OGH 7Ob31/15g

OGH7Ob31/15g30.4.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Hofrätin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K*****-GmbH, *****, vertreten durch Schaffer Sternad Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei D*****-GmbH, *****, vertreten durch Bock Fuchs Nonhoff Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 10.077.195 EUR sA, Feststellung und Rechnungslegung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 19. November 2014, GZ 38 R 184/14m‑174, womit das Urteil des Bezirksgerichts Donaustadt vom 21. April 2014, GZ 5 C 1081/11d‑165, bestätigt wurde, beschlossen und zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0070OB00031.15G.0430.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen, die hinsichtlich der Abweisung des Zahlungsbegehrens von 7.508.845 EUR sA durch das Erstgericht und des Rechnungslegungsbegehrens durch das Berufungsgericht bereits in Rechtskraft erwachsen sind, werden hinsichtlich des Zuspruchs von 2.568.350 EUR samt 5 % Zinsen aus 100.000 EUR vom 1. 5. 2002 bis 27. 1. 2005 sowie samt Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.100.000 EUR vom 28. 1. 2005 bis 31. 1. 2006, aus 2.065.853,84 EUR vom 1. 2. 2006 bis 31. 1. 2007 und aus 2.568.350 EUR seit 1. 2. 2007 als Teilurteil bestätigt.

Im Übrigen (hinsichtlich des Feststellungsbegehrens und der Kostenentscheidung) werden die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben. Die Rechtssache wird in diesem Umfang zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

 

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte ist Eigentümerin und Betreiberin eines seit 1975 bestehenden Einkaufszentrums.

Im Jänner 1986 schloss die Rechtsvorgängerin der Beklagten mit den Rechtsvorgängern der Klägerin einen unbefristeten Mietvertrag über ein 3.400 m² großes Geschäftslokal zum Betrieb eines Einzelfachgeschäfts für Damen-, Herren- und Kinderoberbekleidung ab. Gleichzeitig wurde eine mit 16. 10. 1985 datierte Zusatzvereinbarung abgeschlossen, deren Punkt 7 lautet: „In Ergänzung zu § 8 Abs. 2 a) des Mietvertrages wird vereinbart, dass der Vermieter mit dem Mieter zeitgerecht das Einvernehmen herstellen wird, wenn im D***** Betriebsflächen im Einzelausmaß von mehr als 500 m² für Herrenoberbekleidung und/oder Damenoberbekleidung und/oder Kinderoberbekleidung zur Vergabe gelangen sollten.“ Die Repräsentanten beider Seiten verstanden die Zusatzvereinbarung so, dass kein bloßes Informationsrecht geschaffen wurde, sondern vor Vergabe von Geschäftsflächen von über 500 m² zu den genannten Geschäftszwecken von der Vermieterin ein Konsens mit den Mietern zu finden sei und ohne deren Zustimmung keine Inbestandgabe erfolgen dürfe.

Die Vermieterin kam mit der Zusatzvereinbarung den Wünschen der Mieter entgegen, weil diese ein renommiertes Unternehmen betrieben und daher zugkräftige Mieter waren. Sie hatten schon seit 1977 kleinere Geschäftsflächen in einem alten Bauteil angemietet, seit 1982 bestand bereits ein eingeschränkter Schutz. Die Anmietung einer deutlich erweiterten Fläche zum Betrieb ihrer bis dahin größten Filiale bedeutete jedoch ein entsprechend größeres Umsatzrisiko, zu dem noch erhebliche Ausgaben (Baukostenbeitrag, Investitionskosten zur Fertigstellung und Ausstattung des Bestandobjekts) kamen.

