OGH 5Ob262/02v

OGH5Ob262/02v10.2.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann und Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Außerstreitsache der Antragsteller 1.) Dr. Stefan M. G*****, 2.) Dr. Gerhard G*****, und 3.) S***** GmbH, *****, alle vertreten durch Dr. Engelhart, Dr. Reininger, Rechtsanwälte OEG in Wien, wider die Antragsgegnerin P***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Anton Paul Schaffer, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8 MRG iVm § 12a Abs 3 MRG, infolge des außerordentlichen Revisionsrekurses der Antragsteller gegen den Zwischensachbeschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 29. August 2002, GZ 38 R 155/02d‑38, womit der Zwischensachbeschluss des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 29. März 2002, GZ 45 Msch 48/00w‑32, bestätigt wurde, nachstehenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2004:0050OB00262.02V.0210.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs der Antragsteller wird Folge gegeben. Die Zwischensachbeschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie zu lauten haben:

Zwischensachbeschluss:

Es wird festgestellt, dass aufgrund der Änderungen in den rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten bei der Muttergesellschaft der Antragsgegnerin das Begehren der Antragsteller auf Anhebung des Hauptmietzinses für die Geschäftslokale top Nr 5 und top Nr 6 im Haus ***** in ***** gemäß § 12a Abs 3 MRG ab dem 1. November 1997 dem Grunde nach zu Recht besteht.

 

 

Begründung:

 

Die Antragsteller waren (Erst- und Zweitantragsteller bis 11. 12. 2000) bzw sind (Drittantragstellerin) Eigentümer des Objektes ***** in *****.

Die Antragsgegnerin ist Hauptmieterin der Geschäftslokale top Nr 5 (seit 1960) und top Nr 6 (seit 1961) im Parterre dieses Hauses.

Die Antragsgegnerin ist zu 99,9 % Tochter der P‑B***** AG, 1 % der Aktien der Mietergesellschaft befindet sich im Besitz der P‑V***** GmbH.

Der Aktien(eigen‑)besitz der P‑B***** AG stellte sich bei einem Stammkapital von S 480 Mio zum 21. 10. 1993 wie folgt dar:

G***** P***** S 112 Mio

Dr. C***** P***** S 94,4 Mio

E***** W***** S 67,2 Mio

P***** P***** S 40 Mio

M***** A. P***** S 72 Mio

H***** P***** S 60 Mio

W***** P***** S 40 Mio

R***** H***** S 14,4 Mio.

Der Aktienbesitz stellte sich also so dar, dass er sich in Händen der Familie P***** und des Rudolf H***** befand, wobei keiner der Aktionäre die absolute Stimmenmehrheit besaß.

Im Zeitraum vom 21. 10. 1993 bis 31. 10 1997 fand eine Verschiebung des Aktienbesitzes auf mehrere andere natürliche Personen und vier Privatstiftungen statt, sodass sich zum 31. 10. 1997 nur noch 56,33 % der Aktien im Besitz der ursprünglichen Aktionäre befanden, wobei G***** P*****, die zuvor eine relative Stimmenmehrheit besessen hatte, infolge Einbringung ihrer Anteile am 31. 10. 1997 in eine Pivatstiftung über keinerlei Aktienbesitz mehr verfügte.

Die Verschiebung des Aktienbesitzes ist übersichtlich der Beilage R zu entnehmen, die einen integrierenden Bestandteil der Entscheidung darstellt.

Stifter der M*****‑Privatstiftung ist M***** A. P*****. Er hat sich als Stifter das Recht zum Widerruf vorbehalten.

Stifter der W*****‑Familienprivatstiftung sind G***** P*****, Dr. C***** M. P***** und E***** G. W***** sowie M***** A. P*****. In der Stiftungsurkunde haben sich auch diese Stifter das Recht zum Widerruf der Stiftung vorbehalten.

Stifter der F***** Privatstiftung sind G***** P*****, Dr. C***** M. P*****, J***** P*****, M***** P***** und A***** P*****. Auch diese Stifter haben sich den Widerruf der Stiftung vorbehalten.

Stifter der S***** Privatstiftung sind G***** P*****, E***** W*****, A*****, B*****, K***** und D***** W*****. Auch hier ist eine Widerrufbarkeit der Stiftung in der Stiftungsurkunde festgelegt.

