Spruch:
Dem ordentlichen Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Der 68. und 69. Antragsgegner sind zur ungeteilten Hand schuldig, den Antragstellern binnen 14 Tagen die mit 522,70 EUR (darin 85,45 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung zu ersetzen.
Begründung
Die Antragsteller und Antragsgegner sind Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ ***** GB ***** (Haus *****, V*****‑Gasse 79‑81/L*****gasse 90‑92). Der Erstantragsteller ist seit 1999 der Verwalter. Die Zweitantragstellerin ist die Gattin des Erstantragstellers. Seit mehreren Jahren gibt es massive Unstimmigkeiten zwischen den Wohnungseigentümern.
Die Antragsteller begehrten die Feststellung der Rechtsunwirksamkeit des Beschlusses, mit dem dem Erstantragsteller als Verwalter der Wohnungseigentümergemeinschaft mit 31. 12. 2006 gekündigt und ein Hausverwaltungsvertrag mit der Hausverwaltung K***** S***** KG (kurz: S*****) abgeschlossen wurde. In eventu begehrten die Antragsteller die Feststellung, dass überhaupt kein rechtswirksamer Beschluss über die Kündigung des Erstantragstellers als Verwalter der Eigentümergemeinschaft und über den Abschluss eines Hausverwaltungsvertrags mit der Hausverwaltung S***** zu Stande gekommen sei. Von den Initiatoren der Beschlussfassung sei, um diese geheim zu halten, ein öffentlicher Notar mit der Abwicklung beauftragt worden. Der Notar habe nur das Abstimmungsergebnis festgestellt und bekannt gegeben, aber nicht das Stimmverhalten der einzelnen Wohnungseigentümer. Mehrere Wohnungseigentümer seien von der Beschlussfassung nicht oder nur mangelhaft verständigt worden. Der Beschluss sei daher formell mangelhaft und gesetzeswidrig zustande gekommen. Da für die Antragsteller die Überprüfung der Stimmabgabe bzw des Abstimmungsergebnisses nicht möglich sei, werde auch der Mangel der erforderlichen Mehrheit eingewendet.
Die Erstantragsgegnerin sowie 39., 68. und 69. Antragsgegner beantragten Antragsabweisung. Letztere brachten vor, dass die Feststellung des Beschlussergebnisses als tatsächlicher Vorgang fehlerfrei erfolgt sei. Es sei nicht notwendig, jeden einzelnen Abstimmenden als solchen zu vermerken.
Das Erstgericht hob die Beschlüsse der Eigentümergemeinschaft vom 17. 7. 2006, mit denen einerseits der Erstantragsteller als Verwalter mit 31. 12. 2006 gekündigt und andererseits ein Hausverwaltungsvertrag mit der Hausverwaltung S***** abgeschlossen wurde, als rechtsunwirksam auf. Es traf folgende wesentliche Feststellungen:
Am 26. 5. 2006 verfassten die Antragsgegner J*****, G*****, S*****, K***** und S***** ein Schreiben mit auszugsweise folgendem Inhalt:
„Herr H***** wurde von uns Eigentümern im Jahre 1999 mit Mehrheit zum interimistischen Hausverwalter gewählt, mit dem Motiv, einer von uns zu sein, um die Interessen aller Eigentümer in gleichem Maße zu vertreten.
Aus unserer Sicht können wir hier zum jetzigen Zeitpunkt keine Verbesserungen unserer Situation, sondern leider hauptsächlich Verschlechterungen feststellen.
...
Was wir wollen:
Das Modell der Selbstverwaltung funktioniert scheinbar ... in unseren Häusern leider nicht, da sachliche Argumente oft von persönlichen und emotionalen Argumenten getragen werden. Viele eigenmächtige Entscheidungen von Herrn H***** führen zu Unstimmigkeiten. ...
Jeder einzelne von uns ist Eigentümer der beiden Häuser. Wir alle entscheiden, wie unsere Häuser verwaltet, renoviert und abgerechnet werden.
Wir wollen mit dieser Abstimmung feststellen, ob Herr H***** nach diesen mehr als 6 Jahren noch das Vertrauen und damit die Legitimation hat, uns als Eigentümer zu vertreten und unser Eigentum zu verwalten.