T***** W***** nahm mehrmals als Vertreter der Mieter an Sitzungen der Kaufleutevereinigung, ein Verein zur Förderung der gemeinsamen Mitgliederinteressen im Einkaufszentrum, teil. Dabei fielen bei Sitzungen, die ungefähr zwischen Anfang und Mitte 1999 stattfanden, unter anderem auch die Namen „E*****, s***** und C *****“. Fragen der Ansiedlung neuer Mieter wurden in diesen Sitzungen im Allgemeinen recht pauschal abgehandelt. Einzelheiten wie Lage, Größe oder Sortiment der einzelnen Geschäfte waren kein Thema. Gegen die allfällige Ansiedlung von diesen Firmen erhob T***** W***** keinen Einwand. Es kann nicht festgestellt werden, dass er namens der Mieter jemals der Ansiedlung dieser Unternehmen einem vertretungsbefugten Repräsentanten der Beklagten gegenüber zustimmte.

Die Klägerin betreibt seit dem 5. 7. 2000 als Universalrechtsnachfolgerin der ursprünglichen Mieter das Geschäftslokal.

Ohne die Zustimmung der Mieterseite einzuholen, vermietete die Beklagte mit Vertrag vom 25. 5. 2000 an s***** GmbH (in der Folge: s*****) und mit Vertrag vom 19. 7. 2000 an E*****gesellschaft mbH (in der Folge: E*****) Geschäftslokale von über 500 m² in einem neu geschaffenen, im Oktober 2000 eröffneten Bauteil.

Der Geschäftsführer der Klägerin erlangte im Jänner oder Februar 2002 Kenntnis von der Zusatzvereinbarung. Obwohl die Klägerin gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 27. 2. 2002 und 14. 3. 2002 auf das Zustimmungserfordernis hinwies und am 29. 3. 2002 zu 6 C 853/02v des Bezirksgerichts Donaustadt eine darauf gegründete Unterlassungsklage einbrachte, gab die Beklagte, ohne die Zustimmung der Klägerin einzuholen oder diese zu informieren, mit Vertrag vom 26. 4. 2002 ein Geschäftslokal von rund 4.500 m² an C ***** Gesellschaft mbH & Co KG (in der Folge: C *****) in Bestand. Der damalige Rechtsvertreter der Beklagten vertrat die auch ihr gegenüber kommunizierte Ansicht, es liege ein bloßes Informationsrecht vor.

Mit Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 26. 11. 2003 zu 41 R 169/03m wurde die Beklagte in Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung im Verfahren 6 C 853/02v des Bezirksgerichts Donaustadt schuldig erkannt, jegliche Inbestandgabe von Betriebsflächen im Einzelausmaß von mehr als 500 m² für Herrenoberbekleidung und/oder Damenoberbekleidung und/oder Kinderoberbekleidung im Einkaufszentrum zu unterlassen, wenn die Klägerin hiezu nicht ihre Zustimmung erteilt hat. Die außerordentliche Revision wurde ebenso wie eine dagegen eingebrachte Wiederaufnahmsklage zurückgewiesen.

Der Vertrag mit s***** war bis Ende 2007 befristet. Nach Ablauf der Vertragszeit wechselte s***** ab 1. 1. 2008 in ein kleineres Geschäftslokal von unter 500 m². Auch die Geschäftsfläche von E***** wurde in der Zwischenzeit reduziert; nähere Feststellungen zum Zeitpunkt und zum nunmehrigen Ausmaß des Geschäftslokals können jedoch nicht getroffen werden.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Eröffnung des E*****-Geschäfts im Oktober 2000 negative Auswirkungen auf den Umsatz des Geschäftslokals der Klägerin hatte. Hingegen erlitt die Klägerin durch den Betrieb des s*****-Geschäfts im Zeitraum 2001 bis 2007 einen Gewinnentgang von 571.375 EUR und durch den Betrieb der C *****-Filiale im Zeitraum Oktober 2002 bis Jänner 2008 einen Gewinnentgang von 1.996.975 EUR.

