European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0080OB00096.15Y.0929.000
Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 2.262,60 EUR (darin 377,10 EUR USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen.
Begründung:
Der Beklagte ist Eigentümer einer Liegenschaft mit einem darauf errichteten Wohnhaus. Im Sommer 2010 beauftragte er die Klägerin mit dem nachträglichen Einbau eines Außenaufzugs einschließlich der Herstellung eines Zugangs. Da der Umfang der erforderlichen Arbeiten noch nicht abschätzbar war, einigten sich die Streitteile auf eine Durchführung auf Regiebasis mit festgelegten Stundenlohnsätzen. Der Beklagte bezahlte die von der Klägerin gelegten Teilrechnungen sowie die Schlussrechnung in Höhe von insgesamt 296.669,69 EUR vollständig und unbeanstandet. Im Februar 2011 beauftragte der Beklagte die Klägerin mit weiteren Arbeiten an seinem Haus, unter anderem mit der Sanierung einer Terrasse. Auch für diese Arbeiten war Verrechnung auf Regiebasis vereinbart. Die Klägerin legte vier Teilrechnungen, von denen der Beklagte nur die ersten beiden unbeanstandet zahlte. Die Rechnungen vom 12. 4. 2011 und 20. 4. 2011 über insgesamt 129.700,54 EUR sind offen. Auf Wunsch des Klägers erstellte die Klägerin für die noch verbleibenden Arbeiten am 20. 4. 2011 einen Kostenvoranschlag über 19.080 EUR, den sie ihrer letzten Rechnung zugrunde legte. Auch diese bezahlte der Beklagte nicht.
Die Klägerin begehrt die Zahlung der drei offenen Rechnungen. Der Beklagte wandte ‑ soweit im Revisionsverfahren wesentlich ‑ dagegen ein, die Klägerin habe eine weit unangemessen hohe Stundenanzahl sowie nicht vereinbarte Werkzeug‑, Leih‑ und Mietkosten verrechnet. Er habe gegenüber dem tatsächlich angemessenen Werklohn bereits eine Überzahlung von 170.853,75 EUR geleistet, die er rückfordere und compensando einwende.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Da den Rechnungen der Klägerin eine Regievereinbarung zugrundeliege, bestehe kein Raum für eine Prüfung der Angemessenheit der erbrachten Arbeitsstunden.
Das Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel des Beklagten Folge und hob das Urteil unter Rechtskraftvorbehalt zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Eine Regievereinbarung verlagere zwar das wirtschaftliche Risiko eines besonders hohen Aufwands grundsätzlich auf den Werkbesteller, der Unternehmer sei aber im Gegenzug verpflichtet, auf eine wirtschaftliche Betriebsführung zu achten. Der Einwand der Unangemessenheit des Aufwands sei daher im fortgesetzten Verfahren zu prüfen, wobei vorweg erst geklärt werden müsse, ob der Beklagte die Unangemessenheit aller oder nur der bezahlten Rechnungen behaupte. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung darüber fehle, ob eine Regievereinbarung eine Angemessenheitsprüfung zulasse, wen die Beweislast für die Unangemessenheit treffe und ob sie eine Verringerung des Entgeltanspruchs oder einen Schadenersatzanspruch wegen Verletzung vertraglicher Nebenpflichten zur Folge habe.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diese Entscheidung gerichtete Rekurs der Klägerin ist zulässig, weil die Rechtsausführungen des Berufungsgerichts zur Rechtsnatur der Gegenforderung einer Klarstellung bedürfen, er ist aber nicht berechtigt.
1. Wird zwischen den Parteien eines Werkvertrags eine Verrechnung der Leistungen nach Stundensätzen und eine Verrechnung der Spesen nach tatsächlichem Aufwand vereinbart, handelt es sich um einen Regiepreis. Derartige Vereinbarungen sind nach allgemeinem Vertragsrecht zulässig und kommen insbesondere dann in Betracht, wenn Art, Güte oder Umfang der Leistung im vorhinein nicht genau erfasst werden können. Es gehört zum Wesen einer Regievereinbarung, dass jeder Produktionsfaktor im Ausmaß des erforderlich gewordenen Einsatzes gesondert berechnet wird und das Risiko eines beträchtlichen Aufwands beim Besteller liegt (10 Ob 15/14z mwN).
