OGH 5Ob53/15b

OGH5Ob53/15b19.5.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Werner G*, vertreten durch Dr. Hannes Grabher und Dr. Gerhard Müller, Rechtsanwälte in Lustenau, gegen die beklagten Parteien 1. Gerold C* und 2. Gabriele C*, beide *, vertreten durch Rechtsanwälte Mandl GmbH in Feldkirch, wegen Unterlassung, über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Berufungsgericht vom 19. August 2014, GZ 1 R 219/14k‑14, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Dornbirn vom 11. Juni 2014, GZ 3 C 527/14z‑9, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E111264

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung insgesamt lautet:

„Das Klagebegehren, die beklagten Parteien seien schuldig, es zu unterlassen, die Wohnung W 16, EZ * KG *, auf andere Weise als zu Wohnzwecken, insbesondere als Tagesmutter oder für den Betrieb einer Spielgruppe zu nutzen oder nutzen zu lassen, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien binnen 14 Tagen die mit 3.530,30 EUR (darin enthalten 363,80 EUR USt und 1.347,50 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen zu ersetzen.“

 

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile sind Mit‑ und Wohnungseigentümer in einer Wohnanlage, die aus zwei Wohnblöcken mit insgesamt 24 Wohnungen besteht. Diese wurden im Kauf‑ und Wohnungseigentumsvertrag ausdrücklich als Wohnungen gewidmet und auch als solche parifiziert.

Die Zweitbeklagte ist bei der Vorarlberger Tagesmütter gmbH als Tagesmutter angestellt. Vereinbarter Arbeitsort ist laut Dienstvertrag ihre Wohnung. Die zuständige Bezirkshauptmannschaft bewilligte ihr die Betreuung von Kindern mit folgenden Auflagen:

Es dürfen höchstens fünf Kinder unter 12 Jahren gleichzeitig betreut werden, wobei eigene Kinder unter 12 Jahren mitzuzählen sind. Wenn ein Kind das 3. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, dürfen nur vier Kinder unter 12 Jahren gleichzeitig betreut werden, wobei eigene Kinder unter 12 Jahren mitzuzählen sind. Die Vermittlung der Tagespflegekinder darf nur über den Verein Tagesbetreuung, der von der Landesregierung mit dieser Aufgabe betraut wurde, erfolgen. Unvorhergesehene Überschreitungen der in den Punkten 1.) bis 3.) festgesetzten Kinderhöchstzahlen müssen unverzüglich dem Verein Tagesbetreuung mitgeteilt werden.

Das beklagte Ehepaar lebt mit ihrem sieben- jährigen Sohn in der 95 m² großen Vierzimmmerwohnung, die über einen großen Gartenanteil verfügt, in dem sich ein großer, aufgestellter Pool und ein Kinderplanschbecken befinden. Die Zweitbeklagte betreut sechs Pflegekinder: eines im Alter von drei Jahren, zwei Kindergartenkinder, zwei Volksschüler und einen Hauptschüler. Insbesondere während der Mittagszeit und zu Ferienzeiten werden die im Bescheid genannten Höchstzahlen überschritten. Die Dienstgeberin der Zweitbeklagten toleriert dies aber. Sämtliche betreuten Kinder ‑ ausgenommen die Hauptschüler ‑ werden von der Wohnung der Beklagten nachmittags und abends abgeholt. Ein Kind bleibt regelmäßig über Nacht.

Durch die Berufsausübung der Zweitbeklagten fühlt sich der im Schichtdienst tätige, tagsüber ruhesuchende Kläger schwerst beeinträchtigt. Die Beklagten führen den Tagesmutterbetrieb ohne Zustimmung des Klägers. Trotz seiner Aufforderung, dies zu unterlassen, stellten sie ihren Betrieb nicht ein.