Die Klägerin begehrte von der Beklagten die Zahlung von Schadenersatz sowie die Feststellung der Haftung für künftige Schäden aus der Inbestandgabe von Geschäftslokalen an E*****, s***** und C ***** und stellte ein im Revisionsverfahren nicht mehr relevantes Rechnungslegungsbegehren. Dadurch, dass die Beklagte ohne Einholung der - auf Grund der Zusatzvereinbarung erforderlichen - Zustimmung der Klägerin bzw ihrer Rechtsvorgänger Geschäftslokale im Ausmaß von über 500 m² an die genannten Unternehmen vermietet habe, sei der Klägerin im Zeitraum November 2000 bis Jänner 2008 der Schaden (entgangener Gewinn) entstanden. Das Urteil im Vorprozess entfalte Bindungswirkung. Die Beklagte hätte sich - sofern sie nicht ohnehin positive Kenntnis darüber gehabt habe - rechtzeitig über den Inhalt der Vertragsgespräche informieren müssen. Eine Kartellrechtswidrigkeit liege nicht vor. Aus dem Berufungsurteil im Vorprozess folge, dass keine sittenwidrige Wettbewerbsbeschränkung gegeben sei. Der nachträgliche Erwerb eines Einkaufszentrums durch die Muttergesellschaft der Beklagten im Mai 2008 könne eine einmal gültig getroffene Vereinbarung nicht nachträglich unzulässig machen. Daraus könnten sich ausschließlich kartellrechtliche Schlussfolgerungen für die Zukunft ergeben. Die Schadenersatzansprüche seien nicht verjährt, weil der Zivilprozess von Amts wegen zu führen sei. Eine Pflicht der Klägerin zum Tätigwerden hätte nur bei besonders langer Untätigkeit des Gerichts bestanden, wie sie in der Regel erst bei einem dreijährigen Zeitraum erblickt werden könne. Eine derart lange Untätigkeit habe jedoch nicht vorgelegen.

Die Beklagte wendete ein, dass sich die Zusatzvereinbarung in einem reinen Informationsrecht erschöpfe. Die Klägerin habe ein Zustimmungserfordernis erstmals im Februar 2002 behauptet, nachdem es bereits zuvor mehrmals zu Vermietungen von Geschäftsflächen von über 500 m² gekommen sei. Die Beklagte habe jedenfalls bis zur Zustellung des Berufungsurteils im Vorprozess, das im Übrigen nicht ausspreche, dass es sich bei der Zusatzvereinbarung um ein Zustimmungserfordernis handle und daher keine Bindungswirkung entfalte, davon ausgehen können, dass eine Zustimmung der Klägerin zur Vermietung nicht erforderlich sei, weshalb sie nicht schuldhaft gehandelt habe. Im Übrigen habe sich die Mieterseite mit der Ansiedlung von s*****, E***** und C ***** einverstanden erklärt. Die Zusatzvereinbarung sei eine wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung im Sinn des § 1 Abs 1 KartG und daher gemäß § 1 Abs 3 KartG nichtig. Deren alleiniger Zweck liege in einer dauerhaften Beschränkung des Wettbewerbs ohne sachliche Rechtfertigung. Zudem sei dadurch der Wettbewerb spürbar beeinträchtigt, werde doch insbesondere die Ansiedlung von Großfilialisten in der näheren Umgebung erschwert. Ein Bagatellkartell im Sinn des § 2 Abs 2 Z 1 KartG als einzige mögliche Ausnahme vom Kartellverbot liege nicht vor, weil die U*****-Gruppe 90 % der Anteile an der Beklagten und 100 % der Anteile an der Betreiberin des Einkaufszentrums „S*****“ kontrolliere, weshalb die Einkaufszentrumsbetreiber verbundene Unternehmen im Sinn des § 7 KartG seien und bei der Berechnung der Marktanteile gemäß § 21 KartG als einziges Unternehmen gelten würden. Damit werde der Schwellenwert von 25 % des relevanten inländischen Teilmarkts Wien und Umgebung überschritten. Dass im Vorprozess keine sittenwidrige Wettbewerbsbeschränkung festgestellt worden sei, hindere nicht den nachträglichen Eintritt einer solchen. Insbesondere sei auch mit 1. 3. 2013 die Bagatellschwelle herabgesetzt worden. Bei der Schadensberechnung seien jene Auswirkungen abzuziehen, die jeweils bei einer an sich jedenfalls zulässigen Vermietung einer Geschäftsfläche von bis zu 500 m² eingetreten wären. Die Schadenersatzforderungen seien verjährt. Die Klägerin habe es verabsäumt, für eine gehörige Fortsetzung des Verfahrens zu sorgen.

