OGH 10Ob15/14z

OGH10Ob15/14z17.6.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr.

Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Dr. Schramm und die Hofrätin Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Appiano & Kramer Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Eigentümergemeinschaft des Hauses F*****, vertreten durch Dr. Susanne Tichy‑Scherlacher, Rechtsanwältin in Wien, und die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei Dr. H***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Rupert Rausch, Rechtsanwalt in Wien, wegen 87.030 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 16. Dezember 2013, GZ 13 R 79/12a‑76, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 16. Februar 2012, GZ 22 Cg 31/10f‑62, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 24. Februar 2012, GZ 22 Cg 31/10f‑65, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.098,44 EUR (darin enthalten 349,74 EUR USt) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Die Klägerin betreibt ein Ziviltechnikerbüro in Wien. Die Beklagte ist die Eigentümergemeinschaft eines mehrere Jahrhunderte alten und denkmalgeschützten Hauses am F***** in Wien. Im Zuge von Umbauvorhaben eines Wohnungseigentümers im ersten Stock dieses Hauses wurde der Hausverwaltung (= Nebenintervenientin) Ende Oktober 2009 durch Ziviltechniker mitgeteilt, dass es zu Rissbildungen im Haus gekommen sei und es in Teilbereichen des Hauses instabile Verhältnisse gebe. Um die Standsicherheit des Hauses gewährleisten zu können, seien Mauerwerksertüchtigungen erforderlich.

Die Hausverwaltung wandte sich kurz darauf an die Klägerin, die daraufhin im Zeitraum November 2009 bis Februar 2010 verschiedene Tätigkeiten im und für das Haus der Beklagten durchführte. Anfang Februar 2010 verfasste die Klägerin eine gutachterliche Stellungnahme. Der Aufwand der Klägerin wurde einer Stundenliste entsprechend verrechnet, wobei die über die im November 2009 erbrachten Teilleistungen am 4. 12. 2009 gelegte Teilrechnung über 25.980 EUR (netto) von der Beklagten bezahlt wurde. Mitte Februar 2010 legte die Klägerin die Schlussrechnung über weitere 87.030 EUR, deren Zahlung die Beklagte verweigerte. Bereits am 9. 2. 2010 war eine Evakuierung des Gebäudes sowie dessen behördliche Sperre erfolgt.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zahlung des offenen Rechnungsbetrags von 87.030 EUR sA im Wesentlichen mit dem Vorbringen, sie sei von der Hausverwaltung am 5. 11. 2009 zur Feststellung notwendiger Erhaltungsarbeiten, des Gefährdungspotenzials und der sofort sowie künftig vorzunehmenden Maßnahmen mit der Besichtigung, Befundung und Begutachtung mit einem näher umschriebenen Leistungsumfang beauftragt worden. Da sich aus den übermittelten statischen Unterlagen und Plänen keine ausreichenden Beurteilungsgrundlagen ergeben hätten, sei der Leistungsumfang von vornherein nicht bestimmbar gewesen. Die Klägerin habe alle Leistungen in Absprache mit der Hausverwaltung erbracht. Obwohl die Beklagte das von der Klägerin erstellte 720 Seiten umfassende Gutachten über den Bauzustand und die erforderliche Sanierung des Hauses verwendet habe, weigere sie sich das auf Basis vereinbarter Stundensätze verrechnete restliche Honorar zu bezahlen. Der Beklagten sei die Arbeitsweise der Klägerin aus der von ihr bezahlten Teilrechnung für November 2009 bekannt gewesen. Die Beklagte habe die Klagsforderung durch ihre zivilrechtliche Aufrechnungserklärung anerkannt.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete im Wesentlichen ein, die Klägerin sei lediglich zur Beratung und Überprüfung der vom Wohnungseigentümer top 2 bzw dessen Baubeauftragten erstellten statischen Unterlagen beigezogen worden. Es sei insbesondere nicht die Erstellung eines Gutachtens in Auftrag gegeben worden. Die von der Klägerin verrechneten Leistungen seien in ihrem Umfang nicht plausibel und stellten jedenfalls eine Auftragsüberschreitung dar. Das „Gutachten“ enthalte keine Berechnungen, sondern nur eine Dokumentation über Besichtigung, Einsichtnahme in den Bauakt und beim Stadtarchiv und münde in eine historische Abhandlung. Es enthalte keine Stellungnahme zu den konkreten Baumaßnahmen in top 2, noch zu der Bausubstanz selbst. Die Klägerin habe jedenfalls seit 2. 12. 2009 die Notwendigkeit der Einholung eines „großen Ingenieurbefundes“ erkennen können. Der Auftrag sei damit abgeschlossen gewesen. Eine weitere Aufbereitung des Kenntnisstandes der Klägerin mit mehrfachen Überarbeitungen sei weder beauftragt, noch erforderlich gewesen. Die von der Klägerin erstellte Abhandlung sei weitgehend wertlos. Die Arbeiten hätten einen Gesamtwert von 30.000 EUR (netto), welcher durch die Bezahlung der ersten Teilrechnung abgegolten sei. Die Klägerin wäre gehalten gewesen, am 17. 11. 2009 einen Zwischenstand über die (bisher) aufgelaufenen Kosten und einen Abriss der noch erforderlichen Tätigkeiten zu geben und ein „weiteres“ Anbot zu legen. Sie habe bereits zu diesem Zeitpunkt erkennen müssen, dass weitergehende Untersuchungen im Sinne eines großen Ingenieurbefundes erforderlich sein würden. Dennoch habe sie ihre sinnlosen Leistungen fortgesetzt.

