OGH 1Ob79/15x

OGH1Ob79/15x8.7.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj M***** C*****, geboren am 28. März 2002, *****, vertreten durch Mag. Johannes Häusle, Rechtsanwalt in Dornbirn, und der Nebenintervenientin auf Seiten der klagenden Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17‑19, gegen die beklagte Partei G***** F*****, vertreten durch Achammer & Mennel Rechtsanwälte OG, Feldkirch, wegen 28.090,40 EUR sA und Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 28. Jänner 2015, GZ 10 R 104/14s‑32, mit dem das Teilzwischenurteil des Landesgerichts Feldkirch vom 17. Oktober 2014, GZ 57 Cg 105/13y‑27, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Teilzwischenurteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die Kosten des Berufungs‑ und des Revisionsverfahrens bleiben der Endentscheidung vorbehalten.

Entscheidungsgründe:

Am 26. 9. 2011 unternahm der Kläger ‑ damals Schüler der vierten Schulstufe ‑ gemeinsam mit seiner Klasse unter Aufsicht des Lehrers einen Ausflug zum Walderlebnispfad M*****. Im Nahebereich zum Parkplatz des Walderlebnispfads liegt ein Spielplatz, der zwar auf dem Privatgrundstück des Beklagten errichtet ist, aber frei zugänglich war. Dieser Spielplatz war vom Beklagten selbst gebaut und für Besucher des Walderlebnispfads sowie seines Hofladens angelegt worden. Eine Umzäunung war nicht vorhanden.

Im Bereich des Spielplatzes waren zwei Hinweisschilder mit der Aufschrift „ Privatspielplatz ‑ Aufsichtspersonen haften für die Kinder. Es besteht Aufsichtspflicht “ angebracht. Zwei weitere Hinweisschilder beim Eingang zum Grundstück bzw beim Picknickbereich enthielten den Inhalt „ An Schulen und Kindergruppen ‑ geordnet durch das private Hofgelände wandern. Rücksicht auf die Tiere nehmen ‑ Aufsichtspersonen haften für ihre Kinder ‑ Aufsichtspflicht ‑ Danke! “ sowie „ Landwirtschaftliches Privatgelände ‑ Aufsichtspersonen haften. Danke! Es besteht Aufsichtspflicht “. Hinweise auf Betretungsverbote oder Einschränkungen waren nicht vorhanden.

Auf dem Spielplatz befand sich ein Klettergerüst. Dieses war ein Eigenbau des Beklagten und bestand aus einem Holzgerüst mit einer möglichen Fallhöhe von 2200 mm bis maximal 2400 mm. Am Querbalken des Gerüsts war über nahezu die gesamte Länge des Gerüsts ein Netz befestigt, das bis zum Boden reichte und am unteren Ende mit einem Seil gespannt war. Zusätzlich war es mit Seilen an den seitlichen Holzpfosten festgemacht. Bei diesem Netz handelte es sich um ein Schutznetz, wie es beispielsweise auf Baustellen als Absturzsicherung verwendet wird. Der Seildurchmesser betrug 7 mm, die Maschenweite belief sich auf 100 mm. An dem Netz waren eine erhebliche Anzahl von Maschen aufgeschnitten, sodass Maschen mit einer Breite von 200 mm und einer Höhe von 100 mm entstanden. Von wem die Maschen aufgeschnitten worden waren, konnte nicht festgestellt werden. Die Konstruktion stand auf einem erdigen Untergrund, der zum Teil mit Gras bewachsen war. Im Fallbereich des Klettergerüsts waren am Boden Holzschnitzel in einer Höhe von ca 200 mm ausgestreut. Der Beklagte kontrollierte die Menge der Holzschnitzel üblicherweise zweimal im Jahr und zusätzlich nach Bedarf. Das Klettergerüst wurde nie einer behördlichen Inspektion unterzogen. Der Beklagte nahm keine Bauanzeige bei der zuständigen Baubehörde vor.