Das Erstgericht gab dem Feststellungsbegehren sowie dem Leistungsbegehren mit 2.568.350 EUR sA statt und wies das Rechnungslegungsbegehren und (rechtskräftig) ein Leistungsbegehren von 7.508.845 EUR sA ab. Die Entscheidung im Vorprozess entfalte Bindungswirkung auch für dieses Verfahren, weil das Unterlassungsbegehren auf die Zusatzvereinbarung gestützt worden sei. Daher bleibe auch kein Raum für eine Prüfung kartellrechtlicher Einwände. Der Erwerb eines weiteren Einkaufszentrums durch die Muttergesellschaft der Beklagten im Frühjahr 2008 stelle keinen ausreichenden Grund dar, sich ihrer vertraglichen Verpflichtung gegenüber der Klägerin zu entledigen. Die Beklagte habe schuldhaft die Bestandverträge ohne Einholung der Zustimmung der Mieterseite abgeschlossen, weil ihren Verantwortlichen bei gehöriger Aufmerksamkeit die von ihr selbst ausverhandelte Zusatzvereinbarung bekannt hätte sein müssen; allfällige Unklarheiten hätten mit der Mieterseite geklärt werden müssen; auf die Meinung ihres Rechtsvertreters käme es nicht an. Das Feststellungsbegehren sei im Hinblick auf mögliche künftige Schäden berechtigt. Die Ansprüche seien nicht verjährt. Die zweimalige Verfahrensunterbrechung sei nicht der Klägerin anzulasten. Sie habe keine Pflicht zur Vornahme einer Prozesshandlung verletzt. Eine dreijährige Untätigkeit des Gerichts habe nicht vorgelegen.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass die ordentliche Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig sei. Der Inhalt der Zusatzvereinbarung sei im Vorprozess bindend entschieden worden. Auf Grund der vom Erstgericht getroffenen Negativfeststellung habe die Beklagte den Nachweis nicht erbracht, die Mieterseite hätte der Ansiedlung von s***** und E***** zugestimmt. Die Ansicht ihres Rechtsvertreters könne die Beklagte nicht entlasten. Der Inhalt der Zusatzvereinbarung habe den Organen der Beklagten seit dem Zeitpunkt der Vereinbarung bekannt sein müssen. Internes Kommunikationsversagen und fehlende Dokumentation seien nicht geeignet, fehlendes Verschulden am später vertragswidrigen Verhalten zu begründen. Im Zusammenhang mit der Kartellrechtswidrigkeit sei die Rechtskraft des Vorprozesses zu beachten. Das Kartellgesetz in der Fassung vom 1. 3. 2013 finde nur auf nach dem 28. 2. 2013 abgeschlossene Vereinbarungen Anwendung. Für die Berechtigung eines Feststellungsbegehrens genüge, wenn der Eintritt eines Schadens in der Zukunft nicht gänzlich ausgeschlossen werden könne; eine derartige Feststellung habe das Erstgericht nicht treffen können. Aus der Anführung der einzelnen Verfahrensschritte würden sich keine Anhaltspunkte für eine nicht gehörige Fortsetzung des Verfahrens ergeben. Von der Zusatzvereinbarung sei die Vermietung der gesamten Einzelfläche erfasst; damit komme eine Kürzung des Schadenersatzanspruchs um nachteilige Auswirkungen betreffend die jeweils 500 m² nicht übersteigende Geschäftsfläche nicht in Betracht.

Gegen den klagsstattgebenden Teil dieses Urteils richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten mit einem Abänderungsantrag; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt in ihrer - bereits ohne Freistellung durch den Obersten Gerichtshof erstatteten - Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und auch teilweise berechtigt.

1. Zur Aktenwidrigkeit:

Die behauptete Aktenwidrigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft; sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 dritter Satz ZPO).