Um die Beschlussfassung geheim zu halten, haben wir einen öffentlichen Notar mit der Abwicklung beauftragt. Der Notar wird nur das Endergebnis der Abstimmung (in Prozenten) veröffentlichen und kein Stimmergebnis der einzelnen Wohnungseigentümer bekannt geben. Sie können vollkommen sicher sein, dass Ihre Beteiligung und Ihr Abstimmungsergebnis anonym bleiben und nur Ihnen und dem Notar bekannt sein werden. Auch uns als Auftraggeber wird, kann und darf der Notar diese Information nicht zugänglich machen.
Vorschlag neue Hausverwaltung:
Wir haben mehrere Verwaltungsangebote eingeholt und uns nach eingehender Prüfung und mehreren Gesprächen für die Hausverwaltung K***** S***** KG schließlich als besten Vorschlag entschieden.
...
Wir ersuchen Sie im eigenen Interesse, sich an der Abstimmung - wie immer Ihre Entscheidung auch ausfallen mag - über unsere künftige Hausverwaltung zu beteiligen und die beiliegende Beschlussfassung unbedingt bis spätestens 23. 6. 2006 mittels beiliegendem Kuvert an das Notariat Dr. Sonja T***** ... abzuschicken."
Weiters wurde ein Beschlussvorschlag vorgefertigt mit auszugsweise folgendem Inhalt:
„Beschlussfassung über die Verwaltung der WE‑Gemeinschaft V***** Gasse 79‑81 und L*****gasse 90‑92:
Beschlussantrag:
Herr H***** soll als Verwalter der WE‑Gemeinschaft mit 31. 12. 2006 gekündigt und ein Hausverwaltungsvertrag mit der HV S***** abgeschlossen werden.
o ich stimme für den Absetzungsantrag und die Beauftragung der Hausverwaltung S*****
o ich stimme gegen den Absetzungsantrag
Bitte um ein deutliches Zeichen Ihrer Meinung mittels eines Kreuzes in einem der beiden Felder.
Eigenhändige Unterschrift:
Name in BLOCKBUCHSTABEN:
........ , am .....
Ort und Datum
Wir ersuchen Sie im eigenen Interesse, sich an der Beschlussfassung - wie immer Ihre Entscheidung auch ausfallen mag - über unsere künftige Hausverwaltung zu beteiligen und diese Beschlussfassung unbedingt bis spätestens 23. Juni 2006 mittels beiliegendem Kuvert an das Notariat Dr. Sonja T***** ... abzuschicken.
Um die Beschlussfassung geheim zu halten, haben wir einen öffentlichen Notar mit der Abwicklung beauftragt. Der Notar wird nur das Endergebnis der Abstimmung (in Prozenten) veröffentlichen und kein Stimmergebnis der einzelnen Wohnungseigentümer bekannt geben. Sie können vollkommen sicher sein, dass ihre Beteiligung und ihr Abstimmergebnis anonym bleiben und nur Ihnen und dem Notar bekannt sein werden. Auch uns als Auftraggeber wird, kann und darf der Notar diese Information nicht zugänglich machen."
Der Antragsgegner zu 39. hatte zuvor das Notariat Dr. Sonja T***** mit der Abwicklung der Auszählung hinsichtlich des angestrebten Umlaufbeschlusses beauftragt. Das Begleitschreiben samt dem Beschlussvorschlag wurde von den Organisatoren an die jeweiligen Wohnungseigentümer persönlich oder an die im Grundbuch ersichtliche Adresse, die als Wohnadresse angeführt wird, postalisch übermittelt. Das Schreiben an die Wohnungseigentümerin Edith S***** ging an die Adresse ***** und wurde in weiterer Folge von der Post mit dem Vermerk „unbekannt" an den 39. Antragsgegner retourniert. Die Antragsgegnerin S***** hatte ihre neue Wohnadresse dem Erstantragsteller als Hausverwalter bekannt gegeben. Eine Berichtigung im Grundbuch war nicht durchgeführt worden.
Vor dem 8. 6. 2006 erhielt auch der Erstantragsteller das Schreiben und den vorgefertigten Beschlussvorschlag. Er richtete am 8. 6. 2006 ein Schreiben an die Wohnungseigentümer mit auszugsweise folgendem Inhalt:
„An die Miteigentümer der Liegenschaft ...
...
