OGH 1Ob152/16h

OGH1Ob152/16h27.9.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P***** K*****, vertreten durch den Sachwalter Mag. M***** A*****, dieser vertreten durch Dr. Gerhard Ebner, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Mag. R***** S*****, vertreten durch Dr. Alois Autherith, LL.M. und andere Rechtsanwälte in Krems an der Donau, wegen 18.500 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 21. Juni 2016, GZ 15 R 63/16v‑15, mit dem das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau vom 11. Februar 2016, GZ 6 Cg 110/15h‑10, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 12. Februar 2016, GZ 6 Cg 110/15h‑11, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0010OB00152.16H.0927.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.253,88 EUR (darin 208,98 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Gegen den Kläger wurde vor dem Landesgericht Krems an der Donau zu AZ 35 Hv 10/09b ein Verfahren über einen gegen ihn erhobenen Unterbringungsantrag nach § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher wegen des Verbrechens des versuchten Mordes nach den §§ 15, 75 StGB geführt. Die Geschworenen verneinten die Hauptfrage, ob der Kläger schuldig sei, am 29. 9. 2008 versucht zu haben, seine Ehefrau dadurch vorsätzlich zu töten, dass er mit den Fäusten auf ihren Kopf und Oberkörper einschlug, sie zu Boden stieß, mit den Händen am Hals würgte und anschließend versuchte ihr einen Plastiksack über den Kopf zu ziehen, um sie zu ersticken. Die Eventualfrage danach, ob der Kläger schuldig sei, an diesem Tag seine Ehefrau dadurch vorsätzlich am Körper verletzt zu haben, indem er mit den Fäusten auf ihren Kopf und Oberkörper einschlug, sie zu Boden stieß und mit den Händen am Hals würgte, was eine Schädel- und Brustkorbprellung sowie Hämatome im Hals, Brust- und Schulterbereich zur Folge hatte, wurde bejaht. Die Zusatzfrage danach, ob der Kläger zur Zeit der Tat unfähig war, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, wurde ebenfalls bejaht. Aufgrund dieser Ergebnisse wurde der Antrag auf Unterbringung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher abgewiesen, da keine Anlasstat gegeben war, die mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht gewesen wäre.

Die Ehefrau des Klägers erlitt bei dem Vorfall an sich leichte Verletzungen mit nicht mehr als 24‑tägiger Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit und eine Stichverletzung, deren Ursache unklar war und die weder Lebensgefahr noch die Gefahr schwerer Verletzungsfolgen begründete. Aus dem am 3. 12. 2008 eingelangten Gutachten geht hervor, dass zu befürchten war, dass Handlungen wie die dem Kläger angelastete, sollten sie so stattgefunden haben, in naher Zukunft unter dem Einfluss der diagnostizierten seelischen Abartigkeit höheren Grades wieder folgen würden, wobei als Opfer in erster Linie seine Ehefrau in Frage komme. Dieses Risiko könne auch ohne Anhaltung unter bestimmten, im Gutachten näher beschriebenen Voraussetzungen auf ein sehr niedriges Maß gesenkt werden.

Der Kläger war wegen des dringenden Tatverdachtes wegen des Verbrechens des versuchten Mordes am 30. 9. 2008 in Untersuchungshaft nach § 173 Abs 6 StPO genommen, diese aber nach Vorliegen des psychiatrischen Gutachtens in eine vorläufige Anhaltung umgewandelt worden. Sein Freiheitsentzug dauerte bis 2. 4. 2009, somit 185 Tage, an.

Nach Entlassung des Klägers aus der Untersuchungshaft beantragte der Beklagte, der in der Zeit von 15. 1. 2009 bis 6. 11. 2013 sein Sachwalter war, keine Haftentschädigung nach dem strafrechtlichen Entschädigungsgesetz 2005. Eine solche begehrte erst die nach dem Beklagten bestellte Sachwalterin. Die Finanzprokuratur trat dieser Aufforderung aber mit dem Hinweis auf die bereits eingetretene Verjährung nach § 8 StEG 2005 entgegen.

Der Kläger begehrt von seinem ehemaligen Sachwalter Schadenersatz wegen dessen unterlassener Antragstellung. Aufgrund der Abweisung des Antrags auf Unterbringung sei ein Fall der ungerechtfertigten Haft vorgelegen, für die er – bei rechtzeitiger Antragstellung – Haftentschädigung erhalten hätte.