Die ÖNORM EN 1176 Teil 1 legt die allgemeinen Sicherheitsanforderungen für öffentliche Spielplatzgeräte und Spielplatzböden fest. Die Normvorgaben sehen hinsichtlich Kletternetzen einen Seildurchmesser von mindestens 16 mm und maximal 45 mm vor, um ein sicheres Umfangen mit den Händen zu ermöglichen. Die Maschenweite soll mindestens 200 mm und maximal 230 mm betragen, um das Risiko von Fangstellen zu minimieren, wobei ein Verhängen nie ausgeschlossen werden kann. Die Normen hinsichtlich der Maschenweite bieten primär Sicherheit vor Strangulationsunfällen. Sie ermöglichen aber auch die komfortabelste Kletter‑ und Steigsituation für Kinder jeden Alters. Das vom Beklagten verwendete Netz entsprach hinsichtlich des Mindestdurchmessers des Seils und des Schutzes vor Fangstellen nicht den Vorgaben der ÖNORM EN 1176 Teil 1.

Nach einer Jausenpause erlaubte der Lehrer den Schülern, auf der Wiese und dem Spielplatz zu spielen. Der Kläger und drei seiner Freunde kletterten einzeln auf dem Netz hinauf und wieder herunter, wobei der Kläger als letzter dran war. Als er mit den Händen den oberen Balken des Klettergerüsts berührt hatte, gingen seine Freunde bereits weiter, weshalb er danach trachtete, schneller vom Netz herunterzukommen. Er kletterte bis in etwa in die Mitte des Netzes zurück und hielt dann inne, weil er von dieser Höhe auf den Grund hinunter springen wollte. Bevor er zum Sprung ansetzte, stand er mit beiden Beinen in den Maschen des Netzes, hielt sich mit den Händen fest und blickte kurz nach hinten. Er stieß sich dann nach rückwärts ab, ließ das Netz los und blieb mit einem Fuß im Netz hängen, weil er durch eine Masche gerutscht war. Dadurch fiel er rückwärts Richtung Boden, wobei sich sein Fuß während des Sturzes wieder aus der Masche löste. Durch den Sturz erlitt der Kläger eine Fraktur des linken Oberarms.

Es kann nie ausgeschlossen werden, dass Kinder mit einem Körperteil in einem Kletternetz hängen bleiben, es ist jedoch wahrscheinlicher, dass sich der Kläger auf einem normgerechten Netz nicht „verhangen“ hätte.

Der Kläger begehrt 28.090,40 EUR sA an Schadenersatz und erhob ein Feststellungsbegehren. Das Klettergerüst habe nicht der ÖNORM EN 1176 Teil 1 entsprochen, weil das Netz eine zu breite Maschenweite aufgewiesen habe und der Boden nicht stoßdämpfend ausgeführt gewesen sei. Als Eigentümer und Betreiber des Spielplatzes habe der Beklagte eine Gefahrenquelle geschaffen, weshalb er für die Verletzungen des Klägers hafte. Darüber hinaus hätte der Beklagte das Klettergerüst im Sinne des Vorarlberger Baugesetzes bei der zuständigen Baubehörde anzeigen müssen, in welchem Falle es überprüft und untersagt worden wäre. Bei seinem Unfall habe sich gerade jenes Riskio verwirklicht, welches durch die Einhaltung der ÖNORM EN 1176 Teil 1 verhindert werden sollte.

Die Nebenintervenientin auf Seiten des Klägers brachte im Wesentlichen vor, der die Klasse begleitende Lehrer habe seine Aufsichtspflicht nicht verletzt. In Anbetracht eines frei zugänglichen Spielplatzes habe er nicht damit rechnen müssen, dass dieser für Kinder nicht zum Spielen geeignet sei.

Der Beklagte wendete ein, es habe sich um einen Privatspielplatz gehandelt, für den die ÖNORM EN 1176 Teil 1 nicht gelte. Er habe weder dem Kläger noch dessen Lehrern eine Genehmigung zur Benützung des Spielplatzes erteilt. Bei einem Klettergerüst handle es sich auch nicht um ein anzeigepflichtiges Bauwerk. Nicht das Kletternetz, sondern die Ungeschicklichkeit des Klägers habe zu dem Sturz geführt. Auch bei ÖNORM‑gerechter Ausführung des Netzes hätte sich der Unfall ereignet. Die Ausgestaltung des Kletternetzes sei daher nicht kausal für die Verletzungen des Klägers. Darüber hinaus habe der Lehrer des Klägers seine Aufsichtspflicht verletzt.

