OGH 3Ob92/16z

OGH3Ob92/16z13.7.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Stephan Riel, Rechtsanwalt in Wien, als Masseverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der A***** GmbH, gegen die beklagte Partei N***** Gebietskrankenkasse, *****, vertreten durch Bartlmä Madl Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 2.586.722,55 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse 1.005.999,67 EUR sA) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. März 2016, GZ 3 R 82/15y‑25, womit das Teilurteil des Handelsgerichts Wien vom 30. Oktober 2015, GZ 15 Cg 26/14m‑21, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie als Teilurteil wie folgt zu lauten haben:

„1. Die Zahlung der A***** GmbH an die beklagte Partei vom 17. Mai 2013 in Höhe von 1.005.999,67 EUR wird gegenüber den Gläubigern im Insolvenzverfahren über das Vermögen der A***** GmbH zu ***** des Handelsgerichts Wien für unwirksam erklärt.

2. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei den Betrag von 1.005.999,67 EUR samt 4 % Zinsen seit 17. Mai 2013 binnen 14 Tagen zu zahlen.

3. Die Kostenentscheidung hinsichtlich des erstinstanzlichen Verfahrens bleibt der Endentscheidung vorbehalten.“

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 61.377,86 EUR (hierin enthalten 1.517,31 EUR USt und 52.274 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungs‑ und des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Über das Vermögen der A***** GmbH (im Folgenden: Schuldnerin) wurde mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 19. Juni 2013 der Konkurs eröffnet.

Zumindest ab Jänner bis Ende Februar/Anfang März 2013 wurde in zahlreichen österreichischen Printmedien inhaltlich übereinstimmend über die schlechte wirtschaftliche Lage der Schuldnerin und ein mit Ende Februar 2013 befristetes Stillhalteabkommen zwischen der Schuldnerin und ihren Gläubigern berichtet, insbesondere unter folgenden Überschriften und mit folgendem Inhalt:

– „A*****: Der spanische Patient: „Der Baukonzern A***** kämpft ums Überleben. Die Banken werden wohl auf die Hälfte ihrer Forderungen verzichten müssen. … Letzter Stand: Die Banken werden dem Schuldenschnitt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zustimmen. … Womit der Worst Case vorerst einmal verhindert sein dürfte. Betonung auf vorerst. ...“;

– „A*****: Tauziehen bis zum Schluss“: „[...] Um eine Insolvenz zu vermeiden, ist es dem Vernehmen nach das erklärte Ziel, rund 200 Millionen der rund 600 Mio Euro umfassenden Bankverbindlichkeiten zu erlassen. [...]“;

– „A*****-Rettung: Die Zeit wird knapp“: „[...] Ende Februar endet das im November vereinbarte Stillhalteabkommen mit den Gläubigern. Es geht um über 200 Millionen Euro, die der angeschlagenen A***** erlassen werden sollen, um sie vor der Insolvenz zu bewahren. [...]“;

– „A*****‑Rettung hängt am seidenen Faden“: „[...] Am Tag der Entscheidung bei der Rettung des angeschlagenen Salzburger Baukonzerns A***** ist weiter alles offen. Und die Zeit wird immer knapper […] Es geht um einen „Haircut“ von rund 200 Millionen Euro […]. Medien berichteten […] vom sprichwörtlichen seidenen Faden, an dem die A***** hängt – und dieser könne leicht reißen. [...]“;

– „Poker um Rettung der A***** geht in die Verlängerung“: „In der Nacht vom Donnerstag auf Freitag endete um null Uhr das Stillhalteabkommen der 50 Gläubigerbanken und -versicherungen der A*****. Eine Einigung über die Sanierung des maroden Salzburger Baukonzerns gab es bis dahin nicht. [...]“;

– „A***** läuft die Zeit davon“: „Um die Zukunft des finanziell strudelnden Baukonzerns A***** wird an diesem Wochenende weiter heftig gerungen. […] Jetzt muss rasch eine gangbare Lösung gefunden werden, sonst droht […] schon kommende Woche die Pleite. Noch bis zum Sonntagabend müsse es daher zu einer Einigung kommen, denn am Freitag sei die A***** de facto zahlungunfähig gewesen, wie es zur APA hieß. [...]“.