In dieser Angelegenheit erhielt ich zwischenzeitig das auch Ihnen zugegangene - nicht eigenhändig unterfertigte - Schreiben der Initiatoren ... vom 26. Mai 2006, in dem vermutlich die genannten „Initiatoren" ihr Unbehagen ausdrücken. So wird einerseits auf angebliche horrende Prozess- und Anwaltskosten verwiesen, ohne dabei zu berücksichtigen, dass diese Kosten ausschließlich zur bestmöglichen Wahrung der Interessen unserer Gemeinschaft anfallen.
...
Hinsichtlich der behaupteten scheinbaren Ungereimtheiten in den Abrechnungen wird eben das derzeitig anhängige Verfahren vor dem BG Favoriten weisen, dass keine Ungereimtheiten vorliegen. Zudem sei hierbei noch einmal darauf verwiesen, dass trotz angeblicher horrender Prozess- und Anwaltskosten, den Verwaltungsspesen und den anderen Behauptungen der „Initiatoren" nach wie vor die monatlichen anteiligen Aufwendungen für die Bewirtschaftung deutlich niedriger sind als die Vorschreibungen der Hausverwaltung S***** aus dem Jahr 1998.
Letztendlich sieht es für mich so aus, als ob für die Initiatoren ausschließlich deren eigene persönliche und finanzielle Interessen im Vordergrund steht und nicht - wie in meinem Fall - das Wohl der Eigentümergemeinschaft.
Abschließend nehme ich noch Bezug auf die geheim zu haltende Beschlussfassung bei einem öffentlichen Notar:
Dies ist rechtlich nicht zulässig, da dadurch eine Überprüfbarkeit der Beschlussfassung ausgeschlossen wäre und entspricht diese Vorgangsweise daher auch nicht den gesetzlichen Vorgaben für Beschlussfassungen.
Auch diesbezüglich erlaube ich mir darauf hinzuweisen, dass sämtliche unter meiner Verwaltungstätigkeit erfolgten Beschlussfassungen stets transparent, offen und gesetzmäßig durchgeführt wurden.
So bleibt mir abschließend nur die Empfehlung, an der „Beschlussfassung" nicht teilzunehmen, da diese nicht gesetzmäßig wäre. Wenn Sie sich vorsichtshalber oder aus anderen Gründen verpflichtet fühlen, an der Beschlussfassung dennoch teilzunehmen, ersuche ich Sie sowohl in Ihrem als auch im Interesse der Gemeinschaft mir weiterhin Ihr Vertrauen zu schenken."
Am 11. 7. 2006 wurde im Notariat Dr. T***** eine Auszählung der dort eingegangen, von den Miteigentümern unterfertigten Beschlussvorschläge vorgenommen. Sechs Mit- und Wohnungseigentümer mit insgesamt 288/5672 Anteilen hatten den Beschlussvorschlag mit „nein" unterfertigt. Ein Miteigentümer hatte sich der Stimme enthalten. 32 Miteigentümer mit 2843/5672 Anteilen hatten mit „ja" gestimmt.
Die Auszählung wurde unter Hinzuziehung zweier Zeugen vom Notarsubstituten Mag. Albert K***** vorgenommen, der das Abstimmungsverhalten anhand eines aktuellen Grundbuchsauszugs überprüfte. Es kann nicht festgestellt werden, welche Miteigentümer wie abgestimmt haben.
Am 17. 7. 2006 erfolgte ein Hausanschlag mit folgendem Inhalt:
„Hausaushang am schwarzen Brett, angeschlagen am 17. Juli 2006:
An die Eigentümer der Häuser V*****‑Gasse 79‑81 und L*****gasse 90‑92.
Aufgrund der vorgenommenen schriftlichen Beschlussfassung wurde mit einer Mehrheit von 2843/5572 Anteilen folgender Beschluss gefasst:
Herr H***** wird als Verwalter der WE‑Gemeinschaft mit 31. 12. 2006 gekündigt und ein Hausverwaltungsvertrag mit der HV S***** abgeschlossen.
Bei der durchgeführten Beschlussfassung haben 288/5572 Anteile für den Weiterverbleib von Herrn H***** als Verwalter gestimmt und ein Eigentümer sich der Stimme enthalten.
Gesamtliegenschaft sind 5672 Nutzwerte, abzgl. 100 Nutzwerte Familie H*****, daher 5572 Nutzwerte. Herr H***** als Eigentümer und Verwalter, Frau H***** als Angehörige sind 1t. WEG von der Abstimmung ausgeschlossen."