Das Erstgericht schränkte das Verfahren auf den Grund des Anspruchs ein und sprach mit (richtig:) Teilzwischenurteil aus, dass das Zahlungsbegehren dem Grunde nach zu Recht bestehe. In rechtlicher Hinsicht ging es davon aus, dass der vom Beklagten errichtete Spielplatz frei zugänglich gewesen sei, weswegen ihn die für Spielplätze besonders streng zu beurteilenden Sicherungspflichten getroffen hätten. Der Spielplatz sei als Bauwerk im Sinne des § 2 Abs 1 lit f Vorarlberger Baugesetz zu qualifizieren und hätte daher nach § 19 lit e dieses Gesetzes angezeigt werden müssen. Das Baugesetz habe den Zweck sicherzustellen, dass Bauwerke den Sicherheitsbestimmungen entsprechen, sodass es zu den Schutzgesetzen im Sinne des § 1311 ABGB gehöre. Durch die Unterlassung einer Bauanzeige habe der Beklagte daher eine Schutzgesetzverletzung zu verantworten. ÖNORMEN seien zur Bestimmung des nach der Verkehrsauffassung zur Sicherheit Gebotenen geeignet. Es sei wahrscheinlich, dass sich der Kläger auf einem normgerechten Netz nicht verhängt hätte, weswegen dem Beklagten der Beweis nicht gelungen sei, dass sich derselbe Unfall bei rechtskonformem Verhalten ebenfalls ereignet hätte. Demgegenüber sei dem begleitenden Lehrer keine Verletzung der Aufsichtspflicht vorzuwerfen.

Das Berufungsgericht änderte die Entscheidung des Erstgerichts dahin ab, dass es das Zahlungsbegehren mit Teilurteil abwies. Bei einer Schutzgesetzverletzung sei zu prüfen, ob dem Schutzzweck der Norm zuwider gehandelt worden sei, die übertretene Vorschrift also gerade den im konkreten Fall eingetretenen Schaden verhüten habe wollen. Hier müsse nicht abschließend geklärt werden, ob das Klettergerüst als Bauwerk im Sinne des § 2 Abs 1 lit f Vorarlberger Baugesetz zu qualifizieren sei, weil es bereits am Rechtswidrigkeitszusammenhang fehle. Eine Schutzgesetzverletzung komme zunächst deshalb nicht in Frage, weil das Baugesetz keine Ausführungen zur Beschaffenheit eines Kletternetzes und dessen Maschengröße enthalte. § 4 Abs 8 der Vorarlberger Kinderspielplatzverordnung, der die ÖNORM EN 1176 Teil 1 für verbindlich erkläre, komme nicht zur Anwendung. Ein direkter Verstoß des Beklagten gegen das Baugesetz oder dessen Durchführungsverordnung sei daher nicht gegeben. Ein Verstoß gegen ein Schutzgesetz könne allenfalls darin liegen, dass es der Beklagte unterlassen habe, die Errichtung des Klettergerüsts der Baubehörde anzuzeigen. Es gebe aber keine Anhaltspunkte dafür, dass die Baubehörde bei pflichtgemäßem Vorgehen im Fall einer Bauanzeige die Maschengröße des Netzes überprüft hätte, weil das Baugesetz keine Kriterien enthalte, wie ein Kletternetz beschaffen sein müsse, und die genannte ÖNORM nicht anwendbar sei. Da nicht festgestellt werden habe können, wer die Maschen des Netzes aufgeschnitten habe, sei zugunsten des Beklagten davon auszugehen, dass das von ihm verwendete Netz eine Maschengröße von 100 x 100 mm aufgewiesen habe, bei der ein Durchrutschen bei lebensnaher Würdigung viel unwahrscheinlicher gewesen wäre. Bautechnische Mängel des Klettergerüsts selbst, etwa der Statik oder der Stabilität seien nicht vorgelegen. Damit liege der eingetretene Schaden außerhalb des Rechtswidrigkeitszusammenhangs mit dem Unterlassen der Bauanzeige.