Der Kläger begehrte die Verpflichtung der Beklagten, die Nutzung ihrer Wohnung auf andere Weise als zu Wohnzwecken, insbesondere als Tagesmutter oder für den Betrieb einer Spielgruppe, zu unterlassen. Er berief sich ‑ soweit noch relevant ‑ auf seine fehlende Zustimmung zu der widmungswidrigen Nutzung der Wohnung für einen Tagesmutter‑ oder Spielgruppenbetrieb. Die unselbstständige Tätigkeit der Zweitbeklagten als Tagesmutter habe mit der Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses nichts zu tun. Der Betrieb führe zu einer unzumutbaren Belästigung durch Kinderlärm, den er als Schichtarbeiter intensiver wahrnehme als in der Vergangenheit, zumal er sich in den Jahren 2000 bis 2004 hauptsächlich in der Wohnung seiner damaligen Lebensgefährtin aufgehalten habe. Die Zweitbeklagte betreue regelmäßig sechs Kinder als Tagesmutter.

Die Beklagten bestritten eine genehmigungsbedürftige Widmungsänderung. Sie seien berechtigt, die Wohnung und den zugewiesenen Gartenanteil zur Betreuung ihrer eigenen und der fremden Kinder zu verwenden. Gesetzgeber und Rechtsprechung ließen auch innerhalb der Widmung als Wohnung die teilweise und untergeordnete Nutzung für Erwerbstätigkeiten zu wie beispielsweise bei einer schriftstellerischen Tätigkeit oder bei Führung eines Ingenieurbüros. Es müsse nur der Hauptzweck des Wohnens gewahrt bleiben und keine Störung der übrigen Bewohner erfolgen. Ein Geschäftsbetrieb werde weder geführt noch werde eine selbstständige Tätigkeit ausgeübt. Die Zweitbeklagte sei als Tagesmutter angestellt und betreue familiennah in kleinen Gruppen Kinder zwischen 0 und 16 Jahren. Dies habe sie bereits in den Jahren 2000 bis 2004 getan. Während dieser Zeit habe sich der Kläger durch den Kinderlärm nicht gestört gefühlt. Sie sei psychologisch geschult. Die zuständige Bezirkshauptmannschaft habe ihre Tätigkeit genehmigt. Die meisten Wohnungseigentümer und Mieter hätten schriftlich bestätigt, dass sie sich durch die betreuten Kinder nicht gestört fühlten.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. In der rechtlichen Beurteilung sah es die Tätigkeit einer Tagesmutter in dem als Wohnung gewidmeten Wohnungseigentumsobjekt als genehmigungsbedürftige Änderung ‑ vergleichbar dem Betrieb einer Arztpraxis ‑ an. Dass die Ausübung einer ärztlichen Tätigkeit mangels Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen anderer Wohnungseigentümer häufig genehmigt werde, lasse nicht den Schluss zu, es liege keine genehmigungsbedürftige Änderung vor. Es komme nur auf die Widmung des Objekts ausschließlich als Wohnung an.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. In der rechtlichen Beurteilung verwies es auf jene Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, die eine jeweils kurzfristige Vermietung eines als Wohnung gewidmeten Wohnungseigentumsobjekts („Ferienwohnungen“) als genehmigungspflichtige Widmungsänderung beurteilt habe, weil auch eine derartige kurzfristige Vermietung zwangsläufig zu einer höheren Frequentierung des Wohnhauses durch ständig wechselnde hausfremde Personen führe. Vergleichbare Beeinträchtigungen seien auch durch die von der Zweitbeklagten ausgeübte Tätigkeit als Tagesmutter möglich. Die betreuten Kinder würden täglich gebracht und wieder abgeholt, womit zwangsläufig eine höhere Frequenz von zumindest in größeren Abständen wechselnden Personen verbunden sei. Zwar würden auch andere Eltern Kinder einladen und dann ähnliche Belastungen auftreten. Dies geschehe aber zweifellos nicht täglich. Die Situation sei auch nicht vergleichbar mit der Nutzung durch ein Ehepaar, das selbst mehrere Kinder habe. Diese würden nicht täglich gebracht und wieder geholt. Eigene Kinder würden nach und nach dem Kindes‑ und damit dem Spielalter entwachsen. Damit würden die (Lärm‑)Belastungen abnehmen, was bei einer beruflich ausgeübten Tätigkeit als Tagesmutter nicht der Fall sei. Dies ergebe sich aus den festgestellten Überschreitungen der behördlich festgelegten „Kinder‑Maximalzahlen“. Dem Begriff „Wohnen“ werde „Leben an einem Ort“, „Verwurzelung an einem Ort“ oder „räumlicher Lebensmittelpunkt“ und damit eine Beständigkeit zugeordnet, die im vorliegenden Fall gerade fehle. Ob eine Tagesmutter unselbstständig oder selbstständig tätig sei, sei nicht relevant. Es komme ausschließlich auf die in beiden Fällen gleich zu beurteilende abstrakte Möglichkeit der Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen anderer Wohnungseigentümer an. Der Kläger habe einer widmungswidrigen Verwendung auch nicht dadurch konkludent zugestimmt, dass er sie über einen Zeitraum von vier Jahren geduldet habe.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu der Frage fehle, ob die Betreuung von Kindern im Rahmen eines Dienstverhältnisses einer angestellten Tagesmutter in ihrer Eigentumswohnung eine Widmungsänderung nach § 16 Abs 2 WEG 2002 darstelle.