Am 17. 7. 2006 wurde folgendes Schreiben an die Mit- und Wohnungseigentümer gerichtet:
„...
Aufgrund der vorgenommenen schriftlichen Beschlussfassung wurde mit einer Mehrheit von 2843/5572 Anteilen folgender Beschluss gefasst:
Herr H***** wird als Verwalter der WE‑Gemeinschaft mit 31. 12. 2006 gekündigt und ein Hausverwaltungsvertrag mit der HV S***** abgeschlossen.
Bei der durchgeführten Beschlussfassung haben 288/5572 Anteile für den Weiterverbleib von Herrn H***** als Verwalter gestimmt und ein Eigentümer sich der Stimme enthalten.
Dieser Beschluss wurde am 17. 7. 2006 in den Häusern ... am schwarzen Brett angeschlagen.
Mit 17. Juli 2006 beginnt gemäß § 24 WEG 2002 die einmonatige gerichtliche Anfechtungsfrist und endet am 17. August 2006."
Dieses Verständigungsschreiben wurde von der Kanzlei Dr. T***** an sämtliche Mit- und Wohnungseigentümer an deren aus dem Grundbuch ersichtlichen Adressen postalisch übermittelt. Der Brief an die Wohnungseigentümerin S***** wurde an die Kanzlei als „unzustellbar" retourniert.
In rechtlicher Hinsicht war das Erstgericht der Ansicht, es sei von zwei getrennten Beschlussfassungen auszugehen, nämlich einerseits über die Abberufung des Erstantragstellers und andererseits über die Beauftragung der neuen Hausverwaltung, wobei bei der letztgenannten Abstimmung auch die beiden Antragsteller stimmberechtigt gewesen seien. Die „anonyme" Abstimmung mache eine Überprüfung der Beschlussfassung bzw der Willensbildung der Wohnungseigentümer unmöglich, weil die Rechtswirksamkeit der Stimmabgabe nicht effektiv überprüft werden könne. Die beiden Beschlüsse seien daher im Sinn der § 24 Abs 6 WEG 2002 gesetzwidrig und somit als rechtsunwirksam aufzuheben.
Das Rekursgericht gab den gegen diesen Sachbeschluss erhobenen Rekursen der Erstantragsgegnerin sowie der 39., 40., 68. und 69. Antragsgegner nicht Folge. Das Rekursgericht war der Ansicht, es könne - entgegen der Ansicht der Rekurswerber - dahingestellt bleiben, ob sich der Zeuge Mag. K***** zu Recht auf die notarielle Verschwiegenheitspflicht (§ 37 NO) berufen habe oder ob das Erstgericht ihn zur Aussage über das Abstimmungsverhalten hätte veranlassen müssen. Zu berücksichtigen sei nämlich, dass durch die von den Initiatoren der Abstimmung gewählte und den einzelnen Wohnungseigentümern auch dezidiert zugesagte „Anonymität" der Abstimmung in dem Sinn, dass sowohl die Beteiligung als auch das konkrete Stimmverhalten des einzelnen Wohnungseigentümers nur diesem selbst und dem Notar, nicht aber auch irgendeinem Dritten bekannt gemacht werden sollte, mit den Regelungen des Wohnungseigentumsgesetzes über die Beschlussfassung der Wohnungseigentümer nicht in Einklang zu bringen sei. Damit werde nicht nur die nunmehr in § 20 Abs 7 WEG 2002 explizit klargestellte Pflicht des Verwalters zur Auskunft über das Stimmverhalten im Fall einer schriftlichen Willensbildung konterkariert. Gerade in Fällen wie jenen der hier verstorbenen 7. und 37. Antragsgegner bedürfte es der Kenntnis von der - nicht mit dem Grundbuchstand übereinstimmenden - Person des Abstimmenden. Die vorgesehene Art der Abstimmung habe darüber hinaus nicht nur zur Folge, dass die Richtigkeit der Auszählung durch den Notar faktisch nicht kontrollierbar sei, sondern führe auch dazu, dass nicht einmal der einzelne Wohnungseigentümer mit Sicherheit überprüfen könne, ob die von ihm abgegebene Stimme tatsächlich (und überdies richtig) gezählt worden sei. Unter diesen Umständen sei die von den Antragstellern bekämpfte Beschlussfassung unwirksam.