In einer Nachstiftung vom 30. 9. 1997 hat Dr. C***** M. P***** für sich und seine Rechtsnachfolger der F***** Privatstiftung ein Fruchtgenussrecht an seinen Aktien an der P‑B***** AG im Nominale von S 48 Mio eingeräumt. Die F***** Privatstiftung hat dieses Fruchtgenussrecht mit Wirkung vom 30. 9. 1997 übernommen. Die Fruchtgenusseinräumung im Wege der Nachstiftung erfolgte unentgeltlich. Der Fruchtgenuss wurde auf die Dauer von fünf Jahren unwiderruflich eingeräumt. Dem Fruchtnießer stehen alle Erträge aus den genannten Aktien, insbesondere die daraus erfließenden Dividenden zu. Neben dem Gewinnanspruch soll der F***** Privatstiftung als Fruchtnießer auch das Recht zur Ausübung der Stimmrechte bezüglich der Stammaktien zukommen. Für die Dauer des Fruchtgenussrechtes ist unwiderruflich die F***** Privatstiftung mit der Stimmrechtsausübung bevollmächtigt.

In den jeweiligen Stiftungszusatzurkunden wird dem Wunsch der Stifter bei Übertragung der Aktien entsprochen, dass sie die Stimmrechte für die eingebrachten Aktien weiter ausüben können, und zwar durch Erteilung von Stimmrechtsvollmachten. Auch dort, wo sich keine solche ausdrückliche Regelung von Stimmrechtsvollmachten findet, findet die Stimmrechtsausübung so statt, dass bei den Hauptversammlungen die Stifter persönlich anwesend sind und mit diesen vom Stiftungsvorstand das Einvernehmen hergestellt wird. Würde ein Mitglied des Stiftungsvorstandes sein Stimmrecht anders ausüben, als die Stifter dies wünschen, könnte er jederzeit von den Stiftern abberufen werden.

Zwischen den Aktionären bestehen Vereinbarungen, dass niemals ein Anteil an Außenstehende übertragen werden darf. Zu diesem Zweck gibt es interne Vorkaufsrechte, teilweise sogar Vorkaufspflichten. Der Hauptzweck der Stiftung ist die Erhaltung und Vorsorge für die Mitglieder der Familien der Stifter.

Das Stammkapital der Antragsgegnerin entfällt mit S 119,900.000 auf die P‑B***** AG und mit S 100.000 auf die P*****‑V***** GmbH.

In § 21 Abs 1 der Satzung der P‑B***** AG ist für den Fall, dass keine zwingenden gesetzlichen Mehrheitserfordernisse bestehen, die Beschlussfassung in der Hauptversammlung mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen vorgesehen. Eine Mehrheit von 75 % des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals ist nach § 21 Abs 2 der Satzung nötig für Veränderungen des Gegenstands des Unternehmens, Kapitalerhöhungen und -herabsetzungen, Änderungen der Bestimmungen über die Verteilung des Reingewinns, die Verlegung des Gesellschaftssitzes sowie bei Beschlussfassung über die Abberufung von Aufsichtsräten und über die Auflösung der Gesellschaft.

Die Antragsgegnerin hat den Antragstellern niemals gesellschaftsrechtliche Veränderungen in der P‑B***** AG bekannt gegeben.

Mit Schreiben vom 16. 10. 1998 forderten Erst- und Zweitantragsteller als damalige Liegenschaftseigentümer die Antragsgegnerin auf, aufgrund der in der P‑B***** AG stattgefundenen Änderungen der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeit ab dem 1. 12. 1998 gemäß § 12a Abs 3 MRG einen angemessenen monatlichen Hauptmietzins von S 250 pro m2 netto wertgesichert zu bezahlen.