Dem Anspruch des Klägers trat der Beklagte mit dem Argument entgegen, es sei weder ein Freispruch erfolgt, noch sei der Kläger außer Verfolgung gesetzt worden. Zudem sei die Haftung des Bundes gemäß § 3 Abs 1 Z 3 StEG 2005 ausgeschlossen gewesen, weil der Kläger nur deshalb nicht verfolgt worden sei, weil er die Tat im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit begangen habe.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und verpflichtete den Beklagten zur Zahlung von 18.500 EUR sA. Es ging davon aus, dass die Abweisung eines Antrags auf Unterbringung einem Freispruch gleichstehe und folgerte daraus, dass im vorliegenden Fall die Verfolgung zwar nicht wegen des Verbrechens des versuchten Mordes aber wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB nur unterblieben sei, weil sie der Kläger im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit begangen habe. Da der Kläger aber wegen des Verdachts des Vergehens der Körperverletzung nicht in Untersuchungshaft hätte genommen werden dürfen, wäre ihm eine Entschädigung zugestanden, die vom Beklagten als seinem Sachwalter fristgerecht zu beantragen gewesen wäre.

Der dagegen erhobenen Berufung gab das Berufungsgericht nicht Folge. Es teilte die Ansicht des Erstgerichts, dass nach herrschender Ansicht auch die Abweisung eines Antrags auf Anordnung der Unterbringung für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StEG als Freispruch im Sinne der Bestimmungen des Strafrechtlichen Entschädigungsgesetzes anzusehen sei. Wenn sich in einem Verfahren, in dem die Unterbringung für geistig abnorme Rechtsbrecher in einer Anstalt nach § 21 Abs 1 StGB angeordnet und der Betroffene nach § 429 Abs 4 StPO vorläufig angehalten werde, herausstelle, dass der Betroffene die Anlasstaten nicht begangen habe, oder dass es sich dabei um keine Straftat mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafenandrohung nach § 21 Abs 1 StGB handle, sei das Verfahren durch Zurückziehung des Einweisungsantrags durch den Staatsanwalt einzustellen oder [der Antrag] in der Hauptverhandlung mit Urteil abzuweisen. Die vorläufige Anhaltung nach § 429 Abs 4 StPO wäre damit ungerechtfertigt, was auch auf den vorliegenden Fall zutreffe. Die Untersuchungshaft des Klägers, die nach Vorliegen des psychiatrischen Gutachtens in eine vorläufige Anhaltung umgewandelt worden sei, stelle eine ungerechtfertigte Haft im Sinne des § 2 Abs 1 Z 2 StEG dar. Hypothetische Überlegungen des Erstgerichts, ob die Tat deren Vorliegen die Geschworenen bejaht hatten, ebenfalls Anlass zur Verhängung einer Haft geboten hätten, könnten damit dahinstehen. Auch eine Mäßigung nach § 3 StEG oder einen Ausschluss des Ersatzanspruchs verneinte das Berufungsgericht. Gemäß § 3 Abs 1 Z 3 StEG 2005 entfalle der Ersatzanspruch ex lege, wenn im Fall der ungerechtfertigten Haft nach § 2 Abs 1 Z 2 StEG eine strafrechtliche Verfolgung nur deshalb nicht möglich gewesen sei, weil der Angehaltene die Tat im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit begangen hatte. Der Ersatzanspruch bleibe jedoch bestehen, wenn die Verfolgung des Angehaltenen unabhängig von seiner fehlenden Schuldfähigkeit ausgeschlossen sei (arg „nur“); etwa weil die Anlasstat bei der Unterbringung nach § 21 Abs 1 StGB nicht mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht sei. In diesem, daher auch dem vorliegenden Fall stelle sich die Frage des Anspruchsausschlusses wegen Zurechnungsunfähigkeit somit gar nicht.

