European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0090OB00047.15Z.0525.000
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird im bekämpften klagestattgebenden Umfang von 16.221,50 EUR samt 4 % Zinsen seit 12. 6. 2013 einschließlich der Kostenentscheidung aufgehoben. Die Rechtssache wird in diesem Umfang zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
Der beklagte Verein hat Stallungen von der Eigentümerin eines landwirtschaftlichen Betriebs, von dem Teile als Reitplatz, Reithalle und Stallungen dienen und der Rest aus Wiesenflächen besteht, angemietet. In diesen Stallungen befinden sich insgesamt 39 Pferdeboxen, wobei in 6 Pferdeboxen eigene Pferde der Vermieterin eingestellt sind. Die restlichen Boxen werden vermietet.
K***** (im Folgenden K) ist als selbstständiger Pferdefachmann auf der vom Beklagten gemieteten Anlage tätig. Er übernimmt Pferde zum Beritt, wobei diese Pferde dann in den Boxen des Beklagten eingestellt werden. Teilweise schließen die Kunden des K mit ihm Verträge über den Beritt inklusive der Einstallung. In diesen Fällen bezahlen die Kunden den gesamten Preis direkt an K, der seinerseits einen Betrag an den Beklagten für die Zurverfügungstellung der Boxen und die Betreuung der Boxen, nämlich Ausmisten, Einstreuen und Einfüttern, bezahlt. In manchen Fällen wird auch ein schriftlicher Vertrag zwischen diesen Kunden und dem Beklagten über die Box geschlossen.
Im Jänner 2013 nahm die Klägerin über ihre Mutter Kontakt mit K auf und fragte diesen, ob er zwei Pferde der Klägerin zum Beritt übernehmen könne, und ob ab 1. 2. 2013 zwei Boxen auf der Anlage des Beklagten für die Unterbringung der Pferde frei wären. K sagte zu, dass er den Beritt übernehmen könne. Es stünden auch Boxen zur Verfügung; alles, was damit, sowie mit der Fütterung der Pferde und dem Ausmisten zusammenhänge, laufe jedoch über den Beklagten. Die Berittkosten seien daher an ihn zu zahlen, die Boxenmiete hingegen an den Beklagten. Die Klägerin und K kamen überein, dass die Pferde am 1. 2. 2013 zur Anlage des Beklagten gebracht werden.
Am 1. 2. 2013 brachte die Klägerin gemeinsam mit ihrer Mutter die beiden Pferde – eine Stute und einen Wallach – zur Anlage des Beklagten, wo sie von K empfangen wurden. Dieser wies ihnen zwei Boxen für die Einstallung der Pferde zu. Die Klägerin und deren Mutter waren das erste Mal vor Ort. Sie führten keine nähere Inspektion der Box durch, zumal sie davon ausgingen, dass die Boxen den allgemeinen Standards entsprechen, weil es sich um einen bekannten Sportstall handelte. Die Klägerin und deren Mutter führten die Pferde in die Box und achteten darauf, ob sie ruhig stehen, fressen und sich wohl fühlen. Nach weiteren Gesprächen mit K über die Pferde verließen beide die Anlage wieder. Mit Vertretern des Beklagten hatten die Klägerin und ihre Mutter keinen Kontakt. K teilte der Klägerin die Kontonummer des Beklagten für die Überweisung der Boxenmiete inklusive Boxenbetreuung mit.
Im Stallgebäude befinden sich insgesamt 24 Einzelboxen, die parallel zum mittigen Gang nach außen hin angeordnet sind. Zum Unfallszeitpunkt waren die Trennwände der Box, in der die Stute der Klägerin untergebracht war, bis 120 cm Höhe mit Holz beplankt, welches in einem verzinkten Metallrahmen eingesetzt war. Die Stärke des Holzes betrug rund 45 mm. Der obere Teil der Trennwände war mit verzinkten Gitterstäben ausgeführt. Die Höhe der Gitterstäbe betrug 105 cm bei einem Durchmesser von rund 20 mm und einem Abstand der Gitterstäbe von rund 80 mm. Die Innenlänge der Box betrug maximal 298 cm, die Innenbreite 290 cm, sodass die Innenfläche der Box, die dem Pferd zur Verfügung stand, maximal 8,64 m² betragen hat.