Das Rekursgericht sprach aus, der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteige 10.000 EUR und der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil bisher - soweit ersichtlich - keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage vorliege, ob eine Beschlussfassung der Wohnungseigentümer im Umlaufweg, die von vornherein auf Unüberprüfbarkeit des Abstimmungsverhaltens ausgerichtet sei, dennoch wirksam ist bzw allenfalls wirksam werde, sofern im anschließenden außerstreitigen Verfahren gemäß § 24 WEG 2002 unplanmäßig doch offen gelegt werde, welcher Miteigentümer wie abgestimmt habe.
Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der ordentliche Revisionsrekurs der 68. und 69. Antragsgegner wegen unrichtiger Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Antragsabweisung; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.
Rechtliche Beurteilung
Die Antragsteller erstatteten eine Revisionsrekursbeantwortung mit dem Antrag, dem Revisionsrekurs der 68. und 69. Antragsgegner nicht Folge zu geben.
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil der Oberste Gerichtshof bislang noch nicht zu einem Umlaufbeschluss mit zugesagter „Anonymität" Stellung zu nehmen hatte. Der Revisionsrekurs ist aber nicht berechtigt.
Die Revisionsrekurswerber machen im Wesentlichen geltend, dass der vom Rekursgericht bezogene § 20 Abs 7 2. Satz WEG 2002 erst durch die WRN 2006 angefügt worden sei und daher zur Zeit der zu beurteilenden Beschlussfassung nicht gegolten habe. Es sei daher entscheidend, dass das Erstgericht nur aufgrund des vom Rekursgericht nicht aufgegriffenen Mangels des erstinstanzlichen Verfahrens das Stimmverhalten der einzelnen Mit- und Wohnungseigentümer nicht feststellen habe können. Das Erstgericht wäre verpflichtet gewesen, den Notarsubstituten Mag. K***** zur Zeugenaussage zu verhalten. Dessen Aussageverweigerung sei nämlich aus mehreren Gründen rechtswidrig gewesen. Der beauftragte Notar sei nur seinen Auftraggebern gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichtet, die zur Entbindung bereit gewesen seien bzw diese erteilt hätten. Eine Notwendigkeit zur Entbindung durch alle Mit- und Wohnungseigentümer hätte zur Folge, dass die Antragsteller die Aussage des beauftragten Notars hätten verhindern können. Schließlich sei die Zusage der Anonymität teleologisch auf den außergerichtlichen Bereich zu reduzieren und sie sei dann aufzuheben, wenn die Überprüfung des Stimmverhaltens im gerichtlichen Verfahren zu überprüfen sei.
Der erkennende Senat hat dazu erwogen:
1. Nach § 24 WEG 2002 können, ebenso wie dies nach § 13b WEG 1975 der Fall war, Beschlüsse in der Eigentümerversammlung oder auf andere Weise, etwa durch Umlaufbeschluss zustande kommen. Der erkennende Senat erachtet solche Beschlüsse, etwa in Form einer Unterschriftenliste, grundsätzlich für zulässig (vgl 5 Ob 18/07v; 5 Ob 146/01h = ecolex 2002/67, 127 = immolex 2002/58, 113 = MietSlg 53/26), und zwar auch ohne dass zuvor eine gesonderte Beschlussfassung oder Verständigung über diese Vorgangsweise erfolgen müsste (vgl auch 5 Ob 2382/96x = immolex 1998/49, 84 = MietSlg 49/43; 5 Ob 315/03i = wobl 2003/188, 355 = immolex 2004, 45 = MietSlg 55.238); dies gilt auch für den Fall einer Beschlussfassung über die Auflösung des Verwaltungsvertrags (5 Ob 18/07v; 5 Ob 116/06d = immolex 2007/25, 54 = ecolex 2007/47, 105 [Friedl]; vgl weiters 5 Ob 2382/96 = immolex 1998/49, 84 = MietSlg 49/43; 5 Ob 315/03i = wobl 2003/188, 355 = immolex 2004, 45 = MietSlg 55.238; 5 Ob 118/02t = immolex 2003/44, 78 = wobl 2004/39, 150 [Vonkilch] = MietSlg 54.462). Bei einem schriftlichen Umlaufbeschluss kommt die Entscheidung erst dann zustande, wenn auch dem letzten Miteigentümer die Gelegenheit zur Äußerung geboten wurde (RIS‑Justiz RS0108769; 5 Ob 18/07v; 5 Ob 164/07i = wobl 2008/72, 223).
