OGH 2Ob30/16z

OGH2Ob30/16z25.2.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei O***** AG, *****, vertreten durch Mag. Lothar Korn, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei H***** AG, *****, vertreten durch Dr. Christian Slana und Dr. Thomas Loidl, Rechtsanwälte in Linz, wegen 10.593,51 EUR sA und Feststellung (Streitwert 6.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 28. Dezember 2015, GZ 4 R 172/15i‑21, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Linz vom 1. Oktober 2015, GZ 40 Cg 18/15x‑17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0020OB00030.16Z.0225.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 1.175,22 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 195,87 EUR Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Begründung

Die klagende Partei hat als Haftpflichtversicherung des Klagsfahrzeugs dem Insassen des Beklagtenfahrzeugs Schadenersatz geleistet. Sie begehrt von der Haftpflichtersicherung des Beklagtenfahrzeugs Regress im Ausmaß von 50 %.

Das Erstgericht wies die Klage aufgrund folgender Feststellungen ab: „Das Klagsfahrzeug fuhr […] in die Rechtskurve ein, das Beklagtenfahrzeug in Gegenrichtung. Die genauen Fahrlinien beider Fahrzeuge in Annäherung an die Kollisionsstelle sind nicht objektivierbar. Beide Fahrzeuge fuhren nicht äußerst rechts auf ihren jeweiligen Fahrstreifen. Bei erster wechselseitiger Sicht befanden sich beide Fahrzeuge in etwa 40 m von der späteren Kollisionsstelle entfernt. Das Beklagtenfahrzeug fuhr zu diesem Zeitpunkt noch ansatzweise in der Geraden. In Fahrtrichtung des Klagsfahrzeugs kam es im Bereich des Kurvenausgangs, nachdem die Klagslenkerin die Kurve weitgehend durchfahren hatte, zur Kollision mit dem Beklagtenfahrzeug, weil das Klagsfahrzeug die Fahrbahnmitte zumindest teilweise überschritt und auf die Gegenfahrbahn geriet, wo es mit dem Beklagtenfahrzeug mit einer Überdeckung von circa einem Drittel bis zur Hälfte der beiden Fahrzeugfronten jeweils linksseitig zueinander frontal zusammenstieß. Die Kollisionsgeschwindigkeit betrug je circa 80 bis 85 km/h. Es kann nicht festgestellt werden, dass das Beklagtenfahrzeug vor der Kollision eine zur Leitlinie orientierte Fahrlinie eingehalten hat und der Abstand zum rechten Fahrbahnrand mehr als 50 cm bzw umgekehrt der Abstand zur Leitlinie weniger als 66 cm betrug. Eine unfallverhindernde Reaktion war für den Lenker des Beklagtenfahrzeugs nicht mehr möglich.“

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige, und ließ die Revision zunächst nicht zu. Es übernahm die oben wiedergegebenen Feststellungen zum Unfallshergang und führte rechtlich aus, dass der Beklagten der Beweis eines Verschuldens der Lenkerin des Klagsfahrzeugs gelungen sei (Überschreiten der Fahrbahnmitte), während ein Verschulden des Lenkers des Beklagtenfahrzeugs nicht erkennbar sei.

In ihrer mit einem Zulassungsantrag verbundenen Revision macht die Klägerin geltend, dass aus den Feststellungen des Erstgerichts kein Verschulden der Lenkerin des Klagsfahrzeugs abzuleiten sei; insbesondere sei offen geblieben, ob und gegebenenfalls welcher Fahrfehler ihr vorgeworfen werden könne. Weiters habe das Berufungsgericht „die Bestimmung des § 11 EKHG nicht berücksichtigt“ und bei Erledigung der Beweisrüge weitere Feststellungen getroffen, ohne eine Beweiswiederholung durchzuführen.

Das Berufungsgericht ließ die Revision nachträglich mit der Begründung zu, dass die Rechtsmittelwerberin „eine solche Vielzahl möglicher Fehler des Berufungsgerichts“ aufzeige, „dass die Zulassung der Revision gemäß § 508 Abs 5 ZPO geboten erscheint (vgl RS0114436)“.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist ungeachtet dieser gesetzwidrigen Scheinbegründung (RIS-Justiz RS0111729) mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.

1. Wird ein Schadenersatzanspruch auf die Verletzung eines Schutzgesetzes gestützt, dann hat der Geschädigte (nur) den Schadenseintritt und die Verletzung des Schutzgesetzes als solche zu beweisen. Für letztere reicht der Nachweis, dass die Schutznorm objektiv übertreten wurde. Es ist daher der vom Schutzgesetz erfasste Tatbestand zu beweisen (RIS-Justiz RS0112234; zuletzt etwa 2 Ob 177/14i und 6 Ob 98/15b; speziell zum Rechtsfahrgebot 2 Ob 2423/96d = ZVR 1998/3 mwN). Diese Grundsätze sind auch dann anzuwenden, wenn dem Geschädigten die Verletzung eines Schutzgesetzes als Mitverschulden vorgeworfen wird (2 Ob 177/14i mwN) oder ‑ wie hier ‑ das Verschulden eines beteiligten Lenkers im Rahmen des § 11 EKHG zu beurteilen ist (2 Ob 109/10h).

2. Aus den Feststellungen der Vorinstanzen ergibt sich, dass die Lenkerin des Klagsfahrzeugs das Rechtsfahrgebot des § 7 Abs 1 StVO ‑ also ein Schutzgesetz (2 Ob 2423/96d) ‑ verletzt und dadurch den Unfall verursacht hat. Demgegenüber lässt sich diesen Feststellungen kein objektiver Sorgfaltsverstoß des Lenkers des Beklagtenfahrzeugs ableiten. Sekundäre Feststellungsmängel liegen insofern nicht vor, weil das Erstgericht Negativfeststellungen zur Fahrlinie vor der Kollision getroffen hat. Dem Verschulden der Lenkerin des Klagsfahrzeugs steht damit ausschließlich die gewöhnliche Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs gegenüber. Unter diesen Umständen hat die klagende Partei den gesamten Schaden zu tragen (RIS-Justiz RS0058551). Auf angeblich vom Berufungsgericht getroffene (weitere) Feststellungen kommt es unter diesen Umständen nicht an.

3. Aus diesen Gründen ist die Revision zurückzuweisen. Da die Beklagte in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit hingewiesen hat, hat ihr die Klägerin deren Kosten zu ersetzen (§§ 41, 50 ZPO).

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