Es könne dahingestellt bleiben, ob dem Beklagten die Nichteinhaltung der ÖNORM EN 1176 Teil 1 bzw das Nichterkennen der Gefährlichkeit des Netzes als objektive Sorgfaltswidrigkeit vorzuwerfen sei, weil dem Kläger der strenge Kausalitätsnachweis nicht gelungen sei. Auch bei normgerechter Ausführung des Netzes könne nie ausgeschlossen werden, dass Kinder mit einem Körperteil hängen blieben, auch wenn es wahrscheinlich sei, dass sich der Kläger bei einem normgerechten Netz nicht verhängt hätte. Denke man sich daher ein allenfalls sorgfaltswidriges Verhalten, nämlich die Verwendung eines nicht ÖNORM‑gerechten Netzes weg und konsequenterweise die Benützung eines der Norm entsprechenden hinzu, zeige sich, dass der Sturz auch dann geschehen und der Schaden hätte eintreten können. Damit habe der Kläger im Verfahren lediglich bewiesen, dass durch die Verwendung eines nicht normgemäßen Netzes die Gefahr des Schadenseintrittes erhöht worden, nicht aber, dass dieser Umstand für den gegenständlichen Unfall und damit für die Verletzungen des Klägers kausal gewesen sei.

Die Revision erklärte das Berufungsgericht für zulässig, weil zur Auslegung des Schutzzwecks der Norm, hier der Unterlassung der Bauanzeige nach dem Vorarlberger Baugesetz, keine höchstgerichtliche Rechtsprechung bestehe.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig; sie ist auch berechtigt.

Vorauszuschicken ist, dass sich die vom Berufungsgericht als erheblich erachtete Rechtsfrage überhaupt nur dann stellt, wenn es sich beim gegenständlichen Klettergerüst um ein Bauwerk im Sinne des Vorarlberger Baugesetzes handelt. Die Anwendbarkeit dieses Gesetzes ist für den hier interessierenden Fall nämlich gerade daran geknüpft, dass ein Bauwerk vorliegt. Auf damit im Zusammenhang stehende ‑ vom Berufungsgericht ausdrücklich offen gelassene ‑ Fragen ist daher vorweg einzugehen.

1.1 Das Vorarlberger Baugesetz (im Folgenden: Vlbg BauG, LGBl 2001/52), gilt nach dessen § 1 für alle Bauvorhaben, sofern sie nicht nach Abs 1 lit a bis l ausdrücklich ausgenommen sind. Spielgeräte, wie das hier gegenständliche Klettergerüst, fallen unter keinen dieser Ausnahmetatbestände.

Im Verfahren ist nicht strittig, dass der Beklagte das Klettergerät im zeitlichen Anwendungsbereich dieses Gesetzes errichtete.

1.2 Die Errichtung, die Änderung oder der Abbruch eines Bauwerks begründet nach § 2 Abs 1 lit e Vlbg BauG ein Bauvorhaben. Bauwerk ist nach lit f dieser Bestimmung eine Anlage, zu deren fachgerechter Herstellung bautechnische Kenntnisse erforderlich sind und die mit dem Boden in Verbindung steht. Das Erfordernis bautechnischer Kenntnisse ist in diesem Zusammenhang auch dann zu bejahen, wenn eine Anlage zwar laienhaft gestaltet ist bzw gestaltet werden soll, nach den Regeln der technischen Wissenschaft aber einer Ausführung unter Verwertung bautechnischer Kenntnisse bedürfte, wozu auch Erkenntnisse auf dem Gebiet der Statik gehören (RV 45 Blg Vlbg Landtag 27. GP 32). In diesem Sinn sind beispielsweise Container Anlagen, zu deren Herstellung fachtechnische Kenntnisse erforderlich sind (VwGH 2003/10/0273 zu § 2 Vlbg BauG). Die geforderte Verbindung mit dem Boden ist bereits dann gegeben, wenn die bauliche Anlage durch den Druck ihres (Eigen‑)Gewichts mit dem Boden in Verbindung gebracht wurde (VwGH 2003/10/0273; zur insoweit vergleichbaren Bestimmung des § 4 Z 4 NÖ Bauordnung: VwGH 2002/05/1006). Die Verbindung mit dem Boden muss jedoch so beschaffen sein, dass die Anlage nicht ohne weiteres an einen anderen Ort bewegt werden kann (RV aaO).