Die Beklagte wendete eine Gegenforderung in Höhe von 84.559,70 EUR aufrechnungsweise gegen die Klagsforderung ein und führte dazu im Wesentlichen aus, die Klägerin habe ihr durch Verletzung ihrer Warn‑ und Aufklärungspflicht einen Schaden in dieser Höhe zugefügt. Hätte die Klägerin ihre Leistungen nicht auf Stundenbasis zu einem überhöhten Preis erbracht, hätte sich die Beklagte diesen Betrag von 84.559,70 EUR ersparen können. Weiters wendete die Beklagte eine Gegenforderung in Höhe von 55.610,76 EUR aufrechnungsweise ein. Die Klägerin habe trotz Kenntnis vom Erfordernis, die Pfeiler‑Achse „G/4“ kurzfristig zu sichern und zu verstärken, nicht die erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen angeordnet, sondern sich mit unterdimensionierten Pölzungsmaßnahmen ohne Querpölzung zufrieden gegeben, was letztlich zur baubehördlichen Evakuierung geführt habe. Den Miteigentümern seien dadurch Kosten der Evakuierung in Höhe von insgesamt 17.748,10 EUR entstanden, welche die Beklagte nach Forderungsabtretung durch die Miteigentümer als Gegenforderung geltend mache. Weiters seien der Beklagten selbst aufgrund der von der Klägerin zu verantwortenden Evakuierung Kosten in Höhe von 37.862,66 EUR entstanden, weshalb aus diesem Titel eine Gesamtforderung von 55.610,76 EUR aufrechnungsweise eingewendet werde.

Die Klägerin hielt dieser aus der Evakuierung des Gebäudes aufrechnungsweise eingewendeten Gegenforderung im Wesentlichen entgegen, dass sie nicht mit der Pfeilersanierung beauftragt gewesen sei, sie ohnedies vor der Gefährlichkeit der Pfeilersituation gewarnt habe und das Umfallen eines Stehers der Pölzung nicht der Grund für das von der Behörde ausgesprochene Betretungsverbot gewesen sei.