Mit dem verfahrenseinleitenden Antrag an die Schlichtungsstelle begehrten die Antragsteller aufgrund gesellschaftsrechtlicher Änderungen seit dem 1. 10. 1993 primär festzustellen, dass seit 1. 11. 1993 die Einhebung eines angemessenen Hauptmietzinses von S 250 pro m2 für die gemieteten Geschäftsräumlichkeiten top Nr 5 und 6 im Haus ***** in ***** zulässig sei. Dies wurde zunächst damit begründet, dass sich die Mehrheit der Aktien der P‑B***** AG im Besitz der K***** AG befunden hätten, die nach dem 1. 10. 1993 auf die übrigen Gesellschafter der P‑B***** AG aufgesplittet worden seien. im Zuge des Verfahrens stellte sich jedoch heraus, dass die K***** AG niemals Aktien der P‑B***** AG besessen hatte.

Im Weiteren brachten die Antragsteller vor, dass sich im Zeitraum 21. 10. 1993 bis 23. 10. 1998 zahlreiche Änderungen bei der Aktionärszusammensetzung und somit den Beteiligungsverhältnissen an der P‑B***** AG ergeben hätten, dass damit zweifelsfrei wesentliche Änderungen der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten in der Mietergesellschaft bewirkt worden seien. Zum einen seien zahlreiche Aktienpakete in Privatstiftungen eingebracht worden, Gesellschafter seien ausgeschieden und weitere neue Gesellschafter hinzugekommen. Damit sei jedenfalls der Anhebungstatbestand des § 12a Abs 3 MRG verwirklicht worden.

Nach Abziehung des Verfahrens an das zuständige Gericht beriefen sich die Antragsteller zur Dartuung ihres Anhebungsbegehrens auf weitere gesellschaftsrechtliche Änderungen von 1998 bis 13. 6. 2001. Zwischen 1993 und 2001 habe es Aktienverschiebungen gegeben, sodass nunmehr nur 27,66 % der ursprünglichen 100 % Aktien im Besitz derselben Gesellschafter wie 1993 seien.

Die Antragsgegner bestritten das Anhebungsbegehren und beantragten Abweisung des Antrags. Die Anhebung des Hauptmietzinses gemäß § 12a Abs 3 MRG sei nicht zulässig, weil durch die Verschiebung des Aktienbesitzes der P‑B***** AG kein Machtwechsel stattgefunden habe. Weder durch die Einbringung von Aktien in Privatstiftungen noch durch sonstige Eigentumsverschiebungen sei es zu einer entscheidenden Änderung rechtlicher und wirtschaftlicher Einflussmöglichkeiten gekommen. Eine Machtkonzentration in einer Hand habe es weder vor, noch nach den festgestellten Änderungen gegeben. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes sei aber der Machtwechsel der maßgebliche Anknüpfungspunkt für das Erhöhungsrecht des Vermieters. Es sei auch bereits ausgesprochen worden, dass selbst eine Mehrheitsbeteiligung bei Abverkauf in Streubesitz den Tatbestand des § 12a Abs 3 MRG nicht verwirkliche (WoBl 2001/196).

In der mündlichen Verhandlung vom 19. 12. 2001 begehrten die Antragsteller in einem Zwischenfeststellungsantrag festzustellen, dass aufgrund der Änderungen in den rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten bei der Muttergesellschaft der Antragsgegnerin das Begehren der Antragsteller auf Anhebung des Hauptmietzinses nach § 12a Abs 3 MRG jedenfalls ab dem 1. 11. 1997 dem Grunde nach zu Recht bestehe.

Ausgehend vom Stichtag 1. 10. 1993 sei zum 1. 11. 1997 nur noch ein Anteil von 56,33 % der Aktien im Besitz der Altaktionäre gewesen. Überdies habe Dr. C***** M. P***** an seinem Aktiennominale von S 48 Mio (= 10 % des Gesamtkapitals) der F***** Privatstiftung unwiderruflich ein Fruchtgenussrecht eingeräumt und ausdrücklich auf sein Stimmrecht zugunsten der F***** verzichtet. Diese Übertragung sei zum 30. 9. 1997 erfolgt. Spätestens zum 1. 11. 1997 sei damit eine entscheidende Mehrheit auf Neuaktionäre übergegangen.