1.3 Das vom Beklagten errichtete Klettergerüst hatte eine Höhe von deutlich mehr als 2 m. Aus den vom Kläger vorgelegten Lichtbildern (Beilage ./A), die unstrittig das vom Beklagten errichtete Klettergerüst zeigen, vom Erstgericht für seine Entscheidung unbeanstandet verwertet wurden und daher der Entscheidung auch des Revisionsgerichts zugrunde gelegt werden können (vgl RIS‑Justiz RS0121557, auch [T3]), ist darüber hinaus zu entnehmen, dass es aus massiven Rundhölzern bestand und in seiner seitlichen Ausdehnung die Höhe deutlich überschritt. Das vom Beklagten angebrachte Netz erstreckte sich dabei nahezu über die gesamte Länge des Gerüsts, dessen Steher fest mit dem Boden verankert waren. Schon im Hinblick auf die Ausmaße der Konstruktion und seine Zweckbestimmung, dass nämlich Kinder darauf herumklettern sollten, ist wegen der dadurch zu erwartenden Beanspruchung der Anlage davon auszugehen, dass eine nach den Regeln der technischen Wissenschaft erfolgte Ausführung bautechnische Kenntnisse erforderte, um deren Standsicherheit und Stabilität zu gewährleisten. Dass die Errichtung durch den Beklagten selbst, also wohl laienhaft erfolgte, vermag daran ‑ wie dargestellt ‑ nichts zu ändern. Auch an der Verbindung dieser Anlage mit dem Boden in einer Art und Weise, die es nicht leicht ermöglichte, das Gerüst von einem Ort zum anderen zu bewegen, kann nicht gezweifelt werden, sodass entgegen der Ansicht des Beklagten davon auszugehen ist, dass das von ihm errichtete Klettergerüst als Bauwerk im Sinne des § 2 Abs 1 lit f Vlbg BauG zu qualifizieren ist.

2. Als Zwischenergebnis ist damit festzuhalten, dass die Errichtung des Klettergerüsts durch den Beklagten ein Bauvorhaben darstellte, für das die Bestimmungen des Baugesetzes galten. Dessen Bestimmungen kommen nach dem in § 1 Abs 1 Vlbg BauG definierten Geltungsbereich für alle Bauvorhaben zur Anwendung, gleichgültig ob es sich um ein bewilligungspflichtiges (§ 18 BauG), ein anzeigepflichtiges (§ 19 BauG) oder aber um ein freies (§ 20 BauG) Bauvorhaben handelt (vgl auch RV 45 Blg Vlbg Landtag 27. GP 32).

3.1 Nach § 15 Abs 1 Vlbg BauG müssen Bauwerke und sonstige Anlagen in allen ihren Teilen so ausgeführt werden, dass sie den Erfordernissen der mechanischen Festigkeit und Standsicherheit, des Brandschutzes, der Hygiene, der Gesundheit, des Umweltschutzes, der Nutzungssicherheit, des Schallschutzes, der Energieeinsparung und des Wärmeschutzes, des Verkehrs sowie des Schutzes des Orts‑ und Landschaftsbildes entsprechen. Zur Durchführung dieser Bestimmung hat die Landesregierung unter Bedachtnahme auf die Erfordernisse der Umsetzung des Rechts der Europäischen Union durch Verordnung nähere Vorschriften zu erlassen (§ 15 Abs 3 Vlbg BauG).

3.2 Aufgrund dieser Bestimmung hat die Vlbg Landesregierung die Verordnung über die technischen Erfordernisse von Bauwerken (im Folgenden: Bautechnikverordnung; LGBl 2007/83) erlassen, die seit 1. 1. 2008 in Geltung steht. Davor galt die Bautechnikverordnung, LGBl 1986/44. Nach deren § 1 Abs 1 in der Fassung LGBl 2001/64 mussten Bauvorhaben in allen ihren Teilen nach den Bestimmungen dieser Verordnung und, soweit darin keine Regelungen getroffen sind, nach dem Stand der Technik so ausgeführt werden, dass sie unter anderem der Nutzungssicherheit entsprachen. § 2 lit s der Bautechnikverordnung in der Fassung LGBl 2001/64 definierte den Stand der Technik als den auf den einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhenden Entwicklungsstand fortschrittlicher bautechnischer Verfahren, Einrichtungen und Bauweisen, deren Funktionstüchtigkeit erprobt oder erwiesen ist. Diese Begriffsbestimmung wurde nahezu wortgleich in § 2 Abs 1 und § 1 lit a Bautechnikverordnung, LGBl 2007/83, übernommen.

4. ÖNORMEN stellen eine Zusammenfassung üblicher Sorgfaltsanforderungen dar (RIS‑Justiz RS0022153). Sie sind in besonderer Weise zur Bestimmung des nach der Verkehrsauffassung zur Sicherheit Gebotenen geeignet, weil sie den Stand der für die betroffenen Kreise geltenden Regeln der Technik widerspiegeln (RIS‑Justiz RS0062063).