2.1. Aus der Formulierung des § 13b Abs 3 letzter Satz WEG 1975 „gleiches gilt für die Willensbildung durch Umlaufbeschluss" hat der erkennende Senat nicht nur die ausdrückliche Zulassung dieser Beschlussform durch den Gesetzgeber abgeleitet, sondern auch, dass die Verständigung eines Wohnungseigentümers zur Stimmabgabe bei einem Umlaufbeschluss an die Anschrift des Wohnungseigentumsobjekts vorzunehmen ist, soferne nicht eine andere inländische Anschrift oder ein inländischer Zustellbevollmächtigter bekanntgegeben wurde. Da nach dem Wortlaut des Gesetzes keine Zustellung, sondern nur eine Übersendung erforderlich ist, reicht grundsätzlich die Übersendung an die Adresse der Eigentumswohnung aus (RIS‑Justiz RS0108768; 5 Ob 2382/96x = immolex 1998/49, 84 = MietSlg 49/43). Da das Gesetz nur die Übersendung erfordert, bedarf es nicht einmal des Zugangs der Verständigung (5 Ob 249/03h; 5 Ob 164/07i = wobl 2008/72, 223).
2.2. Betreffend die Mit- und Wohnungseigentümerin Edith S***** (20. Antragsgegnerin) mag nun - nach den zuvor dargestellten Grundsätzen - ein Verständigungsfehler vorgelegen haben, weil dem Erstantragsteller als Hausverwalter eine andere inländische Anschrift dieser Mit- und Wohnungseigentümerin bekannt war. Im Hinblick auf die - wie zu zeigen sein wird - ohnehin unwirksame Beschlussfassung ist aber auf diesen Formalfehler nicht weiter einzugehen.
3.1. Die Bestellung des Verwalters und die Auflösung des Verwaltungsvertrags, deren Grundsätze in § 21 WEG 2002 geregelt sind, zählen gemäß § 28 Abs 1 Z 5 WEG 2002 zu den Angelegenheiten der ordentlichen Verwaltung der Liegenschaft (5 Ob 286/06d; 5 Ob 116/06d = immolex 2007/25, 54 = ecolex 2007/47, 105 [Friedl]; 5 Ob 2382/96x = immolex 1998/49, 84 = MietSlg 49/43; 5 Ob 315/03i = wobl 2003/188, 355 = immolex 2004, 45 = MietSlg 55.238; 5 Ob 227/05d = immolex 2006/102, 221 = wobl 2006/129; 5 Ob 18/07v). Es entscheidet unbeschadet der Rechte des einzelnen Wohnungseigentümers nach § 30 WEG die Mehrheit der Wohnungseigentümer.
3.2. Einem Wohnungseigentümer steht dann kein Stimmrecht zu, wenn Gegenstand der beabsichtigten Beschlussfassung ein Rechtsgeschäft, Rechtsverhältnis oder Rechtsstreit mit einem Wohnungseigentümer ist. Unter Bezug auf Würth (in: Die Wohnrechts‑Novelle 1999 kritisch betrachtet, Teil II, wobl 2000, 133 f) hat der erkennende Senat in seiner Entscheidung 5 Ob 246/03t (= wobl 2004/76, 307 [Call] = immolex 2005/21, 54 [Vonkilch]) sowie in 5 Ob 286/06d ausgesprochen, dass die Enthebung und Bestellung des Verwalters zu jenen Rechtsgeschäften gehört, die gemäß § 24 Abs 3 WEG einen Stimmrechtsausschluss gebieten, wenn durch das Naheverhältnis eines Wohnungseigentümers zum Verwalter Gemeinschaftsinteressen auf dem Spiel stehen. Das hat umso mehr zu gelten, wenn ein Miteigentümer selbst zum Verwalter bestellt ist. Bei Abbestellung eines Hausverwalters unter Neubestellung eines anderen Hausverwalters ist von zwei getrennten Beschlussgegenständen auszugehen. Klarzustellen ist daher, dass der Stimmrechtsausschluss der Antragsteller somit nur den ersten Beschlussgegenstand (Abbestellung des Erstantragstellers als Hausverwalter) betreffen konnte (5 Ob 164/07i = wobl 2008/72, 223).
