OGH 2Ob195/15p

OGH2Ob195/15p19.11.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger sowie die Hofrätinnen Dr. E. Solé und Dr. Weixelbraun‑Mohr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** K*****, vertreten durch Dr. Silvia Anderwald, Mag. Thomas Borowan und Dr. Erich Roppatsch, Rechtsanwälte in Spittal an der Drau, gegen die beklagte Partei Krankenhaus S***** GmbH, *****, vertreten durch Huainigg Dellacher & Partner Rechtsanwälte OG in Klagenfurt am Wörthersee, und die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei M***** eGen, *****, vertreten durch Hudelist/Primig Rechtsanwälte OG in Feldkirchen in Kärnten, wegen 9.030 EUR sA und Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 9. Juli 2015, GZ 3 R 68/15g‑28, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Spittal/Drau vom 26. Februar 2015, GZ 1 C 644/14g‑23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei sowie der Nebenintervenientin auf Beklagtenseite die jeweils mit 768,24 EUR (darin enthalten jeweils 128,04 EUR USt) bestimmten Kosten der jeweiligen Revisionsbeantwortungen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Entgegen dem ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) ‑ Ausspruch des Berufungsgerichts hängt die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO ab:

Die Klägerin stürzte, als sie ihr Kind zur Tagesbetreuungstätte bringen wollte, auf dem Privatparkplatz der Beklagten, der von der Nebenintervenientin winterbetreut wird. Der Parkplatz steht auch den Kunden der Kinderbetreuungsgruppe, die ihrerseits Räumlichkeiten von der Beklagten gemietet hat und aufgrund dieses Mietvertrags den Privatparkplatz der Beklagten ‑ ohne dies gesondert in Rechnung gestellt zu bekommen ‑ mitbenützen darf, zur Verfügung.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren übereinstimmend ab. Das Berufungsgericht hat die Revision im Hinblick darauf zugelassen, dass es zur Reichweite der Schutzwirkungen eines Mietvertrags mit den Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs 4 Ob 223/10p und 2 Ob 70/12a zumindest teilweise divergierende Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs gebe.

Die Revisionswerberin führt ‑ zusammengefasst ‑ in ihrem Rechtsmittel aus, dass die Beklagte in Kenntnis darüber gewesen sei, dass der Parkplatz nicht nur von Besuchern des Krankenhauses, sondern auch Kunden der Kinderbetreuungsstätte benutzt werde. Der Vertrag, mit dem die Beklagte der Nebenintervenientin die Schneeräumung übertragen habe, müsse daher jedenfalls Schutzwirkungen zu Gunsten der Klägerin entfalten. Auch sei für die Beklagte klar erkennbar gewesen, dass der Parkplatz auch von Klienten der Kindertagesstätte benützt werde, dies auch deshalb, weil sie gegenüber der Kindertagesstätte die kostenlose Benutzung der Parkflächen zugesichert habe. Weiters meint sie, dass ein deckungsgleicher vertraglicher Anspruch der Klägerin weder gegenüber der Nebenintervenientin noch gegenüber der Kindertagesstätte bestehe, weil sie mit Ersterer nicht in einer Vertragsbeziehung stehe und der Betreuungsvertrag mit der Kindertagesstätte die Nutzung des Parkplatzes nicht umfasse, weil dieser von der Beklagten betrieben werde. Die Haftung der Beklagten sei auf den zwischen ihr und der Kinderbetreuungsstätte abgeschlossenen Vertrag zu stützen. Die Schutzwirkung dieses Vertrags umfasse solche dritte Personen, deren Kontakt mit der vertraglichen Hauptleistung vorhersehbar gewesen sei.