5. Schutzgesetze im Sinne des § 1311 ABGB sind abstrakte Gefährdungsverbote, die dazu bestimmt sind, die Mitglieder eines Personenkreises gegen Verletzungen von Rechtsgütern zu schützen (RIS‑Justiz RS0027710; Koziol , Haftpflichtrecht II, 102 f). § 15 Abs 1 Vlbg BauG stellt unter anderem auf die Nutzungssicherheit von Bauwerken und sonstigen Anlagen ab. Diese Bestimmung bezweckt insoweit gerade die Verhinderung von Schäden im Zusammenhang mit deren bestimmungsgemäßen Verwendung und ist damit als Schutzgesetz im Sinne des § 1311 ABGB aufzufassen. Die zur Durchführung dieser Bestimmung erlassene Verordnung verweist dazu auf den Stand der Technik, wie er sich in den einschlägigen ÖNORMEN widerspiegelt.

6. Der Beklagte hat bei dem von ihm konstruierten Klettergerüst ein Netz verwendet, das einen Seildurchmesser von lediglich 7 mm und eine Maschenweite von 100 mm aufwies. Es handelte sich dabei um ein Schutznetz, wie es üblicherweise auf Baustellen als Absturzsicherung aufgespannt wird, nicht aber zur Verwendung bei Klettergeräten gedacht ist. Indem der Beklagte bei der Konstruktion des Klettergerüsts ein solches Netz verwendete, hat er das von ihm errichtete Bauwerk nicht dem Stand der Technik entsprechend ausgeführt. Das folgt nicht nur aus der von den Vorinstanzen unbeanstandet als einschlägig beurteilten ÖNORM EN 1176 Teil 1, die insoweit die Regeln der Technik im Zusammenhang mit der Verwendung von Netzen an allgemein zugänglichen Klettergeräten wie dem gegenständlichen widerspiegelt, sondern ergibt sich ganz allgemein aus der bestimmungswidrigen Verwendung des Netzes selbst, weil dessen Beschaffenheit schon nach allgemeinen Sorgfaltsmaßstäben der Verwendung als Klettergerät für Kinder entgegensteht. Wenn das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang ausführt, bei lebensnaher Würdigung wäre ein Durchrutschen bei dem vom Beklagten verwendeten Netz im Verhältnis zu einem solchen mit einer normgerechten Maschengröße viel unwahrscheinlicher, übersieht es, dass bereits die von der ÖNORM EN 1176 Teil 1 für Klettergeräte geforderte Seilstärke von mindestens 16 mm ganz entscheidend zur Standsicherheit beiträgt und deren Fehlen zwangsläufig eine erhöhte Gefahr eines Abrutschens und damit auch des Verhängens mit sich bringt. Dieses erhöhte Gefahrenmoment kommt umso mehr zum Tragen, wenn sich Kinder ‑ wie der Kläger ‑ leicht abstoßen, um vom Netz herunterzuspringen. Ein solches Verhalten entspricht aber dem normalen Spieltrieb von Kindern und ist damit eine zweckentsprechende Verwendung eines solchen Geräts. Der Beklagte hat das von ihm errichtete Klettergerüst daher nicht nutzungssicher ausgeführt und damit gegen die Schutznorm des § 15 Abs 1 Vlbg BauG verstoßen.

Auf die Frage, ob die Errichtung des Klettergeräts durch den Beklagten ein anzeigepflichtiges (§ 19 Vlbg BauG) Bauvorhaben war und damit die vom Berufungsgericht als erheblich erachtete Rechtsfrage, ob die Unterlassung der Bauanzeige einen Verstoß gegen ein Schutzgesetz bedeutete, kommt es bei dieser Sachlage nicht mehr an.