Das Erstgericht sprach aus, dass die Klagsforderung mit 87.030 EUR zu Recht, die eingewendete Gegenforderung in Höhe von 84.559,70 EUR nicht zu Recht, die Gegenforderung in Höhe von 55.610,76 EUR dem Grunde nach zu Recht bestehe und über deren Höhe mit Endurteil entschieden werde und die Beklagte schuldig sei, der Klägerin 87.030 EUR sA zu zahlen. Es traf umfangreiche Feststellungen, welche sie in rechtlicher Hinsicht ‑ zusammengefasst ‑ dahin beurteilte, dass die Klägerin auftragsgemäß zu überprüfen gehabt habe, ob die von der vom Eigentümer der Wohnung top 2 beigezogenen Statikerin vorgeschlagenen Maßnahmen technisch sinnvoll seien, wie die aufgetretenen Schäden zu dokumentieren und in statischer Hinsicht zu beurteilen seien und wie hoch die voraussichtlichen Kosten für die erforderlichen Mauerwerks‑ und sonstigen Untersuchungen seien. Dafür sei zwar nicht ausdrücklich ein schriftliches Gutachten beauftragt worden, die von der Klägerin gewonnenen Erkenntnisse seien jedoch festzuhalten gewesen, wofür eine schriftliche Stellungnahme am besten geeignet sei. Die von der Klägerin erbrachten Leistungen seien daher insgesamt notwendig und sinnvoll gewesen.

Das Honorar der Klägerin sei vereinbarungsgemäß nach tatsächlichem Aufwand zu verrechnen gewesen. Die von der Klägerin verrechneten Kosten seien angemessen. Die Klägerin sei auch nicht verpflichtet gewesen, von sich aus auf die voraussichtliche Höhe der Kosten hinzuweisen, weil der Umfang der Arbeiten nicht absehbar gewesen sei. Die eingewendete Gegenforderung von 84.559,70 EUR, welche von der Beklagten damit begründet worden sei, die Klägerin hätte ihre Leistungen im Voraus konkret anbieten müssen, wonach eine Honorarvereinbarung über 29.124,70 EUR zustande gekommen wäre, sei daher nicht berechtigt. Entgegen der Ansicht der Beklagten, die Klägerin hätte am 17. 11. 2009 einen Zwischenstand über die aufgelaufenen Kosten und einen Abriss der noch erforderlichen Tätigkeit bekanntgeben müssen, seien die bis dahin von der Klägerin gewonnenen Erkenntnisse jedenfalls noch schriftlich zu dokumentieren gewesen, damit sie beim nachfolgenden Ingenieurbefund Verwendung finden konnten.