Anfang März 2013 wurde in zahlreichen österreichischen Printmedien inhaltlich übereinstimmend über die erzielte Einigung zwischen der Schuldnerin und den Gläubigern (Restrukturierungsvereinbarung) berichtet, und zwar insbesondere unter folgenden Überschriften und mit folgendem Inhalt:

„A*****: Banken erlassen Schulden“: „[...] In letzter Minute ist Sonntag Abend die Insolvenz […] vorerst abgewendet worden. […] Wenn das Sanierungskonzept der A***** aufgeht, soll der Konzern schon ab 2015 wieder schwarze Zahlen schreiben. Das Konzept basiert einerseits auf dem Schuldennachlass, andererseits auf einer Finanzspritze der spanischen Konzernmutter F***** in Höhe von etwa 250 Millionen Euro. Außerdem sollen über den Verkauf der Tochtergesellschaften [...] rund 200 Millionen Euro aufgebracht werden.“;

– „A*****: Spanischer Eigentümer muss zahlen“: „Nach der Gläubiger-Einigung ist eine Pleite des angeschlagenen Baukonzerns A***** jetzt einmal vom Tisch. Über den Berg ist der Konzern aber nicht. […] Wäre der am Sonntagabend paktierte Kreditschuldennachlass über 150 Mio EUR ausgeblieben, wäre es diese Woche zum Insolvenzantrag gekommen […]. A***** braucht aber mehr: Vor allem mehr neues Geld. Der spanische Mutterkonzern F***** muss nochmals tief in die Tasche greifen. […].“;

– „A*****: Banken und Bund einigen sich auf Rettungsplan“: „[...] Ohne diese „Grundsatzeinigung“ […] hätte die A***** am Montag Insolvenz anmelden müssen. […] Abseits der Abstriche der Gläubiger muss der Baukonzern […] auch selbst zu seiner Rettung beitragen. Etliche Konzerngesellschaften […] werden versilbert. [...]“;

– „A***** vor Rettung: Banken lassen Schulden nach“ : „Eine Pleite ist vorerst abgewendet. […] Die Banken erlassen dem Konzern rund 30 Prozent seiner Schulden die sich auf rund 600 Mio Euro belaufen. […]“;

– „A*****‑Rettung: Atempause, mehr nicht“: „[...] Pleite der A*****, die durch die vorläufige Atempause noch keinesfalls vom Tisch ist […]. Die Alpine ist schwer defizitär, neue Aufträge zu lukrieren ist angesichts des Imageschadens schwierig. Der Konzern muss Beteiligungen (zwangs‑)verkaufen und zittern, dass die ausstehenden Haftungen nicht schlagend werden. [...]“;

– „A***** bleibt trotz Rettung eine Großbaustelle“: „[….] ob der Sanierungsplan – für den der Forderungsverzicht Bedingung war – aufgeht, ist offen. […]“;

– „Streich‑Konzert für die A*****“: Ohne die Einigung vom Wochenende wäre der schwer ramponierten A***** wohl schon am Montag nur noch der Gang zum Insolvenzgericht geblieben. […] Mit dem stillen Ausgleich stärkt die A***** ihre Eigenkapitalbasis [...]“;

Anfang April 2013 wurde in österreichischen Printmedien über den Dienstantritt des neuen Geschäftsführers der Schuldnerin berichtet, der sich optimistisch über den Erfolg der Sanierungsmaßnahmen äußerte; die Schuldnerin werde ab 2015 wieder in der Gewinnzone sein und mit der Tilgung der verbliebenen Schulden beginnen. Die Sanierungsschritte seien „bereits festgezurrt“.

Ab 24. April 2013 wurde in mehreren österreichischen Printmedien über die vorläufigen Zahlen der Schuldnerin für das Jahr 2012 (knapp 450 Mio EUR Verlust) berichtet.