Die Antragsgegnerin bestritt die Berechtigung zur Mietzinsanhebung per 1. 11. 1997 und beantragte Abweisung des Zwischenantrags auf Feststellung. Durch die behaupteten Sachverhalte habe kein Wechsel der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten iSd § 12a Abs 3 MRG stattgefunden. Im Übrigen sei das Fruchtgenussrecht nur für die Dauer von fünf Jahren unwiderruflich eingeräumt worden. Gemäß § 6 der Stiftungszusatzurkunde der F***** Stiftung stehe das der F***** zukommende Stimmrecht nach wie vor den Stiftern zu. An der Stimmrechsausübungsmöglichkeit durch die Altgesellschafter habe sich dadurch nichts verändert.

Das Erstgericht wies den Zwischenfeststellungsantrag ab.

Es traf die oben wiedergegebenen Feststellungen sowie weitere Feststellungen über gesellschaftsrechtliche Veränderungen auch nach dem 31. 10. 1997, sodass es letztlich eine Veräußerung von über 60 % der Anteile der P‑B***** AG zugrunde legte. Dennoch hielt es den Tatbestand des § 12a Abs 3 MRG nicht für verwirklicht, weil die Anteilsveräußerungen trotz ihres Umfangs keinen Machtwechsel bewirkt hätten. Die Veräußerung der Mehrheit der Anteile stelle bei richtigem Verständnis der Machtwechseltheorie bloß einen typischen, allerdings keinen zwingenden Fall des § 12a Abs 3 MRG dar. So habe der Oberste Gerichtshof bei einer Reduktion von 79 % der Anteile auf 25, also bei einer Veräußerung von 53 %, den Tatbestand des § 12a Abs 3 MRG nicht als erfüllt angesehen, wenn diese Transaktion nicht auch dazu führte, dass nun ein anderer als der bisherige Mehrheitsgesellschafter in die Lage versetzt worden sei, auf die Geschicke der Gesellschaft entscheidenden Einfluss zu nehmen (WoBl 2001, 317/196).

Auch im vorliegenden Fall ergebe eine Betrachtung der gesellschaftrechtlich begründeten Einflussmöglichkeiten auf die P‑B***** AG und damit auf die Mietergesellschaft keine relevante Machtkonzentration innerhalb der Gesellschaftsstruktur und damit keinen Machtwechsel.

Es sei daher auch unmaßgeblich, dass bestimmte Gesellschafter in ihrer Stimmrechtsausübung an ein gemeinsames Vorgehen gebunden seien, weil diese Personen auch zu keinem früheren Zeitpunkt in der Lage gewesen wären, allein die Geschicke der P‑B***** AG zu bestimmen. Maßgebliche Einflussmöglichkeiten kämen auch jetzt nur Personen zu, die diese schon bisher gemeinsam ausgeübt hätten. Es sei daher zwischen dem 1. 10. 1993 und 10. 12. 1999 zu keinem Wechsel der relevanten rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten iSd § 12a Abs 3 MRG gekommen.

Einem dagegen erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge. Es bestätigte den Zwischensachbeschluss des Erstgerichtes und schloss sich im Wesentlichen auch der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes an. Die von Schauer (Geschäftsraummiete und Unternehmensübertragung - ausgewählte Rechtsfragen, GesRZ 1994, 12 ff) entwickelte "Machtwechseltheorie" habe sich in der Rechtsprechung des Höchstgerichtes gegenüber der "Vermögens- oder Gewinnbeteiligungstheorie" von Reich‑Rohrwig (Mietzinserhöhung bei Geschäftsraummiete, ecolex spezial 1994, 63 ff) durchgesetzt (das Rekursgericht verwies dabei insbesondere auf die Entscheidungen 1 Ob 226/98m = MietSlg 50.299/37 = WoBl 1999/43 = SZ 71/157 sowie 5 Ob 323/98f = MietSlg 51.273/4; 5 Ob 320/98i = MietSlg 51.276; 5 Ob 239/99d = MietSlg 52.298/18 = WoBl 2001/66, zuletzt 5 Ob 307/00h). Zuletzt sei auch in der Entscheidung 3 Ob 114/00m (= WoBl 2001/196) folgend der Machtwechseltheorie ausgesprochen worden, dass bei Abgabe einer absoluten Stimmenmehrheit und Behalt nur einer relativen Stimmenmehrheit von 25 % und Veräußerung des Restes der Anteile in Streubesitz keine Änderung der Einflussmöglichkeiten stattfinde. Es komme nicht auf den Erwerb der Kapitalmehrheit sondern auf die Mehrheit der Stimmen an. Auf den vorliegenden Fall angewendet bedeute das, dass ausgehend vom Stichtag 31. 10. 1993 weder damals noch zu irgend einem späteren Zeitpunkt irgendein Aktionär eine absolute Stimmenmehrheit besessen hätte. Kein neuer Aktionär verfüge über mehr als 25 % der stimmberechtigten Aktien. Es sei also kein neuer Machthaber in die Lage versetzt worden, auf die Geschicke der Mietergesellschaft Einfluss zu nehmen. Deshalb sei der Anhebungstatbestand des § 12a Abs 3 MRG nicht verwirklicht.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 10.000 übersteige, der ordentliche Revisionsrekurs jedoch nicht zulässig sei, weil das Rekursgericht von herrschender Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht abgewichen sei.