Hingegen treffe die Klägerin jedenfalls dem Grunde nach eine Haftung für die von der Beklagten aus Anlass der Evakuierung des Gebäudes eingewendete Gegenforderung in Höhe von 55.610,76 EUR. Die Pölzung sei zwar als temporäre Lösung des statischen Problems der Pfeiler‑Achse „G/4“ geeignet gewesen. Der Grund des Umfallens des Stehers der Pölzung sei auch nicht eine Unterdimensionierung des Stehers, sondern eine Umverteilung von Lasten im Haus im Zusammenhang mit dem Umstand, dass keine Kontrolle der Pölzung stattgefunden habe, gewesen. Dass eine solche Kontrolle erforderlich gewesen wäre, gestehe auch die Klägerin zu. Da der Grund für die Evakuierung und das Betretungsverbot die unklaren statischen Ursachen für die innerhalb weniger Monate aufgetretenen und sich vergrößernden Risse infolge nicht nachvollziehbarer Lastumlagerungen im Haus gewesen seien, wäre es Aufgabe der Klägerin gewesen, die Pölzung zu kontrollieren.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht, hingegen jener der Klägerin Folge und änderte das Ersturteil dahin ab, dass es die Klagsforderung mit 87.030 EUR als zu Recht, die eingewendeten Gegenforderungen jeweils als nicht zu Recht bestehend erkannte und die Beklagte daher zur Zahlung des Klagsbetrags von 87.030 EUR sA an die Klägerin verpflichtete. Es führte in rechtlicher Hinsicht im Wesentlichen aus, dass die inhaltlich weit definierten Ziele des zwischen den Parteien abgeschlossenen Werkvertrags nicht mit einem bestimmten Aufwand an Ressourcen (Arbeitsstunden; Dokumentationsaufwand mit einer vorgegebenen Anzahl an Seiten oder Fotografien etc) oder bestimmten Methoden der Werkleistungserbringung (zB Ausschluss von historischen Recherchen) begrenzt worden seien. Es habe der Geschäftsführer der Klägerin im Gegenteil darauf hingewiesen, dass der Aufwand von vornherein nicht abschätzbar sei und auch groß sein könnte. In der Folge seien der Vertragsinhalt bzw die werkvertraglichen Pflichten der Klägerin laufend konkretisiert und erweitert worden. Zwischen den Parteien des Werkvertrags seien Stundensätze für die Leistungen der Klägerin sowie die Verrechnung der Spesen nach tatsächlichem Aufwand vereinbart worden. Damit sei von den Parteien ein Werklohn nach tatsächlichem Aufwand („Regiepreis“) vereinbart worden, wobei die Beklagte die erste auf Basis von Stundenlisten gelegte Teilrechnung am 4. 12. 2009 auch anstandslos bezahlt habe. Sämtliche der Klägerin verrechneten Arbeitsstunden seien auch tatsächlich geleistet worden. Auch die von der Klägerin durchgeführten historischen Recherchen seien vertragskonform erfolgt, weil sie geeignet gewesen seien, die vertragsgegenständlichen Ziele ‑ nach den Feststellungen billiger als andere Methoden ‑ zu erreichen. Die Analyse der Probleme des Hauses sei entgegen der Ansicht der Beklagten am 20. 11. 2009 noch nicht abgeschlossen gewesen. Auch der Umstand, dass die Klägerin ihre Erkenntnisse schriftlich und durch den Ausdruck und die Bearbeitung von Plänen niedergelegt habe, sei vom Inhalt des Werkvertrags gedeckt gewesen, weil andernfalls die von der Klägerin erhobenen Informationen der Beklagten gar nicht zugänglich gemacht worden wären.

Die von der Beklagten eingewendete Gegenforderung in Höhe von 84.559,70 EUR sei nicht berechtigt, weil die Klägerin nicht verpflichtet gewesen sei, den vereinbarten Werklohn zu ihren eigenen Lasten zu einem Pauschalhonorar von höchstens 29.124,70 EUR „herunter zu verhandeln“, zumal es keine Rechtspflicht gebe, die Preisinteressen des Vertragspartners zu Lasten der eigenen Interessen zu bevorzugen.

Auch die weitere Gegenforderung in Höhe von 55.610,76 EUR bestehe nicht zu Recht. Es sei zwar die Beklagte auch zur Geltendmachung dieser Gegenforderung aktiv legitimiert. Eine Haftung der Klägerin für die Kosten der Evakuierung von Miteigentümern und die Kosten der Verwaltung im Zuge der Evakuierung scheitere aber schon daran, dass haftungsbegründende Unterlassungen und die Kausalität der allfälligen Unterlassungen des Bauunternehmens nicht feststünden. Im Übrigen fehle auch der notwendige Rechtswidrigkeitszusammenhang.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil zur Frage, ob unter Bedachtnahme auf die aus § 25 Abs 1 GebAG hervorgehende Wertung des Gesetzgebers eine entsprechende Warnpflicht eines Werkunternehmers auch in jenen Fällen zu bejahen sei, in denen die notwendigen Arbeitsstunden in einem ‑ ex ante betrachtet ‑ nicht erwartbaren Ausmaß ansteigen, noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und Aktenwidrigkeit mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen bzw ihr keine Folge zu geben.