Der erkennende Senat hat bereits ausgesprochen, dass eine Regievereinbarung, mit der ein bestimmtes Entgelt pro tatsächlich aufgewendeter Arbeitsstunde festgelegt wurde, einer nachträglichen Angemessenheitsprüfung hinsichtlich des Zeitaufwands nicht entgegensteht (8 Ob 92/14h). Der Zeitaufwand liegt ‑ anders als die bedungenen Stundensätze ‑ außerhalb der Regievereinbarung.
2. Mangels genauer Bestimmung des Werklohns wird nach § 1152 ABGB grundsätzlich ein angemessenes Entgelt geschuldet. Es bedarf daher nicht der Hilfskonstruktion eines Schadenersatzanspruchs wegen Verletzung vertraglicher Nebenpflichten des Werkunternehmers, um die Unangemessenheit verrechneter Leistungen geltend machen zu können, sondern es gebührt für unsachliche oder unzweckmäßige Leistungen von vornherein kein Entgelt. Nur der tatsächlich zum Erreichen des Ziels erforderliche Einsatz wird von der Regievereinbarung umfasst (vgl 8 Ob 92/14h).
3. Mit seinem Einwand, er habe bereits durch das Begleichen der früheren Rechnungen eine Überzahlung in den Klagsbetrag übersteigender Höhe erbracht, erhebt der Beklagte erkennbar eine Leistungskondiktion wegen (teilweiser) Zahlung einer Nichtschuld.
Wer irrtümlich in der Absicht, eine gesetzliche oder rechtsgeschäftliche Verpflichtung zu erfüllen, eine Leistung erbracht hat, auf die der Empfänger in Wahrheit keinen Anspruch hatte, kann sie nach § 1431 ABGB zurückfordern. Der zugrunde liegende Irrtum kann ein Tatsachen‑ oder Rechtsirrtum sein und unterliegt nicht den besonderen Voraussetzungen des § 871 ABGB. Auch Fahrlässigkeit des Kondiktionsgläubigers in Bezug auf das Verkennen seiner Verpflichtung steht einer Rückforderung nach § 1431 ABGB nicht entgegen (RIS‑Justiz RS0033607; Lurger in Kletečka/Schauer , ABGB‑ON 1.02 § 1431 Rz 3; Rummel in Rummel , ABGB 3 § 1431 Rz 5).
4. Im Zivilprozess hat grundsätzlich jede Partei die für ihren Rechtsstandpunkt günstigen Tatsachen zu beweisen (RIS‑Justiz RS0037797). Das Berufungsgericht hat dem Beklagten daher zutreffend die Beweislast für den fehlenden Rechtsgrund der getätigten Werklohnzahlungen, dh für die Unzweckmäßigkeit der aufgewendeten Arbeitsstunden zugewiesen. Auch für seinen Irrtum über das Bestehen der Zahlungsverpflichtung trifft die Beweislast den Beklagten. Die bisher getroffenen Feststellungen lassen auch andere Möglichkeiten (wissentliche Zahlung einer Nichtschuld, Anerkenntnis) offen (RIS‑Justiz RS0033558; vgl auch RS0019802).
5. Hat das Berufungsgericht aufgrund einer zutreffenden Rechtsansicht den Sachverhalt noch für klärungsbedürftig erachtet, kann der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, dem nicht entgegentreten (RIS‑Justiz RS0042179; RS0113643; RS0043414).
6. Soweit der Rekurs geltend macht, das Berufungsgericht hätte das erstgerichtliche Urteil zumindest im Umfang von 19.080 EUR sA bestätigen müssen, die sich auf die durch einen Kostenvoranschlag gedeckte letzte Teilrechnung der Klägerin bezogen hätten, ist ihm entgegenzuhalten, dass das Gericht gemäß § 391 Abs 1 ZPO zwar ein Teilurteil fällen kann , aber die Parteien darauf keinen Anspruch haben. Ob die Erlassung eines Teilurteils allenfalls zweckmäßig gewesen wäre, kann in höherer Instanz ebenfalls nicht überprüft werden (RIS‑Justiz RS0040047).
Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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