Am 17. Mai 2013 wurden in österreichischen Printmedien Berichte über eine drohende Pleite der Schuldnerin veröffentlicht, weil der spanische Mutterkonzern „den Geldhahn zudreht“.

Die Schuldnerin leistete (ua) am 17. Mai 2013 eine Beitragszahlung in Höhe von 1.005.999,71 EUR an die Beklagte. Sie war zum Zeitpunkt dieser Zahlung zahlungsunfähig und insolvenzrechtlich überschuldet und blieb dies auch bis zur Insolvenzeröffnung. Auf dem Beitragskonto der Schuldnerin bei der Beklagten bestand bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens kein Rückstand, (auch) der Zahlung vom 17. Mai 2013 ging keine Mahnung voraus. Folglich waren auch keine Exekutionsverfahren der Beklagten gegen die Schuldnerin anhängig.

Die Beklagte holte bei der Schuldnerin keine Auskünfte über deren Bonität ein. Sie hätte zum Zeitpunkt des Zahlungseingangs die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin erkennen können, wenn sie in deren OP‑Listen und Kontoauszüge, den Stand ihrer fälligen Forderungen und die Restrukturierungsvereinbarung vom März 2013 Einsicht genommen und die so erlangten Informationen ausgewertet hätte.

Der Kläger ficht drei Zahlungen der Schuldnerin an die Beklagte im Zeitraum März bis Mai 2013, darunter jene vom 17. Mai 2013, gemäß § 31 Abs 1 Z 2 IO wegen Kenntnis bzw fahrlässiger Unkenntnis der Beklagten von der Überschuldung bzw Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin an. Da die Medienberichte Erkundigungspflichten der Beklagten ausgelöst hätten, sei deren Unkenntnis schuldhaft gewesen.

Die Beklagte wendet ein, sämtliche Medien hätten übereinstimmend von einem Rettungsplan und der erfolgreichen außergerichtlichen Einigung der Schuldnerin mit ihren Gläubigern berichtet, weshalb sie keine Erkundigungspflicht (mehr) getroffen habe.

Das Erstgericht wies mit Teilurteil das Klagebegehren hinsichtlich der Zahlung vom 17. Mai 2013 ab. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung des Anfechtungstatbestands des § 31 IO sei jener der Vornahme der Rechtshandlung. Werde eine Geldschuld – wie hier – durch Banküberweisung erfüllt, so habe der Schuldner den Überweisungsauftrag so rechtzeitig zu erteilen, dass der geschuldete Betrag bei Fälligkeit auf dem Konto des Gläubigers wertgestellt sei. Die Zahlung sei somit am 17. Mai 2013 um 00:00 Uhr erfolgt, sodass lediglich Informationen der Beklagten bis 16. Mai 2013, 24:00 Uhr, relevant seien. Die Beklagte habe im Sinn der bis dahin veröffentlichten Pressemeldungen darauf vertrauen dürfen, dass noch keine Insolvenz drohe, und sei deshalb nicht zu Nachforschungen verpflichtet gewesen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Die Medienberichte hätten hier nicht jene Dramatik und Eindeutigkeit erreicht wie im den Entscheidungen 6 Ob 192/03h und 2 Ob 185/03z zugrunde liegenden Fall. Vor allem aber sei in dem der angefochtenen Zahlung vorausgehenden Zeitraum mehrfach über die „Rettung“ der Schuldnerin, konkrete Rettungsversuche und eine erfolgreiche Restrukturierungsvereinbarung berichtet worden. Dies unterscheide den vorliegenden Fall von den Sachverhalten, die den genannten Entscheidungen zugrunde lagen, weil dort in den Medien über bereits gescheiterte Ausgleichsbemühungen und vom Eigentümer des Unternehmens selbst geäußerte Zweifel an dessen Fortbestehen berichtet worden sei.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zu.

In seiner außerordentlichen Revision macht der Kläger geltend, die Pressemeldungen von Jänner und Februar 2013 hätten im Sinn der herrschenden Rechtsprechung eine Nachforschungspflicht der Beklagten ausgelöst, an der auch die späteren Pressemitteilungen über die „Rettung“ nichts geändert hätten. Aus diesen habe sich nämlich ergeben, dass die „Rettung“ der Schuldnerin keineswegs mit dem erlangten Schuldennachlass abgeschlossen sei.