Eine Minderung nach § 3 Abs 2 StEG 2005 schloss das Berufungsgericht aus, weil keines der drei in der sogenannten „differenzierten Ermessensklausel“ des § 3 Abs 2 StEG genannten Kriterien hier zu einer Einschränkung oder einem Ausschluss des Ersatzanspruchs führe. Diese drei Kriterien seien die Verdachtslage zum Zeitpunkt der Festnahme oder der Anhaltung, die Haftgründe und die Gründe, die zum Freispruch oder zur Einstellung des Verfahrens geführt hätten. In den Fällen des Freispruchs nach § 259 Z 3 StPO habe das Gesetz ein Abstellen auf die Verdachtslage ausdrücklich ausgenommen. Mit diesem Ausschluss sei es dem Gesetzgeber darum gegangen, den Filter der Verdachtslage dort zu beseitigen, wo er mit Art 6 Abs 2 EMRK in Widerspruch stehe. Vor dieser Zielsetzung erweise sich der Gesetzeswortlaut als zu eng. Auch ein Freispruch aus materiellen Gründen (§ 337 letzter Fall StPO) sei einem Freispruch nach § 259 Z 3 StPO vor dieser Zielsetzung gleichzuhalten. Damit komme eine Berücksichtigung der Verdachtslage nicht in Betracht. Da der höchstgerichtlichen Judikatur folgend eine klare Trennung zwischen Tatverdacht und sonstigen Haftgründen nicht möglich sei, entfalle demnach auch die Möglichkeit der Berücksichtigung der Haftgründe im vorliegenden Fall. Auch aus den Gründen, die hier zur Abweisung des Antrags auf Unterbringung geführt hätten, lasse sich aber eine Mäßigung des Anspruchs nicht ableiten. Die Ehefrau des Klägers habe sich im vorliegenden Fall zwar in der Hauptverhandlung auf ihr Entschlagungsrecht berufen und die Aussage verweigert, jedoch habe sie bereits im Ermittlungsverfahren im Rahmen einer kontradiktorischen Vernehmung ausgesagt gehabt, wobei die entsprechende Videoaufzeichnung im Rahmen der Hauptverhandlung vorgeführt und die Aussage verwertet worden sei. Von einer Unmöglichkeit der Verwertbarkeit von Beweisen könne damit nicht gesprochen werden.

Die ordentliche Revision erklärte das Berufungsgericht für zulässig, weil zur Frage, ob die Abweisung eines Antrags auf Anordnung der Unterbringung für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB im Lichte der Bestimmungen des StEG 2005 als Freispruch im Sinn des § 259 Z 3 StPO anzusehen sei, keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.

Der Revisionswerber behauptet in der Revision, es sei im gegenständlichen Fall „keine Haft im Sinne des § 2 StEG 2005“ vorgelegen; der Kläger sei weder freigesprochen noch außer Verfolgung gesetzt worden. Auch sei ein formaler Freispruch hinsichtlich des Delikts der Körperverletzung nicht erfolgt. Da die Gesetzesmaterialien zum StEG 2005, das hier anwendbar sei, zum Begriff „Außer-Verfolgung-Setzen“ keine Ausführungen enthielten, sei auf die Gesetzesmaterialien zum StEG 1969 zurückzugreifen. Nach diesen umfasse der Begriff „Außer‑Verfolgung‑Setzen“ all jene Entscheidungen der Staatsanwaltschaft oder der Gerichte, mit denen ein Strafverfahren entweder überhaupt nicht eröffnet oder ein bereits eingeleitetes Verfahren endgültig eingestellt werde. Es sei jedoch keine Entscheidung der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts ergangen, weshalb die Entschädigung des Klägers aus diesem Punkt ausscheide. Die „formelle Abweisung“ des Antrags auf Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher komme einer Verfahrenseinstellung im Sinne eines Verfolgungshindernisses gleich, da die Schuldfrage mangels Sachentscheidung gerade offen gelassen worden sei.

In der Revisionsbeantwortung beantragt der Kläger, die Revision zurückzuweisen; in eventu ihr nicht Folge zu geben. Er weist darauf hin, dass ein die Unterbringung nach § 21 Abs 1 StGB anordnendes Urteil als strafrechtliche Verurteilung gelte, sohin die Abweisung des Antrags auf Einweisung denklogisch ein Freispruch sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; aber nicht berechtigt.