Die Ausführung der Boxentrennwände und die Breite der Box entsprachen dem Stand der Technik und den rechtlichen Vorgaben für die Unterbringung eines Pferdes in der Größe der Stute der Klägerin (Stockmaß: 168 cm). Die Größe der Box entsprach hingegen nicht den gesetzlichen Anforderungen. Nach der 1. Tierhaltungsverordnung (BGBl II 2004/485) müsste die Box eine Boxenfläche von 11 m² aufweisen, nach dem Salzburger Nutztierschutzgesetz (Sbg LGBl 1997/76) eine Mindestgröße von 9 m².
In der Nacht vom 2. 2. auf den 3. 2. 2013 verfing sich die Stute der Klägerin mit einem Hinterbein in den Gitterstäben der Box. Wie es dazu gekommen ist, steht nicht fest. Es ist möglich und denkbar, dass der Stallwechsel in Kombination damit, dass beide Nachbarboxen der Stute der Klägerin mit fremden Pferden belegt waren, bei einer nicht ausreichenden Boxenfläche eine Verhaltensreaktion der Stute der Klägerin hervorgerufen haben, die zum Verfangen des Hinterbeins in den Gitterstäben geführt haben. Diese Ursache ist aber nicht wahrscheinlicher als andere Ursachen. Es steht nicht fest, dass ein Verfangen des Hinterbeins der Stute in den Gitterstäben bei einer größeren, den gesetzlichen Erfordernissen entsprechenden Box weniger wahrscheinlich gewesen wäre, als bei der gegebenen Boxengröße. Es steht nicht fest, ob es wahrscheinlicher ist, dass sich ein Pferd beim Wälzen am Boden in der Box, in der die Stute eingestellt war, eher mit den Beinen in den Gitterstäben verfängt als in einer Box von 11 m² Größe. Vor diesem Unfall hat sich beim Beklagten niemals ein Pferd mit den Hufen in den Gitterstäben verfangen.
Als der Tierpfleger des Beklagten um 4:00 Uhr in der Früh seinen Dienst im Stall antrat, entdeckte er den Unfall und verständigte umgehend K. Dieser verständigte wiederum umgehend den Tierarzt. Der Tierarzt sedierte die Stute. Die Gitterstäbe wurden abgeschnitten, um das Pferd zu befreien. Trotz tierärztlicher Versorgung verendete das Tier jedoch kurz darauf.
Die Klägerin bezahlte aufgrund dieses Vorfalls 996 EUR an Tierarztkosten und 225,50 EUR für die Tierkörperverwertung. Für die Einstallung der Stute vom 1. 2. bis 3. 2. 2013 überwies sie an den Beklagten 40 EUR. Am 2. 2. 2013 betrug der Verkehrswert der Stute 15.012,52 EUR.
Mit Schreiben an den Beklagten vom 6. 2. 2013 kündigte die Klägerin die beiden Pferdeboxen infolge des Todes der Stute fristlos auf. Darauf antwortete der Beklagte mit Schreiben vom 12. 2. 2013, dass der Vertrag nicht bei ihm gekündigt hätte werden müssen, weil mit ihm kein Vertrag bestehe.
Die Klägerin begehrt mit der vorliegenden Klage Schadenersatz infolge des Todes ihrer Stute in der im Revisionsverfahren nicht mehr strittigen Höhe von 16.221,50 EUR samt 4 % Zinsen seit 12. 6. 2013. Soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung, brachte die Klägerin vor, dass sie mit K einen Berittvertrag und – über dessen Vermittlung – mit dem Beklagten einen Boxeneinstellungsvertrag geschlossen habe, der ein gemischter Verwahrungs‑ und Mietvertrag sei. Der Beklagte hafte aufgrund des mit ihm abgeschlossenen Einstellungsvertrags. Es sei Aufgabe des Beklagten gewesen, nicht nur die Einstallung, Fütterung und Ausmistung vorzunehmen, sondern auch vertragliche Nebenpflicht gewesen, den relevanten gesetzlichen Bestimmungen nachzukommen. Gegen diese vertraglichen Pflichten und Nebenpflichten habe der Beklagte insbesondere deshalb verstoßen, weil die Größe der Stallboxen nicht den vom Salzburger Nutztierschutzgesetz und der 1. TierhaltungsV normierten Mindestanforderungen entsprochen hätten. Daraus lasse sich ein Gefahrenpotential ableiten, weil dem Schutzzweck dieser Bestimmungen nicht entsprochen worden sei. Nicht durch Zufall, sondern durch die Nichteinhaltung der vorgesehenen Mindestgröße der Box sei es zum Tod der Stute gekommen. Der Beklagte habe daher seine Obhutspflicht verletzt. Es sei auch dem Beklagten bekannt, dass sich Pferde in der Box wälzen, sodass der Kausalitätsbeweis erbracht sei.
