OGH 11Os46/16y

OGH11Os46/16y14.6.2016

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Juni 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger, Dr. Nordmeyer, Mag. Michel und Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart des Rechtspraktikanten Mag. Jülg, BSc, als Schriftführer in der Strafsache gegen Michaela J***** wegen Verbrechen der Brandstiftung nach §§ 15, 169 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 9. November 2015, GZ 33 Hv 101/15k‑72, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0110OS00046.16Y.0614.000

 

Spruch:

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen wegen Verbrechen der Brandstiftung nach §§ 15, 169 Abs 1 StGB, demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung), in der Anordnung gemäß § 21 Abs 2 StGB und in der Entscheidung über privatrechtliche Ansprüche nach § 366 Abs 2 zweiter Satz StPO aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Mit ihrer diesbezüglichen Nichtigkeitsbeschwerde und ihrer Berufung wird die Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Der Angeklagten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Michaela J***** mehrerer Verbrechen der Brandstiftung nach §§ 15, 169 Abs 1 StGB (I) sowie des Vergehens der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs 1 StGB (II) schuldig erkannt.

Danach hat sie in W*****

(I) zwischen 2. Jänner 2015 und 24. Mai 2015 in neun Angriffen an fremden Sachen, und zwar an Personenkraftwagen, ohne Einwilligung der jeweiligen Eigentümer Feuersbrünste durch Anzünden von Zeitungspapier, das sie davor im Bereich des Radkastens deponiert hatte, zu verursachen versucht;

(II) am 25. Jänner 2015 Hans‑Joachim P***** dadurch geschädigt, dass sie seinen Wohnungs‑ und Haustorschlüssel ohne Zueignungsvorsatz dauernd aus dessen Gewahrsam entzog.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen wendet sich die aus Z 5, 9 lit a, 9 lit b, 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten.

Der Oberste Gerichtshof hat sich aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde davon überzeugt, dass den Schuldsprüchen I – wie auch von der Generalprokuratur zutreffend aufgezeigt – der von Amts wegen wahrzunehmende (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 10 StPO anhaftet.

§ 169 Abs 1 StGB erfordert die Verursachung einer Feuersbrunst. Wie von der Judikatur mehrfach betont (zuletzt 13 Os 93/15y, vgl auch 12 Os 149/09t mwN) stellt der Begriff der Feuersbrunst auf eine enge Verflechtung der räumlichen Ausdehnung und der mangelnden Bekämpfbarkeit mit gewöhnlichen Mitteln ab. Solcherart muss das Feuer zum einen gerade aufgrund seiner bereits erreichten Ausdehnung unbeherrschbar sein, zum anderen ist die Unbeherrschbarkeit der Maßstab der erforderlichen Ausdehnung (RIS‑Justiz RS0094944 [T9, T10, T11]). Darüber hinaus bedarf es aber auch einer – wenngleich bloß abstrakten – Gefährdung für Leib oder Leben einer (nicht unbedingt größeren, so doch nicht auf konkrete Einzelpersonen beschränkten, somit) unbestimmten Zahl von Menschen (eingehend dazu 13 Os 54/06z) oder einer konkreten Gefahr für fremdes Eigentum in großem Ausmaß. Denn erst darin äußert sich die in der Überschrift des 7. Abschnitts des Besonderen Teils des StGB angesprochene Gemeingefährlichkeit im Sinn der Tatbestände nach §§ 169 f StGB.

Ob die Angeklagte auch eine Gefahr für Leib oder Leben einer unbestimmten Zahl von Menschen oder für fremdes Vermögen in großem Ausmaß in ihren Tatvorsatz aufnahm, ist dem in subjektiver Hinsicht nur zur Fremdheit, zur fehlenden Einwilligung, zur räumlichen Ausdehnung und zur Unbeherrschbarkeit des Feuers Aussagen treffenden Urteil nicht zu entnehmen (vgl US 22) .

Da die Feststellungen somit weder eine rechtliche Klarstellung in Bezug auf die Einordnung der Taten unter §§ 125 f StGB noch unter §§ 15, 169 Abs 1 StGB zulassen, waren die Schuldsprüche I und demzufolge auch der Strafausspruch (beinhaltend die Vorhaftanrechnung), die Anordnung der Maßnahme nach § 21 Abs 2 StGB und das gemäß § 366 Abs 2 zweiter Satz StPO gefällte Adhäsionserkenntnis (RIS‑Justiz RS0101303, RS0100510 [T2]) aufzuheben und das Verfahren in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen.

Die gegen die Schuldsprüche I gerichtete Subsumtionsrüge und die gegen die Anordnung der Unterbringung gerichtete Sanktionsrüge sind damit ebenso gegenstandslos wie die Berufung.

Indem die Sanktionsrüge (Z 11) von einer Verurteilung nach § 126 Abs 2 StGB ausgeht, auf das Vorbringen der Subsumtionsrüge verweist und solcherart das Vorliegen einer Anlasstat im Sinn des § 21 StGB bestreitet, verfehlt sie im Übrigen den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810).

Soweit sich die Nichtigkeitsbeschwerde gegen den Schuldspruch II wendet, versagt sie:

Ein nach dem formalen Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5 StPO geltend gemachter Begründungsmangel muss den Ausspruch von für die rechtliche Beurteilung der Tat entscheidenden Tatsachen betreffen, das sind solche, die für das Erkenntnis in der Schuldfrage maßgebend sind und auf die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes Einfluss üben (RIS‑Justiz RS0106268).