Die Beklagte beantragt in ihrer vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist wegen einer vom Obersten Gerichtshof aufzugreifenden Fehlbeurteilung der Vorinstanzen zulässig und berechtigt.

1.1. Gemäß § 31 Abs 1 Z 2 IO sind nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit vorgenommene Rechtshandlungen anfechtbar, durch die ein anderer Insolvenzgläubiger Sicherstellung oder Befriedigung erlangt, und alle vom Schuldner mit anderen Personen eingegangenen, für die Gläubiger unmittelbar nachteiligen Rechtsgeschäfte, wenn dem anderen Teil die Zahlungsunfähigkeit oder der Eröffnungsantrag bekannt war oder bekannt sein musste.

1.2. Dieser Anfechtungstatbestand dient dem Schutz des Grundsatzes der Gleichbehandlung der Gläubiger (par conditio creditorum): Der Anfechtungserfolg soll die Konkursmasse so stellen, als ob der Konkurs schon bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit (der relevanten Überschuldung) eröffnet worden wäre. Dementsprechend soll ein Gläubiger jene Zahlung (oder Sicherstellung), die er von seinem Schuldner nach Eintritt der Insolvenzvoraussetzungen, aber noch vor Einleitung des gesetzlichen Verfahrens, das die gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger sicherstellen soll, erlangt hat, wieder in den der Befriedigung aller Gläubiger dienenden Fonds (die Insolvenzmasse) der Schuldnerin zurückstellen (RIS‑Justiz

RS0064417 [T2], zuletzt 3 Ob 181/14k).

2.1. Dass die Schuldnerin (jedenfalls) zum Zeitpunkt der Zahlung vom 17. Mai 2013 materiell insolvent war, ist unstrittig. Der in § 31 Abs 1 Z 2 IO normierte Tatbestand des Kennenmüssens ist dann erfüllt, wenn die Unkenntnis des Anfechtungsgegners auf einer Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt beruht; es genügt leichte Fahrlässigkeit des Anfechtungsgegners (RIS‑Justiz

RS0064672;

RS0064379). Die Frage, ob dem Anfechtungsgegner fahrlässige Unkenntnis zur Last fällt, ist nach den ihm im Zeitpunkt der Vornahme der angefochtenen Rechtshandlung zu Gebote stehenden Auskunftsmitteln, dem Maß ihrer ihm vernunftgemäß zuzumutenden Heranziehung und der Ordnungsmäßigkeit ihrer Bewertung zu beantworten (RIS‑Justiz

RS0064794). Die Anzeichen einer wirtschaftlichen Krise müssen Anlass sein, mit zumutbaren Mitteln Erkundigungen einzuziehen (RIS‑Justiz

RS0064794 [T2]).

2.2. An die Sorgfaltspflicht bestimmter Großgläubiger, zu denen grundsätzlich auch die Krankenversicherungsträger gehören, ist ein strenger Maßstab anzulegen, weil sie über entsprechende Ressourcen zur Bonitätsüberwachung ihrer Schuldner verfügen (RIS‑Justiz RS0064682 [T12]). Sie sind nach der Rechtsprechung ua zu Nachforschungen verpflichtet, wenn getroffene Ratenvereinbarungen nicht mehr eingehalten werden (

3 Ob 181/14k mwN).

2.3. Liegen Insolvenzindikatoren vor, darf sich der Anfechtungsgegner nicht mit der Behauptung des Schuldners über eine bloße Zahlungsstockung zufrieden geben, sondern muss diese überprüfen (3 Ob 99/10w = RIS‑Justiz

RS0126562 [zur Prüfpflicht von Sozialversicherungsträgern]). Als jedenfalls zumutbares Auskunftsmittel ist der Schuldner anzusehen, der zu seinen Behauptungen über eine bloße Zahlungsstockung, die offenen Kundenforderungen und die vorhandenen liquiden Mittel, die Liquiditätsplanung und insbesondere über den Stand der fälligen Schulden sowie auch zur Vorlage von Urkunden (insbesondere Liquiditätsbilanz, offene Postenlisten, allenfalls letzte Bilanz) aufgefordert werden kann (3 Ob 181/14k mwN).