4.1. Zur fraglichen „Anonymität" des Abstimmungsvorgangs hat schon A. Mair (in Beschlussfassung im Wohnungseigentum [2004], 64) zur Rechtslage vor der WRN 2006 darauf hingewiesen, dass ein „Schutz vor der Öffentlichkeit" aufgrund des Transparenzgebots nur für den Abstimmungsmoment, nicht jedoch für den späteren Zeitraum gelten könne. Nach dem Abstimmungsvorgang müsse nämlich für die Wohnungseigentümer zur Überprüfung des Beschlussergebnisses jederzeit die Einsichtnahme in die bezughabenden Unterlagen möglich sein. Diesem rechtlichen Befund, zu dem auch das Rekursgericht im angefochtenen Sachbeschluss gelangte, ist im Grundsatz zuzustimmen, ist doch nur mit Wissen über das Abstimmungsverhalten der Mit- und Wohnungseigentümer sowie mit Kenntnis der Modalitäten des Abstimmungsvorgangs eine sinnhafte Überprüfung der Beschlussfassung, etwa in Richtung der Vorgaben des § 24 Abs 1 bis 3 WEG 2002 möglich.
4.2. Den Revisionsrekurswerbern ist zwar zuzustimmen, dass der vom Rekursgericht - nur neben anderen Argumenten - erwähnte § 20 Abs 7 2. Satz WEG 2002 erst mit der WRN 2006 (BGBl I 2006/124) angefügt wurde. Diese Bestimmung, die nunmehr (ausdrücklich) ua vorsieht, dass „der Verwalter (...) auf Verlangen jedem Wohnungseigentümer Auskunft (...) im Fall einer schriftlichen Willensbildung (§ 24 Abs 1) über das Stimmverhalten der anderen Wohnungseigentümer zu geben (hat)", stellt aber qualitativ keine Änderung der bisherigen Rechtslage, sondern - ausweislich der Materialien (RV 1183 der Beilagen 22. GP 24) - (nur) eine „gesetzliche Klarstellung" dar, zu der freilich ebenfalls deren Bedeutung als „Voraussetzung etwa für eine Prüfung des tatsächlichen Zustandekommens einer Mehrheit, manchmal auch für eine Beschlussanfechtung" betont wird. Das „Transparenzgebot" betreffend das Abstimmungsverhalten der Mit- und Wohnungseigentümer sowie der Modalitäten des Abstimmungsvorgangs ist also schon auf der Rechtsgrundlage vor der WRN 2006 zu bejahen. Beschränkungen dieses Informationsanspruchs stellen eine wesentliche Behinderung des Beschlussanfechtungsrechts der überstimmten Minderheit dar und sind daher mit dem aus § 24 Abs 7 WEG 2002 folgenden Grundgedanken unvereinbar (zur Überprüfung der Willensbildung als Minderheitenrecht vgl RIS‑Justiz RS0109182; ferner Löcker in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht, § 24 WEG 2002, Rz 9 ff).