2. Zur Bindungswirkung des Vorprozesses:

2.1. Die im Vorprozess ausgesprochene Unterlassungsverpflichtung leitet sich aus Punkt 7 der Zusatzvereinbarung ab. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist das Begehren auf Schadenersatz und Feststellung, das daraus abgeleitet wird, dass gegen diese Unterlassungspflicht verstoßen wurde.

2.2. Nach ständiger Rechtsprechung ist die Bindungswirkung einer rechtskräftigen Entscheidung dann gegeben, wenn der als Hauptfrage rechtskräftig entschiedene Anspruch eine Vorfrage für den Anspruch im zweiten Prozess bildet. Maßgebend sind die rechtserzeugenden Tatsachen, die zur Individualisierung des herangezogenen Rechtsgrundes erforderlich sind (RIS-Justiz RS0127052, RS0039843 [T5, T21, T35]). Die materielle Rechtskraft und Bindungswirkung des Urteils im Vorprozess schneidet die Geltendmachung von Rechtsgründen ab, die releviert und entschieden wurden oder deren Geltendmachung unterblieben ist (RS0039843 [T10]).

2.3. Im Vorprozess wurde durch die Entscheidung des Berufungsgerichts über Inhalt und Wirksamkeit der Zusatzvereinbarung abgesprochen, die Grundlage für die hier auf Schadenersatz gegründeten Begehren ist. Damit steht für das gegenständliche Verfahren bindend fest, dass die Beklagte gegen Punkt 7 der Zusatzvereinbarung verstößt, wenn sie ohne Einholung einer Zustimmung der Klägerin bzw ihrer Rechtsvorgänger unter die Zusatzvereinbarung fallende Bestandverträge begründet. Dies trifft auf die drei genannten Bestandverträge zu, sofern nicht nachträglich relevante Rechts- oder Sachverhaltsänderungen eingetreten sind.

3. Zum Vorliegen einer Zustimmung zur Vermietung an s***** und E*****:

3.1. Das Erstgericht konnte nicht feststellen, dass T***** W***** jemals der Ansiedlung von s***** oder E***** einem vertretungsbefugten Repräsentanten der Beklagten gegenüber zugestimmt hat. Damit hat die Beklagte ihre Behauptung, die Mieter hätten der Ansiedlung von s***** und E***** ausdrücklich zugestimmt, nicht nachgewiesen.

3.2. Für die Schlüssigkeit eines Verhaltens im Hinblick auf einen damit erklärten rechtsgeschäftlichen Willen legt § 863 ABGB einen strengen Maßstab an (RIS‑Justiz RS0014146, RS0014157). Bei der Beurteilung von Handlungen auf ihren konkludenten Aussagegehalt ist zu bedenken, dass dieser im Sinn des § 863 ABGB eindeutig in eine bestimmte Richtung weisen muss und kein vernünftiger Grund übrig sein darf, daran zu zweifeln, dass ein Rechtsfolgewille in bestimmter Richtung vorliegt (RIS-Justiz RS0014150, RS0014157, RS0013947).

Aus dem Verhalten von T***** W***** im Zuge von Sitzungen der Kaufleutevereinigung können schon deshalb keine positiven Rückschlüsse für eine Zustimmung abgeleitet werden, weil über Einzelheiten wie Lage, Größe und Sortiment der einzelnen Geschäfte nicht gesprochen wurde. Damit verbleibt ausschließlich der Umstand, dass die Klägerin 1 ½ Jahre keinen Widerspruch gegen die Ansiedlung von s***** und E***** erhoben hat. Allein daraus kann aber nicht mit ausreichender Sicherheit darauf geschlossen werden, dass die Klägerin der Ansiedlung dieser Unternehmen zugestimmt hat, wurde doch in diesem Zeitraum die Ansiedlung dieser Unternehmen zwischen den Streitteilen nicht thematisiert. Somit liegt auch keine konkludente Zustimmung zur Ansiedlung von s***** und E***** vor.

4. Zur Kartellrechtswidrigkeit:

4.1. Die Revisionsausführungen, die Zusatzvereinbarung sei bereits ursprünglich kartellrechtswidrig gewesen, setzen sich über die - oben dargelegte - Bindungswirkung des Vorprozesses hinweg. Demnach kann sich die Beklagte im gegenständlichen Schadenersatzprozess auf eine allfällige Kartellrechtswidrigkeit der Vereinbarung im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz im Vorprozess nicht mit Erfolg berufen.