Die Revision ist entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist, mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

Die Beklagte macht ‑ zusammengefasst ‑ geltend, nach den dem von ihr erteilten Auftrag immanenten Schutz‑ und Sorgfaltspflichten habe eine Warnpflicht der Klägerin bestanden, welche nach den Feststellungen mit 20. 11. 2009 wahrzunehmen gewesen wäre. Zu diesem Zeitpunkt sei es nämlich klar gewesen, dass im Hinblick auf die Standsicherheit des Gebäudes jedenfalls ein Ingenieurbefund zu erstellen sein werde, welcher von dem der Klägerin erteilten Auftrag unstrittig nicht umfasst gewesen sei und von ihr (auch) nicht (teilweise) erbracht worden sei. Die Klägerin hätte damals gegenüber der Beklagten offenlegen müssen, welche konkreten Maßnahmen aus ihrer Sicht als (bloße) Grundlagenerhebung noch erforderlich sein würden und mit welchem Zeit‑ und damit Kostenaufwand zu rechnen sei. Es sei daher aufgrund der von der Klägerin unterlassenen Kostenwarnung erfolgten Verletzung der vor- bzw nebenvertraglichen Schutz‑ und Sorgfaltspflichten sowie der Verletzung der vertraglichen Nebenpflicht zur wirtschaftlichen Betriebsführung die von der Beklagten aus diesem Titel eingewendete Gegenforderung in Höhe von 84.559,70 EUR berechtigt. Da die Klägerin auch die im Auftrag enthaltene Verpflichtung, für eine ordnungsgemäße Kontrolle des Stehers Sorge zu tragen oder jedenfalls im Rahmen ihrer vertraglichen Schutz‑ und Warnpflichten die Beklagte darauf aufmerksam zu machen, dass sie hiefür durch einen Fachmann Sorge zu tragen habe, verletzt habe, sei auch die weiters eingewendete Gegenforderung in Höhe von 55.610,76 EUR dem Grunde nach berechtigt. Die Unterlassung dieser der Klägerin obliegenden Schutz‑ und Sorgfaltspflichten sei auch ursächlich für die Evakuierung des Gebäudes und damit für die Entstehung der als Gegenforderung geltend gemachten Schäden und Nachteile auf Seiten der Beklagten gewesen.

Diesen Ausführungen ist Folgendes entgegenzuhalten:

Rechtliche Beurteilung

1. Es hat bereits das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass zwischen den Parteien des Werkvertrags eine Verrechnung der Leistungen der Klägerin nach Stundensätzen und eine Verrechnung der Spesen nach tatsächlichem Aufwand vereinbart wurde. Damit haben die Parteien einen Werklohn nach tatsächlichem Aufwand („Regiepreis“) vereinbart. Dabei werden Lohnkosten und Aufwand nach tatsächlichem Anfall verrechnet und das Unternehmerrisiko in hohem Ausmaß von der Werkunternehmerin auf die Werkbestellerin verlagert. Je länger die Gehilfen der Werkunternehmerin brauchen, um das Werk zu vollbringen, desto höher wird der Werklohn ( Krejci in Rummel , ABGB 3 §§ 1165, 1166 Rz 105). Eine Verrechnung nach Regiepreisen kommt insbesondere dann in Betracht, wenn ‑ wie im vorliegenden Fall ‑ Art, Güte und Umfang der Leistung oder die Umstände, unter denen sie zu erbringen ist, nicht so genau erfasst werden können, dass die Vereinbarung eines Pauschal‑, Einheits‑ oder Festpreises oder eines in einem Kostenvoranschlag festgelegten Preises möglich ist und daher nur nach dem tatsächlichen Stunden‑ und Materialaufwand abgerechnet werden kann (vgl Kletečka in Kletečka/Schauer , ABGB‑ON 1.02 §§ 1165, 1166 Rz 23). Derartige Regiepreisvereinbarungen sind nach Allgemeinem Vertragsrecht ohne weiteres zulässig und insbesondere auch in einschlägigen Baufachnormen (ÖNORM B 2110, Fassung 1. 1. 2009 Unterabschnitt 6.4) vorgesehen. Es gehört zum Wesen einer Regievereinbarung, dass jeder Produktionsfaktor im Ausmaß des erforderlich gewordenen Einsatzes gesondert berechnet wird und das wirtschaftliche Risiko eines beträchtlichen Aufwands an Produktionsfaktoren (hier: Zeitaufwand) beim Besteller liegt, was sich aus der Natur des erteilten Auftrags mangels dessen Abschätzbarkeit ergibt ( Rebhahn in Schwimann , ABGB 3 § 1165 Rz 61 ff).