1. Zum Begriff „Freispruch“ ist klarzustellen, dass zwischen der formalen Betrachtungsweise nach der StPO und dem weiteren Verständnis von diesem Begriff nach dem StEG zu differenzieren ist. Da hinsichtlich ein und derselben Tat im materiellen Sinn als urteilsmäßige Erledigung nach der StPO nur entweder ein Schuldspruch oder ein Freispruch in Betracht kommen kann, kommt ein Freispruch bloß von einer seitens des Anklägers für begründet erachteten Subsumtion der Tat (sogenannter Subsumtions- oder Qualifikationsfreispruch) nach einhelliger Rechtsprechung nicht in Frage (RIS‑Justiz RS0120128; RS0115553). Nach dem Anwendungsbereich des StEG 2005 kommt es aber nach seinem Zweck nicht darauf an, ob „rechtstechnisch“ ein Freispruch erfolgte, sondern darauf, ob die die Haft auslösende Tat (im Sinne ihrer Subsumtion unter einen bestimmten Straftatbestand) als nicht erwiesen angenommen wurde. Ungerechtfertigte Haft iSd § 2 Abs 1 Z 2 StEG 2005 liegt daher auch dann vor, wenn der Straftäter von dem Vorwurf, der Anlass zu seiner Verhaftung gegeben hatte, endgültig „losgelöst“ wurde, auch wenn formell kein Freispruch oder ein „Außer‑Verfolgung‑Setzen“ erfolgte, sondern eine Verurteilung wegen einer (wenngleich strafrechtlich als Einheit anzusehenden) Tat, die aber keinen Anlass zur Verhängung einer Haft gegeben hätte (RIS‑Justiz RS0122965). Wenn der Täter etwa wegen schweren Raubes gemäß § 142 Abs 1, § 143 zweiter Fall StGB angeklagt wurde, die Geschworenen aber die Hauptfrage nach diesem Verbrechen (und auch die erste Eventualfrage nach dem Verbrechen der schweren Nötigung gemäß § 105, § 106 Abs 1 Z 1 StGB) verneinten, (erst) die zweite Evenutalfrage wegen des Vergehens der vorsätzlichen Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB bejahten und der Täter daher (allein) wegen dieses Vergehens verurteilt wurde, ist diese Situation– jedenfalls was den Anspruch auf Haftentschädigunganlangt – (materiell) einem (Teil‑)Freispruch vom Vorwurf des Verbrechens des Raubes gleichzuhalten (1 Ob 169/07w = SZ 2007/164). Klammerte man bei der Beurteilung des vorliegenden Sachverhalts die Besonderheit der Fragestellung nach der Zurechnungsfähigkeit und der Gefährlichkeitsprognose aus, hätte es zweifelsohne zu einem solchen Subsumtions‑ oder Qualifikationsfreispruch hinsichtlich des die Verhängung der obligatorischen Untersuchungshaft auslösenden Vorwurfs kommen müssen.

2. Grundsätzlich sind im Verfahren zur Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB sinngemäß die Bestimmungen über das Strafverfahren anzuwenden, soweit in den §§ 429 ff StPO nichts anderes bestimmt wird (§ 429 Abs 1 StPO). Liegen die in § 173 Abs 2 und 6 StPO angeführten Haftgründe vor, kann der Betroffene nicht ohne Gefahr für sich oder andere auf freiem Fuß bleiben oder ist seine ärztliche Beobachtung erforderlich, so ist seine vorläufige Anhaltung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher oder seine Einweisung in eine öffentliche Krankenanstalt für Geisteskrankheiten anzuordnen (§ 429 Abs 4 StPO). Auch im Rahmen dieses Verfahrens kann es daher, einer Untersuchungshaft ähnlich, zu einem Entzug der persönlichen Freiheit kommen. Der Antrag auf Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher steht nach § 434 Abs 2 erster Satz StPO einer Anklageschrift gleich.

Die Ausführungen des Beklagten dazu, dass der Kläger weder freigesprochen noch außer Verfolgung gesetzt worden sei, vielmehr nach seinen Behauptungen „keine Entscheidung der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts ergangen“ sein soll, sind vor dem Hintergrund, dass über den Antrag auf Unterbringung nach § 21 Abs 1 StGB gemäß § 430 Abs 2 StPO vom Gericht mit Urteil zu entscheiden ist, wie dies auch im vorliegenden Fall geschah, gänzlich unverständlich.

3. Der Oberste Gerichtshof hat bereits (damals noch zum StEG 1969) in seiner Entscheidung vom 24. 1. 1985, 12 Os 10/84 (= SSt 56/8 = RIS‑Justiz RS0087733), ausgesprochen, dass die Unterbringung eines Rechtsbrechers nach § 21 Abs 1 StGB anordnenden Urteile gemäß § 430 Abs 2 StPO strafgerichtliche Verurteilungen im Sinn des StEG sind, sodass bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen auch insoweit § 2 Abs 1 lit c StEG anzuwenden sei.