Der Beklagte wandte, soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung, dagegen ein, dass er mit der Klägerin keinen Vertrag über die Einstellung der Stute abgeschlossen habe. K sei nicht berechtigt, im Namen des Beklagten mit Dritten Verwahrungsverträge abzuschließen. Der Beklagte habe K zwischen 6 bis 10 Stallboxen überlassen, für die er monatlich 400 EUR für das Ausmisten und die Fütterung der Tiere an den Beklagten bezahle. Für die ordnungsgemäße Verwahrung der ihm zur Ausbildung übergebenen Tiere habe K selbst zu sorgen. Der Beklagte habe sämtliche ihm zumutbaren Maßnahmen im Rahmen der Obsorge erfüllt, ihn treffe gemäß § 964 ABGB keine Haftung für durch Zufall entstandene Schäden. Es bestehe keine reine Erfolgshaftung des Verwahrers. Der Schaden habe aus einer Spontanreaktion des Pferdes resultiert; er wäre nur durch eine gravierende Überspannung der den Beklagten treffenden Verwahrungspflichten vermeidbar gewesen. Die Stallboxen hätten den erforderlichen Mindeststandards genügt. Die allenfalls zu geringe Größe der Stallbox der Stute der Klägerin sei nicht kausal für den Unfall gewesen; dieser hätte auch bei Zurverfügungstellung einer den Vorschriften entsprechend großen Box gleichermaßen geschehen können. Die Klägerin habe den Kausalitätsnachweis für den Unfall nicht erbracht, weil die Umstände, aufgrund deren die Stute zu Tod gekommen sei, nicht objektiviert werden können. Die Klägerin treffe im Übrigen das Alleinverschulden bzw ein erhebliches Mitverschulden, weil sie die Box für die Stute selbst ausgesucht und nicht beanstandet habe.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es ging dabei von den oben wiedergegebenen Feststellungen aus und legte seiner Entscheidung darüber hinaus folgende weitere, in der Berufungsbeantwortung des Beklagten angefochtene Feststellungen zugrunde:
„In anderen Fällen schließen seine Kunden mit ihm [K] nur einen Vertrag über den Beritt, während die Kunden die Boxenmiete (inklusive Ausmisten und Einfüttern) direkt an den Beklagten bezahlen. Die Vertragsgespräche führt in allen Fällen auch für die Bereitstellung der Box inklusive Boxenbetreuung K, dies mit Zustimmung der Vertreter des Beklagten.“
Rechtlich führte das Erstgericht aus, dass die Parteien einen Verwahrungsvertrag gemäß § 957 ABGB abgeschlossen hätten. Eine Vertragsverletzung komme nur aufgrund der zu geringen Größe der Stallbox, in der die Stute der Klägerin eingestellt gewesen sei, in Frage. Die Größe der Box habe weder den Mindestanforderungen der 1. TierhaltungsV, noch jenen des Salzburger Nutztierschutzgesetzes entsprochen. Diese Bestimmungen seien Schutzgesetze. Der Klägerin sei allerdings der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der von der Schutznorm zu verhindernde Schaden durch das verbotene Verhalten verursacht wurde, nicht gelungen. Es fehle an einem typischen Geschehensablauf, denn es bleibe vollkommen offen, ob die zu geringe Boxengröße ein Verfangen des Pferdes mit den Beinen im Gitter der Seitenwand wahrscheinlicher gemacht habe als eine den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Boxengröße.
Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil über Berufung der Klägerin teilweise dahin ab, dass es den Beklagten schuldig erkannte, der Klägerin 16.221,50 EUR samt 4 % Zinsen seit 12. 6. 2013 zu zahlen. Das Mehrbegehren auf Zahlung weiterer 110 EUR sowie das Zinsenmehrbegehren wies es ab. Im Umfang der Teilabweisung des Klagebegehrens erwuchs die Entscheidung des Berufungsgerichts mangels Anfechtung in Rechtskraft.