Die ‑ vom Kläger beantwortete ‑ Revision der Beklagten ist zulässig. Sie ist auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Thema in dritter Instanz ist weder die Frage, ob eine unzumutbare (insbesondere weil bestimmte Dezibel‑Werte übersteigende) Lärmbelästigung durch die Tätigkeit der Zweitbeklagten als Tagesmutter das Unterlassungsbegehren eines benachbarten Wohnungseigentümers rechtfertigt, noch eine ‑ vom Berufungsgericht verneinte - konkludente Zustimmung aller Wohnungseigentümer zur Nutzung des Wohnungseigentumsobjekts auf diese Weise. Ausschließlich zu beurteilen ist die Genehmigungsbedürftigkeit dieser Berufsausübung iSd § 16 Abs 2 WEG 2002.

2. Der in § 16 Abs 2 WEG 2002 verwendete Begriff „Änderungen“ ist weit auszulegen und umfasst insbesondere auch die im Gesetz ausdrücklich genannten Widmungsänderungen (5 Ob 277/04b = immolex 2005, 216 [Weixelbraun] = ecolex 2005, 609 [Friedl] = MietSlg 56.483; 3 Ob 158/11y = immolex 2012/37, 115 [Neugebauer‑Herl] = wobl 2012/57, 153 mwN; 5 Ob 59/14h; Vonkilch in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht³ § 16 WEG Rz 16 und 20 mwN). Jede solche Änderung, die eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen anderer Wohnungseigentümer mit sich bringen könnte (wofür also schon die Möglichkeit einer Beeinträchtigung genügt), bedarf der Zustimmung aller Wohnungseigentümer oder der Genehmigung durch den Außerstreitrichter in einem Verfahren nach § 52 Abs 1 Z 2 WEG 2002 (5 Ob 207/01d mwN; 3 Ob 158/11y; 5 Ob 59/14h).

3. Gegen einen Wohnungseigentümer, der eigenmächtig solche Änderungen vornimmt, kann jeder einzelne Wohnungseigentümer nach ständiger Rechtsprechung mit Unterlassungs‑ oder Beseitigungsklage nach § 523 ABGB im streitigen Rechtsweg vorgehen (RIS‑Justiz RS0005944 [T1]; RS0083156 [T15]). Der Streitrichter hat in einem solchen Fall nur die Genehmigungsbedürftigkeit der Änderung sowie die eigenmächtige Rechtsanmaßung als Vorfragen über die Berechtigung des Unterlassungs‑ und Wiederherstellungsbegehrens zu prüfen, nicht jedoch die Genehmigungsfähigkeit (RIS‑Justiz RS0083156 [T20]; 3 Ob 158/11y; 5 Ob 59/14h; neuerdings krit: Vonkilch, Konsequenzen der eigenmächtigen Vornahme von Änderungen am WE-Objekt durch einen Wohnungseigentümer, wobl 2015, 31).