4.2. Berechtigt releviert die Revisionswerberin hingegen den Umstand, dass die Übernahme des Einkaufszentrums S***** zu einem späteren Zeitpunkt durch die Muttergesellschaft der Beklagten die kartellrechtliche Beurteilung relevant geändert haben könnte:

4.2.1. Die Beklagte hat selbst behauptet (insbesondere in der Berufung), dass sich diese nach dem Vorprozess eingetretene Sachverhaltsänderung nur auf das Feststellungsbegehren auswirken kann, fand doch der Zusammenschluss erst im Frühjahr 2008 statt und werden Leistungsansprüche nur bis einschließlich Jänner 2008 geltend gemacht. Damit ist von einer allfälligen durch die Übernahme des Einkaufszentrums S***** herbeigeführten Kartellrechtswidrigkeit der Zusatzvereinbarung der Zuspruch von Entschädigungsleistungen nicht betroffen.

4.2.2. Hinsichtlich der Feststellung der Ersatzpflicht für zukünftige Entschädigungsleistungen hat die Beklagte bereits in der Verhandlung vom 19. 6. 2008 eine relevante Sachverhaltsänderung behauptet, indem sie auf die im Frühjahr 2008 erfolgte Übernahme des Einkaufszentrums S***** durch ihre Muttergesellschaft verwies und behauptete, dass dies zur Überschreitung des damals gültigen Schwellenwerts von 25 % für einen Teilmarkt und damit zum Wegfall der Ausnahme vom Kartellverbot des § 1 KartG nach § 2 Abs 2 Z 1 KartG für Bagatellkartelle geführt habe. Die Vorinstanzen haben sich mit den kartellrechtlichen Einwänden nicht befasst und dazu noch keine Feststellungen getroffen. Sollte sich erweisen, dass die Zusatzvereinbarung gemäß § 1 Abs 3 KartG (idF BGBl I 2005/61) nichtig geworden wäre, stünde die der Stattgebung des Feststellungsbegehrens insgesamt entgegen. Die Sachverhaltsgrundlage wird im fortzusetzenden Verfahren (allenfalls nach Unterbrechung des Verfahrens bis zur Beendigung des Kartellverfahrens) zu verbreitern sein.

5. Zum Verschulden:

5.1. Nach § 1297 ABGB wird vermutet, dass jeder, welcher den Verstandesgebrauch besitzt, eines solchen Grades des Fleißes und der Aufmerksamkeit fähig sei, welcher bei gewöhnlichen Fähigkeiten angewendet werden kann. Diese Bestimmung ist eine an der allgemeinen Lebenserfahrung orientierte Vermutung, welche zu einer vollen Beweislastumkehr führt (RIS-Justiz RS0026200). Das Wissen-Müssen richtet sich von vornherein nach dem, was ein maßgerechter Mensch in der konkreten Situation hätte wissen müssen (RIS-Justiz RS0026343 [T3]). Im vorliegenden Fall eines Einkaufszentrumsbetreibers ist die Beklagte sogar am erhöhten Sorgfaltsmaßstab des § 1299 ABGB zu messen (RIS‑Justiz RS0026211).

5.2. Die Beklagte könnte sich als juristische Person nur dann auf das „Recht auf Vergessen“ und damit auf ein fehlendes Verschulden berufen, wenn einer natürlichen Person in der Situation der Beklagten als Betreiberin eines Einkaufszentrums das Vergessen der Zustimmungsklausel nicht vorzuwerfen wäre. Dazu ist auszuführen, dass - in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht - auch 1 ½ Jahrzehnte nach Abschluss einer derartigen Vereinbarung davon auszugehen ist, dass ein professioneller Vermieter, egal ob er eine natürliche oder eine juristische Person ist, die entsprechenden mietvertraglichen Vereinbarungen bei Fortbestehen des Bestandverhältnisses evident hält. Daraus folgt, dass ein „Vergessen“ der Zusatzvereinbarung nicht geeignet ist, ein Verschulden an einem vertragswidrigen Verhalten auf Seiten der Beklagten betreffend die Vertragsabschlüsse mit s***** und E***** auszuschließen.