7. Bei der Verletzung eines Schutzgesetzes im Sinne des § 1311 ABGB fordert die Rechtsprechung keinen strengen Beweis des Kausalzusammenhangs (RIS‑Justiz RS0027640; RS0027462). Es kommt zwar zu keiner Umkehr der Beweislast (RIS‑Justiz RS0027517; RS0022599 [T1]), der Beweis des ersten Anscheins spricht aber in solchen Fällen dafür, dass der von der Norm zu verhindernde Schaden durch das verbotene Verhalten verursacht wurde (RIS‑Justiz RS0027517; RS0022599 [T3]). Die Schadenersatzhaftung ist daher zu bejahen, wenn überwiegende Gründe dafür vorliegen, dass der Schaden durch das Verhalten des in Anspruch genommenen Beklagten herbeigeführt wurde (RIS‑Justiz RS0027517). Es obliegt dann dem Beklagten, die Kausalität der Pflichtwidrigkeit ‑ durch Entkräftung des ihn belastenden Anscheinsbeweises ‑ ernsthaft zweifelhaft zu machen (RIS‑Justiz RS0027517 [T3]; RS0022599 [T3]; RS0022474 [T1; T4]; RS0027640 [T12]). Die Haftung entfällt also in dem Fall, wenn der Schaden, wenngleich auf anderem Weg und in anderer Weise, auch sonst eingetreten wäre. Die Beweispflicht dafür, dass der Schaden auch ohne sein rechtswidriges Verhalten eingetreten wäre, obliegt dem Schädiger (RIS‑Justiz RS0027640; 7 Ob 237/12x).

8. Hier steht fest, dass das vom Beklagten auf dem von ihm errichteten, allgemein zugänglichen Spielplatz zum Klettern angebrachte Netz nicht den anerkannten Regeln der Technik entsprach, wie sie sich in der ÖNORM EN 1176 Teil 1 widerspiegeln und das Risiko von Fangstellen und damit auch das Risiko von Stürzen minimieren sollen. Zwar kann ein Verhängen auch bei einem normgerechten Netz nie ausgeschlossen werden. Aus der bereits vom Berufungsgericht als Feststellung qualifizierten Ausführung des Erstgerichts im Rahmen der rechtlichen Beurteilung ergibt sich aber, dass es wahrscheinlich ist, dass sich der Kläger auf einem normgerechten Netz nicht verhängt hätte, also auch nicht in der Form zu Sturz gekommen wäre, wie es tatsächlich der Fall war. Bereits das Erstgericht leitete die Kausalität des pflichtwidrigen Verhaltens des Beklagten in Bezug auf die Verletzung des Klägers erkennbar aus der Verwendung eines nicht normgerechten Netzes ab. Das Berufungsgericht zog dieses Ergebnis nicht in Zweifel, sondern gestand dem Kläger den erleichterten Kausalitätsbeweis nur deshalb nicht zu, weil es aus vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Erwägungen das Vorliegen einer Schutzgesetzverletzung durch den Beklagten verneinte. Im Revisionsverfahren ist damit nicht mehr zweifelhaft, dass der Kläger den Beweis des ersten Anscheins dafür erbrachte, dass der Unfall und damit seine Verletzung dadurch verursacht wurde, dass der Beklagte bei der Konstruktion des Klettergerüsts ein hiefür nicht bestimmtes Netz verwendete und damit dieses nicht nutzungssicher ausführte. Im Sturz des Klägers hat sich auch gerade jener Schaden verwirklicht, den § 15 Abs 1 Vlbg BauG zu verhindern trachtet, von dem die Nutzungssicherheit von Anlagen gefordert wird. Dass auch bei der Verwendung eines normgerechten Netzes ein Hängenbleiben und damit ein Unfall wie der gegenständliche nie ausgeschlossen werden kann, bedeutet keine Entkräftung des den Beklagten belastenden Anscheinsbeweises.

9. Zusammengefasst folgt daher, dass der Beklagte für die nachteiligen Folgen der ihm anzulastenden Verletzung der Schutznorm des § 15 Abs 1 Vlbg BauG einzustehen hat, weil er bei der Konstruktion des Klettergerüsts ein Netz verwendete, das zu dessen nutzungssicheren Verwendung gemäß seiner Bestimmung als Spielgerät für Kinder nicht geeignet war.

10. Grundsätzlich umfasst der Einwand des Alleinverschuldens zwar auch jenen des Mitverschuldens (RIS- Justiz RS0027044), doch ist der Beklagte darauf bereits im Berufungsverfahren nicht mehr zurückgekommen. Auf ein allfälliges Mitverschulden des Klägers muss daher nicht mehr eingegangen werden. In Stattgebung der Revision des Klägers ist das Teilzwischenurteil des Erstgerichts daher wiederherzustellen.

11. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 393 Abs 4 iVm § 52 Abs 4 ZPO. Die Nebenintervenientin hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

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