4. Für die Frage der Widmung eines Wohnungseigentumsobjekts ist auf die privatrechtliche Einigung der Wohnungseigentümer (in der Regel im Wohnungseigentumsvertrag) abzustellen (RIS‑Justiz RS0120725; RS0119528). Im vorliegenden Fall ist unstrittig, dass alle 24 Wohnungen, einschließlich jener der Beklagten, ausdrücklich als Wohnung gewidmet wurden.

5. Zu 5 Ob 277/04b = immolex 2005/82, 216 (zust Weixelbraun) entschied der Oberste Gerichtshof in einem Unterlassungsprozess gegen einen Wohnungseigentümer und dessen Mieter, der in dem als Wohnung gewidmeten Objekt ohne Zustimmung aller übrigen Wohnungseigentümer sein angemeldetes Gewerbe als Heilmasseur ausübte. Er verglich diese Tätigkeit mit dem Betrieb einer Arztpraxis, der eine genehmigungsbedürftige Widmungsänderung darstelle. Die angebliche Geringfügigkeit und Zumutbarkeit der Ausübung des Gewerbes durch den Heilmasseur, der aufgrund seiner schweren Sehbehinderung nur wenige Klienten betreuen könne, erachtete er als nicht relevant.

6. In den bereits vom Berufungsgericht angesprochenen Fällen der Vermietung von als Wohnung gewidmeten Objekten als Ferienappartments (3 Ob 158/11y = immolex 2012/37 [10 Wohnungen mit insgesamt 34 Betten]; 5 Ob 59/14h = wobl 2014, 209/78 [1 Wohnung]) ging der Oberste Gerichtshof von einer genehmigungspflichtigen Widmungsänderung aus. Er verwies in beiden Fällen auf die Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der übrigen Wohnungseigentümer infolge der erhöhten Frequentierung des Hauses durch ständig wechselnde hausfremde Personen. In der Entscheidung 3 Ob 158/11y zeigte er den Unterschied zwischen solchen Beherbergungsverträgen und einem reinen Mietvertrag, zu dessen Abschluss jeder Wohnungseigentümer in der Regel auch ohne Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer berechtigt sei (5 Ob 106/06h = immolex 2006/128 [zust Maier-Hülle] = wobl 2006/147 [zust Call]), auf. Neugebauer-Herl sieht in ihrer Kritik an der Entscheidung 3 Ob 158/11y (immolex 2012, 116) auch in der Nutzung als Ferienwohnung eine Nutzung zu Wohnzwecken, die von der Wohnungswidmung gedeckt sei. Beeinträchtigungen anderer Wohnungseigentümer könnten sowohl bei Vermietung als Ferienwohnung als bei einer längerfristigen, nicht genehmigungspflichtigen Vermietung durch ungebührliches Verhalten der Mieter auftreten. Die sich gestört fühlenden Wohnungseigentümer könnten mit Unterlassungsklage gegen diese konkrete Beeinträchtigung vorgehen.

7. Nach Auffassung des erkennenden Senats ist die Tätigkeit als Tagesmutter oder Tagesvater (im folgenden Text zur Vereinfachung nur: Tagesmutter) nicht nach dem der bisherigen Judikatur zugrunde gelegten Verständnis einer Änderung der Widmung von Wohn- auf Geschäftszwecke zu beurteilen.

8. Wohnen bedeutet nach dem allgemeinen Sprachverständnis, dass jemand seine Wohnung (sein Zuhause) an einem bestimmten Ort hat (vgl Duden-Online). Gerade dieses Kriterium erfüllt eine Tagesmutter, die (allenfalls) mit einem Lebenspartner und „eigenen“ Kindern als Kernfamilie in einer Eigentumswohnung lebt. Dass die zusätzlich betreuten Kinder ihren Lebensmittelpunkt (ihr Zuhause) ‑ auch bei einer ganztägigen Betreuung ‑ nicht bei der Tagesmutter haben und nicht so wie die Kernfamilie im Wohnungseigentumsobjekt wohnen (ein Schüler, der eine Ganztagsschule besucht, wohnt auch nicht in der Schule), führt nicht per se zum Wechsel der Widmung.