3.1. Dass auch übereinstimmende

Medienberichte über die massive wirtschaftliche Krise eines Unternehmens für sich allein einen Insolvenzindikator darstellen können, der insbesondere bei einem Großgläubiger wie einer Gebietskrankenkasse Erkundigungspflichten auslöst, wurde bereits judiziert (RIS‑Justiz RS0118049).

3.2. Die Ende Jänner/Anfang Februar 2013 veröffentlichten Medienberichte waren zweifellos geeignet, eine solche Erkundigungspflicht der Beklagten auszulösen; ergab sich daraus doch nicht bloß eine angespannte wirtschaftliche Lage der Schuldnerin, sondern eine ohne Einigung mit den Gläubigern unmittelbar drohende Insolvenz. Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen wurde diese Nachforschungspflicht der Beklagten auch nicht durch die nachfolgende Medienberichterstattung beseitigt. Anfang März 2013 wurde zwar über die Einigung der Schuldnerin mit den Gläubigerbanken berichtet, allerdings ging aus den Pressemeldungen zweifelsfrei hervor, dass die Insolvenz der Schuldnerin nur vorerst – unter der Bedingung des (fraglichen) Erfolgs eines näher beschriebenen Sanierungskonzepts, das insbesondere den Verkauf von ausländischen Unternehmensbeteiligungen vorsah – abgewendet war.

3.3. An dieser Situation änderte sich auch in der Folge bis zur angefochtenen Zahlung vom 17. Mai 2013 nichts Entscheidendes, weil es in diesem Zeitraum – abgesehen von (mit den Informationen vom Jahresanfang korrespondierenden) Berichten über einen Verlust der Schuldnerin von fast 500 Millionen EUR im vorangegangenen Geschäftsjahr – nur Berichte gab, wonach sich der neue Geschäftsführer der Schuldnerin sehr optimistisch bezüglich des Sanierungserfolgs und der künftigen Entwicklung des Unternehmens äußerte, ohne dass die Richtigkeit dieser Einschätzung festgestanden wäre. Auf diese Pressemeldungen – und die darin wiedergegebenen Aussagen des Geschäftsführers der Schuldnerin – durfte sich die Beklagte aber angesichts des Vorliegens eines Insolvenzindikators (hier: der vorangegangenen Medienberichterstattung) ebenso wenig verlassen wie auf eine allfällige unmittelbar an sie gerichtete unbelegte Behauptung der Schuldnerin über ihre (günstige) wirtschaftliche Lage.

4. Die Beklagte hat nicht nur außer Streit gestellt, dass die Schuldnerin am 17. Mai 2013 materiell insolvent war, sondern auch, dass sie dies bei entsprechenden Nachforschungen – zu denen sie freilich verpflichtet gewesen wäre (siehe Punkt 2.3.) – erkennen hätte können. Das Vorliegen der weiteren Anfechtungsvoraussetzungen (Befriedigungstauglichkeit und Gläubigerbenachteiligung) hat die Beklagte zu Recht nicht bestritten. In Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen ist das Klagebegehren in dem vom Teilurteil des Erstgerichts umfassten Umfang daher berechtigt. Dem Kläger stehen die begehrten gesetzlichen Zinsen ab dem Zeitpunkt des Einlangens der angefochtenen Zahlung bei der Beklagten zu, weil diese gemäß § 39 Abs 2 IO nach erfolgreicher Anfechtung als unredlicher Besitzer anzusehen ist, der nach § 335 ABGB haftet (3 Ob 99/10w mwN).

Die Kostenentscheidung beruht bezüglich der Kosten erster Instanz auf § 52 ZPO und hinsichtlich des Rechtsmittelverfahrens auf den §§ 41, 50 ZPO (RIS‑Justiz RS0035972 [T2]).

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