5.3. Die unrichtige Rechtsbelehrung der Beklagten durch ihren Rechtsanwalt über ihre Pflichten aus dem Mietvertrag samt Zusatzvereinbarung hat keinen Einfluss auf ihr Verschulden an den Vertragsverletzungen. Sie ist grundsätzlich selbst gehalten, ihre Rechtslage zu prüfen. Bedient sie sich dazu eines Rechtsanwalts, so kann hier dahingestellt bleiben, ob er ihr als Erfüllungsgehilfe nach § 1313a ABGB zuzurechnen ist oder nicht (vgl RIS-Justiz RS0118381, RS0070310 [T6], RS0021766 [T6]). Entweder haftet sie für das Verhalten des Erfüllungsgehilfen oder wegen der ihr selbst unterlaufenen Fahrlässigkeit bei der Verletzung ihrer eigenen Vertragspflichten. Auf die Vertretbarkeit der Rechtsansicht ihres Anwalts kommt es nur bei der Beurteilung seiner Haftung gegenüber seinem Mandanten an. Dazu kommt, dass die Beklagte bereits vor dem Vertragsabschluss mit C ***** über eine 500 m² übersteigende Fläche von der Klägerin durch die im März 2002 eingebrachte Klage in Anspruch genommen worden war also wusste, dass ihre Rechtsmeinung vom Vertragspartner angezweifelt wurde.

6. Zur Verjährung:

6.1. Gemäß § 1497 ABGB wird die Verjährung durch Klageführung (nur dann) unterbrochen, sofern das Verfahren vom Kläger gehörig fortgesetzt wird. Keine gehörige Fortsetzung liegt nur dann vor, wenn der Kläger eine ungewöhnliche Untätigkeit an den Tag legt, die darauf schließen lässt, dass ihm an der Erreichung des Prozessziels nicht mehr gelegen ist (RIS-Justiz RS0034765). Dabei ist nicht nur auf die Dauer der Untätigkeit, sondern vor allem auf die Gründe Bedacht zu nehmen (RIS-Justiz RS0034849). Wenn sich - wie hier - die Beklagte auf Verjährung wegen nicht gehöriger Fortsetzung des Verfahrens beruft, ist es Aufgabe des Klägers, beachtliche Gründe für seine Untätigkeit und für die Nichtaufnahme und Nichtfortsetzung des Verfahrens vorzubringen und erforderlichenfalls unter Beweis zu stellen (RIS-Justiz RS0034704, RS0034805). Von Amts wegen ist allerdings zu prüfen, ob der Kläger überhaupt gehalten war, eine Prozesshandlung vorzunehmen, um einem Verfahrensstillstand wirksam zu begegnen. Konnte oder musste er eine Tätigkeit des Gerichts abwarten, kann aus seiner Untätigkeit nicht ohne weiteres der Schluss gezogen werden, es sei ihm an der Erreichung des Prozessziels nichts mehr gelegen (RIS-Justiz RS0034755). In Fällen, in denen die Fortsetzung des Verfahrens dem Prozessgericht obliegt und daher dem Kläger nur vorgeworfen werden kann, die ausstehende Prozesshandlung beim säumigen Gericht nicht betrieben zu haben, ist stets ein großzügiger, sonst ein strenger Maßstab anzulegen (RIS-Justiz RS0109334 [T2]).

6.2. Aus dem Akteninhalt ‑ eine nähere Präzisierung der Untätigkeit bleibt die Beklagte in ihrer Revision schuldig - ist ersichtlich, dass das Verfahren zwei Mal im Hinblick auf den Vorprozess (Haupt- und Wiederaufnahmeverfahren) unterbrochen war. Eine Verzögerung trat weiters durch Richterwechsel ein. Da die Klägerin nicht zur Betreibung des Prozesses verpflichtet war, ist ihr keine ‑ die Verjährung bewirkende ‑ Untätigkeit vorzuwerfen. Die Vorinstanzen haben daher zutreffend der Verjährungseinrede keine Berechtigung zuerkannt.