9. Die Tätigkeit als Tagesmutter erfolgt zwar in der Regel nicht gratis. So sieht § 3 Abs 1 des Mindestlohntarifs für Arbeitnehmer/innen in privaten Kinderbetreuungseinrichtungen, BGBl II 2014/305 (Entgeltbestimmungen für Tagesmütter, die von Vereinen oder Privatkindergärten beschäftigt werden und im eigenen Haushalt Kinder betreuen), ein monatliches Grundgehalt von 428 EUR pro Kind ‑ mit Zulagen bei besonderen Qualifikationen ‑ vor. Eine Tagesmutter, die in einem Wohnungseigentumsobjekt fremde Kinder betreut, übt also einen bezahlten Beruf aus. Entscheidend ist, ob die berufliche Nutzung jene zu Wohnzwecken derartig überwiegt, dass nicht einmal mehr im Kern von einem Wohnen gesprochen werden kann. Erst dann liegt eine genehmigungspflichtige Änderung der Widmung „Wohnen“ vor.

10. Die behördlich erlaubte maximale Anzahl der betreuten Kinder berücksichtigt in aller Regel die persönlichen Verhältnisse (wie Belastung durch Kinder der Kernfamilie) sowie die örtlichen Gegebenheiten (wie Größe und Ausstattung der Wohnung) und soll die Qualität der Betreuung sicherstellen. Dass diese dem Landesgesetzgeber ein besonderes Anliegen war, zeigt die Bestimmung des § 13a Abs 3 lit e Vorarlberger KindergartenG, LGBl 2008/52: Danach kann der verpflichtende Besuch eines Kindergartens entfallen, wenn mit der Betreuung durch eine Tagesmutter Bildungsaufgaben vergleichbar der halbtägig kostenlosen und verpflichtenden frühen Förderung in institutionellen Kinderbetreuungseinrichtungen wahrgenommen werden. Werden regelmäßig zuviele Kinder betreut, kann eine qualitätsvolle Betreuung durch eine Tagesmutter, der viele Eltern gerade wegen des individuelleren Eingehens auf die Bedürfnisse ihrer Kinder den Vorzug geben, nicht mehr gewährleistet werden. Der vorrangige Zweck der zahlenmäßigen Begrenzung liegt in der Berücksichtigung kinderpädagogischer Erwägungen und nicht im Schutz von Nachbarn vor Kinderlärm, auch wenn ein ‑ aus der Sicht von benachbarten Wohnungseigentümern durchaus begrüßenswerter ‑ Nebeneffekt dieser Beschränkung darin liegen kann, dass Lärmbelästigungen in erträglicheren Grenzen gehalten werden.

11. Zu befürchtender Kinderlärm ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ohnehin nicht das entscheidende Argument für die Genehmigungsbedürftigkeit. Lärmbelästigungen gibt es auch in jenen Fällen, in denen die Wohnung vom Wohnungseigentümer mit mehreren Kindern selbst oder von dessen Mieter mit seiner Kinderschar bewohnt wird. Beides ist Wohnen: es liegt keine genehmigungspflichtige Widmungsänderung vor. Das Argument des Berufungsgerichts, dass im Gegensatz zu betreuten Kindern eigene Kinder des Wohnungseigentümers dem Kindes- oder (vielfach zumindest genauso lärmenden) Teenageralter entwachsen, überzeugt nicht, weil es die Möglichkeit der wiederholten Vermietung an jeweils kinderreiche Familien außer Acht lässt.

12. Die Überschreitung der behördlich genehmigten maximalen Anzahl der betreuten Kinder führt demnach nicht zwingend zu einer überwiegenden Nutzung zu beruflichen Zwecken und damit einer Widmungsänderung. Im konkreten Fall betreut die Tagesmutter neben ihrem eigenen Kind insgesamt sechs Pflegekinder, also um zwei Kinder mehr als behördlich erlaubt. Dies ändert aber nichts am nach wie vor gegebenen grundsätzlichen Charakter der Nutzung zu Wohnzwecken.

13. Da keine genehmigungspflichtige Widmungsänderung vorliegt, ist das Unterlassungsbegehren des Klägers abzuweisen.

14. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 Abs 1 iVm § 50 ZPO. Pauschalgebühren konnten nur soweit zuerkannt werden, als sie verzeichnet wurden.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte