübung des Stimmrechts bei der Beschlussfassung über die Bestellung oder Abberufung des Verwalters, käme dessen Versagung sonst einem Ausschluss des Fruchtgenussberechtigten von der Verwaltung gleich.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der von der Antragstellerin nach Freistellung beantwortete außerordentliche Revisionsrekurs der 3.‑ und 4.‑, 6.‑ bis 8.‑, 11.‑ bis 14.‑ und 16.‑ bis 21. Antragsgegner, der entgegen dem Ausspruch des Rekursgerichts zulässig ist, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage der Ausübung des Stimmrechts, wenn der Miteigentumsanteil, mit dem die ausschließliche Nutzung eines Wohnungseigentumsobjekts verbunden ist, mit einem Fruchtgenussrecht belastet ist, fehlt; er ist jedoch nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Fruchtgenuss ist das dingliche Recht (§ 472 ABGB) auf volle (§ 511 ABGB) Nutzung einer fremden Sache unter Schonung der Substanz. Ihr Gegenstand kann jede fremde Sache sein, sofern sie unverbrauchbar ist. Das Recht der Fruchtnießung kann daher auch an ideellen Anteilen an einer Sache bestellt werden (Hofmann in Rummel, ABGB3 Rz 1 § 509 ABGB; Koch in KBB4 § 509 ABGB Rz 3; RIS‑Justiz RS0011833; 5 Ob 114/98w). Der Fruchtnießer hat das ausschließliche Recht auf Ausübung der Nutzungs‑ und Verwaltungsbefugnisse (RIS‑Justiz RS0011873; Hofmann aaO Rz 3 mwN). Bei Belastung ideeller Anteile mit einem Fruchtgenussrecht entsteht zwischen dem Fruchtgenussberechtigten und den Miteigentümern der unbelasteten Anteile in Bezug auf die Nutzungs‑ und Verwaltungsbefugnisse eine Rechtsgemeinschaft, auf die die Grundsätze der Eigentumsgemeinschaft anzuwenden sind (Hofmann aaO Rz 2; Koch aaO Rz 3; RIS‑Justiz RS0011819; Rummel/Lukas in Rummel ABGB4 § 833 Rz 13). Der Fruchtgenussberechtigte an einem Miteigentumsanteil, mit dem Wohnungseigentum verbunden ist, ist mangels abweichender Vorschriften insofern nicht anders zu behandeln als Fruchtgenussberechtigte an einem schlichten Miteigentumsanteil (RIS‑Justiz RS0011841).

2. Die Revisionsrekurswerber bestreiten diese Grundsätze nicht, sondern meinen (zusammengefasst), sie kämen in Ansehung der Verwaltung von in Wohnungseigentum stehenden Objekten nicht zum Tragen, weil seit dem 3. WÄG die Verwaltung nicht mehr den Wohnungseigentümern, sondern der Eigentümergemeinschaft zugeordnet und diese daher Trägerin der Verwaltung sei, weswegen dem Fruchtnießer Verwaltungsbefugnisse nicht zustünden. Von der Frage, wer Träger der Verwaltung der gemeinsamen Sache ist, unterscheidet sich jedoch die hier relevante Frage nach der Mitwirkung an der Willensbildung in der Eigentümergemeinschaft.

3.1 Die Verwaltung der gemeinsamen Sache wird in der Lehre unterschiedlich umschrieben, etwa als jede Maßnahme rechtlicher oder tatsächlicher Natur, die der Erhaltung oder Verbesserung des gemeinsamen Guts oder der Erzielung und Veräußerung der Früchte (Erträge) dienen soll (Gruber/Sprohar-Heimlich in Schwimann/Kodek 4 § 833 ABGB Rz 7; Gamerith in Rummel, ABGB3 § 833 ABGB Rz 3) oder als von den Teilhabern im Gemeinschaftsinteresse gesetzte Maßnahmen des „Umgangs“ mit der Sache (H. Böhm in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON 1.01 § 833 Rz 3). Zur Verwaltung einer Liegenschaft gehört alles, was gemeinschaftliche Interessen bei der Nutzung und Erhaltung des Gemeinschaftsguts beeinträchtigen (so Würth in Rummel, ABGB3 § 28 WEG Rz 1) oder fördern könnte (so Schauer in Illedits/Reich‑Rohrwig, Wohnrecht2 § 18 WEG Rz 5; 5 Ob 181/03h). Für das Wohnungseigentum betont Löcker (in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht3 § 28 WEG Rz 24 und 27), es sei allen verwaltungsbezogenen Bestimmungen des WEG gemein, dass das Verwaltungsobjekt die Liegenschaft, genauer: deren allgemeine Teile, sei.

3.2 Alle Wohnungseigentümer bilden zur Verwaltung der Liegenschaft die Eigentümergemeinschaft (§ 2 Abs 5 WEG). Sie ist eine juristische Person und kann in Angelegenheiten der Verwaltung der Liegenschaft Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen, klagen und geklagt werden (§ 18 Abs 1 WEG). Das WEG 2002 hat damit das bereits mit dem 3. WÄG in das WEG 1975 (dort § 13c WEG) eingeführte Konzept übernommen und die aus den Wohnungseigentümern gebildete Gemeinschaft (§ 2 Abs 5 WEG 2002) in Angelegenheiten der Liegenschaftsverwaltung mit Rechtspersönlichkeit ausgestattet. In diesem Teilbereich tritt die Eigentumsgemeinschaft als eigenes Rechtssubjekt auf, außerhalb davon stehen die Wohnungseigentümer in der selben Miteigentums‑ bzw Eigentümergemeinschaft, sind aber selbst Rechtssubjekt (Löcker aaO § 18 WEG Rz 12).