7. Zur Schadensberechnung:

Von der Unterlassungsverpflichtung ist der gesamte - eine 500 m² übersteigende Fläche beinhaltende - Vertragsabschluss erfasst, weshalb keine Kürzung des Anspruchs im Umfang jenes Schadens vorzunehmen ist, der bei einer an sich - ohne Einholung einer Zustimmung - zulässigen Vermietung einer Fläche von 500 m² entstanden wäre. Damit ist - in Übereinstimmung mit den Vorinstanzen - der bei der Klägerin durch die unzulässige Vermietung eingetretene Gewinnentgang zur Gänze von der Beklagten zu ersetzen.

8. Zum Feststellungsinteresse betreffend s***** und E*****:

8.1. Nach § 228 ZPO erfordert jede Feststellungsklage ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung eines Rechtsverhältnisses oder Rechts. Diese Voraussetzung ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen (RIS-Justiz RS0039123). Ein Feststellungsinteresse wird von der ständigen Rechtsprechung dann bejaht, wenn die Möglichkeit offen bleibt, dass das schädigende Ereignis den Eintritt eines künftigen Schadens verursachen könnte, sohin ein künftiger Schadenseintritt nicht mit Sicherheit (oder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit) auszuschließen ist (RIS-Justiz RS0038976, RS0038865, RS0039018). Das heißt, die herrschende Judikatur lässt unter bestimmten Voraussetzungen auch die Feststellung einer (allfälligen) Ersatzpflicht für künftige Schäden aus einem bestimmten (zumindest potentiell schädigenden) Ereignis zu, wenn noch kein feststellbarer Schaden eingetreten ist (RIS-Justiz RS0038976 [T19]). Das rechtliche Interesse wird nicht nur dann bejaht, wenn ohne gerichtliche Geltendmachung die Verjährung zukünftiger Schadenersatzansprüche droht, sondern ausnahmsweise auch dann, wenn - ohne Verjährungsrisiko - eine zeitnahe Klärung bestimmter Umstände, die für denkbare zukünftige Schadenersatzansprüche von Bedeutung sein können, objektiv zweckmäßig erscheint (RIS-Justiz RS0038976 [T32]). Die Feststellung der Ersatzpflicht für künftige Schäden wird sich in diesen Fällen - mangels eines bereits eingetretenen Schadens - nur auf die Feststellung des schadensverursachenden Ereignisses, des rechtswidrigen Verhaltens und eines allenfalls erforderlichen Verschuldens beschränken (RIS-Justiz RS0038822 [T1]; 4 Ob 23/14g mwN; 7 Ob 28/14i).

Das Feststellungsinteresse muss jedenfalls noch im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz vorhanden sein (RIS-Justiz RS0039204 [T1]). Es fehlt, wenn der Kläger seinen Anspruch bereits zur Gänze mit Leistungsklage geltend machen kann (RIS-Justiz RS0038817).

8.2. Die von s***** in Bestand genommene Fläche wurde bereits per Jahresbeginn 2008 auf ein nach der Zusatzvereinbarung zulässiges Ausmaß reduziert. Zur Größe der (verkleinerten) Bestandfläche der Firma E***** hat das Erstgericht zwar eine Negativfeststellung getroffen, sodass kein sekundärer Feststellungsmangel vorliegt (RIS-Justiz RS0053317 [T1]); jedoch steht fest, dass im Zusammenhang mit der ursprünglich in Bestand gegebenen größeren Fläche kein Schaden entstanden ist. Ein Feststellungsinteresse könnte daher für diese beiden Unternehmen nur dann bestehen, wenn ein künftiger Schadenseintritt nicht mit Sicherheit auszuschließen ist. Dazu fehlen noch Feststellungen.

9. Kosten:

Der Kostenvorbehalt beruht auf §§ 50 Abs 1, 52 Abs 1 und 4 ZPO.

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