Die Verursachung eines Vermögensschadens mache nur dann ersatzpflichtig, wenn sich die Rechtswidrigkeit der Schädigung aus der Verletzung vertraglicher Pflichten, aus der Verletzung absoluter Rechte oder aus der Übertretung von Schutzgesetzen ableiten lasse. Die Stute der Klägerin sei in einer vom Beklagten vermieteten Box zu Tode gekommen. Der Beklagte habe niemals behauptet, dass das Einstellen der Stute in einer seiner Boxen nicht von seinem rechtsgeschäftlichen Willen getragen gewesen wäre. Es komme daher nicht darauf an, ob unmittelbar zwischen der Klägerin und dem Beklagten ein Verwahrungsvertrag zustande gekommen sei, oder ob die Klägerin mit K einen „Untervermietungsvertrag“ abgeschlossen habe. Vom Schutzzweck des Punktes 2.2.2 der Anlage 1 zur 1. TierhaltungsV sei der Schutz der Gesundheit und körperlichen Integrität des eingestellten Pferdes jedenfalls umfasst.
Die Bestimmung über das Mindestmaß der Boxen und die Bestimmungen insbesondere der §§ 13 und 16 des Tierschutzgesetzes, BGBl I 2004/118 (TSchG), über die Grundsätze der Tierhaltung und die Bewegungsfreiheit seien als Schutznormen zu werten. Bei der Übertretung einer Schutznorm habe der Geschädigte nur die Übertretung und den Eintritt des Schadens zu beweisen, es bedürfe keines strikten Nachweises des Kausalzusammenhangs. Entscheidendes Haftungsmerkmal sei im vorliegenden Fall die Verletzung eines Schutzgesetzes durch Vermietung einer Box mit einer nicht den Mindestanforderungen der Anlage 1 zur 1. TierhaltungsV entsprechenden Größe. Ziel des Tierschutzgesetzes sei der Schutz des Wohls und des Lebens der Tiere. Komme daher ein Pferd in einer flächenmäßig zu klein ausgeführten Box ums Leben, habe sich durch das verbotene Verhalten gerade jener Schaden realisiert, den die Norm verhindern wollte. Die Zulässigkeit des Anscheinsbeweises sei daher zu bejahen. Dieser sei der Klägerin auch gelungen.
Der Beklagte habe sich nicht von der Haftung durch den Beweis befreien können, dass der Schaden auch eingetreten wäre, wenn er sich vorschriftsmäßig verhalten hätte. Die Negativfeststellung, wonach nicht festgestellt werden könne, dass ein Verfangen des Hinterbeins der Stute in den Gitterstäben bei einer größeren, den gesetzlichen Erfordernissen entsprechenden Box, weniger wahrscheinlich gewesen wäre als bei der gegebenen Boxengröße, betreffe nur eine Wahrscheinlichkeit, stelle aber nicht den Beweis des rechtmäßigen Alternativverhaltens her. Die Haftung des Beklagten sei daher zu bejahen.
Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht als zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Haftpflicht nach dem Tierschutzgesetz und der dazu erlassenen 1. TierhaltungsV fehle, und weil im Hinblick auf kritische Lehrstimmen fraglich sei, ob der vorliegende Fall der alternativen Kausalität von vorwerfbarem Verhalten und Zufall mit einer Teilhaftung zu lösen sei.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Beklagten, mit der sie die Abweisung des Klagebegehrens anstrebt; hilfsweise wird die Aufhebung begehrt.
Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung die Abweisung der Revision.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig und im Sinn des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt.
1.1 Der Revisionswerber macht eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens geltend, weil sich das Berufungsgericht mit der in seiner Berufungsbeantwortung enthaltenen Beweisrüge nicht auseinandergesetzt hat. Den damit bekämpften – oben wiedergegebenen – Feststellungen komme Relevanz zu, weil sich die Klägerin ausdrücklich auf die Geltendmachung eines vertraglichen Schadenersatzanspruchs gestützt habe, und die Beurteilung des Vorliegens eines Vertragsverhältnisses von den bekämpften Feststellungen abhänge.
1.2 Dieser Einwand ist berechtigt. Die Klägerin stützte ihre Ansprüche im Verfahren von Anfang an auf eine vertragliche Haftung des Beklagten. Da sie aber zu Beginn des Verfahrens auch die Verletzung von Bestimmungen der 1. TierhaltungsV geltend machte, kam es zur Erörterung des Klagebegehrens mit der Klägerin durch das Erstgericht. Die Klägerin legte sich darauf fest, „dass sich die Klage ausdrücklich auf vertragliche Haftung gegen die beklagte Partei stützt und nicht auf deliktische Haftung“ (ON 9, S 2). Von diesem Vorbringen ist die Klägerin in der Folge nicht mehr abgegangen, stützte sie ihre Ansprüche doch auch noch unmittelbar vor Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz auf den „gemischten Vertrag“, den sie mit dem Beklagten abgeschlossen habe und auf die daraus resultierenden „vertraglichen Nebenpflichten“, die sich einerseits aus dem Vertrag, andererseits aus den „gesetzlichen relevanten Bestimmungen“ ergeben (ON 23, S 10).