5. Im vorliegenden Fall war nun allerdings nicht etwa nur nach dem Abstimmungsvorgang die gebotene Transparenz nicht gewährleistet, sondern es erfolgte bereits die Einladung zur Abstimmung mit einer dem gesetzlichen Beschlussanfechtungsrecht widerstreitenden Ankündigung einer Anonymität, nach der die Mit- und Wohnungseigentümer befürchten mussten, dass mangels erlangbarer Informationen über die Willensbildung eine spätere Beschlussanfechtung faktisch aussichtslos sein werde. Damit erfasste und behinderte diese Ankündigung einer gesetzwidrigen Anonymität bereits die Grundlage der Willensbildung der Mit- und Wohnungseigentümer, ist doch nicht auszuschließen, dass sich Einzelne gerade aus diesem Grund (und im Sinn der schriftlichen Aufforderung des Erstantragstellers) überhaupt nicht am Abstimmungsvorgang beteiligten. Da also hier die Ankündigung der gesetzwidrigen Anonymität bereits den Willensbildungsprozess verfälschen konnte, wäre zu erwägen, ob die beiden Beschlussfassungen nicht schon allein aus diesem Grund als gesetzwidrig zu erkennen wären. Diese Frage braucht hier allerdings nicht abschließend geklärt zu werden:
6. Selbst wenn man nämlich die - offenbar den Revisionsrekurswerber vorschwebende - Ansicht vertreten wollte, die Ankündigung einer gesetzwidrigen Anonymität einer Beschlussfassung könnte durch Informationsbekanntgabe im folgenden Außerstreitverfahren saniert werden, so war hier jedenfalls die notwendigerweise vor dem Erstgericht als Tatsacheninstanz gebotene Transparenz nicht gewährleistet und zwar ohne dass insoweit ein Verfahrensfehler des Erstgerichts vorlag:
6.1. Soweit die Revisionsrekurswerber meinen, die Zusage der Anonymität sei teleologisch auf den außergerichtlichen Bereich zu reduzieren, so widerspricht ein solches Verständnis klar der Ankündigung in der Einladung zur Abstimmung. Daraus ist eine solche Beschränkung nicht abzuleiten, sondern der Ausschluss der Informationsbekanntgabe unter allen Umständen zugesagt. Diese Zusage konnte für die Mit- und Wohnungseigentümer gerade nicht bei späterem Einvernehmen, sondern (nur) für einen späteren Streitfall besondere Bedeutung haben und musste daher von diesen in genau dieser Richtung verstanden werden.
6.2. Die weitere Ansicht der Revisionsrekurswerber, der beauftragte Notar sei nur seinen (unmittelbaren) Auftraggebern gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichtet, ist ebenfalls unzutreffend, widerspricht sie doch schon dem klaren Wortlaut des § 37 Abs 1 NO, wonach der Notar „den Beteiligten zur Verschwiegenheit" verpflichtet ist. Jene Mit- und Wohnungseigentümer die sich am Abstimmungsvorgang beteiligten, taten diese unter der Prämisse ausdrücklich zugesagter „notarieller Anonymität". Wenn der Notar unter dieser Voraussetzung die Durchführung des Abstimmungsvorgangs übernahm, so müssen jedenfalls alle daran teilnehmenden Mit- und Wohnungseigentümer als „Beteiligte" im Sinn des § 37 Abs 1 NO gelten.
6.3. Soweit die Revisionsrekurswerber schließlich meinen, das Verfahren vor dem Erstgericht sei mangelhaft geblieben, weil dieses den Notarsubstituten Mag. K***** nicht zur Zeugenaussage verhalten habe, kann auch dieser Ansicht nicht beigetreten werden. Eine Aussage wäre dem genannten Zeugen nur möglich gewesen, wenn er von allen Beteiligten (s zuvor 6.2.) von seiner Verschwiegenheitspflicht entbunden worden wäre (vgl dazu auch Wagner/Knechtl6, § 37 NO Rz 1b; allgemein dazu auch 6 Ob 128/07b = ZIK 2007/324, 201; 4 Ob 228/04i = SZ 2004/187). Diese Frage hat der Erstrichter auch erörtert (AS 49 = S 2 in ON 8). Die an der Rechtmäßigkeit der Beschlussfassung festhaltenden Antragsgegner haben aber vor dem Erstgericht - trotz Erörterung dieses Umstands - weder behauptet, alle Beteiligten würden den genannten Zeugen von seiner Verschwiegenheitspflicht entbinden oder dies sei allenfalls sogar bereits erfolgt. Unter diesen Umständen war das Erstgericht, ohne dass insoweit ein Verfahrensfehler vorläge, zu keinen weiteren Maßnahmen mehr in dieser Richtung verpflichtet. Die im Rekurs erstmals aufgestellte Behauptung möglicher Entbindung des Zeugen von der Verschwiegenheitspflicht stellt eine unzulässige und daher unbeachtliche Neuerung dar.
Da also hier die die Beschlussfassung beeinträchtigende Anonymitätszusage nicht einmal durch die gebotene Transparenz vor dem Erstgericht seitens der an der Rechtmäßigkeit der Beschlussfassung festhaltenden Antragsgegner saniert wurde, haben die Vorinstanzen die gefassten Beschlüsse mit Recht als rechtsunwirksam erkannt. Dem Revisionsrekurs war demnach ein Erfolg zu versagen.
7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 2 WEG 2002, § 37 Abs 3 Z 17 MRG.
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