Gegen diesen Sachbeschluss richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsteller wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer Stattgebung des Zwischenantrags auf Feststellung.

Der Antragsgegnerin wurde die Möglichkeit einer Revisionsrekursbeantwortung eingeräumt. Sie beantragt darin, dem Revisionsrekurs der Antragsteller nicht Folge zu geben.

Die Antragsteller machen in ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs zusammengefasst geltend, dass die Übertragung der Mehrheit der Anteile den Anhebungstatbestand des § 12a Abs 3 MRG auch dann verwirkliche, wenn kein Machtwechsel stattfinde, weil weder vor noch nach den gesellschaftsrechtlichen Transaktionen ein Gesellschafter in der Lage war bzw in die Lage versetzt wird, die Geschicke der Mietergesellschaft entscheidend zu bestimmen. Insgesamt sei es zu einem Eigentümerwechsel im Ausmaß von 72,34 % gekommen, unter Beachtung der eingeräumten Fruchtgenussrechte sogar zu einer noch höheren Umschichtung. Ein Großteil der Aktien befinde sich nun aufgrund von Transaktionen nach dem 1. 10. 1993 im Besitz von Privatstiftungen. Dass die Einbringung von Gesellschaftsanteilen in eine Privatstiftung den Anhebungstatbestand des § 12a Abs 3 MRG erfülle, auch wenn sich der Stifter den Widerruf der Privatstiftung vorbehalten habe und Letztbegünstigter im Falle einer Abwicklung sei, sei bereits durch höchstgerichtliche Rechtsprechung geklärt (vgl 5 Ob 307/00h). Tatsächlich entäußere sich der Stifter seines Vermögens durch die Einbringung in eine Privatstiftung und es entstehe rechtlich und wirtschaftlich ein völlig selbständiges Rechtssubjekt, das nunmehr Träger der Gesellschaftsrechte sei. Dass im vorliegenden Fall entgegen den bestehenden Unvereinbarkeitsbestimmungen des § 15 Abs 2 PSG die bisherigen Altaktionäre auf die Stiftungen bzw den Stiftungsvorstand und Aufsichtsrat maßgeblichen Einfluss nehmen könnten bzw diesen durch einen Familienbeirat steuern könnten, habe bei der Beurteilung des Vorliegens eines Anhebungstatbestandes außer Acht zu bleiben.

Soweit die Vorinstanzen unter Bezug auf die Entscheidung WoBl 2001/196 das Vorliegen eines Anhebungstatbestandes verneint hätten, sei darauf zu verweisen, dass dort ein anderer Sachverhalt zugrundegelegen sei. Dort sei es nämlich zu einem Machtwechsel insofern gekommen, als vor dem relevanten Stichtag ein Altaktionär über die absolute Stimmenmehrheit verfügt habe und nach Veräußerung von Anteilen nur noch über eine relative Stimmenmehrheit verfügt habe, während der Rest der Aktien in Streubesitz übergegangen war.