2. Im Werkvertragsrecht des ABGB (§§ 1165 ff) ist eine spezielle Warnpflicht des Unternehmers für Mehraufwand nur im Anwendungsfall des § 1170a ABGB, somit nur in Fällen eines bei Vertragsabschluss „unvorhergesehenen“ Mehraufwands, der sich im Zuge der Arbeiten als zur Herbeiführung des geschuldeten Erfolgs gegenüber einem vom Unternehmer erstellten Kostenvoranschlag als unvermeidbar erweist (vgl M. Bydlinski in KBB 4 § 1170a Rz 1), vorgesehen. Da dem gegenständlichen Werkvertrag ein Kostenvoranschlag iSd § 1170a ABGB nicht zugrunde liegt, lässt sich aus den Werkvertragsregeln des ABGB keine Aufklärungspflicht über die (mutmaßliche) Höhe des Werklohns ableiten. Eine derartige Aufklärungspflicht könnte nur aus den allgemeinen, bei jedem Vertragstyp bestehenden Schutz‑, Sorgfalts‑ und Aufklärungspflichten abgeleitet werden (vgl 2 Ob 7/11k).

2.1 Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang in ihren Revisionsausführungen auf die Entscheidung 10 Ob 509/95 Bezug nimmt, ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung nur eine ganz allgemeine Aufklärungspflicht des Rechtsanwalts über sein Honorar besteht (8 Ob 120/13z; 6 Ob 239/09d mwN). In der Entscheidung 8 Ob 688/89 hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, eine spezielle Pflicht des Rechtsanwalts, den Mandanten bei sonstigem Verlust seiner Honoraransprüche darauf hinzuweisen, dass durch die bis zu einem bestimmten Zeitpunkt entfaltete Tätigkeit Honoraransprüche in Höhe des geleisteten Kostenvorschusses entstanden sind, bestehe nicht. In der Entscheidung 10 Ob 509/95 wurde es in einem obiter dictum für vertretbar gehalten, unter Bedachtnahme auf die aus § 25 Abs 1 GebAG hervorgehende Wertung des Gesetzgebers auch einem Rechtsanwalt eine entsprechende Warnpflicht aufzuerlegen. Dem gegenüber kam der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 2 Ob 145/05w unter ausführlicher Auseinandersetzung mit den Ausführungen in der Entscheidung 10 Ob 509/95 zu dem Ergebnis, es dürfe zwar vor den Parteien nicht verschleiert werden, welche Kosten auf sie zukommen. Einer realistischen wirtschaftlichen Einschätzung der Prozessführungskosten diene im Fall des Anwaltshonorars (dessen Höhe in der Regel wesentlich schwieriger prognostizierbar sei als Sachverständigengebühren) die allgemeine Pflicht des Rechtsanwalts zur Aufklärung über sein Honorar. Hingegen sei bei Erschöpfung eines erlegten Vorschusses in wertender Betrachtung keine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes anzunehmen, die durch analoge Anwendung des § 25 Abs 1 GebAG zu schließen wäre. Ein Rechtsanwalt, der einen Vorschuss gar nicht verlangen müsse, sei also nicht im Sinne dieser Vorschrift verpflichtet, seinen Mandanten zu warnen, dass seine Honorarforderung einen erlegten Kostenvorschuss erheblich übersteigen werde. An dieser in der Entscheidung 2 Ob 145/05w dargelegten Grundsätzen wurde auch in der jüngeren Rechtsprechung festgehalten (vgl 8 Ob 120/13z; 6 Ob 239/09d) und darauf hingewiesen, dass die Beurteilung im Einzelfall, ob unter Anwendung dieser Grundsätze eine Belehrung durch den Rechtsanwalt erforderlich gewesen sei, keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO darstelle.