Spiegelbildlich ist – wie schon die Vorinstanzen richtig aufzeigten – die Abweisung eines Antrags auf Anordnung der Unterbringung für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB als Freispruch iSd des StEG anzusehen; dies entspricht auch der herrschenden Lehre (Kodek/Leupold in Höpfel/Ratz, WK² StEG § 2 Rz 27 unter Bezugnahme auf Eder-Rieder, StEG 2005, 44).

4. Der vom Revisionswerber vertretene Standpunkt, das vorliegende Ergebnis der Beendigung des Strafverfahrens wäre bei gleichen inhaltlichen Gegebenheiten und Voraussetzungen genauso herausgekommen, wenn der Ankläger im Hinblick auf die vorliegenden Verfahrensergebnisse in der Hauptverhandlung seinen Antrag zurückgezogen bzw von der Verfolgung zurückgetreten wäre, womit eine Gleichbehandlung mit einem Freispruch gemäß § 259 Abs 2 StPO hätte erfolgen müssen, in diesem Fall hätte der gegen den Betroffenen bestandene oder noch fortbestehende Tatverdacht berücksichtigt werden müssen, ist als an einen tatsächlich nicht vorliegenden, hypothetischen Sachverhalt anknüpfend, unbeachtlich. Der erkennende Senat als Fachsenat stellte zu einer nach einer Wiederaufnahme des Verfahrens erfolgten Einstellung des Strafverfahrens, die darauf beruhte, dass nach der Verurteilung der (Haupt‑)Zeugin und den daraufhin eingeholten weiteren Gutachten der Tatverdacht in einem solchen Ausmaß entkräftet war, dass die Staatsanwaltschaft eine Verurteilung für so unwahrscheinlich hielt und es deswegen nicht (einmal) mehr zu einer Anklage kam, klar, dass auch in einem solchen Fall eine Berücksichtigung des Tatverdachts nicht in Frage kommt. Es könne nämlich dem Regelungszweck der differenzierten Ermessensklausel nicht unterstellt werden, dass sie einen Ersatzwerber dann schlechter stellen wollte als in dem Fall, in dem der Tatverdacht noch höher einzustufen wäre, nämlich immer noch so hoch, dass es zu einer Anklage (wenn auch mit einem nachfolgenden Freispruch) kommt (1 Ob 32/16m).

Die Behauptung des Revisionswerbers, die „formelle Abweisung“ des Antrags auf Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher komme einer Verfahrenseinstellung im Sinne eines Verfolgungshindernisses gleich, da die Schuldfrage mangels Sachentscheidung gerade offen gelassen worden sei, ignoriert, dass die Geschworenen die zum Vorwurf des versuchten Mordes gestellte Hauptfrage – und damit einen als versuchten Mord zu qualifizierenden Tathergang – verneinten und „nur“ die Eventualfrage danach, ob der Kläger schuldig sei, an diesem Tag seine Ehefrau vorsätzlich am Körper verletzt zu haben, bejahten. Damit wurde aber, weil das Vergehen der vorsätzlichen Körperverletzung mit einer mit Freiheitsstrafe (nur) bis zu einem Jahr bedroht ist, das Vorliegen einer „Anlasstat“ im Sinne des § 21 Abs 1 StGB („Tat, die mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist“) verneint.

Verneinen die Geschworenen die Begehung einer Anlasstat iSd § 21 Abs 1 StGB und wird in der Folge der Antrag auf Unterbringung abgewiesen, ist eine solche Abweisung bei Anwendung des § 3 Abs 2 StEG einem Freispruch gemäß § 259 Z 3 StPO gleichzuhalten, sodass der Tatverdacht nicht berücksichtigt werden darf.

5. Das Berufungsgericht hat auch zutreffend erkannt, dass dann eine Minderung des Ersatzanspruchs bei richtiger Anwendung der sogenannten „differenzierten Ermessensklausel“ nicht in Betracht kommt, und die Rechtsgrundsätze dazu, nämlich dass die Haftgründe für sich genommen nicht zu einer Mäßigung der Entschädigung führen können (RIS‑Justiz RS0122966 [T1]; RS0123972) und auch der Schutz der Allgemeinheit durch die verhängte Untersuchungshaft kein von der Verdachtslage unabhängiger Grund für die Minderung ist (1 Ob 257/07m = SZ 2008/58; 1 Ob 263/07v; 1 Ob 32/16m), richtig dargestellt.

6. Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1 und § 50 Abs 1 ZPO.

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