1.3 Schutzgesetzverletzungen werden als besondere Kategorie der deliktischen Haftung den „gesetzlichen Verbindlichkeiten“ iSd § 1298 ABGB zugeordnet (RIS‑Justiz RS0026139; vgl auch RS0027567). Das Berufungsgericht prüfte – insbesondere unter Bezugnahme auf Punkt 2.2.2 der Anlage 1 zur 1. TierhaltungsV – und bejahte Ansprüche der Klägerin aufgrund der Verletzung eines Schutzgesetzes. Auf daraus resultierende deliktische Ansprüche hat sich die Klägerin aber nicht gestützt. Eine schlichte Umdeutung eines allenfalls bloß unrichtig bezeichneten Vorbringens (RIS‑Justiz RS0037610 [T5]) kommt aufgrund der ausdrücklichen Festlegung der Klägerin in erster Instanz nicht in Frage.
1.4 Damit sind aber entgegen der Beurteilung des Berufungsgerichts Feststellungen erforderlich, die abschließend beurteilen lassen, ob zwischen den Streitteilen – wie von der Klägerin behauptet – ein Vertrag über die Einstellung der Stute geschlossen wurde, weil nur bejahendenfalls ein zwischen den Streitteilen abgeschlossener Vertrag als Grundlage für die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche besteht. Daran fehlt es bisher, weil sich das Berufungsgericht – ausgehend von seiner vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht – nicht mit der in der Berufungsbeantwortung des Beklagten enthaltenen Beweisrüge auseinandergesetzt hat. Das Verfahren ist insofern ergänzungsbedürftig.
2. Im fortzusetzenden Verfahren wird für den Fall, dass entgegen den Behauptungen des Beklagten vom Vorliegen eines Verwahrungsvertrags zwischen den Streitteilen auszugehen ist, Folgendes zu beachten sein:
2.1 Inhalt eines Pferdeeinstellungsvertrags ist typischerweise die artgerechte Unterbringung des Pferdes sowie dessen Versorgung. Dies beinhaltet in der Regel die Einstellung, Fütterung und Wartung eines Pferdes (7 Ob 74/03p). Nach ständiger Rechtsprechung handelt es sich beim typischen Pferdeeinstellungsvertrag um einen entgeltlichen Verwahrungsvertrag iSd § 957 ABGB, wovon auch das Erstgericht ausgegangen ist (RIS‑Justiz RS0015104; RS0019347; G. Neumayer, Der Pferdeeinstellungsvertrag und die Haftung des Stallbetreibers, Zak 2010/535, 307 mwH).
2.2 § 961 ABGB definiert als Hauptpflicht eines Verwahrers, die ihm anvertraute Sache sorgfältig aufzubewahren und sie nach Ablauf der vereinbarten Verwahrungszeit oder bei Aufkündigung des Verwahrungsvertrags in dem Zustand, in dem sie übernommen wurde, zurückzustellen. Darunter ist nicht nur das rein passive Verwahren zu verstehen. Der Verwahrer ist auch zu einzelnen positiven Handlungen verpflichtet, die zur Erhaltung der Sache bzw zur Verhinderung ihrer Verschlechterung erforderlich sind (RIS‑Justiz RS0019366). Das Ausmaß der Obsorgepflicht richtet sich nach der Parteienvereinbarung und nach der Art der verwahrten Sache; schon ohne besondere Vereinbarung muss der Verwahrer die ihm anvertraute Sache so sorgfältig aufbewahren, dass sie weder Schaden erleidet, noch gestohlen wird (Karner in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON, § 961 Rz 2 mwN; Parapatits in Schwimann/Kodek IV4 § 961 Rz 2).
2.3 Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, dass die Ursache für den Tod der Stute der Klägerin nach den – insofern auch vom Beklagten unbekämpften – Feststellungen ungeklärt geblieben ist. Der Sachverhalt ist daher durchaus mit jenem vergleichbar, der zu 1 Ob 36/12v beurteilt wurde. In dieser Entscheidung war die Frage zu beurteilen, ob der Hinterleger (dort: Werkbesteller, der ein Motorrad der Werkstätte zur Durchführung einer Reparatur in Verwahrung gab) auch ein rechtswidriges, für den Schadenseintritt ursächliches Handeln oder Unterlassen des Verwahrers (dort: Werkunternehmers) beweisen muss, wenn die Ursache der Beschädigung der verwahrten Sache ungeklärt bleibt. Der Oberste Gerichtshof klärte in 1 Ob 36/12v mit ausführlicher Begründung die Beweislast für die Schadenskausalität im Zusammenhang mit einer nebenvertraglich vereinbarten Verwahrungspflicht. Eine unaufgeklärt gebliebene Schadensursache geht danach zu Lasten des Verwahrers (EvBl 2012/112 [Brenn]). Der Hinterleger muss nur nachweisen, dass die Sache in unbeschädigtem Zustand übergeben und während der Verwahrung beschädigt oder zerstört wurde oder verloren ging. Der Hinterleger ist hingegen nicht mit dem Beweis einer objektiven Sorgfaltswidrigkeit zu belasten, weil der Schaden im von ihm nicht überblick‑ und beherrschbaren Gefahren‑und Verantwortungsbereich des Verwahrers eingetreten ist (8 Ob 33/15h; RIS‑Justiz RS0026060; Parapatits in Schwimann/Kodek IV4 § 964 Rz 4 mwH). Diese Beweislastverteilung steht mit der Rechtsprechung im Einklang, die vom Verwahrer den Beweis fordert, dass die Beschädigung oder der Verlust der verwahrten Sache auf einen nicht von ihm zu vertretenden Zufall zurückzuführen ist (RIS‑Justiz RS0025726). Es muss daher der Verwahrer aufklären, wie es ohne sein Verschulden zum Verlust oder zur Beschädigung der verwahrten Sache gekommen ist (1 Ob 36/12v mwH).
2.4 Diese Grundsätze sind auch auf den vorliegenden Fall zu übertragen. Nach den Feststellungen bleibt die Ursache für den Tod der Stute der Klägerin in der Box der Beklagten ungeklärt. Sollte sich im fortzusetzenden Verfahren daher das Vorliegen eines Verwahrungsvertrags zwischen den Streitteilen herausstellen, so ergäbe sich schon nach den bisherigen Verfahrensergebnissen, dass die Klägerin die Stute in unbeschädigtem Zustand zur Verwahrung übergeben hat, und dass die Stute während der Verwahrung starb. Im Hinblick auf die unaufgeklärte Ursache des Todes der Stute der Klägerin kommt es nach der Rechtsprechung nicht mehr auf einen Nachweis der Kausalität an, weil dieser Umstand zu Lasten des Verwahrers geht. Dem Beklagten wäre es nach den bereits feststehenden Verfahrensergebnissen nicht gelungen aufzuklären, wie es ohne sein Verschulden zur Verletzung der Stute der Klägerin mit tödlichen Folgen gekommen ist (1 Ob 36/12v mwH).
Auf die Ausführungen des Revisionswerbers zur Frage der Zulässigkeit des Anscheinsbeweises und zu dessen Entkräftung kommt es daher ebenso wenig an, wie auf die vom Beklagten unter Bezugnahme auf eine „möglicherweise ursächliche Schutzgesetzverletzung“ der Klägerin auch in der Revision begehrte Schadensteilung analog den §§ 1302, 1304 ABGB. Mit den vom Berufungsgericht in seinem Zulassungsausspruch als erheblich bezeichneten Rechtsfragen setzt sich der Revisionswerber nicht weiter auseinander, sodass darauf nicht eingegangen werden muss.
3. Die Behauptung eines Vertrags zwischen den Parteien war wie der Themenkomplex des Ausschlusses der Haftung für Zufall gemäß § 964 ABGB, der fehlenden Ursächlichkeit eines Tuns oder Unterlassens des Beklagten sowie möglicher anderer Ursachen für den geltend gemachten Schaden (Spontanreaktion des Pferdes) bereits Gegenstand des Parteienvorbringens und des Verfahrens erster Instanz. In der anderen rechtlichen Wertung dieses im Verfahren erster Instanz behandelten Streitpunkts durch den Obersten Gerichtshof liegt daher keine Überraschungsentscheidung (1 Ob 161/14d; RIS‑Justiz RS0037300 [T44]), sodass es keiner Ergänzung des Verfahrens erster Instanz bedarf.
4. Da allerdings die Voraussetzung der vertraglichen Haftung des Beklagten das Bestehen eines Verwahrungsvertrags zwischen den Streitteilen ist, war der Revision im Eventualantrag Folge zu geben und die Rechtssache aus den dargestellten Gründen an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
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