Die Antragsgegnerin hielt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung dem zusammengefasst entgegen, dass nach der in Lehre und Rechtsprechung überwiegend vertretenen Machtwechseltheorie eine entscheidende Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten auf die Mietergesellschaft Voraussetzung für den Anhebungstatbestand des § 12a Abs 3 MRG sei. Es müsse also nach den zu beurteilenden gesellschaftsrechtlichen Vorgängen einer anderen Person die rechtliche Möglichkeit zustehen, entscheidenden Einfluss auf die Geschicke des Unternehmens der Mietergesellschaft zu nehmen. Es komme daher nicht auf eine wirtschaftliche Betrachtungweise an, wirtschaftliche Einflussmöglichkeiten allein seien nicht ausreichend, sondern müsse damit auch eine entscheidende Änderung der rechtlichen Einflussmöglichkeiten verbunden sein. In Anwendung der herrschenden Machtwechseltheorie habe daher der Oberste Gerichtshof in WoBl 2001, 217/196 eine Veräußerung von 54 % der Anteile durch einen bisherigen Mehrheitsaktionär allein nicht als ausreichend angesehen, den Tatbestand des § 12a Abs 3 MRG zu verwirklichen, wenn damit kein Machtwechsel in rechtlicher Hinsicht verbunden war, weil keiner der neuen Aktionäre mehr als eine relative Stimmenmehrheit erhielt.

Die Antragsgegnerin beantragt, dem Revisionsrekurs der Antragsteller nicht Folge zu geben.

 

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Antragsteller ist zulässig, weil bisher noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Qualifikation von Fruchtgenussrechten an Gesellschaftsanteilen als Änderung von rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten in einer Mietergesellschaft gemäß § 12a Abs 3 MRG vorliegt.

Der Revisionsrekurs der Antragsteller ist auch berechtigt.

Im Zuge des Verfahrens über den Zwischenantrag auf Feststellung der Antragsteller (AS 93) haben die Vorinstanzen und die Parteien gänzlich aus den Augen verloren, dass dieser sich auf ein Mietzinsanhebungsrecht aufgrund gesellschaftsrechtlicher Änderungen in der Muttergesellschaft der Mietergesellschaft in der Zeit von 1. 10. 1993 (Inkrafttreten des durch das 3. WÄG in das MRG eingefügten § 12a Abs 3 MRG) und dem 1. 11. 1997 beschränkte.

Die Antragstellerin hat zur Berechtigung ihres Anhebungsbegehrens im Zwischenantrag auf Feststellung vorgebracht, dass zum 31. 10. 1997 noch 56,33 % der Aktien sich im Besitz der Altaktionäre befanden und hinsichtlich weiterer 10 % der Aktien von Dr. C***** M. P***** der F***** Privatstiftung ein Fruchtgenussrecht eingeräumt werden sei.

Es ist also im Rahmen der Entscheidung über den Zwischenfeststellungsantrag nur zu prüfen, ob die Einräumung des festgestellten Fruchtgenussrechtes zusätzlich zur Veräußerung von 43,67 % der Aktien eine im Sinn des § 12a Abs 3 MRG relevante Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten auf die Mietergesellschaft bewirkte.

Der erkennende Senat hat bereits ausgesprochen, dass die Veräußerung von weniger als der Mehrheit der Anteile (dort: 45,66 %) ohne Hinzutreten besonderer weiterer Umstände - die Veräußerung der Mehrheit der Anteile stellt bloß ein Beispiel des umfassenden Verständnisses des Gesetzgebers der in diesem Zusammenhang bedeutsamen Änderung dar (WoBl 1998, 116/112; WoBl 1999, 313/146) - die Rechtsfolgen des § 12a Abs 3 MRG nicht auslöst (WoBl 2001, 111/66).

Das den Anteilsveräußerungen hinzukommende Element der Fruchtgenusseinräumung an weiteren Aktien muss ‑ um nach § 12a Abs 3 MRG relevant zu sein - im Ergebnis zu einer gesellschaftsrechtlich begründeten Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten auf die Mietergesellschaft führen (RIS‑Justiz RS0111296 ua).

Unter dem Fruchtgenussrecht versteht man gemäß der allgemeinen Definition des § 509 ABGB das Recht, eine fremde Sache unter Schonung der Substanz ohne alle Einschränkungen zu genießen, wobei unter fremder Sache neben körperlichen Gegenständen auch Rechte und damit insbesondere auch Gesellschaftsrechte zu verstehen sind (vgl zB Frotz, Der Fruchtgenuss an Personengesellschaftsanteilen - ein Überblick, GesRZ 1990, 34 mwN). Während dem Eigentümer alle Befugnisse bleiben, deren Ausübung das Recht des Fruchtnießers nicht beeinträchtigt, hat der Fruchtnießer das ausschließliche Recht auf Ausübung der Nutzungs- und Verwaltungsbefugnisse (Hofmann in Rummel³ Rz 3 zu § 509 ABGB; Klang II 584).

Erhält der Fruchtgenussberechtigte dergestalt nicht nur die Gewinnbeteiligung, sondern auch Stimm‑, Mitwirkungs- und Kontrollrechte, somit die wichtigsten Mitgliedschaftsrechte, kommt es quasi zu einem gesellschaftsrechtlichen Ausscheiden des Fruchtgenussbestellers und dessen Ersatz durch den Fruchtgenussberechtigten, sodass dieser als Gesellschafter auf Zeit angesehen werden kann (vgl dazu kritisch Frotz, Der Fruchtgenuss an Personengesellschaftsanteilen GesRZ 1990, 38 mwN; Hirschler in ÖStZ 1997, 10, der allerdings zu einer gespalteten Gesellschafterstellung gelangt).

Während in Deutschland umstritten ist, inwieweit dem Fruchtnießer das Stimmrecht übertragen werden darf, vertritt für das Aktienrecht die herrschende Lehre in Österreich, dass das Stimmrecht nicht von der Aktie abgespalten werden kann (Ausnahme Treuhandschaft: vgl Bachner in Doralt/Nowotny/Kalss AktG Rz 35 zu § 102 mwN), sodass das Stimmrecht immer dem Aktieneigentümer und nicht dem Fruchtgenussberechtigten zusteht (vgl Haslinger in "Zuwendungsfruchtgenuss an Unternehmensanteilen" ecolex 1996, 622; Kastner/Doralt/Nowotny [Grundriß] 271; Schiemer in Schiemer/Jaborneg/Strasser, Aktiengesetz § 114 Anm 1; Frotz, aaO FN 35 bis 50). Unbestritten ist allerdings, dass die Verwaltungs- und Dispositionsbefugnis dem Fruchtgenussberechtigten dergestalt übertragen werden kann, dass ihm bei allen Beschlüssen in der Hauptversammlung das Stimmverhalten überlassen wird (Lechner in "Fruchtgenuss an Aktien", ecolex 1992, 194).

Für die Stimmrechtsausübung durch Dritte stellt das Gesetz zwei Gestaltungsmöglichkeiten zur Verfügung: Die Bevollmächtigung (§ 114 Abs 3 AktG) und die Legitimationsübertragung (§ 110 Satz 2 und § 114 Abs 4 AktG). Im ersten Fall (Stimmrechtsvollmacht) entsendet der Aktionär einen mit schriftlicher Vollmacht ausgestatteten Vertreter, der verpflichtet ist, das Stimmrecht den Weisungen des Vollmachtsgebers entsprechend auszuüben (§ 1009 ABGB); ein Widerruf der Vollmacht ist jederzeit formfrei möglich, auch wenn eine "unwiderrufliche" Vollmacht erteilt wurde und der Bevollmächtigte für den Aktionär tätig wird (vgl S. Schmidt in Doralt/Nowotny/Kalss, Aktiengesetz Rz 35, 41 und 42 zu § 114 mwN). Im zweiten Fall (Legitimationsübertragung) übt der Legitimationsaktionär im eigenen Namen Rechte aus einer Aktie aus, die ihm nicht gehören; damit wird keine Vertretungsmacht begründet, sondern der Aktionär übergibt seine Aktien einem Dritten zur Ausübung des Stimmrechts im eigenen Namen. Diese Legitimationsübertragung ist ein Fall der Ermächtigungstreuhand (Bachner aaO Rz 34 zu § 102 AktG mwN; SZ 33/95; Strasser in Rummel³ Rz 4 zu § 1002 ABGB). Der Legitimationsaktionär ist damit zur Teilnahme an der Hauptversammlung berechtigt (Bachner aaO Rz 35 zu § 102 AktG). Das Vollrecht verbleibt auch bei der Ermächtigungstreuhand beim Treugeber, während das Verfügungsrecht im Namen des Treuhänders ausgeübt wird (vgl Strasser aaO Rz 42 zu § 1002 ABGB).