Mit der Kritik an Feststellungen, die den Verbleib der Schlüssel nach der von der Angeklagten zugestandenen, auf Dauer angelegten Sachentziehung betreffen (US 9), verfehlt die Mängelrüge den gesetzlichen Bezugspunkt der Anfechtung. Das im Rahmen des Geständnisses behauptete Verstecken der Schlüssel in Schuhen und die von der Angeklagten vermutete Entsorgung der Schlüssel durch die Gemeinde steht den Festellungen zur subjektiven Tatseite im Übrigen keineswegs erörterungsbedürftig (Z 5 zweiter Fall) entgegen.

Die Ableitung der Feststellungen aus der geständigen Verantwortung der Angeklagten (vgl ON 71 S 4, 34) und dem von ihr gezeigten Verhalten, nämlich der Nichtrückgabe der Schlüssel trotz Aufforderung seitens des Berechtigten und dem Versenden einer SMS an Hans‑Joachim P***** (US 24) mit dem Inhalt, „Tja, ... Schlüssel ist weg“ (US 9) ist unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) nicht zu beanstanden (RIS‑Justiz RS0116732, RS0098671).

Indem die Rüge (Z 9 lit a, nominell verfehlt auch Z 5) das Fehlen von Feststellungen zur subjektiven Tatseite behauptet, sich dabei aber nicht an den dazu getroffenen Konstatierungen (US 9) orientiert, verfehlt sie die prozessförmige Darstellung des Nichtigkeitsgrundes (RIS‑Justiz RS0099810).

Bezugnehmend auf das konstatierte (US 9) Anvertrauen der Schlüssel bestreitet die Rechtsrüge (Z 9 lit a) die Erfüllung des Tatbestands der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs 1 StGB, legt aber nicht aus dem Gesetz abgeleitet dar, weshalb es hiezu Feststellungen zu einer Wegnahme bedurft hätte und warum der im Urteil festgestellte Sachentzug auf Dauer (US 9) hiefür nicht genügen sollte (so aber die jüngere Judikatur RIS‑Justiz RS0093772 [T1], RS0093634, zuletzt 11 Os 89/10p; vgl auch Leukauf-Steininger Komm 3 § 135 Rz 5).

Begnügt sich die Rüge (anstelle einer methodengerechten Ableitung der Behauptung aus dem Gesetz) mit dem Verweis auf eine veröffentlichte Stelle im wissenschaftlichen Schrifttum („ Höpfel/Ratz WK 2 StGB“ § 135 Rz 1 und 10) und beschränkt sich diese ihrerseits auf eine bloße Rechtsbehauptung, statt ihren Standpunkt methodengerecht aus dem Gesetz abzuleiten, fehlt es an der vom Gesetz geforderten deutlichen und bestimmten Bezeichnung des Nichtigkeitsgrundes (RIS‑Justiz RS0118429).

Weshalb die Feststellungen, wonach die Angeklagte den ihr anvertrauten Schlüssel nicht zurückstellen, sondern auf Dauer entziehen wollte, um dem Berechtigten Hans‑Joachim P***** zu schaden (US 9), zur Verwirklichung des subjektiven Tatbestands des § 135 Abs 1 StGB – entgegen der seit dem Jahr 1980 als gefestigt zu bezeichnenden Judikatur nicht ausreichen sollte (vgl dazu RIS‑Justiz RS0093772 [T1], RS0093634) – erklärt die Rüge somit nicht methodengerecht. Die von der Beschwerdeführerin vertretene Rechtsauffassung findet sich nur in zwei Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs aus dem Jahr 1975. Seit 10 Os 104/80, EvBl 1981/202 S 578, wird diese vom Obersten Gerichtshof aber, wie bereits ausgeführt, nicht mehr aufrecht erhalten (RIS‑Justiz RS0093772 [T1], RS0093634, zuletzt 11 Os 89/10p).

Der Einwand (Z 9 lit b), die Angeklagte habe den Schlüssel nur bis zur Bewirkung einer vereinbarten Leistung zurückbehalten wollen, orientiert sich nicht am gegenteiligen Urteilssachverhalt (US 9). Weshalb die Nichterfüllung einer Vereinbarung über das entgeltliche Ausführen eines Hundes ein den Wohnungs‑ und Haustorschlüssel des Hundehalters betreffendes Retentionsrecht nach § 471 Abs 1 ABGB begründen könnte, erklärt die Rüge nicht. Die Behauptung der Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts nimmt weder auf ein Verfahrensergebnis der Hauptverhandlung Bezug, wonach die Angeklagte einen für den Schlüssel gemachten Aufwand getätigt hätte, noch auf ein solches, wonach der Angeklagten durch den Schlüssel ein Schaden entstanden wäre. Das eine oder das andere setzt das Retentionsrecht nach § 471 Abs 1 ABGB aber voraus.

In Ansehung des Schuldspruchs II war die Nichtigkeitsbeschwerde – in neuerlicher Übereinstimmung mit der Generalprokuratur – daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Die

Kostenentscheidung, die sich nicht auf die

amtswegige Maßnahme bezieht (

Lendl, WK-StPO § 390 Rz 12), gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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