3.3 Die Grundsätze der Willensbildung der Eigentümergemeinschaft sind in § 24 WEG geregelt. Danach dient zur Willensbildung vornehmlich die Eigentümerversammlung, doch können Beschlüsse auch – allenfalls ergänzend zu den in einer Eigentümerversammlung abgegebenen Erklärungen – auf andere Weise, etwa auf schriftlichem Weg zustande kommen (§ 24 Abs 1 WEG). Beschlüsse der Eigentümergemeinschaft können und dürfen nur Maßnahmen der Verwaltung zum Gegenstand haben (5 Ob 226/14t; RIS‑Justiz RS0130070; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet‑ und Wohnrecht II23 § 24 WEG Rz 5). Die Bestellung des Verwalters sowie die Auflösung des Verwaltervertrags zählen gemäß § 28 Abs 1 Z 5 WEG 2002 zu den Angelegenheiten der ordentlichen Verwaltung der Liegenschaft (5 Ob 93/08z).

3.4 Nach der Legaldefinition des § 2 Abs 5 WEG 2002 bilden alle Wohnungseigentümer die Eigentümergemeinschaft. Damit ist der Regelfall angesprochen, in dem der Eigentümer von ideellen Anteilen an einer Liegenschaft das dingliche Recht, ein Wohnungseigentumsobjekt ausschließlich zu nutzen (§ 2 Abs 1 WEG), rechtlich auch selbst ausüben kann. Das ist nicht mehr der Fall, wenn der Miteigentumsanteil mit einem Fruchtgenussrecht belastet ist.

3.5 Für den Fruchtgenuss an einem Miteigentumsanteil, mit dem Wohnungseigentum verbunden ist, hat der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung 1 Ob 11/08m ausgesprochen, dass der Eigentümer einer derart belasteten Eigentumswohnung kein Recht auf die Benutzung (und Verwaltung) des Wohnungseigentumsobjekts selbst hat. Ebenso wenig kommen ihm Rechte in Ansehung der allgemeinen Teile der Liegenschaft zu, weil die insoweit bestehenden Nutzungsrechte ebenfalls an das Recht zur (ausschließlichen) Nutzung eines bestimmten Wohnungseigentumsobjekts gebunden sind. Erstreckt sich das Fruchtgenussrecht – wie hier – auf den gesamten, mit dem Wohnungseigentum an einer bestimmten Wohnung verbundenen Mindestanteil, kommen dem Fruchtgenussberechtigten nach außen hin – und auch im Verhältnis zu den übrigen Wohnungseigentümern – die Rechte eines Wohnungseigentümers zu. Das Fruchtgenussrecht verdrängt insoweit den Eigentümer des damit belasteten Anteils, dem damit auch keine eigenen Gebrauchs‑ und Verwaltungsbefugnisse zustehen. Dass die Verwaltung durch das Rechtssubjekt Eigentumsgemeinschaft ausgeübt wird, ändert daran, wie bereits das Rekursgericht zutreffend darlegte, grundsätzlich nichts. Der Fruchtgenussberechtigte tritt (auch) in den Angelegenheiten der Verwaltung an die Stelle des Wohnungseigentümers und nimmt daher regelmäßig an dessen Stelle an der Willensbildung in Angelegenheiten der Liegenschaftsverwaltung teil. Ihm und nicht dem Wohnungseigentümer kommt die Ausübung des Stimmrechts zu (Prader, Der Wohnungseigentumsfruchtnießer, immolex 2008/10, 262 [263]; vgl auch Spath in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 521 Rz 10). Für die Frage der Teilnahme an der Willensbildung in der Eigentümergemeinschaft ist es aber ohne Belang, dass diese in dem Umfang, in dem ihr die Agenden der Verwaltung übertragen sind, mit Rechtspersönlichkeit ausgestattet ist.

4. Als Ergebnis ist damit festzuhalten, dass der Berechtigte eines auf einen ideellen Miteigentumsanteil, mit dem Wohnungseigentum an einer bestimmten Wohnung verbunden ist, einverleibten Fruchtgenussrechts anstelle des formellen Eigentümers alle Gebrauchs‑ und Verwaltungsbefugnisse ausübt und damit in der Regel auch an dessen Stelle an der Willensbildung in der Eigentümergemeinschaft mitwirkt. Der Fruchtgenussberechtigte ist damit der Beschlussfassung in Angelegenheiten der Verwaltung an Stelle des Eigentümers der ideellen Miteigentumsanteile beizuziehen. Beim Mit- und Wohnungseigentümer verbleiben lediglich jene Befugnisse, die mit den Gebrauchs‑ und Verwaltungsrechten des Fruchtnießers nicht kollidieren.

5. Es mag zutreffen, wie die Revisionsrekurswerber geltend machen, dass in der Literatur die Meinung vertreten wird, die Eigentümergemeinschaft weise Züge einer mitgliedschaftlichen Personenvereinigung, also eine Gesellschaft auf (Schauer, Die Eigentümergemeinschaft und das Gesellschaftsrecht – Grundlagen und Entwicklungsperspektiven in Gutknecht/Amann, Zukunftsperspektiven zum Wohnrecht, 25 f). Für die Beurteilung der Befugnisse des dinglich berechtigten Fruchtnießers an einem Miteigentumsanteil, mit dem Wohnungseigentum verbunden ist, lassen sich Rückschlüsse aber weder aus den von ihnen in ihrem Revisionsrekurs angeführten Belegstellen zum Gesellschaftsrecht noch aus der Entscheidung 5 Ob 262/02v, in der die Bedeutung von Fruchtgenussrechten an Gesellschaftsanteilen im Hinblick auf § 12a Abs 3 MRG zu beurteilen waren, ziehen.

Dem Revisionsrekurs ist damit ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG iVm § 52 Abs 2 WEG.

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