Aus dem Vertrag, mit dem der F***** Privatstiftung das Fruchtgenussrecht eingeräumt wurde, ergibt sich, dass ihr neben dem Gewinnanspruch "auch das Recht zur Ausübung der Stimmrechte bezüglich der Stammaktien zukommen sollte". Das bedeutet eine Ermächtigung zur Stimmrechtsausübung im Sinn der dargestellten Legitimationsübertragung.

Im vorliegenden Fall stehen nach Einräumung des unwiderruflichen Fruchtgenusses samt Stimmrechtsübertragung an den Fruchtnießer diesem die gesamten wesentlichen gesellschaftsrechtlichen Herrschafts- und Vermögensrechte eines Aktionärs zu. Über eine in der Regel im Zusammenhang mit § 12a MRG unbeachtliche Gestaltung des Innenverhältnisses zwischen Gesellschaftern (vgl 7 Ob 159/97x; 5 Ob 434/97b; zu Syndikatsverträgen: RdW 2001/452; ecolex 2003/343) geht eine solche weitgehend einer auch eigennützigen Treuhandvereinbarung (vgl WoBl 2003/50 = GeS 2003, 71) entsprechende Konstruktion deutlich hinaus. Jedenfalls ist die Mehrheit der Anteile nunmehr anderen Personen als den bisherigen Gesellschaftern wirtschaftlich zuzurechnen. Damit bedarf es keines eigentlichen "Machtwechsels" in der Gesellschaft mehr, weil sich in der Regel eine entscheidende Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten bei einer Anteilsverschiebung um mehr als 50 % ergibt (5 Ob 239/99d). Damit in Einklang steht die Judikatur des erkennenden Senats, wonach bei einem unternehmenstragenden Verein der Mietzinsanhebungstatbestand des § 12a Abs 3 MRG verwirklicht wird, wenn die Mehrheit der Vereinsmitglieder wechselt (WoBl 1998, 303/199 [Würth] = SZ 71/17). Auch in 1 Ob 226/98m = WoBl 1999, 88/43 [Schauer] = SZ 71/157 wurde daran festgehalten, dass "der Gesetzgeber die Veräußerung der Anteilsmehrheit jedenfalls als Änderung im Sinn des § 12a Abs 3 MRG verstanden wissen wollte". Die damit nicht in Einklang stehende Entscheidung 3 Ob 114/00m = WoBl 2001/196 [mit Zust Schauer] trägt diesem Umstand nicht Rechnung, indem sie für maßgeblich ansah, dass nach dem stückweisen Abverkauf eines Gesellschaftsanteils es zu Streubesitz kam und kein einzelner Aktionär in der Folge in der Lage war, allein auf das von der Gesellschaft betriebene Unternehmen entscheidenden Einfluss zu nehmen. Auch durch eine solche Verschiebung der Anteilsverhältnisse tritt eine Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten auf die Gesellschaft iSd § 12a Abs 3 MRG ein; nunmehr ziehen - anstatt früher anderer - überwiegend neue Gesellschafter den wirtschaftlichen Nutzen aus dem billigen Mietrecht.

Im Ergebnis führt also die konkrete Vertragsgestaltung der unwiderruflichen Fruchtgenusseinräumung samt Stimmrechtsübertragung hinsichtlich 10 % der Anteile zusätzlich zur Veräußerung von 43,67 % der Aktien durch Einbringung in Privatstiftungen jedenfalls zu einer im Sinn des § 12a Abs 3 MRG relevanten Änderung rechtlicher und wirtschaftlicher Einflussmöglichkeiten auf die Mietergesellschaft im Sinne des beispielhaft aufgezählten Falles. Ob es auch noch andere Anhebungsgründe ohne eklatanten Machtwechsel (arg "wie etwa") geben kann, kann vorliegendenfalls dahingestellt bleiben.

Die Antragsteller sind daher grundsätzlich zu einer Anhebung auf den angemessenen Mietzins gemäß § 12a Abs 2 MRG seit 1. November 1997 berechtigt.

Der Revisionsrekurs der Antragsteller war daher berechtigt.

 

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte