OGH 15Os18/16k

OGH15Os18/16k14.3.2016

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. März 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann als weitere Richter in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Fritsche als Schriftführerin in der Strafsache gegen Salih T***** wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Geschworenengericht vom 28. August 2015, GZ 37 Hv 31/15h‑77, sowie dessen Beschwerde gegen den unter einem gefassten Beschluss nach § 494a Abs 1 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Salih T***** des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 27. November 2014 in S***** Gerhard R***** durch Zufügen von fünf Messerstichen, wodurch dieser zwei Schnittwunden über dem Thorax linksseitig, zwei Schnittwunden streckseitig am linken Unterarm sowie eine 4 cm lange Schnittwunde links über dem Beckenkamm erlitt, zu töten versucht.

Die Geschworenen hatten die anklagekonform nach dem Verbrechen des Mordes (§§ 15, 75 StGB) gestellte Hauptfrage bejaht, die in Richtung Zurechnungsunfähigkeit (§ 11 StGB) gestellte Zusatzfrage hingegen verneint.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Schuldspruch richtet sich die aus Z 8 und 10a des § 345 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.

Gegenstand der Instruktionsrüge (Z 8) ist der auf die Darlegung der gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung, auf welche die Fragen an die Geschworenen gerichtet sind, die Auslegung der in diesen vorkommenden Ausdrücke des Gesetzes, das Verhältnis der Fragen zueinander und die Folgen der Bejahung oder Verneinung jeder Frage bezogene Inhalt der im Gesetz genannten Belehrung (RIS‑Justiz RS0125434). Eine prozessordnungsgemäße Ausführung der Rüge verlangt daher den Vergleich der tatsächlich erteilten Rechtsbelehrung mit dem nach § 321 Abs 2 StPO erforderlichen Inhalt und die darauf gegründete deutliche und bestimmte Darstellung der behaupteten Unrichtigkeit der den Geschworenen zuteil gewordenen juristischen Information (RIS‑Justiz RS0119549).

Diesen Kriterien wird die Beschwerde nicht gerecht, indem sie vorbringt, dem Verteidiger sei die Rechtsbelehrung, die dem Hauptverhandlungsprotokoll anzuschließen sei, nicht mit demselben übermittelt worden. Trotz Anforderung habe er nicht die Belehrung, sondern bloß eine Broschüre „Schöffen und Geschworene in Österreich“ erhalten. Damit wird nämlich keine inhaltliche Unrichtigkeit, Undeutlichkeit, Widersprüchlichkeit oder irreführende Unvollständigkeit (Ratz,WK‑StPO § 345 Rz 56, 65) der erteilten Belehrung dargetan.

Im Übrigen war die den Geschworenen erteilte Rechtsbelehrung dem Hauptverhandlungsprotokoll gar wohl angeschlossen (bei ON 76; § 321 Abs 1 StPO). Wodurch der Verteidiger des Angeklagten daran gehindert gewesen wäre, Akteneinsicht (§ 49 Z 3 StPO) zu nehmen, eine Kopie herstellen zu lassen (§ 52 Abs 1 StPO) und auf dieser Basis die Richtigkeit der Belehrung zu prüfen, legt er nicht dar.

Weshalb sich aus der ‑ offensichtlich irrtümlichen ‑ Nichtzustellung der Belehrung an den Verteidiger der „eindeutige Schluss“ ergeben soll, dass „die Geschworenen nicht dem Gesetz entsprechend belehrt worden sind“, bleibt unerfindlich; ebenso, worin konkret der vom Rechtsmittel postulierte Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren (Art 6 MRK) liegen soll.

Z 10a des § 345 Abs 1 StPO will als Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel verhindern. Rügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS‑Justiz RS0118780).

Mit der Wiederholung der ‑ als glaubhaft und nachvollziehbar bewerteten ‑ Verantwortung des Angeklagten, dem Hinweis auf die überlegene körperliche Konstitution des Tatopfers und der selektiven Wiedergabe von Details der Aussage der Zeugin H***** (über eine vorangegangene verbale Auseinandersetzung und ein „Gerangel“; ON 68 S 22 ff) behauptet die Tatsachenrüge der Sache nach das Vorliegen einer Notwehrsituation und bestreitet überdies den „Tötungsvorsatz“ des Angeklagten. Damit gelingt es ihr jedoch nicht, erhebliche Bedenken gegen die dem Schuldspruch zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen hervorzurufen. Gleiches gilt für den Hinweis auf die Ausführungen des Sachverständigen (ON 68 S 16 ff), wonach es sich um einen „aktiven Vorgang zweier Parteien“ gehandelt und keine akute Lebensgefahr (vgl aber: „abstrakte Lebensgefahr in jedem Fall gegeben“; ON 68 S 19) bestanden habe.

Schließlich wird auch mit der Berufung auf den Zweifelsgrundsatz keine Nichtigkeit aus Z 10a aufgezeigt (RIS‑Justiz RS0102162).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 345 Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde ergibt (§§ 285i, 498 Abs 3, 345 Abs 1 StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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