European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:008OBA00060.15D.0825.000
Spruch:
Die Revision wird gemäß § 2 ASGG, § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung
Der Beklagte verpflichtete sich im Rahmen seines 2013 beendeten Dienstverhältnisses als damaliger Leiter des Personalwesens der Klägerin, auch nach seinem Ausscheiden aus deren Unternehmen alle ihm bekannten betriebsrelevanten Informationen „streng vertraulich zu behandeln und keinem unbefugten Dritten zugänglich zu machen, sowie über geschäftliche Vorgänge, Programme, Analysen, Handbücher, Korrespondenzen, Rundschreiben usw auch nach Beendigung des Dienstverhältnisses Stillschweigen zu bewahren“, weiters sämtliche Schriftstücke, Dokumente, Materialien und Daten dem Dienstgeber unaufgefordert zu übergeben und auf privaten Medien gespeicherte betriebsrelevante Informationen „in keinster Art und Weise zu verwenden“.
Der Beklagte wurde im Jahre 2014 in einem vor dem Erstgericht gegen die Klägerin (als dort Beklagte) geführten arbeitsgerichtlichen Verfahren als Zeuge vernommen. Dabei legte er über Aufforderung des Gerichts eine Tabelle vor, die er als Gedächtnisstütze mitgenommen hatte und die eine abstrahierte Gehaltsgruppenübersicht für Führungspersonen der Klägerin nach dem HAY‑System mit Stand 2010 zeigte. Der Beklagte hatte diese Übersicht seinerzeit für sich kopiert, weil er zum betroffenen Angestelltenkreis gehörte. Die Klägerin sprach sich als Verfahrenspartei nicht gegen die Vorlage dieser Tabelle aus.
Der Beklagte bewahrte nach Ende seines Dienstverhältnisses nur solche Unterlagen der Klägerin auf, die sein eigenes Dienstverhältnis betrafen und speicherte keine Urkunden der Klägerin privat ab.
Die Klägerin blieb mit ihrem Anspruch, dem Beklagten die Unterlassung der Veröffentlichung oder sonstigen Bekanntgabe von betriebsbezogenen Unterlagen, die Herausgabe von in seinem Besitz verbliebenen Schriftstücken sowie die Löschung gespeicherter betriebsrelevanter Daten aufzutragen, in beiden Vorinstanzen erfolglos. Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision der Klägerin zeigt keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf.
Ob eine Information tatsächlich ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis darstellt und ihre Bekanntgabe den berechtigten Interessen des Betriebsinhabers zuwiderläuft, ist immer eine Frage des Einzelfalls (RIS‑Justiz RS0060498 = 9 ObA 27/93; RS0079599 [T6]). Eine grobe Verkennung der Rechtslage durch das Berufungsgericht, die auch in solchen Fällen aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtseinheit einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedürfte, vermag die Revision nicht darzustellen.
Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens ist nur mehr der Unterlassungsanspruch. Materiellrechtliche Voraussetzung für die Erhebung einer Unterlassungsklage ist auch im Rahmen bestehender Schuldverhältnisse das Bestehen eines Rechtsschutzbedürfnisses sowie der Wiederholungsgefahr. Der Anspruch auf Unterlassung dient grundsätzlich dem Interesse der Verhinderung weiterer Rechtsverletzungen, die zu befürchten sein müssen (RIS‑Justiz RS0022439; RS0012064).
Die Klägerin stellt in ihrem Rechtsmittel nicht mehr in Frage, dass die Anfertigung einer privaten Kopie der Übersichtstabelle durch den Kläger für seine eigene Urkundensammlung nicht von der Geheimhaltungs-vereinbarung der Streitteile erfasst und nicht rechtswidrig war. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass die vom Richter erbetene Vorlage dieser Unterlage in einem Arbeitsgerichtsverfahren, in dem der Beklagte als Zeuge zum Thema der Tabelle vernommen wurde, keine schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen der Klägerin verletzt hat und die betroffenen Parteien sowie das Gericht auch keine „unbefugten Dritten“ waren (vgl auch 6 Ob 157/14b), ist nicht korrekturbedürftig.
Die Revision stellt nicht in Frage, dass dem Beklagten kein Zeugnisverweigerungsrecht zustand. Die Klägerin hätte sich aber als Verfahrenspartei zudem sowohl gemäß § 321 Abs 1 Z 5 ZPO gegen die Beantwortung von bestimmten Fragen aussprechen können, durch deren Beantwortung ihrer Ansicht nach Betriebsgeheimnisse preisgegeben würden, als auch aus demselben Grund gegen die Vorlage der Tabelle, bei der es sich ‑ entgegen den Revisionsausführungen ‑ nicht um eine Urkunde im Sinne der ZPO handelt.
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