2.2 Ausgehend von den dargelegten Grundsätzen erweist sich die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, der Klägerin sei keine Verletzung der Warn‑ bzw Aufklärungspflicht bezüglich der Höhe des Werklohns anzulasten, jedenfalls als vertretbar. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Beklagte bei Auftragserteilung durch eine berufsmäßige Hausverwaltung vertreten war, eine akute Gefahrenlage mit unabschätzbarem Gefahrenpotenzial bestanden hat, zwischen den Parteien eine Stundensatzvereinbarung getroffen wurde, der hiefür zu tätigende Aufwand von vornherein als ungewiss einzuschätzen war und die werkvertraglichen Pflichten der Klägerin laufend konkretisiert und erweitert wurden. Eine analoge Anwendung der Bestimmung des § 25 GebAG auf den vorliegenden Werkvertrag würde eine ‑ nicht vorliegende ‑ planwidrige Regelungslücke voraussetzen und würde in die freie privatrechtliche Vertragsgestaltung eingreifen, welche die Vereinbarung von Regiepreisen (Stundensatzvereinbarungen) grundsätzlich zulässt.

2.3 Soweit die Beklagte behauptet, sie habe die Auftragserteilung bis zur Sichtung der erforderlichen Unterlagen begrenzt bzw das Auftragsverhältnis sei mit 20. 11. 2009 zu beenden gewesen, entfernt sie sich in unzulässiger Weise vom festgestellten Sachverhalt. Auch die von der Beklagten behauptete stillschweigende Vereinbarung der Legung eines Kostenvoranschlags nach Sichtung der Unterlagen lässt sich aus den Feststellungen nicht ableiten. Von einer objektiv anzunehmenden Erwartung der Beklagten, dass die Honorar‑ und Kostenforderung im konkreten Fall innerhalb von drei Monaten nicht auf ca 120.000 EUR anwachsen werde, kann im Hinblick darauf, dass es sich beim gegenständlichen Objekt um ein jahrhundertealtes denkmal‑geschütztes Haus handelt, dessen Baugeschichte die Klägerin mit großer Mühe erheben musste, nicht gesprochen werden, zumal die Klägerin die Beklagte regelmäßig über die geplanten weiteren Erhebungsmaßnahmen informierte und das von der Beklagten anstandslos bezahlte Entgelt für den Monat November 2009 bereits 25.980 EUR netto betragen hat, sodass das Entstehen zusätzlicher Kosten in Höhe des Klagsbetrags für weitere zwei Monate die Beklagte nicht überraschen konnte. Die von der Klägerin vertragsgemäß erbrachten Leistungen waren am 20. 11. 2009 noch nicht abgeschlossen, da die Ergebnisse der von der Klägerin getätigten Erhebungen zur Vorbereitung des Ingenieurbefundes noch schriftlich festgehalten werden mussten und die Einholung eines großen Ingenieurbefundes nach den Feststellungen die Grundlagenerfassung in der gutachterlichen Stellungnahme der Klägerin nicht überflüssig machte.

2.4 Soweit die Beklagte weiters geltend macht, die von der Klägerin erbrachten Leistungen seien insgesamt nicht notwendig, sinnvoll und dem Auftragszweck dienend gewesen, entfernt sie sich in unzulässiger Weise von den bindenden Feststellungen der Vorinstanzen. Danach steht ebenfalls fest, dass die Klägerin die ihr erteilten (sehr weit gefassten) Aufträge erfüllt hat, sodass auch die diesbezüglichen gegenteiligen Ausführungen der Beklagten ins Leere gehen.