Rechtliche Beurteilung

1. Eine Schutzpflicht zu Gunsten Dritter am Vertrag nicht Beteiligter wird angenommen, wenn bei objektiver Auslegung des Vertrags anzunehmen ist, dass eine Sorgfaltspflicht auch in Bezug auf Dritte übernommen wurde (RIS‑Justiz RS0017195). Voraussetzung ist, dass der räumliche Kontakt der dritten Personen mit der vertraglichen Hauptleistung voraussehbar war, sie also der vertraglichen Leistung nahestehen, und der Vertragspartner (beim Werkvertrag etwa der Besteller) an ihrem Schutz ein sichtbares eigenes Interesse hatte, oder ihn ihnen gegenüber offensichtlich eine Fürsorgepflicht traf (vgl RIS‑Justiz RS0034594 im Zusammenhang mit Bestandverträgen). Wie die Revisionswerberin selbst darlegt, besteht von ihrer Seite weder mit der beklagten Partei noch mit der Nebenintervenientin eine rechtliche Nahebeziehung. Inwiefern der Vertrag zwischen der Beklagten und der Nebenintervenientin entsprechend den dargelegten Voraussetzungen Schutzwirkungen ihr gegenüber entfalten könnte, also abgesehen vom allenfalls voraussehbaren Kontakt zur Hauptleistung ein sichtbares Eigeninteresse der Beklagten am Schutz der Klägerin bestünde oder eine offensichtliche Fürsorgepflicht, ist nicht erkennbar.

2. Soweit sich die Revisionswerberin darauf stützt, dass ihr ein deckungsgleicher vertraglicher Anspruch nicht zustehe, ist darauf zu verweisen, dass aus diesem Umstand alleine eine Haftung aus Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter nicht abgeleitet werden kann, sondern nur umgekehrt eine Einbeziehung in den Schutzbereich des Vertrags zwischen Dritten dann zu verneinen ist, wenn der Geschädigte einen deckungsgleichen Anspruch auf Schadenersatz kraft eigener rechtlicher Sonderverbindung hat (RIS‑Justiz RS0022814; 8 Ob 53/14y).

3. Der erkennende Senat hat sich mit der ‑ obiter ‑ angedeuteten Rechtsansicht der Entscheidung 4 Ob 223/10p in 2 Ob 70/12a (SZ 2012/134 = ZVR 2013/202 = JBl 2013, 461) ausführlich auseinandergesetzt und ist ihr nicht gefolgt. Diese Entscheidung wurde von Kathrein (ZVR 2013, 367) begrüßt („erfreulich klare Worte zur Reichweite des Vertrags mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter im Bestandverhältnis“) und teilweise für den dort vorliegenden Fall der Miete einer Arztordination (nur) insoweit kritisiert, als zwischen Wohnungs‑ und Geschäftsraummiete zu differenzieren sei, weil der Mieter von Geschäftsräumlichkeiten wegen seiner Kunden, Klienten oder Patienten in der Lage sei, den typischerweise höheren Mietzins aufzubringen, weshalb seine Kunden etc nicht mit Handwerkern, Lieferanten oder Besuchern von Wohnungsmietern gleichgesetzt werden könnten ( Neugebauer‑Herl , immolex 2013/57, die jedoch aaO der Ablehnung von 4 Ob 323/10p durch den 2. Senat ausdrücklich beipflichtet).

Ein derartiger Fall liegt hier aber schon feststellungsmäßig nicht vor, weil die beklagte Partei der Kinderbetreuungsstätte kein Entgelt für die Benutzung ihres Privatparkplatzes durch ihre Kunden verrechnet. Allein dass die Kunden der Kindertagesstätte den Privatparkplatz benützen dürfen, ist aber ‑ entgegen den Ausführungen der Revision ‑ nach der Judikatur des erkennenden Senats im Hinblick auf die Kürze der Benützung, die eine dem Mieter vergleichbare Intensität nicht annähernd erreicht (vgl RIS‑Justiz RS0023168 [T7, T10]; RS0020884 [T6]), nicht ausreichend, um eine Haftung aus Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter zu begründen.

Das Rechtsmittel der Klägerin zeigt daher keine erhebliche Rechtsfrage auf.

4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO. Da die Beklagte und die Nebenintervenientin in ihren Revisionsbeantwortungen jeweils auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen haben, dienten ihre Schriftsätze der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung (RIS‑Justiz RS0035979; RS0035962).

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