3. Zu den von der Beklagten eingewendeten Gegenforderungen ist grundsätzlich zu bemerken, dass zwar eine aufrechnungsweise geltend gemachte Gegenforderung für die Frage der Zulässigkeit der Revision (im Hinblick auf den Wert des Entscheidungsgegenstands) unerheblich ist (vgl RIS‑Justiz RS0042639 [T5] und andere); dies bedeutet jedoch entgegen der Ansicht der Klägerin nicht, dass bei einer nach dem Streitwert der Klagsforderung nicht jedenfalls unzulässigen Revision nicht unrichtige rechtliche Beurteilung des Bestehens oder Nichtbestehens dieser Gegenforderung geltend gemacht werden kann.

3.1 Der Hinweis der Beklagten darauf, dass in Deutschland in der Judikatur des BGH (vgl NJW 2009, 2199) auch eine allgemeine Kosteninformationspflicht, die vom Vorliegen eines Kostenvoranschlags unabhängig ist, als vertragliche Nebenpflicht für möglich gehalten wird und sich aus der Vereinbarung eines Zeithonorars eine Nebenpflicht zur wirtschaftlichen Betriebsführung ergibt, deren Verletzung sich nicht unmittelbar vergütungsmindernd auswirkt, sondern einen vom Besteller geltend zu machenden Gegenanspruch aus § 280 Abs 1 BGB begründen soll, ist für den vorliegenden Fall schon deshalb ohne Relevanz, weil sich aus den Feststellungen keinerlei Anhaltspunkte für eine unwirtschaftliche Betriebsführung der Klägerin ergeben.

3.2 Zu der von der Beklagten aus dem Titel „Kosten der Evakuierung“ eingewendeten weiteren Gegenforderung von 55.610,76 EUR hat bereits das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass nach den Feststellungen das Umfallen des Stehers im Bereich der Pfeiler‑Achse „G/4“ nicht der Grund für die Sperre und Evakuierung des Gebäudes war, weil die Pölzung jederzeit wiederhergestellt und verstärkt werden hätte können, falls sie als zu schwach erschienen wäre. Der Grund für die Sperre und Evakuierung des Gebäudes lag nach den Feststellungen in den Bewegungen im Gebäude infolge von nicht nachvollziehbaren Lastumlagerungen. Es hatten sich Risse in der Wohnung top 7 vergrößert und es waren neue Risse aufgetreten, die nicht im Bereich der Pfeiler‑Achse „G/4“ lagen. Danach war das Umfallen des Stehers im Bereich der Pfeiler‑Achse „G/4“ nur der Anlass für eine ‑ aus anderen Gründen notwendige ‑ Evakuierung des Gebäudes. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass damit weder die schadenersatzrechtlichen Voraussetzungen der Kausalität noch des Rechtswidrigkeitszusammenhangs erfüllt sind, ist nicht korrekturbedürftig.

4. Die von der Beklagten weiters geltend gemachten Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens (§ 503 Z 2 ZPO) und der Aktenwidrigkeit (§ 503 Z 3 ZPO) liegen, wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat, nicht vor (§ 510 Abs 3 dritter Satz ZPO). Den Ausführungen in der Mängelrüge, das vom Erstgericht eingeholte Sachverständigengutachten sei ungenügend und unschlüssig geblieben, weshalb die Beiziehung eines weiteren Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Statiker erforderlich sei, ist entgegenzuhalten, dass die Frage, ob ein Sachverständigengutachten erschöpfend ist und die getroffenen Feststellungen rechtfertigt oder ob ein weiterer Sachverständiger vernommen werden soll, die im Revisionsverfahren nicht mehr bekämpfbare Beweiswürdigung der Vorinstanzen betrifft (vgl Klauser/Kodek , ZPO 17 § 503 E 69 f).

Die Revision der Beklagten war daher mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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